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Die Erfassung von schmerzhaften und nichtschmerzhaften Phantom- und Stumpfempfindungen sowie

6.1 S TUDIE I: U NTERSUCHUNG DER KORTIKALEN P LASTIZITÄT IM M OTORKORTEX MITTELS

6.1.5 Prozedur der Datengewinnung

6.1.5.1 Die Erfassung von schmerzhaften und nichtschmerzhaften Phantom- und Stumpfempfindungen sowie

6.1.5.1.1 Die Erfassung von Phantomempfindungen und Phantomschmerzen

Dauer, Stärke und Häufigkeit schmerzhafter und nichtschmerzhafter Phantom- und Stumpfempfindungen wurden mittels eines standardisierten Interviews zu Phantomschmerz, Stumpfschmerz, nichtschmerzhaften Phantomempfindungen und nichtschmerzhaften Stumpfempfindungen (Flor et al., 1993) und der deutschen Version des West Haven Yale Multidimensional Pain Inventory (MPI-D; Kerns et al., 1985; Flor et al., 1990), die modifiziert wurde, um Phantomschmerz und Stumpfschmerz getrennt voneinander einzustufen (Flor et al., 1995), untersucht.

Multidimensional Pain Inventory-Deutsche Version modifiziert für Phantomschmerz (MPI-D; Flor et al., 1990)

Bei diesem Fragebogen handelt es sich um die deutsche Version des West Haven Yale Multidimensional Pain Inventory (WHYMPI; Kerns et al., 1985; siehe Kapitel 3.1 und Anhang 2). Sie entspricht in ihrer Faktorenstruktur der englischen Originalfassung.

Für diese Untersuchung wurde lediglich der erste Teil des Fragebogens verwendet. Er erfaßt mit 22 Items Informationen zu den Skalen Schmerzstärke, Beeinträchtigung durch den Schmerz, affektive Verstimmung, Lebenskontrolle und soziale Unterstützung. Die Items sind jeweils 7-stufig mit 0 = gar nicht und 6 = trifft genau zu und wurde jeweils einmal für den Phantom- und einmal für den Stumpfschmerz beantwortet, wobei gegenüber der Originalversion jeweils das Wort „Schmerz“ durch das Wort

„Phantomschmerz“ bzw. „Stumpfschmerz“ ersetzt wurde. Entsprechend der Hypothese war für die Beantwortung der Fragestellung dieser Untersuchung in erster Linie die Schmerzstärke interessant und ging in die weitere Auswertung ein. Die unten aufgeführten Reliabilitäts-und Validitätsmaße sind demzufolge für die Unterskala „Schmerzstärke“

ermittelt worden. Für die Stärke des Phantomschmerzes, ermittelt mit dem MPI-D, lag die

interne Konsistenz (ermittelt an N = 17 Amputierten mittels Cronbach’s Alpha) bei α = .97, für die Stärke des Stumpfschmerzes betrug sie α = .89. Die Test-Retestreliabilität für die Stärke des Phantomschmerzes war mit r = .82 (N = 6; p = .04) signifikant, für die Stärke des Stumpfschmerzes war sie jedoch nur tendenziell hoch (r = .73; N = 6; p = .09).

Die Überprüfung der Validität des Schmerzstärkekonstrukts des MPI-D mit einer Visuellen Analogskala, auf der die Schmerzstärke angegeben wurde (VAS; siehe Kapitel 3.1.) und dem Gesamtwert der Schmerzempfindungsskala (SES; Geissner & Jungnitsch, 1992; siehe Kapitel 3.1.) ergab hochsignifikante Korrelationen (Phantomschmerz: MPI und VAS: r = .84; N = 17 ; p = .001; MPI und SES: r = .85; N = 17 ; p = .001; Stumpfschmerz: MPI und VAS: r = .90; N = 12 ; p = .001; MPI und SES: r = .88; N = 12 ; p = .001)

Damit erweist sich der für Phantom- und Stumpfschmerz modifizierte MPI-D als ausreichend valide und reliable zur Messung dieser Phänomene.

Interview zu Phantomschmerz, Stumpfschmerz, nichtschmerzhaften Phantomempfindungen und nichtschmerzhaften Stumpfempfindungen (Flor et al., 1993)

Das Interview zu Phantomschmerz, Stumpfschmerz, nichtschmerzhaften Phantomempfindungen und nichtschmerzhaften Stumpfempfindungen (Flor et al., 1993) ist ein halbstandardisiertes Instrument und dient sowohl der Erfassung von Informationen die Amputation betreffend (Ursache, Zeitpunkt, Ort, Qualität und Ausmaß) als auch der Erfassung des präamputativen Schmerzes, des Phantomschmerzes und Stumpfschmerzes, der nichtschmerzhaften Phantom- und Stumpfempfindungen (jeweils bezogen auf den Zeitraum direkt nach der Amputation und auf die Gegenwart) sowie der Erfassung spezieller Phantomempfindungen (wie z.B. des Teleskopphänomens, bestimmte Position des Phantoms). Ort und Form der jeweiligen Empfindung werden in einem Körperschema eingezeichnet (siehe Anhang 1). Die Phänomene werden auf vielfältige Weise sowohl qualitativ als auch quantitativ erfragt. Für die empirische Weiterverarbeitung der gewonnenen Informationen sind insbesondere die quantitativen Beschreibungen von Interesse. Dazu gehören zum einen Visuelle Analogskalen (VAS; siehe Kapitel 3.1) zur Erfassung der Stärke des jeweiligen Phänomens. Die Test-Retestreliabilität, die bislang nur an einer sehr kleinen Stichprobe ermittelt werden konnte, der VAS lag für die Bestimmung der Stärke des Phantomschmerzes bei r = .94 (N = 6; p = .01), für die Stärke des Stumpfschmerzes bei r = .77 (N = 6; p = .07), für die Stärke der nichtschmerzhaften Phantomempfindungen bei r = .82 (N = 6; p = .04), sowie für die Stärke der

nichtschmerzhaften Stumpfempfindungen bei r = -.31 (N = 6; p = .55). Damit erwiesen sie sich am reliabelsten für die Erfassung von Phantomphänomenen.

Zum anderen basiert die Beschreibung der Schmerzempfindung im Phantomschmerzinterview auf einer modifizierten Version der Schmerzempfindungsskala (SES, Geissner et al., 1991; siehe Kapitel 3.1.). Diese Schmerzempfindungskala enthält Adjektive, die sensorische und affektive Komponenten der Schmerzempfindung erfassen (wie z.B. grausam, stechend). Für jedes Item (z.B. „Ich empfinde meine Schmerzen als quälend“) muß der Patient auf einer vierstufigen Skala einschätzen, inwieweit dies zutrifft (trifft gar nicht zu - trifft genau zu). Gegenüber der Originalversion wurde die Wertigkeit der Antwortmöglichkeiten dahingehend modifiziert, daß z.B. die Antwort „trifft nicht zu“

den Wert „null“ erhält. Des weiteren wurde „ich empfinde“ für die retrospektiven Fragen mit dem Präteritum „ich empfand“ ersetzt. Außerdem wurde für die Beschreibung der Phantom- und Stumpfschmerzen spezifische Items ergänzt. Die Überprüfung der Gütekriterien (Wiedemuth-Catrinescu, 1996) dieser modifizierten Version ergab für den Phantomschmerz eine hohe interne Konsistenz (α = .96), eine hohe Split-half-Reliabilität (r = .97) aber geringe Test-Retestreliabilität (r = .66; N = 6; p = .16). Dies ist erklärbar, wenn der Schmerz nur episodisch auftritt, wie bei einigen Phantomschmerzpatienten (siehe Kapitel 1.1. und 1.2.). Für den Stumpfschmerz waren sowohl die interne Konsistenz (α = .91) als auch die Split-half-Reliabilität (r = .88) relativ hoch, jedoch die Test-Retestreliabilität recht gering (r = .46; N = 6; p = .35). Die Überprüfung der Validität der Phantomschmerz-SES erfolgte durch die Korrelation jeweils mit dem MPI-Wert (r = .85;

N = 17; p = .001) und der VAS (r = .93; N = 17; p = .001) als Außenkriterium und läßt damit auf eine hohe Validität schließen. Das gleiche gilt für die Stumpfschmerz-SES. Hier wurde ebenfalls eine Korrelation jeweils mit dem MPI-Wert (r = .88; N = 12; p = .001) und der VAS (r = .97; N = 12; p = .001) als Außenkriterium durchgeführt.

Die Erfassung nichtschmerzhafter Phantom- und Stumpfempfindungen erfolgte durch 13 bzw. 5 Items (z.B. Ich fühlte Jucken, Druck, Länge, Kälte etc.). Die nichtschmerzhaften Empfindungen wurden auf neunstufigen Schätzskalen hinsichtlich ihrer Häufigkeit (0-8, nie-ständig) und auf vierstufigen Schätzskalen hinsichtlich ihrer Intensität (0-3, gar nicht-extrem stark) erfaßt. Die Split-half-Reliabilität für die Schätzskalen zur Erfassung von Intensität und Häufigkeit nichtschmerzhafter Phänomene lag bei r = .73 für die Intensität der Stumpfempfindungen und bei r = . 92 für die Häufigkeit von Stumpfempfindungen.

Für die Intensität der Phantomempfindungen lag sie bei r = .78 und für die Häufigkeit von

Phantomempfindungen bei r = . 83. Die interne Konsistenz dieser 4 Skalen lag für die Phantomempfindungen bei α = .77 und α = .78 und für die Stumpfempfindungen bei α = .50 und α = .52 und erzielte damit bessere Reliabilitäten der Maße für die Phantomphänomene gegenüber den Stumpfphänomenen. Für die Überprüfung der Validität der Maße ‘Häufigkeit’ und ‘Intensität’ der nichtschmerzhaften Empfindung wurde die beiden Maße sowohl miteinander als auch jeweils mit der VAS korreliert. Dies ergab für die Interkorrelation der Häufigkeit und Intensität nichtschmerzhafter Phantomempfindungen r = .91 (N = 19; p = .001), für die Korrelation von Häufigkeit und VAS r = .71 (N = 19; p = .01), und für die Korrelation von Intensität und VAS r = .62 (N = 19; p = .04). Für die Interkorrelation der Häufigkeit und Intensität nichtschmerzhafter Stumpfempfindungen ergab sich r = .74 (N = 19; p = .009), für die Korrelation von Häufigkeit und VAS r = .77 (N = 19; p = .006), und für die Korrelation von Intensität und VAS r = .96 (N = 19; p = .001).

Zusammenfassend kann man davon ausgehen, daß das Interview insbesondere für die Erfassung von Phantomphänomenen ausreichend valide und reliabel ist.