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Seine Entwicklung vom Linksterroristen zum Rechtsextremisten

4. Mahlers Abwendung vom Terrorismus

4.2 Der Exkurs zur politischen Linie der KPD

Während seiner Haft wandte sich Mahler von der RAF ab und trat im September der Roten Hilfe143 bei. Diesen Schritt erklärte er in einer im September 1974 verfaßten Schrift mit dem Titel "Um die Reihen zu schließen – Organisiert die solidarische Kritik an der sektiererischen Linie der RAF":

Die richtige Linie im Klassenkampf würde sich durch einen fort-währenden Prozeß von Kritik und Selbstkritik entwickeln. Das Konzept der RAF sei daran gescheitert, daß die begangenen Fehler nicht kritisiert worden wären, sondern die Basis für das weitere Handeln dargestellt hätten. Die Trennung von legaler und illegaler Arbeit sei nicht so entscheidend, wichtiger wäre es gewesen, die Guerilla in der Basis zu verankern. Außerdem habe die RAF keine Überzeugungsarbeit für ihre Politik geleistet, son-dern moralischen Terror gegen jene ausgeübt, die ihre Politik nicht nachvollziehen wollten. Durch den extremen Verfolgungs-druck von Seiten des Staatsapparates, nach der Gefangenen-befreiung von Andreas Baader wäre die Gruppe in eine politi-sche und logistipoliti-sche Isolierung geraten. Daraus hätte eine

142 Vgl. DR. MUNZINGER, Ludwig: Artikel: Horst Mahler, in: Munziger-Archiv/Internationales Biographisches Archiv – Lieferung 38/98 P013471-4, Munzinger Archiv GmbH, Archiv für publizistische Arbeit Ravensburg.

143 Die Rote Hilfe war eine Nebenorganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die im Februar 1979 aufgelöst wurde. Die Rote Hilfe betrieb seinerzeit eine breit angelegte Solidaritätskampa-gne unter der Bezeichnung "Freiheit für Horst Mahler". Aus konspirati-ven Gründen wurde am 23.September 1975 eigens ein Komitee

"Freiheit für Horst Mahler" gegründet. Das Komitee führte zahlreiche Veranstaltungen, Aktionen und Demonstrationen durch. Höhepunkt der Aktivitäten war die Unterschriftenaktion für die Wiederaufnahme des Verfahrens für Horst Mahler, diese Aktion blieb allerdings erfolg-los.

Abkehr vom bisherigen Guerilla-Konzept resultiert, da sie nicht mehr den Kampf für die unterdrückten Massen verfolgt hätten, sondern sich nur als elitäre Guerilleros betrachten würden. Mit ihrer Strategie hätte die RAF bewirkt, daß sich die Massen unter dem Eindruck einer chauvinistischen Propaganda mit den Im-perialisten gegen die Guerilla zusammengeschlossen hätten.144

"Schon hier kündigte sich die später zur Tatsache gewordene Abstraktion der Guerilla an, die als freiflottierendes Element au-ßerhalb und zwischen den konkreten gesellschaftlichen Klassen, Schichten und Gruppen existiert, nirgends verankert ist und von allen als Fremdkörper erlebt wird..."145

Man müsse erkennen, daß die RAF durch ihre ideologische Ab-seitsstellung gescheitert sei. Nur der bewaffnete Kampf des Vol-kes könne die Ausbeuterklasse und deren Staatsapparat zer-schlagen. Die Schaffung der Diktatur des Proletariats sei die Voraussetzung zum Aufbau des Sozialismus.

Mahler sei der Roten Hilfe beigetreten, weil sie sich für eine soli-darische Auseinandersetzung mit der Politik der RAF entschlos-sen habe.146

Mahler mußte zum zweiten Mal wegen der Anklage des ver-suchten Mordes und der Beteiligung an der Baader-Befreiung vor Gericht, weil der Bundesgerichtshof seinen Freispruch von 1971 aufgehoben hatte. Auch Ulrike Meinhof und Jürgen H.

Bäcker waren angeklagt. Während des Prozesses reagierten Monika Berberich und andere RAF-Mitglieder auf die Kritik von Horst Mahler mit einer Gegenerklärung:

144 Vgl. MAHLER, Horst : Um die Reihen zu schließen – Organisiert die solidarische Kritik an der sektiererischen Linie der RAF, in: Die Solidari-tät mit den Genossen der RAF organisieren! Die Massen gegen die Staatliche Unterdrückung zusammenschließen! Die Kritik an der fal-schen Linie der RAF entfalten!, herausgegeben vom Landesvorstand der Roten Hilfe e.V., Berlin 1974, S. 1-9.

145 Zit. n. MAHLER, Horst: Um die Reihen zu schließen – Organisiert die solidarische Kritik an der sektiererischen Linie der RAF, S. 6.

146 Vgl. MAHLER, Horst : Um die Reihen zu schließen – Organisiert die solidarische Kritik an der sektiererischen Linie der RAF, in: Die Solidari-tät mit den Genossen der RAF organisieren! Die Massen gegen die Staatliche Unterdrückung zusammenschließen! Die Kritik an der fal-schen Linie der RAF entfalten!, herausgegeben vom Landesvorstand der Roten Hilfe e.V., Berlin 1974, S. 1-9.

Sie führten darin aus, daß Mahler ein bürgerlicher Chauvinist geblieben sei, der sich nicht von seinem bürgerlichen Anwaltda-sein hätte lösen können. Seine Betätigung für die politische Linke hätte er nur als Personenkult für seine Person benutzt. Er hätte sich an den proletarischen Arbeitsstil der Guerilla nicht anpassen können, weil er zu kollektiver, unnachgiebiger, geduldiger Arbeit unfähig sei. Mahler hätte in der RAF nie eine Rolle gespielt und die Politik dieser Gruppe überhaupt nicht verstanden. Wegen seiner Illegalität sei er ertragen worden. Seine Eitelkeit, Ignoranz und sein Leichtsinn wären eine dauernde Gefährdung für die Gruppe gewesen. Mahler könne nicht für und über die RAF sprechen, denn die Guerilla bringe ihre Theorie und Strategie in ihren Aktionen zum Ausdruck. Die Mitglieder der RAF bezeichne-ten Mahler als Denunzianbezeichne-ten, weil er mit der Polizei und der Justiz zusammenarbeiten würde.147

"Horst Mahler ist zur bewußten Kollaboration mit dem Bundeskri-minalamt und der Berliner Justiz, einer Marionette der politischen Polizei in Wiesbaden und Bonn übergegangen. Er ist geblieben, was er immer nur war: Ein Zyniker, ein Chauvinist, ein Mandarin, jetzt offen Partei für den Staatsschutz, politisch eine belanglose, eine hauptsächlich lächerliche Figur."148

In diesem Zusammenhang wurde von dem ebenfalls inhaftier-ten RAF-Mitglied Monika Berberich der Ausschluß von Horst Mahler aus der RAF bekannt gegeben.

Mahler wurde am 29. November 1974 vom Landgericht Berlin wegen der Beteiligung an der Befreiung des inhaftierten Terrori-sten Andreas Baader zu 4 Jahren Gefängnis verurteilt, unter Ein-beziehung der früheren Strafe (12 Jahre) zu insgesamt 14 Jah-ren Freiheitsentzug.

147 Vgl. o.V.: Erklärung der Gefangenen aus der RAF zum Ausschluß von Horst Mahler aus der RAF – Monika Berberich für die Gefangenen der RAF im Prozeß Baader-Befreiung am 27.September 1974, in: Der Kampf gegen die Vernichtungshaft, herausgegeben von den "Ko-mitee gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD", Druck im Eigenverlag, ohne Orts- und Jahresangabe, S. 24-27.

148 Zit. n. Vgl. o.V.: Erklärung der Gefangenen aus der RAF zum Aus-schluß von Horst Mahler aus der RAF, S. 27.

Am 3. Februar 1975 hatte Horst Mahler zusammen mit anderen Häftlingen – u.a. Dieter Kunzelmann – in einer Erklärung den

"Durst - bzw. Hungerstreik" der RAF-Mitglieder kritisiert und diese aufgefordert, ihre Maßnahmen zu beenden: Die Aufgabe der politischen Gefangenen sei, an der Seite der Arbeiterklasse für den revolutionären Kampf, für den Sturz der Kapitalistenklasse und für die Errichtung des Proletariats zu kämpfen. Daher sei es falsch, sich an die bürgerliche Gesellschaft zu wenden, um die Beendigung der Sonderbehandlung der politischen Gefange-nen zu erreichen. Dies würde die Anerkennung der bürgerlichen Diktatur in ihrer justizförmigen Verkleidung bedeuten.149

Im Februar wurde Peter Lorenz, der Berliner Landesvorsitzende der CDU, von der terroristischen Vereinigung "Bewegung 2. Juni"

entführt. Im Austausch gegen den CDU-Politiker forderten die Entführer die Freilassung von inhaftierten Terroristen, auf der Liste der Gefangenen stand auch Horst Mahler. In einer am 1. März 1975 ausgestrahlten Fernseh-Sendung verurteilte Mahler die Entführung, bekannte sich zu der kommunistischen Ideologie der KPD und lehnte es ab, sich außer Landes fliegen zu lassen.

Die Entführung von Volksfeinden zur Befreiung von politischen Gefangenen sei nicht die Strategie der Arbeiterklasse. Deshalb müsse sie in einer Sackgasse enden. Nur die revolutionäre Mobi-lisierung der Werktätigen unter der Führung der kommunisti-schen Partei werde zum gewaltsamen Sturz des kapitalistikommunisti-schen Ausbeutersystems führen. Mahler sah seinen Platz an der Seite der Revolutionäre. Durch den kommunistischen Kampf würden sich die Gefängnistore für alle politischen Gefangenen öffnen, deshalb rief er zur Unterstützung der kommunistischen Partei KPD auf. 150

Mahler solidarisierte sich in weiteren Veröffentlichungen mit der politischen Linie der KPD, z.B. am 6.April 1976 in seinen

149 Vgl. MAHLER, Horst: Erklärungen, Beiträge und Stellungnahmen aus dem Gefängnis, herausgegeben vom Zentralvorstand der Roten Hilfe zum 6. Jahrestag der "widerrechtlichen Inhaftierung", Köln 1976, S. 21.

150 Vgl. MAHLER, Horst: Erklärungen, Beiträge und Stellungnahmen aus dem Gefängnis, herausgegeben vom Zentralvorstand der Roten Hilfe zum 6. Jahrestag der "widerrechtlichen Inhaftierung", Köln 1976, S 25 f.

rungen zum Staatsschutzprozeß gegen den KPD-Funktionär Chri-stian Heinrich" und am 1. Mai 1076 in einer "Grußadresse an die KPD zur Maikundgebung".

In einer Publikation mit dem Titel "Der 2. Juni 1967 und unsere Zukunft" distanzierte sich Horst Mahler Mitte 1977 von der politi-schen Auffassung der KPD.

Die Abkehr von der Politik der RAF habe für ihn über die theoreti-schen und polititheoreti-schen Standpunkte der KPD geführt, die Genos-sen der KPD hätten ihn dabei unterstützt. Er sei allerdings inzwi-schen zu einem anderen Begriff der sozialistiinzwi-schen Revolution gekommen, dieses würde ihn von den Kommunisten unter-scheiden. Die proletarische Revolution, so wie sie bisher gesehen wurde, gäbe es nach Mahlers Auffassung nicht. Man müsse drei wesentlich verschiedene revolutionäre Prozesse unterscheiden, die in ihrer Gesamtheit die proletarische Weltrevolution seien:

· Die Arbeiterklasse solle sich der Bourgeoisie entgegen-stellen.

· Durch die Erhebung der Bauernmassen unter der Arbei-terklasse in den Ländern der Dritten Welt solle der Zu-sammenbruch des imperialistischen Systems beginnen.

· Durch die Erhebung der Produzenten in den industriell entwickelten kapitalistischen Kernländern würde die Umwälzung der kapitalistischen Produktionsweise vollen-det.

Die falsche Einordnung der russischen Oktoberrevolution und die Erhebung des chinesischen Volkes als sozialistische Revolutionen zu bezeichnen, hätten der Idee des Kommunismus sehr gescha-det.

Die Entwicklung in der Volksrepublik China nach dem Tod von Mao Tse-Tung sei für ihn der ausschlaggebende Anstoß für eine kritische Überprüfung seiner bisherigen Theorien gewesen.

Außerdem sei durch die Studentenbewegung der sechziger Jahre dieser revolutionäre Aufbruch nicht richtig begriffen wor-den und durch Kategorien eines abstrakten, negativen Revolu-tionismus erschlagen worden. Doch gerade für die Zukunft solle man sich auf das besinnen, was die Studentenbewegung der sechziger Jahre als Neues hervorgebracht hätte. Denn die

Ar-beiterbewegung, die bisher zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme idealisiert worden wäre, würde es so nicht mehr ge-ben.151

"Wir klammern uns an einen wirklichkeitslosen Begriff von Arbei-terklasse und übersehen dabei völlig, daß heute die werktätige Intelligenz zur vorwärtstreibenden Fraktion des revolutionären Subjekts geworden ist. Das war die Botschaft der Studentenbe-wegung der sechziger Jahre. Wir haben sie nicht gut verstan-den. Statt ein eigenes revolutionäres Selbstbewußtsein zu ent-wickeln, kostümierten wir uns mit den längst abgelegten Klamotten der Arbeiterbewegung."152

Nachdem ein Wiederaufnahmeverfahren des Prozesses gegen Horst Mahler gescheitert war und er sich von der politischen Linie der KPD getrennt hatte, beschränkte das Komitee "Freiheit für Horst Mahler" seine Aktivitäten auf sporadische Aktionen und stellte im April 1979 seine Arbeit gänzlich ein.

4.3 Auf der Suche nach einem neuen politischen