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Evaluierung der Umsetzbarkeit

7  Effekte eines CO 2 -neutralen Güterverkehrs bis 2030/2040

7.5   Evaluierung der Umsetzbarkeit

Die österreichische Fahrzeugflotte umfasste im Straßengüterverkehr 2018 knapp 500.000 Fahrzeuge, wobei ein Anteil von 85 % auf leichte Nutzfahrzeuge entfiel. Lkw über 12 Tonnen und Sattelzugfahrzeuge umfassten rund 62.000 Fahrzeuge, der Rest fiel in die Kategorie N2, Klein-Lkw.

[84] Wie hoch der Anteil der leichten Nutzfahrzeuge ist, die dem Güterverkehr zugerechnet werden können, ist nicht abschätzbar, da wesentliche Teile auch auf Handwerkerfahrzeuge und weitere Verwendungszwecke entfallen.

Der Großteil sowohl des durch den Straßengüterverkehr verursachten CO2 Ausstoßes als auch der zurückgelegten Fahrzeugkilometer war bei der Gruppe der schweren Lkw zu verzeichnen:

Tabelle 28: Verteilung der CO2-Emissionen und Fahrzeugkilometer je Fahrzeugklasse

Jahr 2018 LNF

N1

Klein-Lkw N2

Lkw > 12 t + Sattelzugfahrzeuge

N3 Anteil an durch den

Straßen-güterverkehr verursachten CO2-Emissionen

1 % 3 % 96 %

Anteil an von österr. Lkw in Österreich zurückgelegten Fahrzeugkilometern

4 % 4 % 92 %

Während Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen 2018 durchschnittlich etwas mehr als 0,20 kg CO2/Fahrzeugkilometer ausstießen, liegt der Wert bei großen Lkw und Sattel-/Lastzügen bei rd. 0,75 kg CO2/Fahrzeugkilometer. Um das Null-Emissionsziel 2040 zu erreichen, müsste diese Fahrzeuggruppe bereits 2030 das Niveau der Klein-Lkw im Szenario WEM erreicht haben.

Abbildung 22: Vergleich der Fahrzeugklassen beim CO2 Ausstoß je Kilometer (eigene Abbildung)

In der Berechnung pro Kilometer ist ein Ansteigen der im Straßengüterverkehr von österreichischen Lkw im Inland zurückgelegten Fahrzeugkilometer um 16 % zwischen 2018 und 2040 mitbe-rücksichtigt. Prognosen für Europa gehen von einer Zunahme der Nachfrage im gesamten Güter-verkehr (alle Verkehrsarten) von insgesamt 30 % bis zum Jahr 2030 aus. [85]

Aus obigen Darstellungen lässt sich ableiten, dass Maßnahmen im Segment der schweren Lkw den größten Effekt erzielen können.

Trotz des großen Hebels der schweren Lkw, ist die Entwicklung bei den leichten Nutzfahrzeugen am weitesten fortgeschritten. Ihre Umstellung auf Elektroantrieb wurde u.a. durch Steuerungs-maßnahmen wie die EU-Richtlinie über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßen-fahrzeuge (2019/1161) unterstützt, welche öffentliche Auftraggeber ab Mitte 2021 verpflichtet, beim Kauf von Fahrzeugen der Klasse N1 einen Fokus auf die Energie- und Umweltauswirkungen der angeschafften Fahrzeuge zu legen [86]. Der Kauf von E-Fahrzeugen liegt hier nahe, da deren Verfügbarkeit am Markt kurzfristig am höchsten ist.

Die Veränderung startet jedoch von einem sehr niedrigen Niveau: 2020 waren in Österreich knapp über 3.400 Elektrolastkraftwagen der Klasse N1 zugelassen. [87] Nichtsdestotrotz sprechen Studien von einem erwarteten Anteil der BEV-Lkw im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge in Europa im Jahr 2030 von 30 % und im Jahr 2035 von 54 % [88], wie in Abbildung 23 dargestellt.

Abbildung 23: Prognostizierte Marktanteile der Antriebsarten nach Lkw-Klassen in Westeuropa inkl.

Türkei [7]

Gasbetriebene Fahrzeuge (LNG, CNG, LPG) spielten in der Einschätzung der Stakeholder keine oder nur eine untergeordnete Rolle.

7 ICE = internal combustion engine (Antrieb mit Verbrennungsmotor), BET=Battery electric truck, FCT=Fuel cell truck

Die Logistikwirtschaft sieht sich also in der Frage der zukünftigen Antriebe und Verwendungs-möglichkeiten einer großen Zahl an Unsicherheiten gegenüber. Erste Flottenumstellungen zu leichten Nutzfahrzeugen mit Elektroantrieb, beispielsweise bei der österreichischen Post, sind zwar mittlerweile im Gange und die Serienfertigung hat in diesem Segment begonnen, Fahrzeuge sind jedoch nicht ausreichend verfügbar und Erkenntnisse aus dem langjährigen Betrieb fehlen. Noch nicht so weit fortgeschritten ist die Entwicklung bei Wasserstoff-Lkw, die bis dato nur in Tests eingesetzt werden und deren Serienproduktion erst bevorsteht. Die „Decarbonising Road Freight Studie“ [89] von Shell aus dem Jahr 2021 rechnet damit, dass der batterieelektrische Antrieb in den nächsten 3 Jahren Einzug in die Flotte der mittleren und großen Lkw halten wird und erwartet die erste tragfähige kommerzielle Anwendung von FCEV-Fahrzeugen um das Jahr 2025. Auf Grundlage der aktuellen Wissensbasis können Logistikverantwortliche die Vor- und Nachteile der Technologien für den eigenen Anwendungsfall daher noch nicht ausreichend bewerten und einordnen.

Ein größerer Fahrzeugmarkt existiert aktuell weder im Neu- noch im Gebrauchtwagen-Bereich. Die Veränderung der Preise über die Jahre ist daher schwer einschätzbar, ebenso wie die Beurteilbarkeit der Wiederverkaufswerte und -möglichkeiten von gebrauchten Fahrzeugen nicht gegeben ist, was eine faktenbasierte Investitionsentscheidung und die Berechnung der Total Costs of Ownership von vielen Annahmen und Variablen abhängig macht. Bei einer Befragung von 70 Personen, mehrheitlich Geschäftsführer von größtenteils mittelständischen Fuhrunternehmen in Deutschland, gab es Einigkeit darüber, dass die Gesamtkosten über den Lebenszyklus hinweg sowie die Zuverlässigkeit der Technologie im Hinblick auf die ökonomischen Anforderungen besonders wichtig sind. In anderen Bereichen zeichnete sich ein etwas differenzierteres Bild (siehe Abbildung 24). [90]

Abbildung 24: Mittelwerte der Relevanz der Nutzeranforderungen [90]

Eine weitere Frage, die die Logistikverantwortlichen beschäftigt, ist die der Energiezufuhr: Zur Technologie passende Tank- oder Ladestellen sind teilweise noch nicht oder in zu geringer Dichte vorhanden, im Wasserstoff-Bereich verfügt Österreich über aktuell 6 Tankstellen. [91] Aktuell ist es üblich, dass Fuhrparkbetreiber eigene Tankstellen betreiben. Diese ermöglicht es ihnen, von Preisen

für Großverbraucher zu profitieren. Der eigene Betrieb einer Wasserstofftankstelle wirft eine Vielzahl neuer Fragen (Versorgung, Kosten, rechtliche Vorgaben, Sicherheit etc.) auf. Und auch der Betrieb einer Elektro-Fahrzeugflotte, bedarf erheblicher Investitionen in die Lade- und Netzwerk-Infrastruktur, um den Strombedarf decken zu können, vor allem in Spitzenzeiten.

Je nach Antriebsart und Einsatzbereich können Tankdauer und Reichweiten - ebenso zum Thema werden. So fordern die meisten Nutzer eine durchschnittliche Fahrleistung von 400 bis 800 km. Da dies mit heutigen alternativen Antrieben nur begrenzt vereinbar ist [90], ist davon auszugehen, dass die Nutzung alternativer Fahrzeuge mit einer organisatorischen Änderung des Transportablaufs einhergehen wird.

Unklar sind auch die zukünftige Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Besteuerung von Lkw mit alternativen Antrieben, allfällige abweichende Mauteinstufungen, Ausgestaltung von Förderungen seitens der öffentlichen Hand oder die Entwicklung der Energie-preise sowie der Umfang der Verfügbarkeit der Energie. Die schwierige Abschätzung all dieser Rahmenbedingungen sorgt dafür, dass Unternehmen der Transportwirtschaft sich an den aktuell verfügbaren, kostenseitig kalkulierbaren und technologisch ausgereiften State-of-the-art-Angeboten am Markt orientieren und eine Flottenerneuerung daher oftmals nur zögerlich in Umsetzung kommt.