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Poröse Organosilikate, allen voran periodisch mesoporöse Organosilikate (PMOs), stehen seit einigen Jahren im Fokus aktueller Forschung.43, 50, 74, 164-167 Die Bandbreite reicht von einfachen, organischen Brücken bis hin zu hoch spezialisierten funktionellen Gruppen mit Heteroelementen (S, P, N, …), Metall Komplexen, chiralen Gruppen, etc. Die Materialien werden heute für hochspezialisierte Anwendungen entwickelt, wie zum Beispiel als spezifische Adsorbentien, für die Chromatographie oder chirale Katalyse. Die Leistungsfähigkeit der Materialien beruht nicht nur auf ihrer chemischen Zusammensetzung. Vielmehr ist ein komplexes Wechselspiel zwischen den Gastmolekülen, dem Lösungsmittel, der Porenstruktur (Größe, Anordnung, Form, Konnektivität, …) und chemischen Zusammensetzung der Wirtsmaterialien entscheidend. Viele aktuelle Arbeiten gehen jedoch von der Synthese spezialisierter Materialien direkt zu anwendungsbezogenen Untersuchungen über und eine Auseinandersetzung mit bzw. Charakterisierung der elementaren Wirt-Gast-Wechselwirkungen innerhalb der Materialien findet nur indirekt oder unzureichend statt und bleibt auf einem niedrigen Niveau.

Das Ziel dieser Arbeit ist es Wirt-Gast-Wechselwirkungen zwischen gelösten Gastmolekülen, in den Poren meso- und makroporöser Silikate und Organosilikate, und porösen Wirtsmaterialien zu charakterisieren und zu verstehen. Ein essentieller Punkt soll in der Trennung von Porenoberflächenwechselwirkungen der Gäste und Einschränkungseffekten durch die Nanoporen liegen. Für ein systematisches Verständnis soll ein besonderer Fokus auf chemisch funktionalisierten Organosilikaten liegen. Die in der Arbeitsgruppe entwickelten UKON-Materialien stellen daher den perfekten Ausgangspunkt für ein systematisches Verständnis der Wirt-Gast-Wechselwirkungen in porösen Materialien dar, da sie den Einsatz einer Vielzahl verschiedener funktioneller Gruppen ermöglichen ohne das Materialrückgrat zu verändern. Als Gastmoleküle sollen Nitroxide verwendet werden, da sie aufgrund ihrer spektroskopischen Eigenschaften in der ESR-Spektroskopie, ideal für die Untersuchung von Wirt-Gast-Wechselwirkungen geeignet sind. ESR-Spektren von Nitroxiden reagieren sensitiv auf Dynamikänderungen der Nitroxidmoleküle und deren Mikroumgebung. Entscheidend hierfür ist die Wahl des Sondenmoleküls und welche funktionellen Gruppen es trägt. Das Nitroxidmolekül und dessen funktionelle Gruppe soll anhand der Empfindlichkeit für Änderungen in der Porenstruktur und der chemischen Zusammensetzung der Materialien ausgewählt werden.

Besonders geeignet sind zyklische Fünfring-Nitroxide (2,2,5,5-tetramethyl-pyrrolidin-1-oxyl bzw.

PROXYL-Derivate) und Sechsring-Nitroxide (2,2,6,6-tetramethyl-piperidin-1-oxyl bzw. TEMPO-Derivate) für die eine Vielzahl funktioneller Gruppen etabliert sind.

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Aufbauend auf den ersten Ergebnissen der Masterarbeit soll im ersten Kapitel eine grundlegende Methodik zur Charakterisierung von Wirt-Gast-Wechselwirkungen in mesoporösen Silikaten und Organosilikaten entwickelt werden. Hierfür soll die Nitroxid-Spinsonde 3-carboxy-2,2,5,5-tetramethyl-1-pyrrolidinyloxy (3CP) verwendet werden, deren Carboxy-Gruppe stark auf Änderungen der Umgebungspolarität reagieren sollte. Die detaillierte Auswertung der Rotationskorrelationszeit und der Hyperfeinwechselwirkung soll den Zugang zu verschiedenen Aspekten der Wirt-Gast-Wechselwirkungen ermöglichen, da sich diese durch den Einschluss der Spinsonde in Nanoporen oder der Adsorption auf der Porenoberfläche drastisch ändern sollten. Es werden Spektren bestehend aus zwei Komponenten erwartet – eine langsam rotierende Komponente, die auf der Oberfläche adsorbiert ist und eine schneller rotierende Komponente die sich frei in den Poren bewegen kann. Für detaillierte und quantitative Aussagen sollen die Spektren möglichst präzise simuliert werden. Im Zusammenspiel mit temperaturabhängigen Untersuchungen sollen daraus Aktivierungsenergien und Adsorptionsenthalphien abgeleitet werden. An mesoporösen Silikaten mit systematisch veränderten Porendurchmessern sollen Einschränkungseffekte der Poren auf die Spinsonden abgeleitet werden, für ein detailliertes Verständnis der Oberflächenwechselwirkungen sollen Organosilikate unterschiedlicher Polarität und Funktionalität bei konstanter Porengröße verwendet werden. Anhand gezielt ausgewählter Materialien sollen die Unterschiede zwischen spezifischen und unspezifischen Oberflächenwechselwirkungen auf die Dynamik von 3CP untersucht werden.

Aufbauend auf den Erkenntnissen des ersten Kapitels sollen im zweiten Kapitel die gleichen Materialien für komplementäre Studien zur Diffusion auf verschiedenen Größenskalen verwendet werden. Ziel ist die Beobachtung von Diffusion auf der molekularen Skala (< 10 nm), der Mesoskala (10 nm – 10 µm) und der Makroskala (> 10 µm) für einen tieferen Einblick in die Materialeigenschaften und Einschränkungseffekte auf den verschiedenen Größenskalen. Die molekulare Diffusion soll mit cw-ESR, die makroskopische Diffusion mit zeitabhängiger ESR-Bildgebung beobachtet werden. Beide Techniken wurden bisher nicht für Diffusionsmessungen unter einschränkenden Bedingungen etabliert. Die MAS PFG NMR (magic angle spinning pulsed field gradient NMR) soll deshalb als Referenztechnik dienen, die gleichzeitig zur Beobachtung der Diffusion auf der Mesoskala verwendet werden kann. Aufgrund der verschiedenen Anforderungen von ESR- (paramagnetische Sonden) und NMR-Spektroskopie (diamagnetische Sonden) müssen zwei Sondenmoleküle gefunden werden, die abgesehen von ihrem Magnetismus, möglichst identisch in Bezug auf Molekülgröße, Oberflächen- und Lösungsmittel-Wechselwirkung und ihre Diffusionseigenschaften sind. Die molekularen Diffusionskoeffizienten werden durch eine Auswertung der konzentrationsabhängigen Linienverbreiterung der cw-ESR-Spektren erhalten. Die Linienverbreiterung beruht auf intermolekularen Wechselwirkungen in Form von Dipol-Dipol-Wechselwirkung und Spinaustausch.

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Durch eine besonders sorgfältige Auswertung der Experimente sollen daraus weitere Einblicke in die Einschränkungseffekte durch mesoporöse Materialien gewonnen werden.

Im dritten Kapitel sollen die Erkenntnisse aus den beiden vorigen Kapiteln zusammengeführt und die Wirt-Gast-Wechselwirkungs- und Diffusionsstudien an chiralen Systemen fortgesetzt werden. Hierfür sollen die zwei 3CP-Enantiomere enantiomerenrein dargestellt und deren diastereotope Wechselwirkungen mit enantiomerenreinen chiralen Organosilikaten charakterisiert werden. Für die Synthese der chiralen Organosilikate sollen Precursoren mit Aminosäuregruppen auf UKON-Basis verwendet werden. Auf diesem Weg können verschiedene chirale Gruppen, durch Verwendung verschiedener Aminosäuren, in die Materialien eingeführt werden, ohne Veränderungen am übrigen Precursormolekül oder der Syntheseroute vornehmen zu müssen. Es soll untersucht werden, wie sich die Temperatur, die Anzahl und chemische Natur der chiralen Gruppe auf die diasterotopen Wechselwirkungen von 3CP mit den Materialien auswirkt und ob ein Enantiomer selektiv adsorbiert wird. Auf dem Weg zu einer potentiellen Anwendung von UKON-Materialien als chirale Trennmedien in der Chromatographie sollen neben den mesoporösen Materialien auch monolithische Aerogele synthetisiert werden. Aus dem Vergleich der diasterotopen Wechselwirkungen in mesoporösen Materialien und entsprechenden Aerogelen sollen Rückschlüsse auf Einschränkungseffekte gewonnen werden. Anschließende Diffusionsstudien mittels zeitaufgelöster ESR-Bildgebung sollen einen Einblick in die Trennleistung der Materialien geben und ermöglichen die Verknüpfung von Diffusionskoeffizienten mit der Adsorptionsselektivität.

Im letzten Kapitel sollen die magnetischen Eigenschaften mesoporöser Organosilikate untersucht werden, deren Oberfläche mit Nitroxiden funktionalisiert wurde. Im Gegensatz zu den vorherigen Kapiteln steht nicht die Oberflächenwechselwirkung mit anderen Substanzen im Mittelpunkt, sondern die Wechselwirkung der Oberflächengruppen untereinander (Nachbargruppeneffekte). Die Wechselwirkungsstärke der Nitroxide soll von der dipolaren Verbreiterung der cw-ESR-Spektren abgeleitet werden. Da die Stärke dipolarer Wechselwirkungen stark von Abstand und Beweglichkeit der Nitroxidgruppen abhängt, sollen Materialien mit verschiedenen Funktionalisierungsgraden, durch Zugabe eines zweiten (diamagnetischen) Precursors, synthetisiert werden. Davon ausgehend soll geklärt werden, wie hoch die Funktionalisierung mesoporöser Organosilikate mindestens sein muss, damit (magnetische) Wechselwirkungen funktioneller Gruppen untereinander beobachtet werden können.Dies soll für cokondensierte PMOs auf UKON-Basis und für Organosilikate auf Basis der Cokondensation von 3-Aminopropyltriethoxysilan (APTES) und Tetraethoxysilan (TEOS) untersucht werden. Die Größenunterschiede der Monomer-Einheiten in den beiden Materialklassen sollten hier zu deutlichen Unterschieden im benötigten Funktionalisierungsgrad führen.

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