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3 GERMANISTIK WÄHREND DES NATIONALSOZIALISMUS INNER- INNER-HALB UND AUSSERINNER-HALB DER UNIVERSITÄT – EIN PANORAMA

3.5 EXKURS 1 – DIE ‚STUTTGARTER HÖLDERLIN-AUSGABE‘

ren Einbindung in den neuen politischen Kontext war. Es sollte demonstriert werden, daß sich das NS-Kulturverständnis nahtlos aus der deutschen Tradition ergab und die Rede vom ‚barbarischen Nationalsozialismus‘ unberechtigt war.135 Linden führte diese Überzeugung in der folgenden Weise aus: „Von der Goethezeit bis zum Nationalsozia-lismus geht die stetige und naturhafte Verbindung deutschen Lebens.“136 Stellvertre-tend für die Ausrichtung dieser Editionspraxis kann eine durch Fricke besorgte Aus-wahl von Schiller-Gedichten stehen, die 1934 unter dem Titel Der heldische Schiller her-auskam. Diese in Reclams Universalbibliothek erschienene Anthologie wurde speziell für den Schulgebrauch konzipiert, als „Prämie zum Schiller-Tag“ empfohlen und als vorbildhafter ‚neuer und unverdorbener Zugang‘ zu Schiller empfunden, der das „un-echte, allzu blasse, allzu harmonische, tugendhafte und wirklichkeitsferne Gipsbild“ ab-lösen sollte. Fricke erläuterte im Vorwort seiner Anthologie:

Dieses heldische Lebensgefühl, mit dem Schiller am tiefsten hinabreicht in germanisch-deutsches Wesen, und mit dem er führend und erweckend vor die deutsche Gegenwart tritt, auch in seiner Lyrik sichtbar zu machen, ist die Absicht dieser neuen Gedichtauswahl. […] Da-bei ist der Kreis der aufgenommenen Gedichte bewußt sehr weit gezogen worden. Denn das he-roische Ethos ist nicht eine Haltung, die nur in bestimmten Gelegenheiten, etwa im Krieg oder im Schicksalskampf, sich verwirklicht, sondern sie bestimmt von der Wurzel aus das Gesamt-verhalten und Erleben des Menschen, seine Naturanschauung, seine Liebe, sein Schönheitsge-fühl nicht minder als sein Denken und seine Tat.137

3.5 EXKURS 1 – DIE ‚STUTTGARTER HÖLDERLIN-AUSGABE‘

Die Geschichte der ‚Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe‘ verdient besondere Aufmerksam-keit, weil sich an ihr die Klassikervereinnahmung der NS-Germanistik in besonderer Weise zeigt.138 Von 1939 an planten Petersen in Berlin und unabhängig von ihm schon vorher Friedrich Beißner in Stuttgart die Herausgabe einer neuen und die Mängel der älteren ersetzenden kritischen Hölderlin-Ausgabe. Die Kritik mangelnder Quellentreue und philologischer Schlamperei bezog sich hauptsächlich auf die von Norbert von Hel-lingrath begonnene Ausgabe,139 die von Friedrich Seebaß und Ludwig Pigenot mitbe-treut und dann mehrere Male erweitert wurde. Franz Zinkernagel edierte fast gleichzei-tig die ‚Kritisch-Historische Ausgabe‘,140 diese erschien aber von Anfang an nur als Volksausgabe, Zinkernagels nur im Manuskript vorliegende Lesarten und Erläuterun-gen wurden nie gedruckt.

135 Das ging so weit, daß Langenbucher glaubte, vor der Manie warnen zu müssen, überall nach national-sozialistischen Vorläufern zu suchen: „[E]s ist aber eine Tatsache, daß der Nationalsozialismus, so wie er später den Kampf um die Macht aufnahm und führte, Adolf Hitlers ureigenste Prägung ist. Das wollen wir bei der Beurteilung dichterischer Darstellungen der Zeit des zweiten Reiches nie aus dem Auge verlieren.“ (Hellmuth Langenbucher [1938]: Deutsches Schrifttum 1937 – politisch gesehen. In NS-Bibliographie 3: 7 [nach STROTHMANN 41985: 322])

136 LINDEN 1933: 54.

137 FRICKE (ed.) 1934 (nach ZELLER [ed.] 1983, II: 49). Für andere Beispiele dieser Form von Klassikerbelebung auch PFÄFFLIN 1983.

138 Friedrich Hölderlin (1943): Sämtliche Werke. Große Stuttgarter Ausgabe [im Auftrag des Württembergi-schen Kultministeriums und der DeutWürttembergi-schen Akademie in München herausgegeben von F. Beißner].

Stuttgart: Cotta. Zum Komplex der Hölderlinrezeption auch die Aufsätze von Werner Volke(VOLKE 1983), Reinhard Tghart(TGHART 1983b) sowie OELLERS 1996: 110–112.

139 Friedrich Hölderlin (1913–23): Historisch-Kritische Ausgabe von Hölderlins Sämtlichen Werken [6 Bde., ed. N.

von Hellingrath]. Berlin: Propyläen.

140 Friedrich Hölderlin (1915–1922): Kritisch-Historische Ausgabe Sämtlicher Werke Friedrich Hölderlins [5 Bde., ed. F. Zinkernagel]. Leipzig: Insel.

Das Konkurrenzunternehmen — Eine Großleistung des Deutschen Geistes

Auch Seebaß und Pigenot waren damit beschäftigt, zum Hölderlin-Jahr 1943 die dritte Auflage der Hellingrathschen Ausgabe herauszubringen. Das Stuttgarter Unter-nehmen kam ihnen dabei in die Quere, was in Zeiten bewilligungspflichtiger Papierre-serven nicht nur eine Frage der Rivalität um den Käufer war. Trotz – oder gerade we-gen – dieser Konkurrenz zeichnet ein Beschwerdebrief Piwe-genots vom 12. Juni 1943 an Imma von Bodmersdorf erstaunlich genau nach, welche politischen Ziele mit Klassi-kerausgaben im Nationalsozialismus auch hintertrieben wurden:

Die Hölderlin-Dinge haben sich in der Zwischenzeit meiner Voraussicht nach entwickelt. […]

Die Schwaben haben mit Freuden die Gelegenheit ergriffen, sich selbst mit ihren besonderen Tendenzen in die Mitte zu setzen und ein Kompromiß-Blendwerk aufzustellen [sic] das seines-gleichen sucht. – Zugrunde liegt […] der Machtwille einer Philologenklique [sic] der es um die Wiederherstellung des Wissenschaftsbetriebes geht, wie er vor etwa einem halben Jahrhundert blühte, und die zur Erreichung ihres Zieles vor keinem Kompromiß und keiner noch so plum-pen Tarnung zurückschreckt. Auch nicht zurückschreckt vor ungehemmter Ausbeutung politi-scher Machtmittel, deren man etwa habhaft werden kann: Vor acht Tagen besuchte mich ein früherer Bekannter, der am Propyläenverlag beschäftigt ist. Er sagte mir (im Vertrauen), daß die Verzögerung des Erscheinens der Propyläen-Ausgabe z.T. darauf zurückzuführen sei, daß gegen Jahresende das schon seit längerem zugestandene Papier wieder entzogen wurde. Der Gauleiter von Württemberg habe sich an die Reichsleitung gewandt in der Sache und die Reichswirt-schaftsstelle habe dem Druck zunächst nachgegeben, bis es dem sehr mächtigen Deutschen Verlag am Ende doch gelang [sic] seine Position zu behaupten.141

Cotta in Stuttgart sollte die Ausgabe übernehmen, finanziert wurde sie fast ausschließ-lich aus Mitteln des Reiches.142 Geplant waren eine ‚Kleine Ausgabe‘ (5 Textbände und 2 Briefbände) und entsprechend eine ‚Große Ausgabe‘ (8 Textbände und Briefbände).

Zum 100. Todestag 1943 erschien der erste Teilband (Gedichte bis 1800. Text) der letzt-lich von Beißner edierten und von Theophil Frey im Auftrag der Hölderlin-Gesellschaft herausgegebenen ‚Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe‘. Pongs würdigte das Projekt in einer Kurz-Rezension als „Großleistung deutschen Geistes im fünften Kriegsjahr“,143 allerdings waren die vorerst ausgelieferten 3200 Exemplare des ersten Bandes alles, was trotz umfangreicher Subskriptionspolitik bis 1945 vom Stuttgarter Hölderlin erschien.144 Am 25. Juli 1944 wurden die endlich fertiggestellten Stehsätze des ersten Bandes der Kleinen Ausgabe und des zweiten Teilbands (Gedichte bis 1800.

Erläuterungen) der Großen Ausgabe bei einem Luftangriff vernichtet; am 12. September verbrannten 3500 Exemplare von Band 1.2 ebenso wie der für 10 000 Exemplare der Kleinen Ausgabe berechnete Rohdruck bei einem weiteren Luftangriff. Das Geleitwort des Württembergischen Ministerpräsidenten und Kultministers Mergenthaler, das dem ersten Teilband der Großen Ausgabe voranging, wurde dadurch in ein nicht beabsich-tigtes ironisches Licht gerückt:

Mitten im schwersten Ringen unseres Volkes um seine Freiheit uns sein Lebensrecht erscheint die ‚Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe‘. Seit das reiche Leben des großen Schwaben Friedrich

141 Nach ZELLER (ed.) 1983, II: 114sq.

142 Die Zuschüsse sahen (nach einer Mitteilung des Württembergischen Kultministeriums) wie folgt aus:

40000 RM von der Reichskanzlei, 25000 RM vom Finanzministerium Württemberg, 5000 RM vom Reichserziehungsministerium und 5000 RM von der Deutschen Akademie München.

143 Herman Pongs (1943): Kleine Anzeigen In DuV 43: 250.

144 Und das Großunternehmen ‚Stuttgarter Hölderlin‘ währte noch länger, der abschließende Register-Band erschien erst 1985 (cf. Friedrich Hölderlin [1985]: Sämtliche Werke [‚Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe‘ ed. Fr. Beißner im Auftrag des Württembergischen Kultministeriums]. Nachträge. Register [ed.

A. Beck & U. Oelmann]. Stuttgart: Kohlhammer).

Eine Großleistung des Deutschen Geistes — Literaturgeschichte und allgemeine Geschichte

derlin erlosch, sind hundert Jahre vergangen. Und trotzdem wirkt das Vermächtnis des großen Genius so stark und tief, als ob es für uns Deutsche dieser schicksalsschweren Zeit geschrieben wäre, denen die Zukunft des Vaterlandes in einem Kampf auf Leben und Tod anvertraut ist.

Sein großer und edler Geist schaute mit seherischem Blick das deutsche Schicksal. Aus der tief-sten Not wird stets aufleuchten Hölderlins ‚Gesang des Deutschen‘:

„O heilig Herz der Völker, o Vaterland

Allduldend, gleich der schweigenden Mutter Erd’, Und allverkannt, wenn schon aus deiner

Tiefe die Fremden ihr Bestes haben!“

Und über den Gräbern unserer Toten steht tröstend und stolz sein verpflichtendes Wort:

„Lebe droben, o Vaterland,

und zähle nicht die Toten! Dir ist,

Liebes! Nicht Einer zu viel gefallen.“145

3.6 DER GERMANISTEN STECKENPFERD – LITERATURGESCHICHTEN

Ansonsten bleibt festzustellen, daß die Germanistik im Nationalsozialismus Literatur-geschichten en masse produzierte, was einerseits der Neubewertung zeitgenössischer Li-teratur, andererseits aber auch der Indienstnahme und Neutarierung der bereits kano-nisierten Literatur geschuldet war.146 In dem Maße, wie die NS-Germanistik von ihrer geschichtlichen Sonderstellung und der des Nationalsozialismus überzeugt war, ver-suchte sie auch die Geschichte des eigenen Forschungsobjekts historisch neu einzu-ordnen. Das Eckdatum 1933 stellte dabei die immer wieder hervorgehobene Zäsur dar, den Deutschland von der Geschichte zugestandenen Neubeginn. Viëtor äußerte:

„Durch den Sieg der nationalsozialistischen Bewegung ist allen völkischen Kräften in Deutschland ein ungeheures Feld eröffnet. Ohne Übertreibung darf man behaupten, daß jetzt und hier eine neue Epoche der deutschen Geschichte beginnt.“147

Linden sprach ebenfalls von einem Epochenwechsel, von der endgültigen „Über-windung jener von westeuropäischem und jüdischem Geiste getragenen liberal-rationa-listischen Aufklärung des 19. Jahrhunderts. Eine Epoche, die liberale Aufklärungszeit von 1830–1933, ist zu Ende, ein neues Zeitalter ist angebrochen.“148 Wie dieses neue Zeitalter und seine ‚Zeugen‘, die nationalsozialistischen ‚Dichtungen‘, sich an die Tradi-tion anschließen ließen, war dann die Aufgabe der Literaturgeschichtsschreibung.

Ein weiterer Ausgangspunkt von Historisierungen stellte das Jahr des Kriegsein-tritts 1939 dar. Wilfried Barner, der die Literaturgeschichten Bartels’ und Fechters ge-nauer untersuchte,149 schreibt: „In den Literaturgeschichten von Bartels und Fechter – die natürlich zugleich Instrumente einer umfassenden nationalsozialistischen Literatur-politik darstellen und auch als solche noch der genaueren Analyse bedürfen – ge-schehen eine Usurpation von Literaturgeschichte und ein mobilisierendes Hineinziehen in die Gegenwart, die in diesem Genre ohne Parallele sind (auch im Hinblick auf 1870

145 Friedrich Hölderlin (1943): Sämtliche Werke. Große Stuttgarter Ausgabe [im Auftrag des Württembergi-schen Kultministeriums und der DeutWürttembergi-schen Akademie in München herausgegeben von F. Beißner].

Gedichte bis 1800. Text [ed. Fr. Beißner]. Stuttgart: Cotta (nach ZELLER (ed.) 1983, II: 117).

146 Zum Aspekt von Literaturgeschichtsschreibung als ‚Orientierungsgenre‘ auch BARNER 1996.

147 VIËTOR 1933 (nach REISS [ed.] 1973, II: 87).

148 LINDEN 1933c: 337.

149 BARTELS 1943b und FECHTER 1941a.

Neuer Wein in alten Schläuchen — Deutsche Stämme und Landschaften oder Deutsches Volk

oder 1914).“150 Uwe-Karsten Ketelsen vermerkt zu den manischen Historisierungsbe-strebungen und ihrem literarischen Produkt, den Myriaden von Literaturgeschichten:

Dem Beobachter fällt sogleich auf, wie stark von der Mitte der 20er Jahre bis in die 40er Jahre hinein der Eifer war, Literaturgeschichten zu schreiben. […] Zwischen 1930 und 1945 erschie-nen – ohne Regional- und Genredarstellungen – über 50 Literaturgeschichten von z.T. erhebli-chem Umfang in teilweise mehreren Auflagen, welche die unmittelbare Gegenwartsliteratur der Tradition anzuschließen bemüht waren, und dabei sind jene Werke, die bereits vor 1930 zum er-sten Mal gedruckt worden sind und danach – z.T. überarbeitete – Auflagen erlebten (wie etwa die Bartelssche oder die Nadlersche Literaturgeschichte), gar nicht einmal mitgezählt! […]

Kurzum, die beiden Dezennien seit der Mitte der 20er Jahre sind für die deutsche Germanistik innerhalb und außerhalb der Hochschule Jahrzehnte intensiver Literaturgeschichtsschreibung.151

Allerdings läßt sich, was die in der Literaturgeschichtsschreibung verwandte Methodik angeht – paradoxerweise als einzig einendes Merkmal – im Vergleich zu den Vorjahren wenig Neues verzeichnen. Die Ansätze, die hier großenteils zur Anwendung kamen, ihre Form von Aneinanderreihung und Epocheneinteilung, waren längst erprobt und wurden bereits jahrelang praktiziert. Was sich mit der nationalsozialistischen Germani-stik allerdings in Teilbereichen änderte, war der literarische Kanon, was in einem eige-nen Exkurs abgehandelt werden soll. Hermand formuliert:

Vor allem in der germanistischen Literaturgeschichtsschreibung herrschte in den dreißiger Jah-ren ein deutlicher Zug ins Eklektische. Meist knüpfte sie recht wahllos an die neuromantische Lebensphilosophie der Jahrhundertwende, die phänomenologische Wesensschau, die nordisch-gotisierende Geistesgeschichte, die Landschafts- und Stammeskunde, den völkischen Existenzia-lismus, den Gedankenkreis der Konservativen Revolution sowie die arisch ausgerichtete Ras-senkunde an.152

‚Neu‘ war mit Abstrichen lediglich der auf Sauer und Nadler zurückgehende stammes-geschichtliche Ansatz, der auch das erstaunlichste und mit Sicherheit ehrgeizigste Pro-jekt der völkischen Literaturgeschichtsschreibung hervorbrachte.153 Aber auch Nadlers Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften wurde schon vor WK I konzipiert, die drei Bände der ersten Auflage konnten erstmals von 1912 bis 1918 erscheinen.154 Zwischen 1923 und 1924 gab es davon dann eine Neuauflage.155 1928 schließlich kam der vierte Band heraus,156 so daß der Bearbeitungszeitraum bis in die Gegenwart reich-te und die Lireich-teraturgeschichreich-te vollständig wurde; allerdings fünf Jahre vor 1933. Ob-wohl aus einer dezidiert völkischen Position heraus geschrieben, können die frühen Auflagen der Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften noch nicht im eigent-lichen Sinne als nationalsozialistische Literaturgeschichtsschreibung gelten.157 Erst die

150 BARNER 1996: 140.

151 KETELSEN 1990: 217sq.

152 HERMAND 1994: 101.

153 Dazu auch FOHRMANN 1993, wo Nadlers Literaturgeschichtsschreibung mit derjenigen Gervinus’

und Korffs verglichen wird: „Verfolgte die Historiographie des Gervinus – aller Parteinahmen fürs Schicksal zum Trotz – den Überfluß der Zeit, stellte Korff im Geist der Goethezeit die tautologische Selbstbespiegelung des Lebens dar, so beschreibt Nadler den Mythos der landschaftlichen Repetition.

Daß damit andere Einheiten als ‚Werke‘ in den Blick geraten, ist evident.“ (FOHRMANN 1993: 187)

154 NADLER 1912, 1913 und 1918.

155 NADLER 1923a, 1923b und 1924.

156 NADLER 1928.

157 Pinkerneil ist diesbezüglich anderer Ansicht, nach ihr „beruft“ sich bereits auf die erste Auflage der Li-teraturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften „die nationalsozialistische Literaturwissenschaft der Hitler-Ära als eine ihrer zentralen Instanzen“ (PINKERNEIL 1980: 85).

Deutsche Stämme und Landschaften oder Deutsches Volk

vierte Auflage des Nadlerschen Werks, erschienen unter dem Titel Literaturgeschichte des Deutschen Volkes. Dichtung und Schrifttum der deutschen Stämme und Landschaften,158 brachte allerdings dann die bereits in nuce angelegte völkische Verschärfung. Der Sauer/Nadler-sche Ansatz wurde in der Folgezeit auch von ursprünglich anders arbeitenden Litera-turwissenschaftlern aufgenommen. So erschien zwischen 1933 und 1944 eine Fülle stammes- und regionalgeschichtlich ausgerichteter Literaturgeschichten wie Bartels’ Ge-schichte der thüringischen Literatur,159 Burgers Schwabentum in der Geistesgeschichte160 oder Mar-tinis Wesenszüge niederdeutscher Dichtung seit dem 19. Jahrhundert.161 Bartels bekam für seine Regionalliteraturgeschichte sogar eine Förderung von offizieller NSDAP-Seite. Die na-tionalsozialistische Landesregierung Thüringen zahlte ihm 1932 für die Abfassung ei-ner Geschichte der thüringischen Literatur 3000 RM.162