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Exkurs 1: Vertrauen in der Akzeptanzforschung zu Sicherheitstechnologien

3.3 Akzeptanz im Verhältnis von Vertrauen und Misstrauen

3.3.1 Exkurs 1: Vertrauen in der Akzeptanzforschung zu Sicherheitstechnologien

differen-zierten Experten- und Techniksysteme, dann unterscheidet Gerald Wagner (1994) mit Max Weber zwischen dem Einverständnis in die rationale Ordnung und dem Verständnis ihrer Komplexität. So charakterisiert Wagner (ebd.: 145) die „Risikogesellschaft“ auch als „Ver-trauensgesellschaft“, denn in der „Einverständnisgemeinschaft“ muss die Nicht-Universalisierung des Wissens […] durch die Universalität des Vertrauens kompensiert wer-den.“ (ebd. 148). Technologisch bedingte Nebenfolgen allerdings rufen Glaubwürdigkeitsde-fizite hervor. Im Kontext von Risikodebatten entwickeln sich folglich Vertrauensfragen dann auch im Hinblick auf Institutionen und ihre Vertreter. Es geht mithin um ein sogenanntes öf-fentliches Vertrauen. Das Risiko bei neuen Sicherheits- und Kontrolltechnologien ist dabei doppelt verortet: Zum einen jenes, das durch ihren Einsatz selbst generiert wird und, zum an-deren, ein Risiko, auf das die neuen Technologien eine Antwort bereitstellen sollen. Wird nun in empirischen Untersuchungen das Verhältnis zwischen den die Daten preisgebenden und den Daten erhebenden Akteuren beleuchtet, dient das in letztere gesetzte Vertrauen als ein indirekter Indikator der Akzeptanz. Das hinsichtlich der Akzeptanz von biometrischen Tech-nologien zu untersuchende Verhältnis ist dabei durch die in Kapitel 1.2.2 vorgestellte Akzep-tanzheuristik und die dort entworfenen Rollen fixiert: Sind in Bezug auf biometrische Tech-nologien privatwirtschaftliche Anwendungen auf die „individuelle Akzeptanz“ der Konsu-menten gerichtet, gilt das Vertrauen in die jeweiligen Betreiber einer Technologie und mithin die Erwartung, dass diese die mit ihr verbundenen potentiellen Risiken nicht zum Nachteil der Anwender nutzen, als Determinante für die Nutzungsabsicht einer Technologie: (z.B. Königs-dorfer 2008: 42 mit Bezug auf Dahlberg/Malat/Öörni 2003). Demgegenüber wird bei der Ein-führung von Sicherheitstechnologien, wie biometrischer Merkmale in nationale

66 Eingang in die nachfolgenden Darstellungen finden in überarbeiteter Form veröffentliche Ausführungen zum Vertrauen, die als Gemeinschaftsarbeit unter dem Titel „Die gesellschaftliche Konstruktion der Sicherheit“

(Krasmann et al. 2014), sowie 2015 unter dem Titel „Gambling with the ‚Gift‘?“ (Kühne 2015) erschienen sind.

kumente, im Rahmen einer gesellschaftlichen Akzeptanz das Verhältnis der Bürger zum Staat bzw. der mit der Verwendung der Daten beauftragten Stellen befragt. Empirisch zeigt sich diese Perspektive dann etwa darin, dass das Vertrauen, auf der einen Seite, zum Faktor der Akzeptanz wird, welches, über die Erwartungen an die Vertrauens- und Glaubwürdigkeit der den Technikimplementationsprozess gestaltenden Personen (Schäfer/Keppler 2013: 27) bzw.

deren wahrgenommene Befähigung Risiken zu kontrollieren und zu beherrschen, die Wahr-nehmung von Risiken selbst moderiert (vgl. Renn 1993: 69). In den Studien, die der gesell-schaftlichen Akzeptanz von Biometrie nachgehen, steht, wie nachfolgend in Tabelle 12 exemplarisch aufgeführt, die Frage nach der Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit im Um-gang mit den erhobenen Daten (Lüdemann/Schlepper 2013, Bug/Wagner 2015, Bug/Münch 2012) durch den bzw. die die Daten erhebenden Akteur(e) im Mittelpunkt. Die Rolle des Ver-trauens steht in diesen Studien im Fokus, um die Auswirkungen staatlichen Sicherheitshan-delns seit 2001 in Deutschland zu ermitteln und ist dementsprechend kontextualisiert. Zu die-sen Untersuchungen gehören die Studie „Der ‚überwachte Bürger‘ zwischen Apathie und Pro-test“ (z.B. Schlepper/Lüdemann 2010) und die Untersuchungen im Teilprojekt „Der Einfluss institutioneller Regimes auf die Billigung sicherheitspolitischer Maßnahmen“ des For-schungsverbundes SIRA (z.B. Bug/Münch 2012, Bug/Wagner 2015). Im Rahmen dieser Un-tersuchungen wurden die Befragten gebeten anzugeben, inwieweit sie davon ausgehen bzw.

daran glauben, dass die Betreiber oder Behörden mit den erfassten Daten vertrauenswürdig umgehen.

Tabelle 12: Glaube an einen vertrauenswürdigen Datenumgang durch die Behörden

ja, auf jeden

Fall

eher ja eher nein

nein, auf keinen

Fall Glauben Sie, dass Behörden mit Ihren Ausweis-,

Telefon-, Passagier-, Bank- und Internetdaten ver-trauenswürdig umgehen? (ISIP-Projekt, eigene Berechnungen, N = 2.176)

7,9% 36,1% 39% 15,8%

Gehen Sie davon aus, dass Behörden im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung mit ihren Telefon- und Internetdaten vertrauenswürdig umgehen?

(Bug/Münch 2012: 169f., N = k.A.)67

7,1% 43,3% k.A. 68 15,6%

(Passagierdaten) Gehen Sie davon aus, dass Behör-den mit Behör-den Daten vertrauenswürdig umgehen?

(Bug/Wagner 2013, N = 378)69

19,6% 52,1% 22,2% 5,8%

Quelle: Krasmann et al. 2014: 114

Woran ein vertrauenswürdiger Umgang gemessen wird, lässt sich im Rahmen dieser Befra-gungen jedoch nicht ermitteln, sodass sich das in den Ergebnissen andeutende Unbehagen – wenigstens ein Drittel der jeweils Befragten hält einen nicht vertrauenswürdigen Umgang mit den Daten für wahrscheinlich – unbeschrieben bleibt. Fraglich erscheint ebenso, ob die Be-wertung der Vertrauenswürdigkeit selbst einen Indikator für Vertrauen in den jeweiligen Ak-teur darstellt, sich also daraus ein Vertrauensverlust oder fehlendes Vertrauen oder gar Miss-trauen ableiten lässt. Möglicherweise wird hier zunächst nicht mehr als eine antizipierte Dis-krepanz zwischen dem angekündigten Handeln der Institution und den Vorstellungen oder Erfahrungen darüber, welche Zwecken diese tatsächlich verfolgt bzw. verfolgen könnte, er-fragt. Erfasst wird insofern das Ausmaß einer „informationellen Angst“ (Capurro 2008: 53), in der trotz vielfältiger Faktenlagen für die Bürger die Unsicherheit bleibt, ob diesen Informa-tionen zu trauen ist, aber weniger der Grad eines Vertrauensverhältnisses. Ergänzen ließe sich vor dem Hintergrund der vorliegenden Studie, inwiefern hier auch Abhängigkeiten im Hin-blick auf die grundsätzliche Legitimität der Erfassung von Daten sowie Vorstellungen ihrer legitimen Verwendung existieren, die sich wiederum erst in spezifischen Verhältnissen entfal-ten. Die Relevanz letzterer wird gleichwohl angedeutet: Denn inwiefern den Befragten ein potentiell missbräuchlicher Umgang mit den Daten vorstellbar erscheint, variiert je nach dem

67 Diese Frage wurde dem Teil der Gesamtstichprobe (1.257 Befragte) gestellt, die die Frage, ob sie bereits von der Vorratsdatenspeicherung gehört hätten, bejahten. Dies entspricht einem Anteil von 81,2 Prozent an der Ge-samtstichprobe (Bug/Münch 2012: 166), eine genaue Zahl ist dem Beitrag jedoch nicht zu entnehmen.

68 Dem Beitrag von Bug und Münch (2012) sind differenzierte Zahlen zu den Antwortkategorien eher nein und nein, auf keinen Fall nicht direkt zu entnehmen. 15,6 Prozent bezeichnen die Autoren als „die sehr kritische Gruppe“ (ebd.: 170), sodass hier davon ausgegangen wird, dass es sich dabei um die Personengruppe handelt, die die Kategorie nein, auf keinen Fall angaben.

69 Befragt wurden nur Passagiere mit Vorwissen zur Fluggastdatenspeicherung (N = 378).

Kontext, in dem persönliche Daten preisgegeben werden. Die Ergebnisse der Studien zeigen, dass verschiedenen Akteuren eine unterschiedliche Vertrauenswürdigkeit im Umgang mit diesen Daten zugeschrieben wird. Die in Tabelle 13 dargestellten Ergebnisse aus dem SIRA-Projekt etwa verdeutlichen, dass Befragte eher von einem nicht vertrauenswürdigen Umgang mit den Daten durch Kommunikations- oder Verkehrsunternehmen als durch Behörden aus-gehen.

Tabelle 13: Glaube an einen vertrauenswürdigen Umgang mit erhobenen Daten durch staatli-che und nicht-staatlistaatli-che Institutionen

Gehen Sie davon aus, dass Behörden im Rahmen der Vorratsdatenspei-cherung mit ihren Telefon- und Internetdaten vertrauenswürdig umgehen?

(Bug/Münch 2012: 169f.)

15,6% Ablehnung (nein, auf keinen Fall) Gehen Sie davon aus, dass Kommunikationsunternehmen im Rahmen der

Vorratsdatenspeicherung mit ihren Telefon- und Internetdaten vertrau-enswürdig umgehen? (Bug/Münch 2012: 169)

26,8% Ablehnung (nein, auf keinen Fall) (Passagierdaten) Gehen Sie davon aus, dass Behörden mit den Daten

vertrauenswürdig umgehen? (Bug/Wagner 2013)

5,8 % Ablehnung (nein, auf keinen Fall) (Passagierdaten) Gehen Sie davon aus, dass Verkehrsunternehmen mit

den Daten vertrauenswürdig umgehen? (Bug/Wagner 2013)

7,1% Ablehnung (nein, auf keinen Fall)

Quelle: Krasmann et al. 2014: 116

In der Studie von Lüdemann und Schlepper (2013) wird unter Bezug auf das Konzept der

„procedural utility“ (Frey et al. 2004), das auf Fragen der Gerechtigkeit und Fairness zielt, die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit theoretisch fundiert und offengelegt, dass sie auf das Ausmaß zielt, in dem die „Bürger das Gefühl haben, dass staatliche Maßnahmen ihre Auto-nomie und Freiheit sowie ihr Bedürfnis nach Selbstbestimmung respektieren und [die Maß-nahmen] zeigen, dass der Staat seinen Bürgern vertraut.“ (Lüdemann/Schlepper 2013: 152f.) Im politikwissenschaftlichen Denken hat die Annahme, dass die Unterstützung der Bevölke-rung für den Bestandserhalt eines politischen Systems von zentraler Bedeutung ist, eine lange Tradition und baut auf der Annahme auf, dass eine effektive Arbeit der Regierung sich auf die Vertrauensbasis der Bevölkerung stützt (vgl. z.B. Gabriel 1993). Der Zweck dieser Forschung zum Systemvertrauen wird darin gesehen, dass Vertrauen in staatliches Handeln konstitutiv für die Stabilität politischer Systeme ist. Der unter anderem aus der Governance-Forschung (Easton 1975) stammenden, primär auf die Legitimierung staatlichen Handelns zielenden, Prämisse folgend, dass die Bürger sich dann gut regiert fühlen, dem Staat vertrauen und folg-lich bereit sind, (unterstützende) Gegenleistungen zu erbringen, wenn sie die staatfolg-liche Per-formanz, das heißt die „Leistungen“ des Staates als hoch einschätzen, beziehen die Autoren

der Studie dann auch die Vertrauenseinstellungen der Bürger – sowohl spezifisch in den Staat als auch als ein generelles Vertrauen – in ihre Untersuchung mit ein (vgl. Tabelle 14).

Tabelle 14: Häufigkeiten der Antworten auf die Frage nach dem „Vertrauen in die Regierung“

Antwortkategorie N %

sehr großes Vertrauen 61 2,8

großes Vertrauen 783 36,0

geringes Vertrauen 1136 52,2

überhaupt kein Vertrauen 179 8,2

weiß nicht 16 0,7

verweigert 1 0

Summe 2176 100

Quelle: Schlepper/Lüdemann 2010: 573

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass je geringer der Nutzen der Maßnahmen eingeschätzt wird, umso geringer auch das Vertrauen in die Regierung (zu weiteren Einflussfaktoren siehe Schlepper/Lüdemann 2010) ist. Umgekehrt, so das Ergebnis der Studie, stärkt eine positiv bewertete Performanz staatlichen Handelns auch das Vertrauen in die Regierung – ein Zu-sammenhang der sich in der vorliegenden Studie auch bei den ausdrücklich vertrauenden Be-fragten (vgl. Kapitel 3.2.2.2.3) im behördlichen Setting andeutet.

Gleichwohl hat sich gezeigt, dass sich ein Vertrauen in staatliches Handeln auch abgekoppelt von einer spezifischen Leistung, die mit spezifischen Technologien verbunden wird, erweisen kann und Nutzungszwecke nicht immer auch auf ein persönlich relevantes Interesse zurückge-führt werden können. Zudem sind die in dieser Studie verwendeten generalisierenden Fragen zum Vertrauen kritisch zu bewerten: etwa „Wieviel Vertrauen haben Sie in die Regierung“

oder „Inwiefern würden Sie der folgenden Aussage ‚Den meisten Menschen kann man ver-trauen‘ zustimmen“. Sie verlangen den Befragten, gleichsam trotz und ungeachtet der ex ante gebildeten Hypothesen über Zusammenhänge des Vertrauens, im Moment der Fragestellung eine „Abstraktion von Sozialbeziehungen“ ab (Fuhse 2002: 424). Die Idee einer generellen Vertrauenseinstellung, die sich hinter der Aufforderung zu einer solchen Beurteilung verbirgt, provoziert, wenn die Frage zufriedenstellend beantwortet werden soll, die Gegenfrage: „wo-bei?“ (ebd., hier zur Problematik von Fragen, wie „kann man Menschen im Allgemeinen ver-trauen?). Diese Bedeutung der Relativität der Verhältnisse ist dann auch in Kapitel 3.2.2 be-legt worden. Und selbst wenn das Vertrauen in den Untersuchungen als ein spezifisch vermit-telnder Faktor in den in Frage stehenden (Akzeptanz-)Verhältnissen und mithin der

Akzep-tanzbilanz (etwa Nutzen vs. Risiko des konkreten Datenmissbrauchs) adressiert wird, steht, nicht zuletzt, in Frage, ob eine solche Frage fehlendes Vertrauen womöglich nicht erst kom-muniziert – ein Einwand, den sich gleichwohl auch die vorliegende Studie gefallen lassen muss.