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der Protokolle und Interviews die Forschungsarbeit, indem den Daten Kodes zugewiesen wurden, die sowohl auf theoretischen Konzepten bzw. konzeptuellen Kategorien beruhten oder auch auf der Basis der eigensprachlich von den Befragten benutzten, so genannten In-Vivo-Codes, gebildet wurden und in eben solchen Kategorien resp. thematischen Bereichen mündeten. Umgesetzt wurden die Auswertungen mittels der Analysesoftware für qualitative Daten MaxQDA, die sich als Instrument für analytische Verfahren anbietet, in denen das Ko-dieren und die Kategorienbildung eine grundlegende Rolle spielen (ebd.: 13). Als heuristische Folie der Kodierung, sowohl der Interviews als auch der Beobachtungsprotokolle, dienten zunächst die als akzeptanzrelevant vermuteten „thematischen Felder“ (Schütz/Luckmann 2003: 267). Das Ziel des thematischen Kodierens liegt nun darin, die konzeptionellen Zuord-nungen am Einzelfall in einem vorläufigen Kategorienschema zusammenzuführen. Während der Bearbeitung weiterer Fälle – hier: zunächst innerhalb eines Settings und in einem weiteren Schritt, über das Setting hinaus – wird es sukzessive weiterentwickelt, das heißt immer wieder überprüft und modifiziert, bis es als theoretisch gesättigt gelten darf.

Für die vorliegende Arbeit ging mit dem Prozess des Aufgliederns und konzeptuellen Zu-sammenfügens gleichwohl statt einer theoretischen Sättigung ein Wandel des Forschungsinte-resses und mit ihm eine Änderung des methodischen Vorgehens einher. Dieser gründete sich zunächst darin, dass sich die These des Forschungsprojektes entlang der erhobenen Daten nicht weiterverfolgen ließ. Wurde ursprünglich erwartet, dass Antragsteller bzw. potentielle Nutzer die Akzeptabilität des Fingerabdruckverfahrens in den jeweiligen Registrierungssitua-tionen aushandeln, zeigten die Beobachtungen, erstens, dass eine solche Explizierungsarbeit („Articulation Work“, Hornecker 2004: 17) sowohl von Seiten der Fingerabdrucknehmer, beispielsweise in Form längerer Ausführungen zu Sinn und Zweck, als auch der Fingerab-druckgeber, etwa durch konkrete Nachfragen, nur selten und wenn, dann auch nur punktuell stattfand. Dabei erfolgte die Organisation der Interaktionen in den einzelnen Settings, soweit sie zu beobachten war49, durchaus regelhaft. In der Videothek wurden Informationen zur Funktionsweise des Automaten und der notwendigen Registrierungsmodalitäten innerhalb weniger Minuten und, im Regelbetrieb des DVD-Ausleihens, mitunter nebenbei erteilt. Im Rahmen eines Vertragsverschlusses erfolgten zunächst die Erfassung persönlicher Daten wie Name, Geburtsdatum und Personalausweisnummer der Kunden und die Ausstellung der Kun-denkarte – für die ein Pfand von 10 Euro zu einrichten ist. Abschließend wurden am Ausleih-automaten die Daten eines Fingerabdrucks eingelesen. Im Supermarkt wurden die potentiellen Nutzer wortlos durch den Marktleiter in dessen Büro begleitet und hier erfolgte die Abfrage

49 In den Settings Schule konnte keine Registrierung beobachtet werden.

persönlicher Daten wie Name, Geburtsdatum und Personalausweisnummer und Kontodaten sowie optional die Erfassung von Telefonnummer und Mailadresse. Die anschließende Spei-cherung der Fingerabdruckdaten verlief ohne weitere Erläuterungen, lediglich Hinweise zur Positionierung des Fingers auf dem Scanner wurden gegeben. Vergleichbar verlief die Regist-rierung der Fingerabdrücke in der Einwohnermeldebehörde: Einer Aktualisierung bzw. Auf-nahme der für die Ausweispapiere erforderlichen Daten folgte in einem zweiten Schritt die Erfassung der Fingerabdrücke. Wurden diese für den ePass analog zu der vorherigen Daten-aufnahme schlicht angekündigt, wurden Antragsteller für den Personalausweis um eine Ein-willigung gebeten, die auf Nachfrage regelmäßig damit begründet wurde, dass es zur „Sicher-heit sei“, aber „weder Vor- noch Nachteil“.

Obwohl die Situationen im Hinblick auf erwartete Aushandlungsprozesse ‚still‘ blieben, ent-falteten die Befragten gleichwohl eine mitunter hochgradig ambivalente Haltung zur Techno-logie, wenn sie in den Interviews etwa (Un-)Sicherheit, Überwachung und Privatheit als ‚in-dividuelle‘ Spannungsfelder verhandelten, deren Relevanz wiederum im Hinblick auf die je-weilige Einbettung der Technologie in ein bestimmtes Anwendungssetting variierte, da die Befragten auch zu Stellungnahmen bezüglich der Nutzung der Technologie in anderen Berei-chen aufgefordert wurden. Gerade diese sich im Datenmaterial abzeichnende Perspektivität entzog sich einer eindeutigen thematischen Einordnung und schlug sich in der Fortentwick-lung des Kategoriensystems (vgl. Abbildung 1) darin nieder, dass es nicht nur zu klären galt, was die Interviewten ansprachen. „Implizites Motiv“ (Berg/Milmeister 2008: 14) der Katego-risierung, auf einer eher formalen Ebene, wurde zudem die Differenzierung und Sortierung der Bezugspunkte dieser Thematisierungen, in anderen Worten, eine Analyse dessen, worüber etwa ausgesagt wurde, welche dann zu relevanten Konzepten der Untersuchung gerieten.

Folgen der Nutzung Ambivalenz

Positive Folgen Sicherheit Identität Notfall Dokumente (…) Bequemlichkeit Kontrolle (…)

Negative Folgen Missbrauch Verdacht Kontrollverluste

(…) Neutrale Folgen

Heterogene Nutzungszwecke Anonymität

Missbrauch (…)

Bedeutung Fingerabdrucktechnologie Fingerabdruck

Beschaffenheit

Eindeutigkeit/Einmaligkeit Unsichtbarkeit

(…) Risiko (…) Technik

Interaktion Situation

Belastung Überraschung Normalität Zwang Atmosphäre

Sicherheitsargumentationen Informationsbedürfnisse (…)

Setting Routine Lokalität Vertrauen

Grenzen der Nutzung Freiwilligkeit/Zwang (…)

Interaktivität Assoziationen Routine Funktionieren

Nicht-Funktionieren der Technik Praktische Konsequenzen Umgang

Bewertung

Handlungsstrategien Ursachenzuschreibung (…)

Abbildung 1: Ausschnitt aus der Struktur der Interviews (Kategoriensystem)

Mit einer, in Anlehnung an textlinguistische Verfahren, vorgenommenen Differenzierung (vgl. zur Thema-Rhema-Teilung Berg/Milmeister 2008) und der Suche nach solcherart sprachlichen „Indizien“ (ebd.: 11) erwies sich auf der inhaltlichen Ebene bereits allein das Thema Sicherheit als heterogenes und in Bezug auf seine prädikativen Bezüge vielfältiges.

Eine weitere analytische Dimension erbrachte die Unterscheidung der in den Interviews vor-liegenden Textsorten: so lagen sowohl Erzählungen über Erfahrungen und Erlebnisse als auch Argumentationen vor, das heißt Texte mit sowohl narrativ-episodischem und begrifflich-semantischem Wissen. Während sich ersteres eher auf Situationen, ihren Kontext und den entsprechenden Ablauf des Berichteten beziehen, abstrahiert die zweite Form davon und ori-entiert sich eher an Begriffen, Definitionen und Relationen. Für die Analyse der Bedeutungs-zuschreibungen zur und des Sinns der Technologie sensibilisierte diese Unterscheidung für die Relevanz der Technologie-Be-Deutung. So können Erzählungen für den

Entstehungshin-tergrund von Erfahrungen aufmerksam machen, während demgegenüber semantische Modelle des Wissens – etwa in Form von Schlüsselwörtern – auf eher abstrakteres Begriffs-und Re-gelwissen, also Verallgemeinerungen im Sinne von Normalitätserwartungen und Routinen rekurrieren. Der Vergleich dieser Textsorten ermöglichte insofern Fragen danach, inwiefern das ‚Normale‘, der „Hintergrund von Situationsannahmen“ (Deppermann/Spranz-Fogasy 2001: 1157) seine Konkretisierung im Erlebten erfährt (Flick 2011: 28).

Insofern leitete den analytischen Umgang mit den im Datenmaterial aufscheinenden Ambiva-lenzen und Uneindeutigkeiten zunehmend ein hermeneutisch inspiriertes Vorgehen, mithin theoretisches Kodieren (vgl. Flick 2007: 258ff.), an, da sich die Frage nach der Erzeugung des verzweigten Reservoirs der Technologiebedeutung und den Bedingungen der impliziten Sinn-setzungen in den jeweiligen Settings neu stellte. Als hilfreich bei der Materialanalyse erwie-sen sich in diesem Zusammenhang die im weitesten Sinne techniksoziologischen Ansätze, ebenso wie, teilweise mit ihnen verknüpft, praxistheoretische Einsichten (vgl. Kapitel 1.3.2).

Es ging, erstens, darum zu ergründen, welche Bedeutung der Technologie zugeschrieben wird und dieses Wissen im Hinblick auf seine Erscheinungsformen und Erzeugungsprozesse sowie auf seine Phänomenstruktur (z.B. Thema, Merkmale, Ursache-Wirkungszusammenhänge) zu analysieren. Zweitens stellte sich die Frage, welche Rolle die in den Interviews zu Tage tre-tenden Ambivalenzen für eine Bestimmung der Akzeptanz spielen und entlang welcher Be-dingungen sich diese für die Nutzer etwa tilgen lassen oder nicht. In diesem Zusammenhang galt es dann auch die Beobachtungsprotokolle erneut auf die sich in ihnen abbildenden Inter-aktions- und Handlungsstrukturen zu untersuchen. Die Suchbewegungen der Datenanalyse, die das weitere Kodieren anleiteten, waren in Anlehnung an gesprächsanalytische Einsichten (vgl. Deppermann 2008) unter anderem davon gelenkt, was darüber hinaus während der Re-gistrierungs- und Nutzungsprozesse sowohl im Gespräch als auch im Umgang mit der Tech-nik (nicht) passierte, in anderen Worten „wie [die] Gesprächsteilnehmer interaktiv relevante Realität konstituieren“ (ebd.: 79, Herv. i.O.), denn

„bestimmt ein Anwesender ohne Rücksicht auf die Aktivitäten anderer die maßgebli-che Interpretation oder Gültigkeit von Äußerungen oder enthalten sich Gesprächsteil-nehmer des Aushandelns von Bedeutungen, dann verweist dies zumeist auf ein sehr wichtiges Charakteristikum der Interaktion. Es kann sich dann um eine extrem asym-metrische, machtregulierte Interaktion handeln oder um einen ritualisierten Austausch, der für die Teilnehmer hochgradig voraussehbar ist.“ (ebd.: 71)

Die im Verlauf der Analyse des Datenmaterials hervortretenden Irritationen wurden aber nicht nur auf die bislang im Material identifizierten Aspekte und potentiellen Zusammenhänge, sondern auch auf das eigene Vorverständnis, welches seinen Ausdruck ja in den verwendeten

Erhebungsmethoden und vor allem den Leitfragen fand, angewendet. Es veranlasste eine kri-tische Auseinandersetzung mit den Vorannahmen des Projektes und insofern eine Situations-analyse der eigenen Forschungstätigkeit selbst. Daraus resultierte, dass, statt die Akzeptanz also in der Verhandlung diskursimmanenter Akzeptabilitätskriterien zu verorten, sich mit der kritischen Reflexion jener diskursiven Verweisungen und mitunter normativen Bestimmungen der Technologie die Forschungsfrage stellte, wie Akzeptanz, mithin die Materialität des Ob-jektes Fingerabdrucktechnologie auch fernab dieser Prämissen zu bestimmen sei. Mit dem Wissen um jene „Referenzdiversität“ (Berg/Milmeister 2008: 20) und im Anschluss an die Detailanalysen der sich im Kategoriensystem abbildenden Kode-Rubriken bzw. Konzepte richtete sich der Blick auf die sich zwischen ihnen abbildenden Verweisungszusammenhänge, die im empirischen Teil dieser Arbeit, analog zum axialen Kodieren bzw. der Logik des Ko-dierparadigmas der Grounded Theory (vgl. Strauss/Corbin 1996: 75ff.), für ein Verständnis der Akzeptanz zusammengefügt werden.

3 Zu den Bedingungen der Akzeptanz

Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen die empirischen Ergebnisse der Untersuchung, die sich, ausgehend von der Frage nach der Bedeutung der Technologie sukzessive den Nutzungsmoti-ven und den kontextuellen Bedingungen der Akzeptanz bzw. unterschiedlichen Ausprägungen dieser nähern.