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ESR1-Amplifikationen in der Literatur

4 Diskussion

4.5 ESR1-Amplifikationen in der Literatur

Diskussion 154

(Tabelle 16). Die ESR1-Amplifikation war allerdings vor der Publikation der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit in der Literatur nicht völlig unbekannt.

Fünf Studien, die ESR1-Amplifikationen im Mammakarzinom zum Gegenstand haben, wurden vor der ersten Publikation (Holst, Stahl et al. 2007) von Teilen der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit veröffentlicht.

1990 wurde die erste Arbeit publiziert, in der die Existenz und Detektion von ESR1-Amplifikationen beschrieben wurde (Nembrot, Quintana et al. 1990). Mit Hilfe des

„Southern Blot“-Verfahrens (einer DNS-spezifische Methode, siehe auch Kapitel 1.4.1) ermittelten Nembrot et al. in 6 von 14 (42 %) ER-positiven Mammatumoren eine geringgradige („low level“) ESR1-Amplifikation. Auf einen allgemeinen Anteil der ER-positiven Tumore bei Mammakarzinomen von etwa 75 % hochgerechnet, entspricht dies einer Rate erhöhter ESR1-Kopiezahlen von etwa 30 %. In den acht untersuchten ER-negativen Tumoren wurde dagegen keine erhöhte Kopiezahl gefunden. Allerdings konnten Nembrot et al., möglicherweise aufgrund methodischer Unzulänglichkeiten, keine Korrelation von ESR1-Amplifikation und ER-Expression nachweisen. Dies trug möglicherweise mit dazu bei, daß der Arbeit die angemessene Aufmerksamkeit versagte wurde. Jedoch zogen Nembrot et al.

auch hieraus den vermutlich richtigen Schluß, daß nämlich das Maß der ER-Expression komplexeren Mechanismen als einer monokausalen Ursache unterliegen muß.

Ein weiterer Grund, der mit dazu beigetragen haben mag, daß die Ergebnisse von Nebrodt et al. keine entsprechende wissenschaftliche Resonanz fanden, ist möglicherweise auch die zwei Jahre später erschienene Arbeit von Watts et al. (Watts, Handel et al. 1992). Diese Arbeitsgruppe fand mit der gleichen Methode wie Nebrodt et al. eine Amplifikationsrate von nur 2,7 % bei einer Fallzahl von 37 Mammakarzinomen (10 ER-negativ und 17 ER-positiv).

Im Jahre 2000 wurde eine weitere Arbeit veröffentlicht, in der ebenfalls ESR1-Amplifikationen gefunden wurden. Nessling et al. (Nessling, Richter et al. 2005) fanden mit einem DNS-spezifischen Verfahren, in diesem Falle mittels der „BAC-Array-CGH“-Methode, in 8 von 31 Mammakarzinomen eine Kopiezahlerhöhung (26 %). In 3 Fällen (etwa 10 %) hatte diese Erhöhung das Niveau einer Amplifikation (Kopiezahlerhöhung > 2). Nach der Definition der vorliegenden Arbeit für eine Amplifikation (Kopiezahlerhöhung % 2) ergäbe sich mit den Daten von Nessling et al. für 6 Fälle eine Amplifikation (19 %) und in zwei Fällen (6,5 %) ein geringgradiger Kopiezahlzugewinn („gain“).

Veröffentlichungen, die den Ergebnisse der vorliegenden Arbeit gleichkommen, bzw. diese bestätigen, erschienen nicht nur vor, sondern ebenfalls auch nach der Publikation der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit. So konnte die japanische Arbeitsgruppe Tomita et al.

Diskussion 156 (Tomita, Zhang et al. 2009) die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit bzgl. der ESR1-Amplifikation, inkl. der Korrelation zur ER-Expression und der prädiktiven Relevanz, weitgehend bestätigen.

Mit Hilfe der FISH-Methode ermittelte die Gruppe in 133 Mammatumoren eine Amplifikationsrate von 22,6 % und einen zusätzlichen Anteil an „gains“ von 11,3 %.

Die statistische Analyse ergab ebenfalls ein besseres Ansprechen der ESR1-amplifizierten Tumore gegenüber den nicht ESR1-amplifizierten Tumoren. Dieser Trend hatte jedoch keine statistische Signifikanz. Tomita et al. benutzten für ihre FISH-Analysen eine spezielle 3D-Bildanalysetechnik, so daß auch die in einer nur zweidimensionalen Bildanalyse unscharf oder gar nicht erscheinenden FISH-Signale gezählt werden konnten. So stellten Tomita et al.

in ihrer Arbeit fest, daß ohne eine solche sorgfältige dreidimensionale Analyse die Amplifikationsrate lediglich 13,5 % ergeben hätte. Dies illustriert, daß der Nachweis der ESR1-Amplifikation mit allen zur Verfügung stehenden Methoden besondere Schwierigkeiten birgt.

Zwei weitere Arbeiten aus dem Jahre 2010 (Tsiambas, Georgiannos et al. 2010; Vang Nielsen, Ejlertsen et al. 2011) bestätigen diese Schwierigkeiten. Während Tsiambas et al. in 60 Mammakarzinomen 21,6 % Amplifikationen ermittelten, konnte die Arbeitsgruppe Vang Nielsen et al. in 94 ER-positiven Mammatumoren einer „case-control“-Studie aus rezidivierten und nicht rezidivierten Fällen nur 13 ESR1-amplifizierte Fälle identifizieren. Das entspricht, wie erwähnt, bei einem Anteil der ER-positiven Tumoren an der Gesamtheit der Mammatumoren von ca. 75 % und einer natürlichen Rückfallrate von 15% einer hochgerechneten Amplifikationsrate von ca. 6,5 %.

Auch die Arbeitsgruppe Moelans et al. veröffentlichte noch im selben Jahr (2010), nachdem mit einem auf die Detektion von HER2-Amplifikationen ausgerichteten Ansatz eine ESR1-Amplifikationsrate von 2 % (und 6 % „gains“) bei n = 135 untersuchten Geweben ermittelt wurde, bzgl. der PCR basierten MLPA-Technik weitere Ergebnisse. Mit modifizierter Methode, nämlich der Verwendung eines anders zusammengesetzten „Kits“, bei dem die Zusammensetzung der verschiedenen MLPA-Sonden variiert wurde und der Analyse anderer Gewebekollektive, konnten nun in 16 % (untersuchte Gewebe: n = 104), bzw. 20 % (untersuchte Gewebe: n = 39) der Gewebe eine erhöhte ESR1-Kopiezahl nachgewiesen werden (Moelans, de Weger et al. 2010a; Moelans, de Weger et al. 2010b). Im Jahre 2011 wurde eine weitere aCGH-Untersuchung veröffentlicht, mit der in 44 ER-positiven Tumoren eine Amplifikation und acht geringgradige Kopiezahlzugewinne gefunden wurden (Dunbier, Anderson et al. 2011). Das entspricht einem Gesamtanteil an Kopiezahlerhöhungen von 20 %.

Hochgerechnet auf einen Anteil der ER-positiven Mammakarzinome von ca. 75 % an der Gesamtheit der Mammakarzinome entspricht dies einem Anteil mit erhöhter ESR1-Kopiezahl von etwa 15 %, was der Hälfte der mit der vorliegenden Arbeit ermittelten durchschnittlichen Rate an Kopiezahlerhöhungen entspricht.

Die meist geringe, auf das Gen ESR1 selbst beschränkte Größe und die ebenfalls geringe Kopiezahlerhöhung, machten es vermutlich schwierig, die ESR1-Amplifikation schon früher mit klassischen CGH-Untersuchungen zu entdecken. Bei der in den Vorarbeiten zu der vorliegenden Arbeit durchgeführten DNS-SNP-Chipanalyse wurde das ESR1-Amplikon in mindestens zwei von 22 Fällen gefunden. In beiden Fällen beschränkte sich der Bereich einer gemessenen Kopiezahlerhöhung entweder vollständig oder zumindest im Teilbereich des größten gemessenen Kopiezahlzugewinns auf die sieben in der ESR1-Sequenz liegenden SNPs und einen 5’-flankierenden SNP im Bereich der Sequenz des C6orf97 (siehe Abbildung 17). In beiden Fällen bewegte sich dieser aber auf geringgradigem Niveau (drei bzw. vier ESR1-Kopien). Aufgrund eines stets vorhandenen „Hintergrundrauschens“, welches sich durchaus im Bereich der Amplitude einer Kopie oder sogar einiger weniger Kopien bewegen kann, sind solche „low level“-Zugewinne dieser geringen Ausdehnung, auch mit höher auflösenden CGH-Arrays bzw. Genchips, schwierig von kurzen Artefakten zu unterscheiden. Hierdurch wird die Identifizierung solcher Amplifikationen durch diese Technologie entsprechend erschwert.

Die in der Literatur publizierten Amplifikationsraten weichen also großenteils stark voneinander ab und bewegen sich zwischen 0 % und 22,6 % (siehe Tabelle 16, auch Kapitel 4.4.1). Dies ist bei allen verwendeten Methoden der Fall. Diese Verhältnisse können damit durchaus an andere, frühere Situationen in der Brustkrebsforschung erinnern. Vang Nielsen et al. stellten dazu fest, daß diese Diskrepanzen die frühen Tage der HER2-Diagnostik widerspiegeln, als verschiedene Patientenpopulationen, Methoden, Zählrichtlinien und Toleranzgrenzen (engl.: „cut off“) zu intensiven Diskussionen geführt haben, bis robuste Richtlinien etabliert wurden (Vang Nielsen, Ejlertsen et al. 2011).

Eine Übersicht über die von unterschiedlichen Forschergruppen und mit verschiedenen angewandten Methoden ermittelten unterschiedlichen Ergebnisse bzgl. der ESR1-Amplifikationsraten ist im Anhang in Tabelle 16 (Brustkrebs) und Tabelle 17 (Krebs des Endometriums und des Ovars) zusammengestellt. Eine entsprechende graphische Übersicht bzgl. Brustkrebs ist in Abbildung 48 und Abbildung 49 dargestellt.

Diskussion 158

Abbildung 48 Graphische Übersicht über die verschiedenen, in der Literatur publizierten Raten von erhöhten ESR1-Kopiezahlen (Amplifikation + „gain“) beim Mammakarzinom

(nach Methoden farblich unterschieden). Y-Achse: Amplifikationsraten in %.

X-Achse: Zahl der Studien nach Größe der Rate absteigend geordnet. Detaillierte Darstellung mit Literaturangaben im Anhang in Tabelle 16. Eigene Abbildung.

Abbildung 49 Graphische Übersicht über die verschiedenen, in der Literatur publizierten ESR1-Amplifikationsraten (nur Amplifikationen ohne „gain“) beim Mammakarzinom

(nach Methoden farblich unterschieden). Y-Achse: Amplifikationsraten in %.

X-Achse: Zahl der Studien nach Größe der Rate absteigend geordnet. Detaillierte Darstellung mit Literaturangaben im Anhang in Tabelle 16. Eigene Abbildung.

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