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Die Folgen eines Mißbrauchs der Vertretungsmacht durch die Pflegeeltern

Teil 4: Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts, Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts und weiterer Vorschriften und Gesetz zur Beschränkung der

7. Die Folgen eines Mißbrauchs der Vertretungsmacht durch die Pflegeeltern

Bei der Ausübung ihrer Vertretungbefugnis gem. § 1688 I BGB n.F. haben die Pflegepersonen die im jeweiligen Innenverhältnis zum Inhaber der elterlichen Sorge geltenden Regeln zu beachten.968 Bei dem Innenverhältnis zum Inhaber der elterlichen Sorge handelt es sich im Fall eines entgeltlichen Vertrags um einen gemischten schuldrechtlichen Vertrag mit dienst-. und werkvertraglichen Elementen, im Fall eines unentgeltlichen Vertrags um einen Auftrag i.S.d. §§ 662 ff BGB und im Fall einer nicht auf einem Vertrag beruhenden Inobhutnahme des Kindes um eine Geschäftsführung ohne Auftrag i.S.d. §§ 677 ff BGB.969 Falls es in Bezug auf die im jeweiligen Innenverhältnis geltenden Regeln zu einer Überschreitung der Grenzen des rechtlichen Hinnehmbaren kommt, liegt ein Mißbrauch der Vertretungsmacht vor.970 Im Zusammenhang mit einem Pflegeverhältnis ist ein Mißbrauch beispielsweise dann möglich, wenn die Anschaffung bestimmter Sachen im Innenverhältnis erst vom Sorgeberechtigten genehmigt werden müßte, die Pflegeperson sich aber nicht an die Abmachung hält und in Bereicherungs- und/oder Schädigungsabsicht durch den Erwerb minderwertiger Sachen den Eltern bzw. dem Pflegekind mittels Täuschung außergewöhnlich hohe Kosten verursacht. Der Kaufvertrag ist wirksam, obwohl die Pflegeperson ihre Pflichten aus dem Innenverhältnis verletzt hat.

Da das BGB den Mißbrauch der Vertretungsmacht nicht regelt, haben Rechtssprechung und Lehre im wesentlichen drei unterschiedliche Lösungsvorschläge entwickelt.

Denkbar erscheint unter anderem ein Lösungsansatz, bei dem der Mißbrauch der Vertretungsmacht als Sonderfall der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) behandelt wird, der dann Kollusion genannt wird. Eine Kollusion setzt voraus, daß der Vertreter mit dem Vertrags-partner arglistig zum Nachteil des Vertretenen zusammengewirkt hat.971 Bei einer Kollusion liegt eine Treubruchförderung vor.

Darüber hinaus kann ein Mißbrauch der Vertretungsmacht einen Rechtsmißbrauch i.S.v. § 242 BGB darstellen. Ein derartiger Rechtsmißbrauch liegt nach Ansicht des BGH vor, wenn mit den durch die Vertretungsbefugnis eingeräumten Rechten in treuwidriger Weise verfahren wird, vor allem deshalb, weil objektiven Interessen des Vertretenen, die dem Vertreter

968Palandt-Heinrichs, § 164, 13; Staudinger-Schilken, § 167, 91 969Giese, RdJB, 1976, 66

970Palandt-Heinrichs, § 164, 13; Staudinger-Schilken, § 167, 91 971Palandt-Heinrichs, § 164, 13; Staudinger-Schilken, § 167, 93

bekannt waren, ein Nachteil zugefügt wurde. Ein Mißbrauch der Vertretungsmacht setzt einen Nachteil für den Vertretenen voraus.972 Selbst wenn der Interessenverstoß oder die Mißachtung des Willens regelmäßig an den durch das Innenverhältnis begründeten Grundsätzen über die Ausübung der Vertretungsmacht zu messen sind, erfüllen keineswegs alle Pflichtwidrigkeiten die Anforderungen des § 242 BGB. Beispielsweise setzt ein Rechtsmißbrauch nach h.M. einen Vorsatz seitens des Vertreters voraus.973 Der h.M. ist meines Erachtens zuzustimmen, weil ein Mißbrauch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als unzulässige Rechtsausübung nur in einem bewußten und gewollten Handeln bestehen kann. Im Vergleich zum Zivilrecht ist das Steuerrecht noch strenger;

dort setzt der Mißbrauchstatbestand des § 42 S. 2 AO sogar ein absichtliches Handeln voraus, d.h. mehr als einen bloßen Vorsatz.974

Hingegen betrachtet die herrschende Lehre das Problem des Mißbrauchs der Vertretungs-macht als solches des Vertretungsrechts.975 Tatsächlich besteht der richtige Ansatzpunkt in der Einschränkung des mit dem Abstraktionsprinzip beabsichtigten Verkehrsschutzes bei fehlender Schutzbedürftigkeit des Vertragspartners. Die Verselbständigung der Vertre-tungsbefugnis gegenüber der Pflichtbindung im Innenverhältnis dient der Herbeiführung von Verläßlichkeit für den Rechtsverkehr, die wiederum eine Offensichtlichkeit der Vertretungsbefugnis voraussetzt. Wo jedoch der Vertragspartner keinen Anlaß für Verläß-lichkeit sehen kann, da sich dem Vertragspartner der Eindruck aufdrängen muß, daß der Vertreter gegen seine Pflichten im Innenverhältnis verstößt, fällt der Grund für die weitere Geltung der abstrahierenden Regelung der §§ 164 ff BGB weg.976 Daraus ergibt sich entgegen der Ansicht eines Teils der Rechtsprechung,977 daß beim Vertreter ein Verstoß gegen die Pflichtenbindung im Innenverhältnis, d.h. ein objektiver Mißbrauch der Vertre-tungsbefugnis genügt, so daß es weder auf Vorsatz zum Nachteil des Vertretenen978 noch auf Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Pflegeperson als Vertreter ankommt; doch ist letzteres regelmäßig der Fall.979 Ebensowenig spielt die Unterscheidung zwischen zweckwidrigem, pflichtwidrigem und treuwidrigem Handeln des Vertreters eine Rolle. Für die letztgenannte Ansicht sprechen meines Erachtens folgende Gründe:

· Zum einen dienen die von der Rechtsprechung und Lehre in Bezug auf den Mißbrauch der

972Staudinger-Schilken, § 167, 94; BGH, NJW 1962, 1718

973Staudinger-Schilken, § 167, 94; BGHZ 50, 112, 114; BGH, WM 1976, 658 und 1981, 66; NJW 1990, 384

974Friemel/Schiml, S. 35

975K. Schmidt, A c P 174, 59; Staudinger-Schilken, § 167, 95 976Staudinger-Schilken, § 167, 95

977BGH, NJW 1984, 1461 und 1988, 3012

978Palandt-Heinrichs, § 164, 14; BGH, NJW 1988, 3012 979Staudinger-Schilken, § 167, 95

Vertretungsmacht aufgestellten Grundsätze primär dazu, den Vertretenen zu schützen,980 und nicht dazu, den Vertreter zu bestrafen. Deshalb sollten in diesem Zusammenhang ebensowenig wie im Rahmen des § 1632 IV BGB Verschuldensgesichtspunkte eine Rolle spielen.

· Zum anderen dürfte dem Vertretenen der Nachweis eines Verschuldens seitens des Vertreters bisweilen Schwierigkeiten bereiten. Daher gebietet ein effektiver Schutz des Vertretenen, auf das Erfordernis des Nachweises eines Verschuldens seitens des Vertreters zu verzichten.

Jedoch betreffen die Tatbestandselemente des Mißbrauchs der Vertretungsmacht nicht ausschließlich die Person des Vertreters, sondern auch die Seite des Vertragspartners. Zwar trifft den Vertragspartner grundsätzlich keine Prüfungspflicht; denn das Risiko eines Mißbrauchs der Vertretungsmacht trägt in der Regel der Vertretene.981 Doch braucht der Vertretene das Risiko unstreitig nicht tragen, wenn der Vertragspartner vom Vollmachts-mißbrauch des Vertreters wußte, ohne mit dem Mittel der Kollusion mit ihm zusammen-zuwirken. Hingegen ist in den anderen Fällen umstritten, welche Anforderungen an einen Mißbrauch der Vertretungsmacht gestellt werden müssen.982 Nach heute h.M. muß der Mißbrauch der Vertretungsbefugnis für den Vertragspartner ohne Rücksicht auf einen bestimmten Verschuldensgrad offensichtlich sein.983 Eine derartige Offensichtlichkeit setzt weder eine Kenntnis noch ein Kennenmüssen seitens des Vertragspartners voraus, obwohl dies regelmäßig der Fall ist. Nach Ansicht des BAG ist es nicht ausreichend, daß der Vertragspartner die dem Vertreter im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen kannte oder kennen mußte.984 Anders ist es lediglich dann, wenn der Vertragspartner der ständige juristische Berater des Vertretenen war.985 Dagegen begründet die Offensichtlichkeit für den Vertragspartner nach der Gegenansicht für diesen lediglich eine Informationspflicht , wobei erst deren fahrlässige Verletzung den Mißbrauchstatbestand erfüllt.986 Des weiteren wird in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten, daß eine Offensichtlichkeit des Mißbrauchs lediglich bei grober Fahrlässigkeit des Vertragspartners den Tatbestand des Vollmachtsmißbrauchs erfüllen könne.987 In diesem Zusammenhang gilt es meines Erach-tens zu bedenken, daß dem Vertretenen, zu dessen Schutz die Rechtsprechung die Grund-sätze in bezug auf den Mißbrauch der Vertretungsmacht aufstellte, der Nachweis des

980Medicus, BGB-AT, S. 359

981BGH, NJW 1994, 2083; Palandt-Heinrichs, § 164, 13 982Staudinger-Schilken, § 167, 97

983Staudinger-Schilken, § 167, 96; BGHZ 50, 112, 114; BGH, NJW 1966, 1911; WM 1976, 632 und 1981, 66 und 1989, 1068 und 1992, 1362; NJW 1988, 3012; NJW-RR 1987, 307; Palandt-Heinrichs, § 164,14 984BAGE 12, 155

985BGH, MDR 1978, 388; Palandt-Heinrichs, § 164, 14

986Staudinger-Schilken, § 167, 98; BGHZ 50, 112, 114; BGH, MDR 1964, 592; WM 1966, 491 u. 1989, 1068; BAG, BB 1978, 964

987Staudinger-Schilken, § 167, 98; Tank, NJW 1969, 8

erforderlichen Verschuldens seitens des Vertragspartners um so schwerer fällt, je höhere Anforderungen man an den notwendigen Grad des Verschuldens stellt; das heißt mit anderen Worten, daß dem Vertretenen z.B. der Nachweis einfacher Fahrlässigkeit leichter fällt, als der Nachweis grober Fahrlässigkeit.

Die Rechtsfolgen des Mißbrauchs der Vertretungsbefugnis hängen vor allem davon ab, ob eine Kollusion vorliegt oder nicht. Denn soweit eine Kollusion in den Anwendungsbereich des

§ 138 BGB fällt, hat dies die Nichtigkeit der mißbräuchlich abgegebenen Willenserklärung zur Folge.988 Der Vertretene wird nicht gebunden.989 Gleiches gilt, soweit die Kollusion aufgrund des Verstoßes gegen Strafnormen nach § 134 BGB zu beurteilen ist.990 Als Strafnorm, gegen die eine Kollusion möglicherweise verstößt, kommt insbesondere § 266 I, F.1 StGB (Untreue) in Betracht. Denn § 266 I, F.1 StGB besteht im Mißbrauch einer nach außen wirkenden Vertretungsbefugnis, indem der Täter etwas tut, was er nach außen kann, nach innen jedoch nicht darf.991 Wurde aber dem Vertretenen lediglich der Scheincharakter des abgeschlossenen Rechtsgeschäfts verheimlicht, darf sich der Vertragspartner gegenüber einem Erfüllungsbegehren seitens des Vertretenen nicht auf den Scheincharakter berufen.992

Auch bei in offensichtlichem Mißbrauch der Vertretungsbefugnis vorgenommenen Prozeß-handlungen (Rechtsmittelverzicht, Rechtsmittelrücknahme) tritt Unwirksamkeit ein.993 Denn in einem solchen Fall fehlt dem Vertreter notwendig die Vertretungsmacht, die in jedem Fall eine Prozeßhandlungsvoraussetzung darstellt und deren Fehlen die Unbeachtlichkeit einer dennoch vorgenommenen Prozeßhandlung zur Folge hat.994 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Inhaber der elterlichen Sorge als gesetzlicher Vertreter des Pflegekindes die Prozeßhandlung der Pflegeperson als vollmachtlosem Vertreter genehmigt (§§ 89 II, 551 Nr. 5, 579 I Nr. 4 ZPO) und dadurch den Mangel der Vertretung rückwirkend heilt.995

Dagegen sind in anderen Mißbrauchsfällen die Rechtsfolgen des mißbräuchlichen Vertreter-handelns umstritten und hängen von der rechtsdogmatischen Einordnung der Lösung ab.

Ursprünglich billigte die Rechtsprechung dem Vertretenen die Einrede der Arglist zu.996 Darüber hinaus berechtigt nach heutiger Auffassung § 242 BGB den Vertretenen zum

988Staudinger-Schilken, § 167, 100; RGZ 130, 131, 142; Tank, NJW 1969, 8; Palandt-Heinrichs, § 164, 13 989Palandt-Heinrichs, § 164, 13; RGZ 136, 356

990Palandt-Heinrichs, § 134, 23; Staudinger-Schilken, § 167, 100, Wank, JuS 1979, 405 991Dreher/Tröndle, § 266, 1 a; BGHSt 5, 63; Wistra 1990, 305

992RGZ 134, 33, 37; Palandt-Heinrichs, § 117, 7

993Staudinger-Schilken, § 167, 100; BGH, WM 1962, 415 994Jauernig, § 22 V 1, S. 63

995Jauernig, § 22 V 1, S. 63; BGHZ 92, 140 ff 996RGZ 71, 219, 222; 101, 64, 73; 159, 363, 367

Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, wenn der Vertreter von seiner Vertretungs-macht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch geVertretungs-macht hat, so daß dem Vertragspartner begründete Zweifel entstehen mußten.997 Somit macht der Mißbrauch der Vertretungsmacht die betreffende Willenserklärung unverbindlich.998 Hingegen gehört auch die Frage nach den Rechtsfolgen des Mißbrauchs nach der herrschenden Lehre in der Literatur dem Recht der Stellvertretung an.999

Eine Meinung in der Literatur möchte auf die Regeln über die c.i.c. zurückgreifen und dem Vertragspartner, der seine Informationspflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis infolge mangelnder Aufklärung verletzt hat, als Schadensersatz auferlegen, auf die Rechte aus dem Vertretergeschäft zu verzichten.1000 Allerdings würde auch dieser Weg die Einordnung in das Recht der Stellvertretung, die den Vorzug verdient, ohne zwingenden Grund verlassen, und es würde auf ein Verschulden des Vertragspartners ankommen. - Diese Literaturmeinung lehne ich aus dem letztgenannten Grund ab, da sie dem Vertretenen den Nachweis des Verschuldens auferlegt, ein wirksamer Schutz des Vertretenen jedoch gebietet, auf das Erfordernis des Nachweises eines Verschuldens seitens des Vertragspartners zu verzichten.

Den Vorzug verdient die Bestimmung der Rechtsfolgen des Mißbrauchs der Vertretungsbe-fugnis, die den Rahmen des Stellvertretungsrechts einhält. Die Lösung des Problems liegt darin, im Handeln des mißbräuchlich wirkenden Vertreters ein Handeln ohne Vertretungsmacht zu sehen. In Verbindung damit bietet sich die Möglichkeit, gem. § 177 I BGB schwebend unwirksamen Verträgen bei einem Wahlrecht des Vertretenen durch eine Genehmigung gem. § 177 I BGB zur Wirksamkeit zu verhelfen. Diese Lösung berücksichtigt zutreffend die Einschränkung des Abstraktionsprinzips zu Lasten des nicht schutzwürdigen Dritten und zugunsten des schutzwürdigen Vertretenen. Gerade aufgrund des Verhaltens des Vertragspartners ist es gerechtfertigt, dem Vertragspartner und nicht dem Vertretenen das Risiko des Vertreterverhaltens aufzuerlegen.1001 Ebenso wie bei anderen Formen des Handelns ohne Vertretungsmacht ist es gerechtfertigt, daß die Eigen-haftung des Vertreters wegen § 179 III 1 BGB ausscheidet, da der Dritte bei Kenntnis oder Offensichtlichkeit des Mißbrauchs der Vertretungsmacht keinen Schutz verdient.

Abzulehnen ist der Vorschlag, die Folgen des Mißbrauchs der Vertretungsbefugnis mit Hilfe einer entsprechenden Anwendung des § 181 BGB zu bestimmen. Einen Interessenkonflikt zu vermeiden ist zwar das Motiv des Gesetzgebers, aber die Vermeidung eines

997Palandt-Heinrichs, § 164, 14; Staudinger-Schilken, § 167, 101; BGHZ 113, 315, 320 998BGH, WM 1976, 632; Heckelmann, JZ 1970, 62

999Staudinger-Schilken, § 167, 101 1000Staudinger-Schilken, § 167, 102 1001Staudinger-Schilken, § 167, 103

Interessenkonflikts allein ist zur Tatbestandserfüllung nicht ausreichend. Folglich sind die vorgeschlagenen Rechtsfolgen nicht adäquat.

Entgegen der Rechtssprechung ist der Ansicht zuzustimmen, daß bei der Bestimmung der Rechtsfolgen des Mißbrauchs der Vertretungsmacht § 254 BGB außer Betracht zu bleiben hat. Im Anschluß an die Erwägung, daß § 242 BGB die Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls verlangt, stellte er BGH den Satz auf, daß der Vertretene keinen Schutz genieße, weil es lediglich durch sein Unterlassen der nötigen zumutbaren Kontrolle des Vertreters zu dessen mißbräuchlichem Verhalten habe kommen können. Der Rechts-gedanke des § 254 BGB gebiete es daher, die nachteiligen Folgen des Rechtsgeschäfts nach Maßgabe des jeder Seite zur Last fallenden Verschuldens zu verteilen.1002 Bereits der Verschuldensgedanke paßt nach der hier vertretenen Lösung nicht.

Unabhängig hiervon kann jedoch der Verteilungsgedanke es § 254 BGB lediglich für die auf einem Mißbrauch der Vertretungsmacht beruhenden Schadensersatzansprüche gelten,1003 nicht jedoch für den Erfüllungsanspruch, der als solcher unteilbar ist und deshalb gem.

§ 242 BGB insgesamt nicht durchsetzbar werden darf.1004 Das Gegenargument,1005 auch

§ 254 BGB beinhalte lediglich eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB), muß aufgrund dieser Bedenken abgelehnt werden.1006 Eine Anwendung des § 254 BGB käme lediglich dann in Betracht, falls sich aus dem Verhalten des Vertreters oder des Vertretenen Schadensersatzansprüche aus c.i.c. i.V.m. § 278 BGB ergeben würden. Zudem spielt bei Pflegeverhältnissen die Frage, ob § 254 BGB Anwen-dung findet, ohnehin nur eine geringe Rolle. Denn dem Inhaber der elterlichen Sorge kann regelmäßig keine mangelnde Überwachung der Pflegepersonen zur Last gelegt werden, da die Pflegeeltern nicht in häuslicher Gemeinschaft mit dem Personensorgeberechtigten leben und da dieser aufgrund von Abwesenheit, Krankheit, Zeitmangel oder dergleichen selten zu einer Kontrolle der Pflegepersonen imstande ist.

In Bezug auf das Verhältnis zwischen dem Inhaber der elterlichen Sorge als Vertretenem und der Pflegeperson als Vertreter richten sich die Rechtsfolgen auch im Fall des Mißbrauchs der Vertretungsmacht nach den Regeln, die im Fall der Verletzung der im Innenverhältnis bestehenden Pflichten gelten.1007 Hierbei könnten insbesondere wohl auch Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung in Betracht kommen.

1002Palandt-Heinrichs, § 164, 14a; BGHZ 50, 112, 114; OLG Hamm, WM 1976, 140; Pröls, JuS 1985, 578 1003vgl. § 254 I 1 BGB: "Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten

mitgewirkt ..."

1004Heckelmann, JZ 1970, 64; H.P. Westermann, JA 1981, 521, 526 1005z.B. in BGHZ 50, 112, 115

1006Staudinger-Schilken, § 167, 104 1007Staudinger-Schilken, § 168, 105

Im Fall der Kollusion liegt zwar eine unerlaubte Handlung i.S.v. § 826 BGB sowohl seitens der Pflegeperson als Vertreter, als auch seitens des Vertragspartners vor, wegen der die Pflegeperson und der Vertragspartner ggf. gesamtschuldnerisch i.S.v. § 421 BGB haften können.

Jedoch erleidet weder der Inhaber der elterlichen Sorge noch das Kind infolge der Überschreitung der Vertretungsmacht einen Schaden, unabhängig davon, welchem der drei möglichen Lösungsansätze man sich anschließt; denn entweder bestehen wegen Nichtigkeit des Vertrags (§ 138 BGB) oder wegen rechtshindernder Einwendungen (§ 242 BGB) lediglich Kondiktionsansprüche (§ 812 I 1, Fall 1 BGB) des Vertragspartners gegen das Kind oder der Vertragspartner kann von der Pflegeperson gem. § 179 I BGB die Erfüllung des Vertrags in vollem Umfang verlangen. Daher haben der Inhaber der elterlichen Sorge und das Kind gegen die Pflegeeltern im Fall einer Überschreitung der Vertretungsbefugnis grundsätzlich weder Ansprüche, die auf dem zwischen den Pflegepersonen und den leiblichen Eltern bestehenden schuldrechtlichen Verhältnis beruhen, noch Ansprüche gem. § 826 BGB.

8. Die Vereinbarkeit von § 1688 BGB n.F. mit Art. 8 EMRK

Hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 1688 BGB n.F. mit Art. 8 EMRK muß meines Erachtens danach differenziert werden, ob der Inhaber der elterlichen Sorge noch das Recht besitzt, die Vertretungsbefugnisse der Pflegeeltern auszuschließen oder einzuschränken oder nicht.

Dies ist stets der Fall, es sei denn, das Kind hält sich gem. § 1688 IV BGB n.F. aufgrund einer gerichtlichen Verbleibensanordnung gem. § 1632 IV BGB bei den Pflegepersonen auf.

· Soweit diese Ausnahmeregelung keine Anwendung findet, fehlt es bereits an einem Eingriff in das Grundrecht aus Art. 8 EMRK. Denn nur ein staatliches Handeln, das dem einzelnen ein Verhalten, das vom Schutzbereich des betreffenden Grundrechts erfaßt wird, unmöglich macht, stellt einen Eingriff in dieses Grundrecht dar.1008 Die in § 1688 I BGB n.F. normierten Vertretungs- und Entscheidungsrechte der Pflegeeltern machen es dem Inhaber der elterlichen Sorge nicht unmöglich, die Pflegepersonen von einer Vertretung des Kindes und einer Entscheidung anstelle von ihm abzuhalten. Denn gem. § 1688 III 1 BGB n.F. steht dem Inhaber der elterlichen Sorge jederzeit die Möglichkeit offen, die Befugnisse der Pflegeeltern mit Hilfe einer abweichenden Erklärung auszuschließen oder einzuschränken, wobei die abweichende Erklärung zur Folge hat, daß die gesetzliche

1008Pieroth/Schlink, Rnr 274, S. 65

Regelvermutung des § 1688 I BGB n.F. nicht gilt.1009 Ihr vorrangiges Erziehungsrecht eröffnet den biologischen Eltern die Möglichkeit, die Sorgeberechtigung der Pflegeeltern auch bei einem Fortbestand des Pflegeverhältnisses gänzlich auszuschließen. Der Ausschluß des Sorgerechts der Pflegepersonen bedarf nicht einmal einer bestimmen Form.1010

Zusätzlich räumt der deutsche Gesetzgeber dem Erziehungsrecht der biologischen Eltern auch im Einzelfall den Vorrang ein, d.h. selbst dann, wenn diese keine abweichende Erklärung i.S.v. § 1688 III 1 BGB n.F. abgegeben haben.1011 Dies bedeutet, daß § 1688 BGB n.F. den Vorrang der natürlichen Eltern gegenüber den Pflegeeltern unberührt läßt.1012

Da es bereits an einem Eingriff in das Grundrecht aus Art. 8 EMRK fehlt, stellt sich die Frage einer Verletzung dieses Artikels nicht.

· Falls § 1688 IV BGB n.F. einschlägig ist, liegt zwar ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 8 EMRK vor, da es dem Inhaber der elterlichen Sorge unmöglich gemacht wird, die Pflegeeltern von einer Vertretung des Kindes und einer Entscheidung anstelle von ihm abzuhalten. Jedoch verstößt § 1688 BGB n.F. auch in dieser Fallvariante nicht gegen Art. 8 EMRK. Denn sogar die aus der Sicht der natürlichen Eltern noch einschneidendere Übertragung des Personensorgerechts auf die Pflegeeltern ist unter Berücksichtigung des den nationalen Stellen durch Art. 8 II EMRK eingeräumten Ermessensspielraums mit Art.

8 EMRK vereinbar, wenn hinreichende Gründe, z.B. ein mehrjähriger Aufenthalt des Kindes bei den Pflegepersonen oder enge Beziehungen des Kindes zur Pflegefamilie, hierfür vorliegen.1013 Hieraus folgt im Weg eines Erstrecht-Schlusses, daß auch der weniger einschneidende Verlust des Rechts, die Befugnisse der Pflegeeltern einzuschrän-ken oder auszuschließen, im Einklang mit Art. 8 EMRK steht. Als hinreichender Grund für den Verlust dieses Rechts i.S.v. Art. 8 EMRK kommt insbesondere die infolge der nach dem Erlaß einer Verbleibensanordnung erfahrungsgemäß bestehenden Konfliktsituation drohende Gefahr in Betracht, daß der Personensorgeberechtigte durch eine gem. § 1688 III 1 BGB n.F. regelmäßig zulässige abweichende Erklärung das Pflegeverhältnis stört.1014 9. Die Vereinbarkeit von § 1688 BGB n.F. mit Art. 6 II GG

In ähnlicher Weise wie bezüglich der Vereinbarkeit von § 1688 BGB n.F. mit Art. 8 EMRK

1009MüKo-BGB-Hinz, § 38 SGB VIII/KJHG, 3; Münder, § 38, 4 1010Windel, FamRZ 1997, 713, 720

1011Windel, FamRZ 1997, 713, 720 1012BT-Drucksache 13/4899, S. 58 1013Fahrenhorst, FamRZ 1996, 461 1014BT-Drucksache 13/4899, S. 155

muß meines Erachtens bezüglich der Vereinbarkeit von § 1688 BGB n.F. mit Art. 6 II GG danach unterschieden werden, ob dem Sorgeberechtigten noch das Recht zusteht, die Vertretungsbefugnisse der Pflegepersonen auszuschließen oder einzuschränken oder nicht.

Dies ist immer der Fall, ausgenommen in denjenigen Fällen, in denen sich das Kind gem.

§ 1688 IV BGB n.F. aufgrund einer gerichtlichen Verbleibensanordnung gem. § 1632 IV BGB in der Obhut der Pflegeeltern befindet.

· Falls diese Ausnahmeregelung nicht einschlägig ist, greift § 1688 BGB n.F. überhaupt nicht in das Grundrecht aus Art. 6 II GG ein, ebensowenig in das Grundrecht aus Art. 8 EMRK.

Soweit § 1688 IV BGB n.F. Anwendung findet, liegt zwar ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 6 II GG vor, weil dem Inhaber der elterlichen Sorge die Möglichkeit genommen wird, die Pflegepersonen von einer Vertretung des Kindes und einer Entscheidung anstelle von ihm abzuhalten. Dennoch steht § 1688 IV BGB n.F. auch in dieser Fallvariante im Einklang mit Art. 6 II GG, weil das Kindeswohl den in § 1688 IV BGB n.F. normierten Eingriff in das Elternrecht erfordert.1015 Denn aufgrund der nach dem Erlaß einer Verbleibensanordnung erfahrungsgemäß bestehenden Konfliktsituation würde anderenfalls regelmäßig die Gefahr drohen, daß der Inhaber der elterlichen Sorge mittels einer gem.

§ 1688 III 1 BGB n.F. grundsätzlich zulässigen abweichenden Erklärung das Pflegever-hältnis stört.1016

D. Die Übertragung von Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeeltern gem. § 1630 III BGB n.F.

1. Sinn und Zweck, sowie Entstehungsgeschichte des § 1630 III BGB n.F.

§ 1630 III BGB a.F. wurde ebenso wie § 1632 IV BGB für besonders dringlich erachtet und durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18.07.19791017

§ 1630 III BGB a.F. wurde ebenso wie § 1632 IV BGB für besonders dringlich erachtet und durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18.07.19791017