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Die Entdeckung der EAE geht auf Versuche zurück, bei denen mit Hilfe von Kaninchen-Rückenmarksgewebe eine entzündliche Reak-tion im ZNS von Primaten ausgelöst wurde. Seitdem gelang es expe-rimentell in einer Vielzahl unterschiedlicher Tierarten, darunter Pri-maten und Nager, eine EAE auszulösen. Besonders Maus- und Rat-tenmodelle dienen der Erforschung von Pathomechanismen autoim-muner ZNS-Prozesse. Je nach Tiermodell kommt es zu lichen Verläufen der Erkrankung und es werden jeweils unterschied-liche Teilaspekte der MS dargestellt (Gold et al. 2006). Die Tiermo-delle bieten die beste Möglichkeit, das Immunsystem in seiner Kom-plexität zu verstehen und es sind tatsächlich einige Therapieansätze der MS aus diesen Modellen hervorgegangen.

Unsere Arbeit stützt sich auf das klassische, durch MBP induzierte EAE-Modell der Lewis Ratte, bei dem MBP-reaktive T-Zellen ent-scheidend bei der Auslösung der Erkrankung beteiligt sind. EAE-Modelle unterscheiden sich sehr bezüglich ihrer Induzierbarkeit und der Krankheitsausprägung. Ein wesentlicher Vorteil der Lewis Rat-ten EAE besteht in dem zeitlich strikt vorhersehbaren Verlauf und monophasischen Krankheitsbild. Die Erkrankung kann ohne An-wendung zusätzlicher Faktoren, z.B. Pertussistoxin, induziert wer-den. Dieses Modell ist daher besonders im Hinblick auf die Erfor-schung akut auftretender (auto)entzündlichen ZNS-Prozesse rele-vant.

1.3.2 Autoantigene

Nicht nur die Tierart bzw. der eingesetzte Stamm hat einen großen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung, sondern auch das Autoan-tigen und der Zustand des Zielgewebes. So weisen vorgeschädigte Strukturen des ZNS eine größere Akkumulation von Entzündungs-zellen auf als gesunde Anteile und fungieren als Prädilektionsstellen

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für weitergehende Schädigung (Maehlen et al. 1989; Konno et al.

1990).

Lange Zeit wurde das MBP als einzig relevantes Autoanti-gen für die EAE angesehen. Inzwischen wurde jedoch eine Vielzahl von Myelin-Antigenen identifiziert, welche eine EAE auslösen kön-nen, z.B. das Proteolipid Protein (PLP) und das Myelin Oligodendrozyten Glykoprotein (MOG) (Waksman et al. 1954;

Linington et al. 1993). Auch Nicht-Myelin Proteine des ZNS, wie das Kalzium bindende Protein S100β, können eine EAE auslösen.

Diese unterscheidet sich wesentlich von der MBP vermittelten EAE.

Im S100β Modell kommt es zu diffusen Entzündungsherden im ge-samten ZNS, in denen CD4+ T-Zellen vorherrschen. Die Herde bil-den sich simultan im Rückenmark (RM), Gehirn, Optikusnerven und teilweise auch im peripheren Nervengewebe. Zudem entwickeln die Tiere eine starke Uveitis und manchmal auch Retinitis. Trotz der ausgeprägten entzündlichen Reaktionen zeigen die Tiere eine ver-gleichsweise milde Klinik (Wekerle et al. 1994).

1.3.3 EAE in der Lewis Ratte 1.3.3.1 Induktionsarten

Die in dieser Arbeit verwendeten Tiere waren Lewis Ratten des Haplotyps N (Charles River) und bei dem eingesetzten Antigen MBP handelt es sich um einen Hauptbestandteil der Myelinscheiden im ZNS. Je nach Induktionsart unterscheidet man zwischen einer akti-ven und einer passiakti-ven EAE. Bei der aktiakti-ven EAE wird die Erkran-kung durch die Gabe des spezifischen Antigens zusammen mit kom-plettem Freunds Adjuvans als Immunstimulans ausgelöst während bei der passiven EAE in vitro aktivierte EAE-spezifische T-Zellen transferiert werden (Paterson 1960; Ben-Nun et al. 1981; Ben-Nun &

Cohen 1982).

Ca. zehn Tage nach der Immunisierung kommt es zu Gewichtsver-lust und aufsteigenden Lähmungen. In der zehntägigen Latenzphase

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kommt es zur Entwicklung der spezifischen T-Zellantwort, wie sie bereits im ersten Kapitel der Einleitung beschrieben wurde. Das spe-zifische Antigen wird von DZs in den drainierenden LK naiven T-Zellen präsentiert. Diejenigen T-T-Zellen welche das präsentierte Epitop erkennen, werden aktiviert, proliferieren und wandern über die Blutbahn zurück zum Eintrittsort des Antigens. Hierbei durch-brechen sie die BHS und lösen in der weißen Hirnsubstanz eine Ent-zündungsreaktion aus. Bis vor kurzem wurden hauptsächlich CD4+

Th1 Zellen für die Auslösung der EAE verantwortlich gemacht, doch neuen Studien zufolge spielen auch Th17 Zellen eine Rolle, deren Funktion in der Ratte aber noch nicht abschließend untersucht ist.

Neben den T-Zellen sind andere Zellarten, wie Makrophagen, von Bedeutung, wie durch Depletionsversuche nachgewiesen werden konnte (Tran et al. 1998; Martiney et al. 1998). Ungefähr zehn Tage nach Ausbruch erster Symptome kommt es zur spontanen Remission der Erkrankung. Diese wird durch Apoptose der Entündungszellen im ZNS erklärt (Pender et al. 1991; Schmied et al. 1993).

Die passive EAE, auch Transfer EAE (tEAE), wird durch intravenö-se Injektion in vitro aktivierter T-Zellen ausgelöst. Hierfür werden aus Lymphknoten immunisierter Tiere EAE-spezifische T-Zellen gewonnen und kultiviert. Die Vermehrung der Zellen in vitro erfolgt über wiederholte Stimulationen mit dem spezifischen Antigen, wel-ches ihnen mit Hilfe professioneller, aus dem Thymus gewonnener, APZs präsentiert wird. Im Laufe des Kultivierungsverfahrens erfolgt außerdem eine Zugabe von Il-2.

1.3.3.2 Die Prodromalphase

Für die passive EAE-Induktion werden in vitro vermehrte Zellen als aktive T-Zellblasten injiziert. Diese Zellen sind maximal stimuliert und produzieren große Mengen pro-inflammatorischer Zytokine.

Bemerkenswerterweise sind die T-Zellen aber nach dem Transfer nicht in der Lage, sofort in das ZNS einzudringen und eine Erkran-kung auszulösen. Stattdessen kommt es zu einer obligatorischen

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krankungsfreien Latenzzeit von drei bis vier Tagen. Wodurch ist diese Latenzphase begründet? Das gesunde ZNS ist durch eine sehr stark reduzierte Immunreaktivität gekennzeichnet: 1.eine lymphati-sches Transportsystem fehlt; 2. MHC II Moleküle, 3. APZs und an-dere Immunzellen sind spärlich vorhanden und 4.die BHS verhindert den Übertritt von Zellen und immunaktiven Faktoren. Diese Gege-benheiten könnten dazu beitragen, dass zerstörerische Entzündungs-reaktionen im empfindlichen ZNS-Gewebe verhindert oder zumin-dest stark unterdrückt werden. Dieses Konzept des Immunprivilegs ist aber nicht absolut und es zeigte sich, dass insbesondere aktivierte T-Zellen durchaus in der Lage sind, in das ZNS einzudringen. Hirn-antigen-reaktiven „Pionierzellen“ wird bei der Entwicklung der auto-immunen ZNS-Entzündung eine besondere Rolle zugesprochen, da sie das Gewebe für folgende Immunzellinfiltrationen vorbereiten sollen („Priming Model“). Demzufolge dringen wenige Stunden nach Injektion der autoaggressiven T-Zellblasten einige der aktivier-ten T-Zellen als Pioniere in das ZNS ein und erkennen vor Ort ihr Antigen. Es kommt daraufhin zur Ausschüttung von Entzündungs-mediatoren, z.B. Zytokinen und Chemokinen, und dadurch zum

„Priming“ des ZNS Milieus und der BHS. Dieses angeregte Milieu ermöglicht unspezifischen Immunzellen, die nun durchlässigere BHS zu überwinden und schließlich eine Erkrankung auslösen.

Neuere Befunde zeigen demgegenüber, dass das Gros der autoag-gressiven T-Zellen während der präklinischen Latenzzeit in der Peri-pherie zirkuliert und dort eine grundlegende Veränderung des Gen-expressionsprofils erfährt. Diese „Umprogrammierung“ betrifft unter anderem Moleküle, die die Wanderungseigenschaften der T-Zellen beeinflussen (Flügel et al. 2001). Somit stellt sich die Frage, ob auto-aggressive T-Zellen erst während ihrer Wanderung in der Peripherie die Fähigkeit erlangen, in ihr Zielgewebe einzudringen.

In dieser Arbeit sollen die Wanderung und die funktionellen Eigen-schaften autoaggressiver T-Zellen während der präklinischen EAE-Phase untersucht werden. Insbesondere soll geklärt werden, welche Mechanismen und Faktoren das Eindringen der autoaggressiven

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Zellen in ihr Zielgewebe steuern. Diese Studien könnten dazu die-nen, neue therapeutische Angriffspunkte bei autoimmunologischen ZNS-Prozessen zu identifizieren.

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