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Die Fallanalyse im Hauptverfahren

Im Dokument Der Fallanalytiker im Strafprozess (Seite 196-200)

Teil 3. Das Sachverständigengutachten des Fallanalytikers

C. Die Einordnung der Fallanalyse in das strafrechtliche Verfahren

II. Die Fallanalyse im Hauptverfahren

Durch ihren gesetzlichen Auftrag zur Erforschung des Sachverhaltes sind Polizei und Staatsanwaltschaft nach Erstellung einer Fallanalyse dann auch dazu verpflichtet, die Erkenntnisse der OFA in das Ermittlungsverfahren einzubeziehen.672

3. Zwischenergebnis

Aufgrund des Umstandes, dass die Erkenntnisse, die mit der Fallanalyse gewonnen werden, in erster Linie als Ermittlungshilfe für Polizei und Staatsanwaltschaft dienen sollen, ist die Fallanalyse vor allem im Ermittlungsverfahren anzusiedeln.

Die Ergebnisse der Fallanalyse sind dabei schriftlich zu fixieren und in die Ermittlungsakte aufzunehmen.

Ermittlungshilfe angesehen wird.674 Die wesentlichen Ergebnisse der Ermittlungen sind stets in die Anklageschrift aufzunehmen, es sei denn die Anklage wird bei einem Straf- oder Jugendrichter erhoben. Bei Straftaten, die Anlass für eine Fallanalyse geben, wird dies aber aufgrund der zu erwartenden hohen Strafen bei derartigen schwerwiegenden Taten regelmäßig nicht der Fall sein. In diesem Teil der Anklageschrift werden Erkenntnisse zur Person des Angeschuldigten und zum Tatgeschehen ausgeführt, sowie die Beweismittel gewürdigt. Hierbei sind dann auch die Ergebnisse der Fallanalyse einzubringen.

Wird der Fallanalytiker von der Staatsanwaltschaft als Beweismittel in der Anklageschrift angegeben, ist er auch regelmäßig in der Hauptverhandlung zu hören.

2. Das Erfordernis der mündlichen Gutachtenerstattung

Der Fallanalytiker hat als Sachverständiger sein Gutachten in der Hauptverhandlung grundsätzlich mündlich zu erstatten.675 Als Ausnahme hierzu wäre die Verlesung einer Fallanalyse zum einen unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 2 StPO676 möglich. Zum anderen könnte eine Fallanalyse auch nach § 256 Abs. 1 Nr. 1a StPO verlesen werden, wenn es sich um eine Erklärung öffentlicher Behörden handeln würde.

Dabei wäre es aber nötig, dass es sich um eine Fallanalyse handeln, die von einem polizeilichen Fallanalytiker erstellt wurde und nicht von einer Person außerhalb des BKA oder der Landeskriminalämter. Denn öffentliche Behörden im Sinne des § 256 StPO sind auch das Bundeskriminalamt sowie die Landeskriminalämter.677 Unbeachtlich für die Verlesbarkeit nach § 256 StPO ist, ob die Erklärung des Sachverständigen vom Gericht, von der Staatsanwaltschaft oder einem anderen Verfahrensbeteiligten eingeholt wurde.678 Als Gutachten von Behörden werden dabei Äußerungen verstanden, die auf Grund besonderer Sachkunde oder Fachkenntnisse unter der Verantwortung der Behörde in deren Namen von einer dazu befugten Person abgegeben werden.679 Nach Bejahung der besonderen Sachkunde

674 Siehe Boetticher, Erste Erfahrungen des Revisionsgerichts mit der Operativen Fallanalyse, in: BKA, Polizei und Forschung, S. 58.

675 MG, StPO, § 82, Rdnr. 3.

676 Nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO kann eine Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten verlesen werden, wenn der Angeklagte eine Verteidiger hat und die Verfahrensbeteiligten mit der Verlesung einverstanden sind oder die zu vernehmende Person in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann.

Nach § 251 Abs. 2 StPO kann eine Vernehmung mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten auch verlesen werden, wenn dem Erscheinen der zu vernehmenden Person in der Hauptverhandlung für eine längere Zeit nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen oder ein Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung der Aussage nicht zugemutet werden kann.

677 OLG Hamburg NJW 1969, 570, 571.

678 LR (Gollwitzer), StPO, § 256, Rdnr. 16.

679Ders., a.a.O., § 256, Rdnr. 23.

der Kriminalämter auf dem Gebiet der Operativen Fallanalyse,680 ist eine durch polizeiliche Fallanalytiker erstellte Analyse als Behördengutachten anzusehen.

Findet eine Verlesung des Gutachtens statt, wird es in Form des Urkundsbeweises in die mündliche Verhandlung eingeführt.681 Allerdings gilt nach § 250 S. 1 StPO der Vorrang des Personalbeweises vor dem Urkundsbeweis. Das bedeutet, dass grundsätzlich das Gutachten des Sachverständigen durch Einvernahme desselben und nicht durch Verlesen des Gutachtens in die Hauptverhandlung einzuführen ist.682

Eine ausschließliche Verlesung von Ergebnissen der Fallanalyse wäre auch nicht ratsam, da anzunehmen ist, dass sich aufgrund der bisher geringen Verwertung von Fallanalysegutachten in strafrechtlichen Verhandlungen Nachfragen der Prozessbeteiligten sowohl zu den Methoden als auch zur Herleitung der Hypothesen ergeben. Darüber hinaus liegt auch eine Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht vor, die einen Revisionsgrund darstellt, wenn die Umstrittenheit der angewendeten Methoden die persönliche Vernehmung des Gutachters geboten hätte.683 Die Methoden der Operativen Fallanalyse sind nicht unumstritten.

Der Fallanalytiker sollte daher stets als Sachverständiger das Gutachten in der Hauptverhandlung mündlich erstatten. Dabei ist trotz der Besonderheit des Teamansatzes innerhalb der OFA nur ein Fallanalytiker, am besten der verantwortliche Fallanalytiker des Teams, zu laden, um die Ergebnisse zu präsentieren.

3. Die richterliche Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO

Das Gericht unterliegt nach § 244 Abs. 2 StPO der Amtsaufklärungspflicht, die für die Prozessbeteiligten einen unverzichtbaren Anspruch darauf begründet, dass die Beweisaufnahme auf sämtliche Tatsachen sowie alle tauglichen und erlaubten Beweismittel erstreckt wird, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.684

Es ist fraglich, ob dem Gericht danach auch die Pflicht obliegt in der Hauptverhandlung über die Erkenntnisse einer OFA Beweis zu erheben. Gäbe es eine solche Pflicht, würde eine Verletzung derselben einen relativen Revisionsgrund nach § 337 StPO begründen.

Grundsätzlich hat das Gericht zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Aufklärung des konkreten Sachverhalts angezeigt sind. Im Hinblick auf die Operative Fallanalyse könnten in

680 Siehe hierzu Teil 2, A., IV., 1., a..

681 Vgl. den Fall: BGH NStZ 2006, 712, 713 = StV 2007, 17. Hier war das LG Lübeck ohne nähere Begründung der Ansicht, eine Verlesung der Fallanalyse der OFA zum Beweis der behaupteten Tatsache komme nicht in Betracht, da es sich insoweit nicht um ein Gutachten i.S.d. § 256 StPO handele.

682 Vgl. LR (Sander/Cirener), StPO, § 250, Rdnr. 31.

683 Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rdnr. 1505.

684 Vgl. BGHSt. 1, 94, 96; 32, 115, 122.

diesem Zusammenhang insbesondere die eigene Sachkunde des Gerichts und der Beweiswert, welcher der Fallanalyse zukommt, für die Entscheidung von Bedeutung sein.

a. Die eigene Sachkunde des Gerichts

Das Gericht kann die Hinzuziehung eines Sachverständigen ablehnen, wenn es über ausreichende eigene Sachkunde verfügt. Dies ist daran zu messen, ob das Gericht vermöge seines eigenen Wissens oder auch infolge Unterrichtung durch ein in der Sache schon erstattetes Gutachten die sichere Sachkunde besitzt, deren es bedarf, um die vorliegende Frage zuverlässig zu beantworten.685

Die Beurteilung des tatsächlichen Wertes der eigenen Sachkunde stellt aber hohe Ansprüche an den Richter. Der BGH686 hat festgestellt, dass der Richter sich nicht mit seiner eigenen Sachkunde begnügen darf, solange er auch nur geringe Zweifel daran hat, ob seine Sachkunde zur Entscheidung ausreicht. Nach dieser weiten Definition wäre es allerdings in nahezu jedem Verfahren geboten einen Sachverständigen hinzuzuziehen, da der Richter auf fast allen Gebieten Zweifel an seiner eigenen Sachkunde haben müsste, die nicht zu seiner juristischen Ausbildung zählen.687 In der Praxis wird jedoch häufig in einfacheren Fällen kein Sachverständiger hinzugezogen, selbst wenn es nach den obigen Ausführungen des BGH als notwendig anzusehen wäre.

Eine eigene Sachkunde des Gericht reicht aber jedenfalls nicht aus, wenn wissenschaftlich umstrittene oder in komplexe Zusammenhänge eingebettete Sachverhalte beurteilt werden müssen. Dies gilt insbesondere bei Fragen, bei denen über bloß theoretische Kenntnisse hinaus Anwendungs- und Auswertungswissen erforderlich ist, die Sachkunde mithin nur durch eine längere Ausbildung und Praxis erworben oder richtig angewendet werden kann.688 Ein solches in der Praxis erworbenes Anwendungs- und Auswertungswissen wird den polizeilichen Fallanalytikern zugestanden werden müssen.

Nach den OFA-Qualitätsstandards689 ist für die Ausbildung zum polizeilichen Fallanalytiker eine mehrjährige praktische Erfahrung als Polizeibeamter Voraussetzung. Im Anschluss an die Vermittlung der theoretischen Grundlagen für die Erstellung einer Fallanalyse wird innerhalb der Ausbildung das Üben an konkreten Fällen dem Fallanalytiker eine gewisse

685 Vgl. ders., a.a.O., Rdnr. 72.

686 Vgl. BGHSt 23, 8, 12.

687 Aufgrund dieses Umstandes wird auch teilweise eine „Entmachtung“ des Richters und eine Hinführung zum

„Sachverständigenprozess“ befürchtet.

688 BGH MDR 1978, 42; BGH StV 1990, 8; BGH NStZ 1984, 211.

689 Qualitätsstandards für die Anwendung fallanalytischer Verfahren durch die Polizeien des Bundes und der Länder, in: BKA, Polizei und Forschung, S.199 ff.. Die Ausbildung ist im Rahmen dieser Arbeit bereits ausführlicher beschrieben worden in Teil 2, A., IV., 1., a..

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