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2.1 Alters-Diversität im Kontext der Diversity-Forschung

2.3.3 Fazit und Forschungslücken

Der aktuelle Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation ist durch eine geringe Zahl von Studien gekennzeichnet: Lediglich sechs Untersuchungen haben sich bislang mit der Verbindung von Altersheterogenität und Innovation auf Teamebene auseinandergesetzt. Weitere fünf Studien analysierten die innovationsbezogenen Effekte von Alters-Diversität auf Organisations- und Individualebene.

Diese insgesamt geringe Zahl an Studien steht sowohl in Kontrast zum generellen

38 Choi (2007, S. 225) differenziert seine Ergebnisse nach verschiedenen Teamgrößen (≤ 15, ≤ 30, ≤ 50), jedoch variieren die Effekte von Alters-Diversität bzw. Altersunterschieden nicht.

39 Ergänzend sei noch auf die Studien hingewiesen, die Alters-Diversität lediglich als Kontrollvariable in Bezug auf Team- oder organisationale Innovation untersucht haben: Hier finden sich signifikant negative (MacCurtain, Flood, Ramamoorthy, West, & Dawson, 2010, S. 227; Rodriguez, 1998, S. 753 f.; Yap, Chai, & Lemaire, 2005, S. 183), nicht signifikant negative (Richard & Shelor, 2002, S. 966; Somech, 2006, S. 144 f.) sowie nicht signifikant positive (Shin & Zhou, 2007, S. 1716) Zusammenhänge.

58 Wachstumstrend der Diversity-Forschung (vgl. Kap. 2.1.4) als auch zur praxisbezogenen Relevanz einer zunehmenden Altersheterogenität in Unternehmen (vgl. Kap. 1.1).

In den folgenden vier Abschnitten wird der empirische Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation einer kritischen Evaluation unterzogen.

Dabei werden erstens die Ergebnisse der bestehenden Studien zusammenfassend rekapituliert (vgl. Kap. 2.3.1); hierbei wird zusätzlich auch auf die Ergebnisse auf Organisations- und Individualebene eingegangen (vgl. Kap. 2.3.2). Zweitens werden die bislang untersuchten Mediatoren und Moderatoren diskutiert, bevor drittens methodische Aspekte beleuchtet werden. Aufbauend auf dieser Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstands werden in einem abschließenden vierten Schritt Lücken in der bestehenden Forschung identifiziert.

(1) Stand der Forschung: Ergebnisse

Die sechs bestehenden empirischen Studien lassen keine generelle Schlussfolgerung zur innovationsbezogenen Wirkungsweise von Altersheterogenität zu. So findet sich in keiner der bestehenden Studien ein signifikanter Zusammenhang zwischen den beiden Variablen (vgl.

Kap. 2.3.1). Diese Befundlage deckt sich mit den Ergebnissen bestehender Meta-Analysen (vgl. Kap. 2.1.4): So konnte metaanalytisch ein lediglich sehr geringer und zudem nicht signifikanter mittlerer Zusammenhang zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation nachgewiesen werden (vgl. Kap. 2.1.4.2); ein vergleichbares Bild bieten die Meta-Analysen zum allgemeineren Zusammenhang zwischen beziehungsorientierter Diversity und Teaminnovation (vgl. Kap. 2.1.4.1). Zugleich berichten die Meta-Analysen eine große Bandbreite an Effektstärken in den jeweils erfassten Einzelstudien; in Kombination mit den signifikanten Q-Statistiken weist dies auf die Relevanz moderierender Variablen für den Zusammenhang zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation hin. Die in Kapitel 2.3.1 vorgestellten Studien liefern erste Hinweise darauf, dass die Effekte von Alters-Diversität auf Teaminnovation in ihrer Wirkungsweise von der Existenz moderierender Randbedingungen abhängig sind und durch mediierende Prozesse vermittelt werden (vgl. nachfolgender Abschnitt).

In ihrem Vorzeichen entgegengesetzte und zum Teil signifikante Zusammenhänge bietet die Forschung zu Innovation auf Organisations- und Individualebene: In insgesamt fünf Studien sind sowohl signifikante als auch nicht signifikante positive und negative Effekte von

Alters-59 Diversität bzw. Altersunterschieden (Relational Demography; vgl. Kap. 2.1.1) zu finden (vgl.

Kap. 2.3.2). Zudem indizieren die Befunde von Martins und Shalley (2011) die Relevanz moderierender Variablen für den Zusammenhang zwischen Altersunterschieden und individueller Kreativität (vgl. Kap. 2.3.2). Wie in Kapitel 2.3 erörtert, können diese Ergebnisse nicht unmittelbar auf die Teamebene übertragen werden (Gefahr eines ökologischen bzw. individualistischen Fehlschlusses; Titschler et al., 2008, S. 117); dennoch scheinen sie die Befundlage auf Teamebene tendenziell zu stützen: Eine generelle Schlussfolgerung zur innovationsbezogenen Wirkungsweise von Alters-Diversität ist auf Basis bestehender Studien nicht möglich.

(2) Stand der Forschung: Moderatoren und Mediatoren

In konzeptioneller Hinsicht zeichnet sich die bisherige Forschung überwiegend durch wenig komplexe theoretische Modelle aus. So nimmt die Hälfte der Studien einen Haupteffekt von Alters-Diversität auf Teaminnovation an, während die verbleibenden Untersuchungen entweder einen Moderator oder einen Mediator des Zusammenhangs untersuchen. Dabei folgen beinahe alle bestehenden Analysen der traditionellen theoretischen Zweiteilung der Diversity-Forschung (vgl. Kap. 2.1.3) und sagen entweder ausschließlich positive oder ausschließlich negative Effekte von Alters-Diversität voraus; nur eine Studie (Ries et al., 2010a) geht im Einklang mit neueren Entwicklungen der Diversity-Forschung von der Komplementarität positiver und negativer Diversity-Effekte aus (vgl. Kap. 2.1.3). Die Analyse von Mediatoren und Moderatoren wurde folglich bislang lediglich im Ansatz realisiert, während eine kombinierte Betrachtung von Moderations- und Mediationseffekten noch nicht erfolgt ist.

Der signifikante Moderationseffekt des Teamklimas in der Studie von Ries und Kollegen (2010b) stützt die Annahme, dass die Wirkungsweise von Altersheterogenität auf Teaminnovation von der Existenz weiterer Randbedingungen abhängig ist (vgl. Kap. 2.1.5;

Kap. 2.2.3). Zugleich bleibt die inhaltliche Aussagekraft dieses Befunds beschränkt: Erstens weist das Konstrukt eine geringe konzeptionelle Spezifität auf; dadurch ist eine Rückführung des positiven Einflusses von Alters-Diversität auf einzelne Aspekte des Teamklimas (z.B.

Aufgabenorientierung, Informationsteilung im Team, Unterstützung individueller innovativer Anstrengungen) kaum möglich. Zweitens könnte insbesondere eine Kombination mit Mediationseffekten Aufschluss darüber geben, wie sich das Teamklima als Moderator auf

60 positive und negative vermittelnde Prozesse zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation auswirkt (vgl. Kap. 2.1.5; Kap. 2.2.3).

Als Mediatoren des Zusammenhangs zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation können O’Reilly und Kollegen (1998) die Rolle von Intragruppenkonflikten – vermutlich aufgrund der mangelnden empirischen Trennbarkeit verschiedener Konfliktarten in ihrem Sample – nicht bestätigen. Hingegen kommen Ries et al. (2010a) zu dem Ergebnis, dass Beziehungskonflikte für negative Effekte von Altersheterogenität auf Teaminnovation verantwortlich sein können. In Bezug auf die mangelnde empirische Bestätigung von Aufgabenkonflikten als Mediatoren des positiven Zusammenhangs zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation kommen die Autoren zu dem Schluss, dass „dies […] die Existenz von Moderatoren vermuten [lässt]“ (Ries et al., 2010a, S. 127). Diese empirischen Befunde können erstens als Indiz dafür gewertet werden, dass die Analyse konflikttheoretischer Mediationsmodelle einen Beitrag zur Klärung der Frage leisten kann, durch welche Mechanismen bzw. Prozesse Alters-Diversität einen positiven und/oder negativen Einfluss auf Teaminnovation besitzt. Zweitens könnte durch die Kombination von Mediations- und Moderationseffekten untersucht werden, unter welchen Randbedingungen Aufgaben- und Beziehungskonflikte als positive bzw. negative vermittelnde Prozesse zwischen Altersheterogenität und Teaminnovation auftreten (vgl. Kap. 2.1.5; Kap. 2.2.3).

(3) Stand der Forschung: Methodische Aspekte

In methodischer Hinsicht weist die bestehende Forschung eine gewisse Heterogenität und verschiedene Limitationen auf, die die Vergleichbarkeit und Generalisierbarkeit der Ergebnisse einschränken. Hinsichtlich der Stichproben, anhand derer die Auswirkungen von Alters-Diversität auf Teaminnovation untersucht werden, sind insbesondere zwei Dinge auffallend: Erstens wurden alle Studien (mit Ausnahme des Business Plan-Wettbewerbs von Foo et al., 2005) in jeweils nur einer Organisation durchgeführt, was die Generalisierbarkeit der Ergebnisse über den entsprechenden Organisationskontext hinaus einschränkt. Zweitens wurden nur zwei der fünf Feldstudien in Unternehmen durchgeführt (Fritzsche, 2010;

O’Reilly et al., 1998); die Ergebnisse aus Verwaltungsteams (Ries et al, 2010a, 2010b) bzw.

Studierendenteams (Foo et al., 2005) sollten daher nur unter Vorbehalt auf Unternehmenskontexte übertragen werden.

61 Hinsichtlich der Datenerhebung weisen mit Ausnahme von Foo et al. (2005) und Ries et al.

(2010b) alle Studien ein Common Source-Design auf, d.h. alle im Fokus der Untersuchungen stehenden Mediator-, Moderator- und abhängigen Variablen wurden ausschließlich aus der Perspektive der jeweiligen Mitarbeiter in den Teams erhoben. Dadurch besteht die Gefahr systematischer Verzerrungen, die die Varianz in der Messung der Konstrukte beeinflussen.

Dies kann zur Über- oder Unterschätzung von Zusammenhängen im Rahmen der Datenanalyse führen und stellt daher die Validität der Studienergebnisse zu einem gewissen Grad in Frage (Podsakoff et al., 2003, S. 881; vgl. auch Kap. 4.2.2).

Weiterhin wird die Vergleichbarkeit der Studienergebnisse durch Unterschiede bei der Operationalisierung der unabhängigen Variablen eingeschränkt. Für die Messung von Alters-Diversität wurden insgesamt vier verschiedene Diversity-Indizes verwendet (Blau-Index, Teachman-Index Standardabweichung und Variationskoeffizient; vgl. Kap. 2.3.1). Darüber hinaus stimmt die Operationalisierung der unabhängigen Variablen nur in zwei Studien (Cady

& Valentine, 1999; Fritzsche, 2010) vollständig mit der jeweils zugrundeliegenden theoretischen Argumentation bezüglich der Wirkungsweise von Alters-Diversität überein.

Nach Harrison und Klein (2007, S. 1207) sollte sich die Operationalisierung von Diversity danach richten, ob theoretisch etwa von positiven Effekten im Sinne eines erweiterten kognitiven Ressourcenpools ausgegangen wird (Diversity als „variety“; z.B. Blau- oder Teachman-Index) oder von negativen Auswirkungen im Sinne sozialer Kategorisierungsprozesse (Diversity als „separation“; z.B. Standardabweichung; vgl. auch Kap. 4.2.3.1).

Auch bei der Messung der abhängigen Variablen unterscheiden sich die bestehenden Studien.

So beschränken sich Cady und Valentine (1999) sowie Foo et al. (2005) auf die Erhebung der Ideenentwicklung im Team. Wie in Kap. 2.2.1 erörtert, beinhaltet Teaminnovation jedoch zwingend auch die Umsetzung neu entwickelter Ideen; folglich geben die Ergebnisse der beiden Untersuchungen eher Aufschluss über den Einfluss von Alters-Diversität auf Teamkreativität. Hinsichtlich des Beurteilungsmaßes für Innovationen ist die bestehende Forschung ebenfalls uneinheitlich: Während manche Studien lediglich die Quantität (Fritzsche, 2010; O’Reilly et al., 1998; Ries et al., 2010a, 2010b) oder Qualität (Foo et al., 2005) der in einem Team entwickelten Ideen erfassen, berücksichtigen nur Cady und Valentine (1999) beide Aspekte der Innovativität. Ein systematisches und umfassendes Innovationsverständnis, das sowohl die Quantität als auch die Qualität der in einem Team

62 entwickelten und umgesetzten Ideen beinhaltet, liegt keiner der bestehenden Untersuchungen zugrunde.

(4) Forschungslücken

Basierend auf dem Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen Alters-Diversität und Innovation auf Teamebene kann folgendes Fazit gezogen werden: Erstens lassen die bestehenden Studien keine Schlussfolgerung bezüglich der Wirkungsweise von Altersheterogenität auf Teaminnovation zu. So weisen alle bisherigen Untersuchungen nicht signifikante Verbindungen zwischen den beiden Variablen auf (vgl. Kap. 2.3.1); dies kann als Indiz für die Bedeutung moderierender Variablen gewertet werden, die für die innovationsbezogene Wirkungsweise von Altersheterogenität verantwortlich sind (vgl. Kap.

2.1.5). In diesem Sinne ist auch das Ergebnis der Meta-Analyse von van Dijk et al. (2012, S.

48) zu interpretieren, die für den Zusammenhang zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation eine signifikante Q-Statistik (Hinweis auf Moderationseffekte) ermitteln (vgl. Kap. 2.1.4). Folglich könnte die Untersuchung von Moderatoren möglicherweise Aufschluss darüber geben, unter welchen Randbedingungen sich Alters-Diversität positiv und/oder negativ auf Teaminnovation auswirkt (van Knippenberg & Schippers, 2007, S. 519).

Zweitens wurden mit Ausnahme des Teamklimas (Ries et al., 2010b) bislang keine Moderatoren der Verbindung zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation untersucht. Ein Moderator, der nach Ansicht zahlreicher Autoren eine hohe Relevanz für die Auswirkungen von Diversity besitzt, jedoch in der bisherigen Forschung geringe Beachtung gefunden hat, ist Führung (z.B. Hülsheger et al., 2009, S. 1139; Joshi & Roh, 2009, S. 621; van Dijk et al., 2012, S. 49; van Knippenberg et al., 2004, S. 1013). Wie in Kapitel 2.2.2.3 erörtert, ist insbesondere transformationale Führung positiv mit Innovation auf Teamebene verbunden;

vor diesem Hintergrund erscheint dieser Führungsstil als besonders vielversprechend zur Erzielung positiver Effekte von Alters-Diversität auf Teaminnovation (z.B. Dionne et al., 2004, S. 189). Transformationale Führung wurde in lediglich drei Studien als Moderator einer Diversity-Outcome-Beziehung untersucht (Kearney & Gebert, 2009; Kunze & Bruch, 2010;

Shin & Zhou, 2007); eine Analyse des moderierenden Einflusses transformationaler Führung auf den Zusammenhang zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation wurde bislang nicht vorgenommen. Zudem lag der Fokus bestehender Analysen ausschließlich auf möglichen positiven Effekten des Moderators transformationale Führung. Wie jedoch in Kapitel 1.1

63 erörtert, existieren neben Belegen für eine innovationsförderliche Wirkungsweise des Führungsstils auch Hinweise auf mögliche negative Effekte, insbesondere in Form einer erhöhten Abhängigkeit der Geführten von der Führungskraft (u.a. Eisenbeiss & Boerner, 2013; Gebert, 2002; Kark et al., 2003). Eine Analyse möglicher negativer Effekte transformationaler Führung als Moderator der Verbindung zwischen Diversity und Outcomes wurde bislang jedoch nicht realisiert.

Drittens wurde in der bestehenden Forschung keine Kombination der Untersuchung von Moderatoren und Mediatoren des Zusammenhangs zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation vorgenommen. Dabei könnte durch eine Verbindung der Analyse von Moderatoren und Mediatoren möglicherweise eruiert werden, unter welchen Randbedingungen positive und/oder negative vermittelnde Prozesse zwischen Altersheterogenität und Innovation in Teams auftreten (vgl. Kap. 2.1.5; Kap. 2.2.3).

Entsprechend wäre auf Basis der Identifikation mediierender Prozesse zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation eine spezifische Analyse des moderierenden Einflusses transformationaler Führung möglich. In diesem Zusammenhang existieren erste Hinweise auf die Relevanz von Konflikten als Mediatoren (Ries et al., 2010a, S. 124 f.): So konnten Beziehungskonflikte als Mediator eines negativen Zusammenhangs zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation bestätigt werden. Nach Ansicht von Ries und Kollegen (2010a, S. 127 f.) sollte dabei insbesondere Führung als Moderator für die Entstehung und Auswirkungen von Konflikten in altersheterogenen Teams relevant sein. Zu einer vergleichbaren Schlussfolgerung kommen auch West und Hirst (2005) in ihrem Review der Teaminnovationsforschung, in dem sie die Untersuchung des Zusammenspiels von Diversity, Konflikten und Führung bei der Vorhersage von Teaminnovation anregen: „The critical influence on how diversity affects group processes, we propose, is leadership within the team.

Leaders who effectively integrate diverse perspectives and manage conflict effectively (by, for example, emphasizing shared objectives and vision) are likely to enhance the influence of diversity upon innovation […] in teams” (West & Hirst, 2005, S. 260). Bislang wurde jedoch der moderierende Einfluss transformationaler Führung weder im Zusammenhang mit Diversity und Konflikten allgemein noch in Bezug auf den spezifischen Zusammenhang zwischen Alters-Diversität, Konflikten und Teaminnovation empirisch untersucht.

64

3 T

HEORETISCHES

M

ODELL ZUM

E

INFLUSS VON

A

LTERS

-D

IVERSITÄT

AUF

T

EAMINNOVATION

3.1 Überblick

Im Folgenden wird ein integratives theoretisches Modell zum Einfluss von Alters-Diversität auf Teaminnovation entwickelt. Das Modell leistet einen Beitrag zu den in Kapitel 2.1.5, 2.2.3 und 2.3.3 aufgezeigten Lücken in der (Alters-)Diversitäts- und Teaminnovationsforschung und konnte in geringfügig modifizierter Form bereits wissenschaftliche Akzeptanz finden (Hüttermann & Boerner, 2011). Die Entwicklung des theoretischen Modells erfolgt in zwei Schritten: Erstens wird ein konflikttheoretisches Mediationsmodell zum Zusammenhang von Alters-Diversität und Teaminnovation etabliert. In einem zweiten Schritt wird darauf aufbauend der moderierende Einfluss transformationaler Führung erörtert. Dabei wird davon ausgegangen, dass transformationale Führung verschiedene Team Emergent States (hier:

psychologische Sicherheit, Abhängigkeit von der Führungskraft, Teamidentifikation und prozedurales Gerechtigkeits-Klima in Teams) beeinflusst, die wiederum für die Entstehung und Auswirkungen von Konflikten in altersheterogenen Teams von Bedeutung sind.

Insgesamt wird angenommen, dass transformationale Führung dadurch einen Beitrag zur Stärkung positiver und Abschwächung negativer Effekte von Alters-Diversität auf Teaminnovation leisten kann. Das theoretische Modell ist in vereinfachter Form in Abbildung 4 graphisch veranschaulicht.

Abbildung 4: Vereinfachte Darstellung des theoretischen Modells zum Einfluss von Alters-Diversität auf Teaminnovation und der moderierenden Rolle transformationaler Führung

Alters- Diversität

Informations- verarbeitung

Team-innovation Konflikte

+ +

Transfor- mationale

Führung

Team Emergent

States

+

+ / –

+ / – + / –

65 Im Rahmen des Mediationsmodells wird davon ausgegangen, dass Alters-Diversität zur Entstehung von Aufgaben-, Beziehungs- und Prozesskonflikten führt (Jehn, 1995, 1997);

diese besitzen positive (im Falle von Aufgabenkonflikten) bzw. negative (hinsichtlich Beziehungs- und Prozesskonflikten) Effekte auf die Informationsverarbeitung im Team (van Knippenberg et al., 2004) und – in der Folge – auf die Teaminnovativität (für eine ausführliche Erörterung des Mediationsmodells vgl. Kap. 3.2). Mit der Berücksichtigung sowohl positiver als auch negativer Effekte spiegelt das Mediationsmodell die konträren theoretischen Annahmen hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation wider; es ermöglicht dabei die konzeptionelle Integration der beiden theoretischen Hauptperspektiven der Diversity-Forschung (vgl. Kap. 2.1.3). Wie in der Innovationsforschung gefordert, wird durch das Mediationsmodell das Zusammenspiel verschiedener Einflussfaktoren von Teaminnovation analysiert, wobei Konflikte und Informationsverarbeitung als Teamprozessvariablen den Einfluss von Alters-Diversität als Teamstrukturvariabler mediieren (vgl. Kap. 2.2.3).

Ausgangspunkt des Moderationsmodells ist die Annahme, dass transformationale Führung verschiedene Team Emergent States fördert, die wiederum die Entstehung und Auswirkungen der verschiedenen Konfliktarten des Mediationsmodells beeinflussen. So wird erwartet, dass transformationale Führung die psychologische Sicherheit, die Teamidentifikation sowie das prozedurale Gerechtigkeits-Klima in Teams fördern kann; diese wiederum können die Entstehung und die positiven Auswirkungen von Aufgabenkonflikten stärken sowie die Herausbildung und negativen Effekte von Beziehungs- und Prozesskonflikten vermindern.

Neben dieser im Sinne der Innovationsförderung erwünschten Wirkungsweise werden jedoch auch mögliche negative Effekte in Betracht gezogen: So kann transformationale Führung auch zu einer gesteigerten Abhängigkeit der Mitarbeiter von ihrer Führungskraft führen, die sich beeinträchtigend auf die Entstehung und die positiven Effekte von Aufgabenkonflikten auswirkt (für eine ausführliche Herleitung des Moderationsmodells vgl. Kap. 3.3). Durch die Untersuchung verschiedener Moderatoren werden kritische Randbedingungen analysiert, unter denen positive oder negative Auswirkungen von Alters-Diversität auftreten (vgl. Kap.

2.1.5 und 2.2.3). Dabei steht insbesondere das Zusammenspiel von Alters-Diversität, Konflikten, transformationaler Führung und Team Emergent States als Einflussfaktoren von Teaminnovation im Fokus der konzeptionellen Analyse (Ries et al., 2010a, S. 127 f.; West &

Hirst, 2005, S. 260; vgl. Kap. 2.3.3).

66 In den nachfolgenden Kapiteln werden das Mediations- und Moderationsmodell ausführlich theoretisch begründet. Tabelle 6 gibt einen zusammenfassenden Überblick über die im Rahmen des theoretischen Modells verwendeten Variablen.

Tabelle 6: Überblick über die Variablen des theoretischen Modells

Variable Definition Quelle

Teaminnovation Quantität und Qualität der in einem Team entwickelten und umgesetzten Ideen

Psychologische Sicherheit Klima des Vertrauens und gegenseitigen

Respekts, in dem die Teammitglieder bereit sind,

67 3.2 Konflikttheoretisches Mediationsmodell

Das konflikttheoretische Mediationsmodell zum Zusammenhang zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation ist in Abbildung 5 zusammengefasst. Es wird davon ausgegangen, dass Alters-Diversität aufgrund einer erhöhten Wissens-, Erfahrungs- und Perspektivenvielfalt der Teammitglieder zur Entstehung von sachbezogenem Dissens im Team führt (Aufgabenkonflikte), zugleich jedoch auch emotionale Spannungen sowie Unstimmigkeiten hinsichtlich der Vorgehensweise bei der zu erfüllenden Aufgabe im Team hervorruft (Beziehungs- und Prozesskonflikte). Im Gegensatz zu früheren Modellen (z.B. Jehn et al., 1999, S. 747 f.; Lovelace, Shapiro, & Weingart, 2001, S. 780 f.) wird jedoch kein direkter (positiver bzw. negativer) Effekt der verschiedenen Konfliktarten auf Teaminnovation angenommen, sondern ein indirekter über die Informationsverarbeitung. Diese beschreibt die synergistische Diskussion, Verarbeitung und Integration von Informationen, Wissen und Erfahrungen im Team (van Knippenberg et al., 2004, S. 1011); Aufgabenkonflikte stellen dabei lediglich eine Vorstufe der Informationsverarbeitung dar (für eine vergleiche Argumentation siehe z.B. De Dreu, 2006, S. 93; van Knippenberg et al., 2004, S. 1011).

Ebenso wird angenommen, dass auch Beziehungs- und Prozesskonflikte nur indirekt auf Teaminnovation wirken, indem sie einen negativen Einfluss auf die Informationsverarbeitung ausüben.

Abbildung 5: Mediationsmodell zum Zusammenhang zwischen Alters-Diversität und Teaminnovation

Im Folgenden werden die Beziehungen zwischen Alters-Diversität, Aufgaben-, Beziehungs- und Prozesskonflikten sowie Informationsverarbeitung erläutert (Kap. 3.2.1). In einem weiteren Schritt wird der Einfluss von Informationsverarbeitung auf Teaminnovation analysiert (Kap. 3.2.2).

68 3.2.1 Alters-Diversität, Konflikte und Informationsverarbeitung

3.2.1.1 Aufgabenkonflikte

Aufgabenkonflikte sind sachbezogene Auseinandersetzungen im Team hinsichtlich des Inhalts zu erfüllender Aufgaben (Jehn, 1995, S. 258); sie beziehen sich auf unterschiedliche Ideen, Sichtweisen und Standpunkte der Teammitglieder bei der Erreichung gemeinsamer Ziele (Amason, 1996, S. 127; Jehn, 1997, S. 532; Jehn et al., 1999, S. 743).

Ein hohes Maß an Alters-Diversität kann sich induzierend auf die Entstehung von Aufgabenkonflikten auswirken (vgl. Abb 5). Erstens können sich die Mitglieder altersheterogener Teams in Bezug auf ihre Wissens- und Erfahrungshintergründe unterscheiden. So verfügen etwa ältere Teammitglieder in der Regel über ein umfassenderes Allgemeinwissen und einen größeren Erfahrungsschatz, während jüngere Teammitglieder oftmals aktuelleres Fach- und Methodenwissen besitzen (Lehr & Kruse, 2006, S. 242 f.; Roth et al., 2007, S. 103 ff.). Infolge dieser Wissens- und Erfahrungsunterschiede kann es bei der gemeinsamen Erledigung von Aufgaben zu sachbezogenen Auseinandersetzungen kommen, in denen die Teammitglieder unterschiedlichen Alters ihre jeweiligen Perspektiven und Standpunkte vertreten (Ries et al., 2010b, S. 119). Zweitens können die Altersunterschiede zwischen den Teammitgliedern auch unterschiedliche Problemverständnisse und Herangehensweisen an Aufgaben mit sich bringen, die sich aus den kognitiven Schemata und Repräsentationen der Teammitglieder speisen (Cronin & Weingart, 2007, S. 762). Kognitive Schemata beziehen sich auf allgemeine und stabile Verarbeitungsmuster von Informationen, die Individuen bei der Bewältigung komplexer Aufgaben und Probleme anwenden; kognitive Repräsentationen hingegen resultieren aus kognitiven Schemata und beziehen sich auf das Verständnis spezifischer Probleme und die Präferenz für bestimmte Lösungen (Weingart, Todorova, & Cronin, 2010, S. 314). Die Ausprägungen der kognitiven Schemata und Repräsentation können je nach Erfahrungen, Wissen und Werten eines Individuums variieren (Cronin & Weingart, 2007, S. 763 f.). Folglich ist davon auszugehen, dass Mitglieder altersdiverser Teams über unterschiedliche kognitive Schemata und Repräsentationen verfügen; dadurch kann es zu aufgabenbezogenen Konflikten etwa hinsichtlich der Interpretation von Problemen und der Präferenz für bestimmte Lösungsansätze kommen.

Hypothese 1a: Alters-Diversität ist positiv verbunden mit Aufgabenkonflikten.

69 Die Auswirkungen von Aufgabenkonflikten auf die Verarbeitung von Informationen im Team bedürfen – insbesondere vor dem Hintergrund der empirischen Befundlage zu den Effekten von Aufgabenkonflikten auf Teamperformanz und -innovativität – einer differenzierten Betrachtung (De Dreu, 2006, S. 86). So ist aus theoretischer Sicht zunächst ein positiver Einfluss von Aufgabenkonflikten auf Informationsverarbeitung zu erwarten (De Dreu, 2006, S. 86). Während Aufgabenkonflikte insbesondere die Äußerung divergierender Meinungen, Ideen und Standpunkte beinhalten (Jehn, 1995, S. 258 f.), geht die Informationsverarbeitung noch einen Schritt weiter und beschreibt vor allem die synergistische Diskussion, Verarbeitung und Integration der unterschiedlichen Informationen, Wissenshintergründe und Erfahrungen der Teammitglieder (van Knippenberg et al., 2004, S. 1011). Folglich liegt der Schluss nahe, dass Aufgabenkonflikte die Informationsverarbeitung im Team fördern, indem durch die Äußerung sowie den Austausch unterschiedlicher Standpunkte der Prozess der tiefgreifenden Verarbeitung von Informationen im Team stimuliert wird (De Dreu, 2006, S.

69 Die Auswirkungen von Aufgabenkonflikten auf die Verarbeitung von Informationen im Team bedürfen – insbesondere vor dem Hintergrund der empirischen Befundlage zu den Effekten von Aufgabenkonflikten auf Teamperformanz und -innovativität – einer differenzierten Betrachtung (De Dreu, 2006, S. 86). So ist aus theoretischer Sicht zunächst ein positiver Einfluss von Aufgabenkonflikten auf Informationsverarbeitung zu erwarten (De Dreu, 2006, S. 86). Während Aufgabenkonflikte insbesondere die Äußerung divergierender Meinungen, Ideen und Standpunkte beinhalten (Jehn, 1995, S. 258 f.), geht die Informationsverarbeitung noch einen Schritt weiter und beschreibt vor allem die synergistische Diskussion, Verarbeitung und Integration der unterschiedlichen Informationen, Wissenshintergründe und Erfahrungen der Teammitglieder (van Knippenberg et al., 2004, S. 1011). Folglich liegt der Schluss nahe, dass Aufgabenkonflikte die Informationsverarbeitung im Team fördern, indem durch die Äußerung sowie den Austausch unterschiedlicher Standpunkte der Prozess der tiefgreifenden Verarbeitung von Informationen im Team stimuliert wird (De Dreu, 2006, S.