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2. Stand der Forschung

2.4. Zentrale analytische Techniken

2.4.2. Festkörper NMR Spektroskopie

Die Grundlagen der Festkörper Spektroskopie sind weitestgehend identisch mit denen der NMR-Spektroskopie in flüssiger Phase oder der ESR-NMR-Spektroskopie. Im Unterschied zur ESR-NMR-Spektroskopie betrachtet die NMR jedoch Kernspins und deren Ausrichtung in einem Magnetfeld. Für eine ausführliche Beschreibung der Theorie kann eine Vielzahl an Festkörper- und Flüssig-NMR Lehrbüchern herangezogen werden.144-146

2.4.2.1. Grundlagen der magic angle spinning (MAS) NMR

Moleküle in einer Lösung können sich frei drehen. Unter der Voraussetzung, dass die Änderungsrate der Molekülorientierungen schnell ist in Bezug auf Anisotropie der beobachteten Wechselwirkungen (chemische Verschiebungsanisotropie, Dipol-Dipol-Wechselwirkung, ...) wird die Anisotropie ausgemittelt.

Abbildung 15. cw-ESR-Spektren eines Nitroxids für verschiedene Rotationskorrelationszeiten . (Die Spektren wurden mit EasySpin unter Verwendung von g =[2.0088 2.0061 2.0027], A = [16 16 86] und der angegebenen -Werte simuliert.)

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In der Festkörper-NMR wird hauptsächlich mit Pulverproben gearbeitet, die aus vielen Kristalliten zufälliger Orientierung bestehen. In einem statischen Experiment führen verschiedenen Molekülorientierungen zu verschiedenen Übergangsfrequenzen, da keine Orientierungsmittelung stattfindet. So können zusätzliche Informationen aus den Spektren gewonnen werden. Enthält die Probe allerdings verschiedene, nicht äquivalente Kernspinzentren, können sich die individuellen Spektren überlagern, wodurch jegliche Information, die die Spektren enthalten, verschleiert wird.

Durch die Rotation um den magischen Winkel (magic angle spinning) kann dieses Problem gelöst und Resultate vergleichbar mit Flüssigkeiten erzielt werden (Abbildung 16). Wird die Probe um einen Winkel 5l in Bezug auf das angelegte Feld rotiert, ändert sich der Winkel 5 mit der Zeit, der die (anisotrope) chemische Abschirmung eines fixierten Moleküls innerhalb der Probe beschreibt. Der Mittelwert von (3CDEF5 1I kann unter diesen Umständen beschrieben werden als

〈3CDEF5 1〉 @

FB3CDEF5l 1IB3CDEF 1I (11) Mit dem Winkel wie in Abbildung 16 beschrieben. und 5 können alle möglichen Orientierungen einnehmen, 5l ist allerdings unter der Kontrolle des Experimentators. Wird für 5l der magische Winkel von 54.74° gewählt, ist B3CDEF5l 1I 0 und 〈3CDEF5 1〉 ist ebenfalls Null. Ist die Rotationsgeschwindigkeit groß genug, können alle anisotropen Wechselwirkungen zu Null gemittelt und hochaufgelöste Spektren erhalten werden.

Im Rahmen dieser Arbeit stellt die Rotation um den Magischen Winkel eine Grundvoraussetzung für die in Kapitel 4.2 durchgeführten Diffussionsmessungen mit gepulsten Magnetfeldgradienten (PFG MAS NMR) in verdünnten Lösungen innerhalb mesopröser Materialien dar.

Abbildung 16. Aufbau eines MAS-Experiments. Die Probe, in Form eines Zylinders, wird schnell um den magischen Winkel von 5l 54.74°

in Bezug auf das angelegte Magnetfeld rotiert um chemische Verschiebungsanisotropie und heteronukleare dipolare Kopplungen zu eliminieren.

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2.4.2.2. Diffusionsmessungen mit gepulster Feldgradienten (PFG) MAS NMR

Das Studium der Diffusion in Lösung ermöglicht den Einblick in eine Vielzahl von physikalischen, molekularen Eigenschaften wie die Molekülgröße und Form, Aggregation, Lösungsmittel-Wechselwirkungen, Wasserstoffbrücken oder Wirt-Gast-Komplexierung bzw. Einschließung, um nur einige zu nennen.147, 148 In nanoporösen Materialien können durch Diffusionsstudien Aspekte wie Massentransfer und Trennung, Katalytische Umsetzungen oder selektive Adsorption im Hinblick auf Porengröße, Anordnung, Konnektivität, Oberflächen Wechselwirkung, etc. untersucht werden.39, 149 Die PFG NMR besitzt große Bedeutung für die fundamentale Grundlagenforschung und industrielle Anwendungen, was an der großen Zahl von Übersichtsartikeln zur Diffusion in nanoporösen Materialien mit Bezug zur NMR Diffusometrie in den letzten vier Jahren deutlich wird.39-41, 111, 150-154

NMR-Diffusionsstudien charakterisieren die zufällige Brown’sche Translationsbewegung von Molekülen in Lösung, die durch die thermische Energie des Systems angetrieben wird. Ihre quantitative Größe ist der Selbstdiffusionskoeffizient D (im Gegensatz zur Transportdiffusion wenn ein Konzentrationsgradient vorliegt). Selbstdiffusion beschreibt die Bewegung von Molekülen im thermodynamischen Gleichgewicht (Abbildung 17a). In einem isotropen System ist die mittlere Verschiebung aller Moleküle in den drei Raumrichtungen gleich null, das mittlere Verschiebungs-

Abbildung 17. a) Diffusion von Molekülen in Lösung. Obwohl sich die Positionen der einzelnen Moleküle ändern, bleibt die Konzentration konstant (entnommen aus Ref.39 mit Genehmigung von John Wiley and Sons, Inc.). b) Diese Bewegung kann in einem NMR-Experiment mit einem Magnetfeldgradienten der detektiert werden. Das lokale Feld das die Moleküle während des ersten Gradientenpulses erfahren (schwarze Punkte) entspricht nicht demjenigen während des zweiten Gradientenpulses nach der Diffusionszeit ∆. Das Signal wird unvollständig refokussiert und abgeschwächt. Die Abschwächung ist umso größer je schneller das Molekül diffundiert. c) PFG Spin-Echo Pulssequenz als einfachstes Experiment zur Beobachtung von Diffusion mit NMR-Spektroskopie. (b) + c) entnommen aus 147).

35 quadrat 〈oF〉, ist von Null verschieden:

〈oF(p)〉 = 2qp (12) Durch eine Ortsmarkierung der Moleküle zum Zeitpunkt t0, z.B. durch einen magnetischen Feldgradienten in der NMR-SPektroskopie, kann nach der Zeit t das mittlere Verschiebungsquadrat der Moleküle gemessen werden (Abbildung 17b).

Das einfachste Experiment zur Messung der Diffusion ist das pulsed field gradient (PFG) Spin-Echo Experiment (Abbildung 17c). Die Signalintensität des Spin-Echo Experiments kann durch eine Erhöhung der Gradientenstärke G, die Verlängerung der Gradientendauer δ oder der Diffusionszeit ∆ verringert werden. Zur Vermeidung von Relaxationszeiteffekten auf die Signalintensität hat sich bewährt, dass ∆ während der Experimente konstant gehalten und nur G variiert wird. Die Signalintensität IG des Spin-Echo Experiments ergibt sich zu

\r= \Lexp v−Fwx

<y exp z−({|})Fq v∆ −~Vy• (13) mit T2 der transversalen Relaxationszeitkonstante und I0 der Signalintensität zum Zeitpunkt τ = 0 ohne Magnetfeldgradient. Der Diffusionskoeffizient wird durch eine Serie von Experimenten mit zunehmender Gradientenstärke bestimmt, in denen (für eine möglichst genaue Auswertung) das Signal auf 5 – 10 % der ursprünglichen Signalstärke abgeschwächt wird. Die Auftragung der gemessenen Signalintensitäten gegen die Gradientenstärke und eine Regressionsanpassung nach Gleichung 13 liefert den Diffusionskoeffizienten.

Das einfache Spin-Echo Experiment hat allerdings einige Nachteile, die durch speziell angepasste Pulssequenzen kompensiert werden können. Dies sind Signalverluste durch T2-Relaxation, durch Gradientenpulse induzierte elektrische Ringströme (Eddy-Ströme) oder Konvektion. Hier wurde die BPP-DSTE Pulssequenz, englisch für double stimulated echo with bipolar pulses) verwendet, das diese Probleme berücksichtigt (Abbildung 18):

Abbildung 18. BPP-DSTE Experiment zur Messung transversaler Diffusion mit NMR-Spektroskopie (entnommen aus 147).

36 Die Signalintensität IG des BPP-DSTE Experiments folgt:

\r = \r€Lexp z(−{|})Fq v∆ −~VwFy• (14) Hier ist die Wiederherstellungsverzögerung der bipolaren Feldgradientenpulse.

Für Diffusionsstudien von Gästen in mesoporösen Wirtsmaterialien müssen die Parameter des BPP-DTSE Experiments einzeln optimiert und die deutlich kürzere Relaxationszeit unter einschränkenden Bedingungen beachtet werden, die die Signalintensität reduziert. Damit das Magnetfeld während der Feldgradientenpulse an jedem Ort stets gleich groß ist und die Magnetisierung korrekt refokussiert wird, muss die Pulssequenz mit der MAS-Rotation synchronisiert werden.