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Nach Madagaskar. Der weiße Hahn. Der Krokodilteich. Das Gottesurteil. Der

verhängnisvolle Schuß. Gefangen, Das Todesurteil. Gerettet von den Genossen. Rua-Roa.

Jagderlebnisse, "Zwei tote Affen und zwei lebendige Stachelschweine."

Für den Rückweg bis zur Kapstadt wurde natürlich eine veränderte Richtung eingeschlagen, aber obwohl auch hier manches Neue und Sehenswerte den Blicken begegnete, obwohl mehr als ein Kraal in Augenschein genommen und mehr als ein Tier erlegt wurde, so kehrte doch auf dem ganzen Wege die rechte Freudigkeit in die Herzen der Reisenden nicht wieder ein. Das jähe Ende eines Menschen, mit dem wir noch vor wenigen Stunden oder Tagen im engsten Verein lebten, führt auch den Leichtsinnigsten zur inneren Einkehr, wie viel mehr mußte sich ein solches Ereignis in den Vordergrund drängen, wo gute, fühlende Herzen von seinem Eintritt erschüttert wurden! Das Bild des stillen, feierlichen Waldrandes und der weiten Ebene zur Rechten, wie die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen über das Wasser dahinstreiften, als der Tote zur letzten Ruhe bestattet war, – das alles hatte sich unverwischbar den Seelen der Umstehenden eingeprägt, und erst als in der Kapstadt Briefe von Hamburg die Ankömmlinge freudig überraschten, löste sich der Druck, den bisher alle empfanden. Nachrichten aus der geliebten Heimat! Nur wer in weiter Ferne allein und freudlos unter Fremden lebte, der kann ermessen, welchen Jubel ein solcher Brief hervorruft. Nicht allein Papa und Mama hatten geschrieben, auch die Schwestern und Freunde, auch Schulkameraden und Nachbarn; alle beglückwünschten die kühnen Afrikareisenden, alle baten um lange Briefe und um irgend ein interessantes Geschenk, am liebsten Photographieen von Wilden, oder sonst einen Gegenstand, den man nicht kaufen könne. Der bereits erwartete photographische Apparat mit allem Zubehör war ebenfalls wohlverpackt eingetroffen, sowie eine Sendung dicht verschlossener Metalldosen, in denen sich Gips befand, dessen Gebrauch den Knaben vorläufig noch unbekannt blieb. Holm freute sich sehr über die Ankunft desselben. "Einen Tag hindurch bei euch sein möchte ich wohl," schrieb Karl, Franzens Klassenkamerad vom Johanneum, "aber nicht über das Weltmeer fahren und auch nicht in Urwäldern schlafen, das muß doch schauderhaft sein! Erkältet ihr euch nicht immer dabei? Ich kann nun einmal unmöglich für solche Abenteuer schwärmen, aber Emil und Theodor und alle anderen aus Sekunda beneiden euch; Johannes will, seit er eure Briefe gelesen hat, jedenfalls Naturforscher und Afrikareisender werden, er kann kaum erwarten, bis die Zeit da ist. Eure Geschenke sind glücklich angelangt und schmücken bereits den Zoologischen Garten und das Museum, schickt nur mehr mit der nächsten Post, vor allen Dingen aber schreibt fleißig, ihr müßt aus jedem Hafen einen Brief absenden."

Auch Doktor Bolten hatte eine längere, eingehende Mitteilung von dem Vater seiner Zöglinge. Herr Gottfried dankte ihm für das richtige Gefühl, welches in Palma den Bonnynegern, die Franz aus den Händen der Benins befreiten, ein Geldgeschenk namens der Eltern des Knaben bestimmt hatte; er erlaubte auch für künftige derartige Fälle dem würdigen Erzieher, das zu tun, was nach seiner Ansicht das Richtige sei, und so erhielten denn vor der Abreise nach Madagaskar die Hinterbliebenen des verunglückten Führers eine Summe, die wenigstens dazu angetan war, ihre äußerlichen Sorgen zu lindern. Alle Errungenschaften an Pflanzen, Blumen, zahllosen Insekten, Kerbtieren und Schlangen wurden auf das Schiff gebracht, neue Einkäufe besorgt, lange Briefe nach Hamburg geschrieben, und dann lichtete der Dampfer seine Anker, um jetzt die Inselwelt des Indischen und Großen Ozeans aufzusuchen. Zunächst durch den Kanal von Mozambique nach Madagaskar, wo an einer nur für Boote zugänglichen Bucht des am wenigsten bekannten und bereisten Teiles die Entdeckungsfahrt in das Innere wieder begann. Da die Seereise kurz und ohne Störung von statten gegangen war, so gaben sich alle mit fröhlichem Mut der Hoffnung hin, daß auch dieser Ausflug neue, reiche Schätze zutage fördern werde. Das Tier- und Pflanzenleben, die Wohnungen und die Beschäftigungsweise der Malagaschen kennen zu lernen, genügte ein Ausflug in die Dörfer des Innern, und den unternahm man, nachdem alle Vorbereitungen getroffen und einige des Weges kundige Führer gemietet waren. Durch einen dichten Wald der schönsten, verschiedenartigsten Palmen ging es auf bald bergigem, bald flachem Boden dahin; blühende Lianen schlangen sich um alle Zweige. Der Sagobaum und die giftige Brechnuß wuchsen in malerischen Gruppen, die afrikanische Palme zeigte ihren sonderbaren, einem Wickelkinde nicht unähnlichen plumpen Stamm, und endlich erschien auch die Ravinala, welche allein auf diesem Teil unseres Erdkörpers gefunden wird. Der hübsche, schlanke Baum mit emporstrebenden Stielen, die immer nur in ein einziges, breites Blatt auslaufen, heißt auch der Baum der Reisenden, und zwar weil das untere Ende jedes dieser Blattstiele eine innere Höhlung besitzt, in welcher sich klares Wasser sammelt, das ohne Mühe mittels Durchstechen der grünen Umwandung erlangt werden kann und daher den Reisenden von großem Werte ist. Unsere Freunde wollten Halt machen, um die seltsame, nur auf Madagaskar gefundene Flüssigkeit zu kosten, aber die Führer schüttelten den Kopf und deuteten auf die in der Ferne sichtbare Niederung, wo aufsteigender Rauch ein Dorf ankündigte. "Unternehmt nichts im Lande des bösen Geistes Angatsch," warnten sie, "berührt keinen seiner Bäume, keines seiner Tiere, ehe ihr nicht den geweihten Hahn zu eurem Schutze bei euch habt. Im Dorfe könnt ihr ihn kaufen."

Der alte Theologe hörte mit großem Erstaunen an, was der olivenfarbige Eingeborne in schlechtem Englisch vorbrachte. "Ein geweihter Hahn?" wiederholte er entrüstet, "was behauptest du da, mein Sohn? Ein Hahn –"

"Doktor, Doktor, wir sind in Feindes Land und müssen also klüglich seinen Sitten folgen!

Wenn uns dieser gelbe Angatschgläubige als Ketzer verklagt, so werden wir möglicherweise alle in einem Tempel wie Opfertiere behandelt, lassen Sie uns lieber

gütlich erfahren, was der geweihte Hahn bedeutet, und auf diese Weise unsere Kenntnisse bereichern. Sie erinnern sich ja des Hottentotten-Großvaters als Schlange, nicht wahr? und des mondanbetenden Dorfkönigs aus dem Dahomey-Lande?

Der alte Herr lächelte wider Willen. "Aber ein Hahn!" seufzte er.

Holm war sehr belustigt. "Was ist's mit dem Geweihten?" fragte er ganz ernsthaft die Führer. "Wir wollen niemandes Gefühle verletzen."

Die Malagaschen deuteten zum Dorfe. "Alle ganz Weißen Hähne sind heilig," erklärte sie,

"aber eben darum werden sie auch von den Zauberern sehr teuer verkauft. Wer einen weißen Hahn besitzt, der ist gegen Angatschs Verfolgungen gesichert. Jeder Reisende nimmt solches Tier mit sich, und unter jedem Dache lebt eins."

"Aha! – und auch wir können einen derartigen Beschützer erlangen?" Die Führer hielten Rat, endlich erbot sich einer, im Dorfe den Hahn zu kaufen, worauf ihm Holm das nötige Geld einhändigte und ihn mit einer kleinen, in deutscher Sprache gehaltenen Standrede entließ. "Hole uns den Gebieter der Bilderfibel, mein Sohn, aber glaube nicht, daß du imstande seiest, uns zu täuschen. Ein ansehnlicher Obolus wird in deinen Besitz übergehen, obwohl du keine Taschen führst; vielleicht stiehlst du sogar den Meister Kikeriki vom nächsten Düngerhaufen weg, aber das tut hoffentlich in den Augen des eingebornen Satanas von Madagaskar seiner Heiligkeit keinen Eintrag. Fleuch!"

Der Malagasche verstand natürlich nicht, was ihm gesagt worden war, aber der Ton des letzten Wortes im Verein mit bezeichnender Handbewegung verrieten einigermaßen den Sinn der Worte. Er trollte sich schnellen Schrittes, indes die übrigen Halt machten, um unter den wundervollen Bäumen im Moos zu lagern.

Die Ruhe tat den Reisenden wohl, und ganz gaben sie sich dem Genüsse der schönen Landschaft hin, die sich vor ihren Augen ausbreitete. Unter fröhlichem Geplauder erwarteten sie die Rückkehr des Führers.

Ein langgezogenes Krähen verkündete alsbald die Nähe des zaubernden weißen Hahnes.

Der Führer erschien und brachte in einem schlechtgearbeiteten Bambuskäfig das heilige Tier, indem er zugleich geheimnisvoll andeutete, daß noch ein weiteres Schutzmittel gegen den bösen Geist notwendig sei, ein Amulett, welches die Fremden auf der Stirn tragen müßten. Holm wollte natürlich auch das kaufen und erhielt nun für teuren Preis den Zahn eines Krokodils an einer mit Glasperlen verzierten Schnur. "Jetzt seid ihr sicher, Fremdlinge," erklärte der Malagasche, dem ein Geschäft mit den Weißen noch nie so leicht gewesen sein mochte, "jetzt ist Angatsch ohnmächtig gemacht und der Riese Darafif, der Sohn Zannaars des Weltgeistes, euer Freund geworden. Der weiße Hahn blendet die Blicke aller Häuptlinge, daß sie euch die Hände reichen und euch Brüder nennen, der weiße Hahn lähmt die Sinne der Wildschweine, daß sie sich taumelnd in eure Spieße stürzen."

Holm hörte zu, ohne eine Miene zu verziehen. "Lacht nicht, Kinder," ermahnte er in deutscher Sprache, "lacht nicht. Die Malagaschen sind als hinterlistig und äußerst rachsüchtig bekannt, sie möchten uns hier inmitten ihrer Urwälder empfindlich strafen, wenn wir sie beleidigen würden."

Er dankte den Eingebornen, und nun erst konnte das Wasser des Ravinala probiert werden, ebenso die Früchte des Brotbaumes und die vielen wildwachsenden Beeren.

Langsam wanderten die Reisenden dem Dorfe entgegen, das ihnen bei näherer Betrachtung durch irgend ein außerordentliches Ereignis in Aufregung versetzt zu sein schien. Den Mittelpunkt der Niederlassung bildete ein großer, versumpfter See, an dessen einem Rande sich die Hütten erhoben, und wo jetzt Hunderte von Menschen durcheinander liefen. Schon der erste Blick zeigte, wie hoch über den wilden Negerstämmen die Malagaschenstehen. Sie alle waren in weite, faltenreiche Gewänder gehüllt, trugen zum Teil sogar Hüte und bewohnten geräumige, runde, mit Palmenblättern gedeckte Hütten, welche mit ihren hölzernen Einfriedigungen einen guten Eindruck machten. Sogar Türen von genügender Höhe fanden sich, Hunde, Hühner und Schweine hatten ihre abgesonderten Stallungen und um die Hütten herum grünten und gediehen zahlreiche Anpflanzungen.

Wie ein wahres Gegenstück zu diesem friedlichen Bilde erschien der Anblick des Sumpfes, aus dessen trüben Fluten große Krokodile ihre greulichen Rachen erhoben. Nur die kleinen tückischen Augen verrieten durch ihr Blinzeln, daß diese Masse lebe. Überall zeigten sich die gefährlichen Bestien; der See mochte mehr als fünfzig beherbergen, ja sogar in einem breiten Flusse, der mit dem stehenden Gewässer nicht weit vom Dorfe in Verbindung trat, schwammen noch die häßlichen Geschöpfe, so daß Holm voll Erstaunen den englisch sprechenden Führer fragte, weshalb man es unterlasse, sich dieser Raubgesellschaft auf kürzestem Wege zu entledigen. Aber der olivenfarbige Mann antwortete kopfschüttelnd: "Das verstehst du nicht, Fremder. Die Tiere haben hier das Richteramt im Dorfe, sie sind unverletzlich; wir füttern sie und bezeugen ihnen die größte Verehrung. Siehst du nicht dort am Ufer die versammelte Menge?"

"Freilich. Aber was treiben diese Leute?"

"Ein Sklave steht im Verdacht des Diebstahls, Fremder. Die Krokodile werden also zu Gericht sitzen und entweder seine Unschuld beweisen oder ihn strafen, wie es sich gebührt."

"Das heißt – den Unglücklichen fressen?"

"Wenn er wirklich gestohlen hat, ja."

"Ein Gottesurteil in aller Form also. Wie tief doch bei jedem, auch dem wildesten, niedersten Volke der Zug nach dem Anlehnen an ewige, wandellose Mächte im Charakter begründet liegt! Es hat noch keine Nation versucht, sich ohne Götter oder Göttliches zu

behelfen. – "Aber", fügte der Doktor gegen den Eingeborenen hinzu, "ist nicht durch diese seltsamen Richter der Angeklagte in allen Fällen überführt? Habt ihr schon erlebt, daß die Krokodile Barmherzigkeit übten?"

Der Eingeborne wiegte den Kopf. "Nur sehr selten, Fremder, das ist wahr, aber – die Sklaven sind auch außerordentlich diebisch."

Während dieser Worte hatte sich die kleine Gesellschaft dem Dorfe bis auf hundert Schritt genähert. Rechts von ihnen flutete der See mit seinen greulichen Bewohnern, links lag der Wald und geradevor die regelmäßig erbaute Hüttenreihe. Aller Augen blickten den Weißen entgegen; Frauen mit kleinen Kindern auf den Rücken liefen sogar neugierig herbei und stellten Fragen jeder Art; nur eine Gruppe vor dem See blieb ganz abgesondert; wie es schien, in sehr ernster Verhandlung begriffen. Ein älterer Mann in weißer Kleidung, umgeben von mehreren anderen, und ein jugendlicher, an Händen und Füßen gefesselter, ganz nackter Bursche bildeten die handelnden Personen des Trauerspieles, das hier seinen Anfang nahm. Eine lautgesprochene, den Reisenden natürlich unverständliche Frage schallte über das Wasser dahin, – der Führer wiederholte auf englisch die Worte. "Im Namen Zannaars des Weltgeistes und seines Sohnes Darafif, des Riesen, frage ich dich, hast du deinem Herrn das gewirkte, rote Tuch gestohlen oder nicht?"

Der Sklave schüttelte den Kopf. "Nein. Möge mich Angatsch verschlingen, wenn ich schuldig bin. Ich habe das Tuch nicht berührt."

Der alte Malagasche, offenbar das Oberhaupt des Dorfes, sprach nochmals. "Wir glauben, daß du lügst, um dich zu retten, Rua-Roa," versetzte er. "Die heiligen Krokodile müssen also entscheiden zwischen dir und uns. Nehmt ihm die Fesseln ab!" setzte er gegen seine Begleiter gewendet hinzu.

Die Seile aus Bast wurden von den Gelenken des jungen Burschen entfernt; dann ergriff ihn der Ankläger am Arm und trat so mit ihm aus dem Kreise der übrigen heraus bis nahe an den Rand des versumpften Sees. "Hört mich, ihr heiligen Krokodile" – übersetzte der Führer – "hört mich, Boten des mächtigen Zannaar, und leiht ein gnädiges Ohr meiner Bitte. Ihr seid dem Volke der Hovas gesandt als Verkünder für die Beschlüsse des Weltgeistes, ihr werdet auch heute verkünden was recht ist. Wenn dieser Sklave das Tuch nicht gestohlen hat, so laßt ihn ungefährdet das Ufer wieder erreichen; wenn er aber ein Dieb ist, dann straft ihn nach Recht und Billigkeit."

Eine Handbewegung zeigte dem Burschen, daß der Augenblick jener entsetzlichen Entscheidung durch die Bestien nunmehr gekommen sei; vielleicht glaubte aber auch er ganz fest an die Gerechtigkeit ihres Urteils, vielleicht fühlte er sich sicher geborgen im Bewußtsein vollkommener Schuldlosigkeit, genug er erhob unter dem tiefsten Schweigen sämtlicher Zuschauer beide Arme über den Kopf und stürzte sich in das hochaufspritzende Schlammwasser. Wenige Augenblicke später sahen alle den schlanken,

olivenfarbigen Körper langsam auf der Oberfläche dahingleiten.

Die Augen des älteren Knaben glühten, er hatte wie halb unbewußt das Gewehr von der Schulter genommen. "Noch sehe ich keines dieser Ungeheuer sich bewegen," flüsterte er in gepreßtem Tone.

"Franz," warnte Holm, "du darfst unter keiner Bedingung schießen, mein Junge. Was hier geschieht, das empört sicherlich uns alle, aber eine Einmischung in derartige, das Rechts-und Glaubensleben des Volkes berührende Angelegenheiten wäre verhängnisvoll. Tötest du eines der Krokodile, so ist noch ein halbes Hundert übrig, um den unglücklichen Knaben zu zerreißen – uns aber würde man höchstwahrscheinlich auch den heilig gehaltenen Bestien als Futter vorwerfen."

Franz sah starr auf das Wasser. "Es ist eine Abscheulichkeit," murmelte er. "Ich könnte dem armen Schelm nachspringen, um ihn zu retten." Dabei verwandte er aber keinen Blick von dem langsam schwimmenden Malagaschen, der jetzt die Hälfte seiner Bahn bereits durchmessen hatte und dem mehrere Krokodile anscheinend ohne mörderische Absicht folgten. Ein fester Entschluß lag auf seiner Stirn, er hielt die Finger am Drücker.

Selbst der schüchterne Hans war entrüstet wie nie. "Lieber Herr Doktor, helfen Sie doch dem armen Menschen," bat er dringend. "Papa bezahlt es gern, wenn sie seinem grausamen Besitzer eine Summe bieten, um ihn zu kaufen und zu befreien. Soll man denn nicht das Böse überall, wo es uns entgegentritt, bekämpfen?"

"Natürlich!" murmelte Franz. "Natürlich, und ich werde mich auch nicht hindern lassen, das zu tun, was ich für recht halte."

Der alte Herr ging geraden Weges zu jener Gruppe des Häuptlings oder Zauberers, wo vorhin die Verurteilung des Sklaven stattgefunden hatte. "Leute," rief er in englischer Sprache. "Leute, was tut ihr? Bedenkt, daß das Leben dieses Kindes verloren ist, wenn ihr ihm nicht schleunigst zu Hilfe kommt, und daß die Verantwortung auf euch zurückfällt!

Ich will den Sklaven kaufen, befehlt ihm, so schnell als möglich an das Ufer zu schwimmen."

Finstere Blicke antworteten ihm. "In was mischest du dich, Fremder?" fragte grollend der weißgekleidete Alte. "Ich bin der Priester dieses Stammes und stehe hier im Namen Zannaars des Weltgeistes, der die Sünde strafen will."

Doktor Bolten streckte die Hand aus. "Zannaar in deiner und Gott in meiner Sprache!"

rief er, "aber immer ein Wesen voll Gerechtigkeit und Erbarmen, das solche Greuel strafen und verabscheuen muß. Dein –"

Der Knall eines Büchsenschusses zerriß die Stille, vom Wasser her tönte ein gellender Aufschrei, der in Hunderten von Kehlen sein Echo fand. Sprachlos mit beschwörend erhobenen Armen starrte der Priester auf den See, wo jetzt der braune Knabe in

schnellerer Bewegung dem rettenden Ufer zueilte, wo aber auch eine Blutlache und ein Toben und Ringen unter dem Wasser nur zu deutlich verriet, daß eins der heiligen Tiere getroffen war und sich sterbend im Schlamm wälzte. Von allen Seiten stürzten aufgeregte erbitterte Menschen den drei Weißen entgegen, vergeblich bemühte sich der Führer, Frieden zu stiften; wie eine Lawine vergrößerten sich die andrängenden Massen;

Drohworte wurden laut und in weniger als einer Minute waren den drei wehrlosen jungen Leuten die Waffen entrissen.

Franz hatte seine Absicht ausgeführt. Als eins der Krokodile den Rachen aufsperrte, um das geängstigte Opfer zu verschlingen, da legte er gedankenschnell das Gewehr an die Wange und traf als geübter Schütze das Auge der Bestie, so daß sie schnaufend zusammenbrach und rings umher das Wasser mit ihrem Blute färbte. Der Malagasche schrie vor Entsetzen, mehr erschreckt durch den plötzlichen Schuß als durch die anwesenden Krokodile, dann aber floh er alles vergessend, so schnell es seine Kräfte erlaubten, dem Lande zu. Vielleicht waren von dem ungewohnten Ereignis auch die Tiere in Verwirrung geraten, sie tauchten in den Schlamm und versuchten keine weitere Jagd.

Noch eine Minute, dann sprang der gerettete Knabe unversehrt an das Ufer.

"Gottlob!" rief Franz. "Das abscheuliche Verbrechen wäre vereitelt." "Aber um teuren Preis. Ich glaube nicht, daß einer unter uns mit dem Leben davon kommt! – O Franz, Franz, was hast du getan?"

"Das Rechte!" rief ungestüm der Knabe. "Ich fürchte mich nicht."

Er versuchte keinen Widerstand, als ihm und den übrigen die Hände auf den Rücken gebunden wurden. "Nur zu, das soll euch schlecht bekommen, ihr Mordgesellen," rief er.

"Unmöglich kann Gott dem Bösen den Sieg verleihen."

Von einer heulenden, schreienden und schimpfenden Menge umdrängt, von geballten Fäusten und wutblitzenden Augen bedroht, wurden die drei zum Dorf geführt, wo ihnen der alte Zauberer mit ebenfalls hocherhobenen Händen entgegen kam; der Volkshaufe tobte und verlangte, daß zur Sühne für den Tod des einen Raubtieres die Gefangenen den anderen als Futter vorgeworfen würden und zwar auf der Stelle. Aber der Zauberer

Von einer heulenden, schreienden und schimpfenden Menge umdrängt, von geballten Fäusten und wutblitzenden Augen bedroht, wurden die drei zum Dorf geführt, wo ihnen der alte Zauberer mit ebenfalls hocherhobenen Händen entgegen kam; der Volkshaufe tobte und verlangte, daß zur Sühne für den Tod des einen Raubtieres die Gefangenen den anderen als Futter vorgeworfen würden und zwar auf der Stelle. Aber der Zauberer