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1.4.1 Zerebrale Verarbeitung der Gesichterbetrachtung

Zahlreiche Studien beschäftigen sich mit der Frage, welche neuronalen Aktivitäten die Wahrnehmung von Gesichtern hervorruft, wobei methodisch meist auf fMRT oder Positronenemissiontomographie (PET) zurückgegriffen wird. Eine Region im Gyrus (G.) fusiformis fand sich immer wieder bei der Betrachtung von Gesichtern im Ver-gleich zu anderen Objekten. Diese Region wird daher Fusiform Face Area (FFA) ge-nannt (Kanwisher, McDermott et al. 1997). Die Frage, ob der Bekanntheitsgrad zur Person ausschlaggebend für eine unterschiedliche Aktivierung im Bereich des G. fusi-formis ist, konnte noch nicht abschließend geklärt werden. Wohl aber konnten je nach Beziehung zur abgebildeten Person (Partner/Partnerin, Eltern, berühmte Persönlichkeit, Fremder) unterschiedliche Gehirnaktivitätsmuster bei den Versuchspersonen festgestellt werden, die auf differenzierende kognitive Weiterverarbeitung des visuellen Stimulus schließen lassen (Kanwisher und Yovel 2006).

Mittels Magnetenzephalographie (MEG) wurde die neuronale Reaktion sowohl bei kinderlosen Erwachsenen und Eltern auf Kinderfotos untersucht. Bilder von Erwachse-nen dienten zum Vergleich, um die spezifische Reaktion auf das „Kindchenschema“ bei den Teilnehmern zu detektieren. Beschrieben wurde dafür eine frühe Reaktion im medialen orbitofrontalen Kortex, die sich bei ausgewachsenen Gesichtern nicht findet.

Ansonsten fand sich kein Unterschied in der neuronalen Aktivität (Kringelbach, Lehto-nen et al. 2008). Fotos der Gesichter von Säuglingen mit neutralem Gesichtsausdruck aktivierten die Areale der Gesichtswahrnehmung einschließlich der FFA bei den Müt-tern, die Fotos sowohl ihrer eigenen als auch fremder Kinder im MRT anschauten.

Signifikante Unterschiede der Gehirnaktivität zwischen diesen Stimuli fanden sich nicht. In diesem Setting wurden den Probandinnen zusätzlich Bilder mit fröhlichem und

traurigem Gesichtsausdruck der Säuglinge gezeigt. In der Gesamtauswertung bezüglich aller Stimuli fanden sich durchaus deutliche Unterschiede zwischen der Betrachtung des eigenen und des fremden Kindes (Strathearn, Li et al. 2008). Dass der abgebildete Gesichtsausdruck (z.B. fröhlich oder traurig) die neuronale Aktivität beim Betrachter verändert, wurde schon zuvor erkannt. Während Fotos von traurigen Gesichtern eher den ventrolateralen präfrontalen Kortex und den anterioren Anteil des Gyrus cinguli aktivierten, verursachten fröhliche Gesichter eher Erregungen im dorsolateralen präfrontalen Kortex und im übrigen Teil des Gyrus cinguli sowie im inferioren Tempo-rallappen (Habel, Klein et al. 2005).

1.4.2 Neuronale Korrelate der emotionalen Eltern-Kind-Bindung

Die Ergebnisse verschiedener Arbeitsgruppen deuten auf bestimmte neuronale Korrela-te des emotionalen Bindungsempfindens hin. Ausgelöst wurden diese häufig durch visuelle, aber auch durch akustische oder olfaktorische Stimuli, um dann durch funktio-nelle Bildgebung erfasst zu werden.

Lorberbaum et al. verglichen die Wirkung von Säuglingsgeschrei und Kontrollgeräu-schen auf Mütter. Spezifisch für die Reaktion auf die Säuglingsgeräusche zeigten sich Aktivierungen im Hypothalamus, Thalamus, ventrolateralen präfrontalen Kortex (BA 47), im Temporallappen (auditorischer Kortex BA 20, 21 und 22) sowie im ventralen Tegmentum, Substantia nigra, Nlc. caudatus, Putamen und Globus pallidus. Das anteri-ore Cingulum wurde auch durch Kontrollgeräusche aktiviert. Die Arbeitsgruppe schloss daraus, dass letztgenannte Struktur für maternales Verhalten nicht bedeutsam sei. Zu-dem beobachteten sie, dass die Säuglingsgeräusche eine Dominanz in der rechten He-misphäre auslösten, während die Kontrollgeräusche ein bilateral symmetrisches Akti-vierungsmuster hervorriefen. Dies sei ein weiterer Hinweis auf die rechtshemisphärische Verarbeitung emotionaler Reize (Lorberbaum, Newman et al.

2002).

Bei längerer Betrachtung (30 Sekunden) von Bildern des eigenen Neugeborenen im Vergleich zu den Bildern fremder Säuglinge fanden sich bei jungen Müttern hauptsäch-lich Gehirnaktivitäten im occipitalen Kortex einschließhauptsäch-lich des fusiformen Gyrus und im orbitofrontalen Kortex (BA 11/47). Die Autoren deuteten dies als Hinweis für die

Annahme, der orbitofrontale Kortex sei eine Region für die Verarbeitung positiver Emotionen und Affekte. Der umgekehrte Kontrast, also beim Betrachten des fremden Säuglings, ergab bilaterale Erregungen der Brodmann-Areale (BA) 20 und 21 im Tem-porallappen. Dies sei als Folge der Verarbeitung eines der untersuchten Person unbe-kannten menschlichen Stimulus zu werten, sowie im Vergleich dazu der bekannte Stimulus den Gyrus fusiformis aktiviert (Nitschke, Nelson et al. 2004).

In einer weiteren Studie wurde durch Leibenluft et al. versucht, einen Unterschied zwischen der Wahrnehmung des Bildes des eigenen, eines bekannten und eines unbe-kannten Kindes zu zeigen. Bei Müttern zeigten sich u.a. Aktivierungen im Bereich des anterioren Cingulum, im dorsomedialen und im dorsolateralen präfrontalen Kortex sowie in der linken Inselrinde und im Thalamus. Es konnten auch weitere subkortikale Erregungen im Putamen, Globus pallidus und der rechten Amygdala gefunden werden.

Das bekannte Kind konnte Aktivierungen im Bereich des BA 22 des Temporallappens auslösen. Auch für den Vergleich der Bilder eines völlig fremden Kindes mit einem unbekannten konnten bestimmte aktivierte Hirnregion detektiert werden. Dabei zeigte sich das neuronale Aktivierungsmuster bei der Betrachtung eines unbekannten Kindes ausgeprägter. Erhöhte neuronale Aktivität fand sich vor allem im dorsolateralen präfrontalen Kortex, im Occipitallappen einschließlich Gyrus lingualis und fusiformis sowie subkortikal (Amygdala, Thalamus, Ncl. caudatus). Durch die Wahrnehmung des bekannten Kindes wurden hauptsächlich Aktivierungen im Bereich des Frontallappens gefunden (Gyrus cinguli anterior, dorsomedialer präfrontaler Kortex und orbitofrontaler Kortex). Im selben Setting wurden auch Aktivierungen durch Betrachten von Erwach-senen- und Kindergesichtern verglichen. Dabei zeigten sich für die Kindergesichter eine stärkere neuronale Antwort insbesondere im fusiformen Gyrus, im Temporallappen und subkortikale Aktivität in der Inselrinde und im Thalamus, insgesamt aber ein dissemi-niertes Bild mit zusätzlichen Erregungen im Frontal- und Parietallappen (Leibenluft, Gobbini et al. 2004).

Auch Bartels und Zeki zeigten Müttern Bilder des eigenen und anderer Kinder, sowie bekannter und fremder Erwachsener. Sie fanden für die Wahrnehmung bekannter Kin-der ähnliche Ergebnisse wie beim Betrachten Kin-der eigenen KinKin-der, wobei sich die Akti-vierung schwächer darstellte. Im einzelnen wurden bilaterale AktiAkti-vierungen in der

medialen Inselrinde, dem dorsalen und ventralen Anteil des anterioren Gyrus cinguli und dem Striatum (Putamen, Globus pallidus) gefunden, die sich auch durch Bilder von Erwachsenen auslösen ließen. Als spezifische neuronale Korrelate für mütterliche Emotionen bei der Betrachtung der Kinderbilder wurden der laterale orbitofrontale Kortex und lateraler präfrontaler Kortex (BA 46/45), sowie Teile des Thalamus und des periaquäduktalen Graus beschrieben. Die Autoren bringen die aktivierten Areale mit dem Belohnungssystem und der cerebralen Verteilung von Oxytocinrezeptoren in Verbindung und beschreiben Gemeinsamkeiten und Zusammenhänge dieser Systeme mit dem maternalen Bindungsverhalten. Die Erregung in der Inselrinde und im Gyrus cinguli anterior stellten sich als neuronale Korrelate der Verarbeitung positiver emotio-naler Stimuli dar (Bartels und Zeki 2004). Dieses Aktivierungsmuster findet sich auch beim betrachten der Bilder der Lebenspartner im Vergleich zu Freunden der Versuchs-personen. Zusätzlich zeigten sich bei dieser Studie zu romantischer Liebe noch Erre-gungen im posterioren Hippocampus, Ncl. Caudatus und Putamen. Auffällig waren hier die Deaktivierungen im präfrontalen und parietalen Kortex sowie im Temporallappen (BA 21/22) und der Amygdala. Es ließen sich keine Geschlechterunterschiede der neuronalen Aktivität in diesem Setting finden (Bartels und Zeki 2000).

Durch die Bilder des eigenen Säuglings im Vergleich zu anderen Säuglingen konnten auch Strathearn et al. Gehirnaktivitäten im Bereich des Frontallappens und des Tempo-rallappens finden. Zudem beschrieben sie Aktivierungen in der prä- und postzentralen Rinde und dem Gyrus lingualis (BA 18/19). Ein ausgeprägtes Aktivierungsmuster fand sich subkortikal (Substantia nigra, Putamen, ventrales Striatum, Inselrinde, Thalamus, Amgydala), sowie im Hirnstamm (ventrales Tegmentum) und im vorderen, mittleren und hinteren Teil des Gyrus cinguli. Bei der Präsentation von unterschiedlichen Ge-sichtsausdrücken (fröhlich, neutral, traurig) der Säuglinge, zeigten sich bei den Müttern nur auffällige Effekte bei der Wahrnehmung der lachenden Gesichter des eigenen Säuglings und zwar im Bereich des Putamen (bilateral), Substantia nigra, Thalamus und Amgydala. Insgesamt konnte gezeigt werden, dass alle Säuglingsbilder die Sehrinde vom primären visuellen Kortex bis zum Temporallappen und auch die für die Gesich-terwahrnehmung spezifischen fusiformen Gyrus aktivierten (Strathearn, Li et al. 2008).

Auch mittels Elektroenzephalografie (EEG) konnten Effekte bei Müttern und Adoptiv-müttern für die Wahrnehmung der Bilder des eigenen Kindes erfasst werden. Sie wer-den als Hinweis gedeutet, dass die Fotos der Kinder spezifische mütterliche Aufmerk-samkeit erhöhen. Signifikante Unterschiede beim Betrachten von Bildern den Müttern bekannter Kinder und bekannter Erwachsener fanden sich nicht (Grasso, Moser et al.

2009).

Eine andere Arbeitsgruppe überprüfte mittels fMRT die neuronalen Reaktionen von Müttern bei der Betrachtung von kurzen Videosequenzen, die ihre und andere Kleinkin-der in Kleinkin-der Interaktion mit Kleinkin-der jeweiligen Mutter oKleinkin-der alleine zeigten. Auch sie fanden Aktivitäten im Frontallappen (BA 6), speziell im orbitofrontalen Kortex (BA 47), im Temporallappen (BA 39) und subkortikal in der anterioren Inselrinde, im Putamen und Thalamus. Auffällig waren dabei die signifikant unterschiedlichen neuronalen Aktivitä-ten bei der Betrachtung des Kindes alleine im Vergleich zu der Spielsituation mit der Bezugsperson (Noriuchi, Kikuchi et al. 2008).