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Janine Köpfli

Als vor sieben Jahren die von Georg Malin gestaltete Kapelle im Alters-heim in Vaduz ohne die Erlaubnis des Künstlers umgestaltet wurde, ging eine Welle der Empörung durch Liechtenstein. Es ging um die persönli-chen Rechte eines Künstlers, um Respekt, aber auch um die Frage, was Kunst und Kultur im öffentlichen Raum darf und soll. Was, wenn sie aneckt? In Liechtenstein gibt es zahlreiche Beispiele, die nicht so gut ausgingen wie die Geschichte der umgestalteten Kapelle. Wie weit darf kritische Kunst gehen? Auf der anderen Seite hat gerade Kunstkritik in Liechtenstein einen schweren Stand. Inwieweit vertragen die Kunst-schaffenden selbst Kritik? Was ist in den liechtensteinischen Medien möglich, was nicht? Ein Erfahrungsbericht.

Warmes, gelbes Licht fällt durch die Fenster der Hauskapelle im Sozial-zentrum Haus St. Florin in Vaduz. Das in dezenten Farben gehaltene Glas lässt die Sonne zwar durch, nimmt ihr aber das Grelle und Blen-dende. Es ist ruhig. Die Tür zur Kapelle steht offen. Jeder ist eingeladen, hier einen Moment der Stille und Besinnung zu geniessen. Von Weitem hört man Geschirrgeklapper. Was ist aus der von Georg Malin gestalte-ten Kapelle sechs Jahre nach dem Kompromiss geblieben? Ein Augen-schein vor Ort zeigt, dass die Einrichtung mehr oder weniger jenem Gesamtkunstwerk entspricht, das der Maurer Künstler für die Kapelle vorgesehen hat.

An der Wand hängt der Sieges- bzw. Osterkranz aus Bronze mit einem zarten Kreuz. Davor steht der schlichte Altar, der zum Ambo, zur Sedia, den Fenstern und der Andachtsecke mit dem ewigen Licht, das in einem Glasgefäss an fast unsichtbaren Stahlfäden hängt, passt. Auf dem Altar liegt eine weisse Tischdecke und links und rechts steht je ein Blumengesteck mit weissen Orchideen, ausserdem die Osterkerze auf einem Ständer aus Eisen. Dieser Kerzenständer mit seinen

Schnecken-schnörkeln ist das Einzige, das wohl so vom Künstler nicht vorgesehen war (Abb.1).

Rückblick: An Ostern 2009 fiel Georg Malin aus allen Wolken. Der da ma lige Geschäftsführer der Stiftung Liechtensteinische Alters- und Kran kenhilfe, kurz LAK, teilte ihm mit, dass die Kapelle im neuen Sozi-alzentrum Haus St. Florin in Vaduz, die Malin kurz zuvor als Auftragsar-beit fertig eingerichtet hatte, umgestaltet werde. Kurz vor der offiziellen Eröffnung am 24. April wurden Teile der Konzeption entfernt oder ver-ändert. Das Gesamtkunstwerk, das Georg Malin bis ins kleinste Detail durchdacht und aufeinander abgestimmt hatte, war damit zerstört.

Georg Malin ist vom Raum ausgegangen. Er wollte eine ange-nehme, fröhliche Stimmung erzeugen, wie er im Mai 2009 in einem Zei-tungsartikel sagte: «Ich wollte keine traurige Kapelle gestalten.» Ihm sei von Anfang an klar gewesen, dass er nicht den leidenden Christus, son-dern die Auferstehung und die Hoffnung ins Zentrum seiner Arbeit rücken wollte. Er orientierte sich an der frühchristlichen Symbolik.

Auch die Fenster sollten mit Farben, die man in Ikonen findet, dieser Idee entsprechen. «Der Verlauf von eher dunklen Erdtönen, die immer heller werden und am Schluss in ein jubelndes Zitronengelb übergehen, sollten eine Atmosphäre der Fröhlichkeit und Ruhe vermitteln», sagte der Künstler.1

Die Idee und das Grundkonzept wurden von den Verantwortlichen der LAK ursprünglich gutgeheissen und auch das vereinbarte Ho -norar wurde dem Künstler bezahlt. Umso verwunderlicher war die Tat-sache, dass die Kapelle kurze Zeit später komplett umgestaltet wurde.

Wo der Siegeskranz hing, wurde ein Kruzifix mit dem Corpus Christi angebracht, daneben hingen Skulpturen, auch Kreuzwegtafeln gehörten zur neuen Einrichtung. Bis heute ist nicht klar, wer die Umgestaltung im Endeffekt veranlasst hatte. Der Stiftungsrat der LAK sei nicht informiert worden, hiess es damals.

In der Öffentlichkeit entbrannte eine heftige Diskussion um Urhe-berrechte und geistiges Eigentum sowie um Respekt, der Künstlern und ihrem Werk entgegengebracht werden sollte. Auch die liechtensteinische Künstlervereinigung «Berufsverband Bildender Künstler» (BBKL) –

1 Köpfli, Leiden statt Hoffnung, Liechtensteiner Vaterland, 28. Mai 2009.

heu te nennt sich der Verband «visarte.liechtenstein» und ist eine selbst-ständige regionale Gruppe von visarte.schweiz – meldete sich zu Wort und machte klar, dass es hier nicht um Geschmacksache, sondern um persönliche Rechte eines Künstlers gehe. Georg Malin nahm sich einen Anwalt und kämpfte um sein geistiges Eigentum und sein Recht. Er liess Gutachten erstellen und wollte vor Gericht ziehen. Offenbar war der Druck gross genug, denn die Geschäftsleitung der LAK meldete sich beim Künstler und es kam zu einer aussergerichtlichen Einigung.

Die LAK erklärte sich bereit, den ursprünglichen Zustand der Kapelle wieder herzustellen. Sogar mehr als das: Sie sicherte dem Künst-ler zu, dass er auch antike Bilder in Form von Ikonen anbringen dürfe.

Georg Malin hatte dies geplant, das Vorhaben wurde zunächst jedoch abgelehnt. «Nun habe ich eine wunderschöne Ikone aus dem 17. Jahr-hundert gefunden», wurde Malin in einem Zeitungsartikel im April 2010 zitiert. Die Ikone ist auf Holz gemalt und mit Blattgold verziert und passt

«perfekt» in die Konzeption der Kapelle. Die Ikone hängt heute noch an der Wand und ist mit einem Glas geschützt. Malin liess sich nach dem Streit auf einen Kompromiss ein. So hat er beispielsweise den Osterkranz

Abb. 1: Die Hauskapelle im Sozialzentrum Haus St. Florin in Vaduz, wie sie sich sechs Jahre nach dem Kompromiss präsentiert.

an der Wand mit einem zarten Kreuz ergänzt. Auch ein von einer Künst-lerin gestaltetes Altartuch ist heute Teil von Malins Kunstwerk.2

Diese Geschichte zeigt, dass mit genügend Druck auch eine ver-hältnismässig kleine Lobby – in diesem Fall Georg Malin und die Künst-lerschaft Liechtensteins – gute Chancen hat, ihre Werke gegen uner-wünschte Eingriffe zu verteidigen. Ausserdem hat der Künstler das Recht auf seiner Seite. Im Urheberrechtsgesetz hält der Gesetzgeber klar fest, wie und wann ein Werk verändert werden darf: «Die Urheberin hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen, ob, wann und wie das Werk geändert werden darf», heisst es dort in Art. 12 zur Werkintegrität.

Mangelnder Respekt oder «die Busen müssen weg»

Zwar steht das Recht auf der Seite der Künstlerinnen und Künstler, den-noch gibt es in Liechtenstein zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass dem Gesetz offenbar zu wenig Gewicht zukommt und dass den Künstlerin-nen und Künstlern kaum bis gar kein Respekt entgegengebracht wird.

Wie ist es sonst zu erklären, dass Kunst – ohne Rücksprache mit dem Künstler – entfernt oder verändert wird?

Kunst soll etwas auslösen. Das ist das hochgehaltene Ziel von Kunstschaffenden. Ungern lassen sie sich einschränken und zensieren.

Wenn ein Werk kritisiert und provoziert, ist die Diskussion eröffnet und mitunter kann in der Gesellschaft etwas angestossen werden – so der künstlerische Auftrag. Die Liechtensteiner Künstlerin Lilian Hasler weiss, was es bedeutet, zu kritisieren, zu provozieren und zu intervenie-ren, und dabei immer wieder anzuecken. Als sie im August 2005 im Rah-men eines Kunstprojekts nahe der alten Holzbrücke in Baden in der Limmat «Wasserbrüste» schwimmen liess, hatte sie nicht zuletzt Dis-kussionen mit dem örtlichen Fischereiverband. Die kugelrunden Schwimmkörper aus Kunststoff mit aufgesetzten Nippeln waren ein Skandal, und obwohl die Objekte mit Stahlseilen am Flussgrund veran-kert waren, mussten sie immer wieder flussabwärts eingesammelt wer-den, weil Saboteure die Seile kappten.

2 Köpfli, Wieder zurück zum Original, Liechtensteiner Vaterland, 7. April 2010.

«Aber das ist genau das, was mich interessiert», sagte Lilian Hasler in einem Interview in der Kulturzeitung «KuL» 2007.3«Mein künstleri-scher Auftrag ist es, etwas auszulösen.» Sie möchte nicht provozieren nur um der Provokation willen. Sie legt vielmehr Wert auf die Interven-tion, auf das Verrücken von scheinbar festgesetzten Normen, um darü-ber hinaus einen neuen Fokus zu erlangen. «Es geht um die Verände-rung, darum, dass Debatten ausgelöst werden.»

Anfang der 1990er-Jahre wurde am Platzspitz in Zürich die Skulp-tur «Fixer» platziert. Eine weisse Figur aus Stein, die sich eine Spritze an den Arm setzt. Lilian Hasler hätte nie gedacht, dass der «Fixer» sogar die Bevölkerung in Zürich in dem Masse schockieren würde, wie er es getan hat. Als die Figur zwei Jahre später nach Vaduz kam, war der Aufschrei noch lauter. «Die Leute konnten die Skulptur und damit das Thema nicht akzeptieren», erinnert sich Lilian Hasler. Sie sieht es nicht als Schi-kane, dass ihr Kunstwerk sogar auf einer Mülldeponie abgestellt wurde:

«Ich habe etwas ausgelöst, und das ist es, was ich will.»4

Ausgelöst hat Lilian Hasler 2014 auch eine Grundsatzdiskussion in Liechtenstein, was Kunst in der Öffentlichkeit überhaupt darf und was nicht. Sie überliess die Werke Sphinx I. (2006) und Sphinx V. (2008) der Gemeinde Eschen als Leihgabe für deren neu geschaffenen Kulturgarten vor der Post. Die zwei zueinander gewandten Figuren sind über zwei Meter gross, haben grosse Ohren, eine spitze Schnauze, einen gewölbten Bauch und Brüste (Abb. 2). Ein Anblick, der nicht alle Einwohner der Gemeinde erfreute. Ganz im Gegenteil, die Kritik liess nicht lange auf sich warten. Sexistisch seien sie, frauenfeindlich. Billige «Playboyhäs-chen»! «Ausgerechnet von dieser Seite werde ich angegriffen», sagte die Künstlerin. Sie, die Frauen und ihre Anliegen immer wieder ins Zentrum ihrer Kunst stellt, sie, die Genderfragen aufwirft und auf diese Probleme hinweist.

Mit der Leihgabe für Eschen wollte sie nun wirklich nicht provo-zieren. Die zwei Sphingen sollten harmlos wirken, als Metaphern für das

«Rätsel Mensch» stehen und Fragen der Menschwerdung aufwerfen.

Der Ansatz der Skulpturen sei nicht provokant, sondern vielmehr philo-sophisch. Davon liessen sich die Kritiker in Eschen jedoch nicht

besänf-3 Köpfli, Von Wasserbrüsten und Brustbomben, KuL, 25. März 2007.

4 Köpfli, Von Wasserbrüsten und Brustbomben, KuL, 25. März 2007.

tigen, sie setzten alles daran, dass die Sphingen entfernt wurden. Offen-bar hatten sich Personen dermassen an den Busen gestört, dass sie nicht mehr in die Post gingen und gar psychische Probleme bekamen.5

Dass die Sphingen nach ihrer Entfernung «politisches Asyl» vor der Kunstschule in Nendeln und später in einem privaten Garten in Eschen erhielten, wird die Kritikerinnen und Kritiker nicht gefreut haben, zeigt aber, dass Kunst sich nicht einfach nach dem Motto «Aus den Augen, aus dem Sinn» entfernen lässt. Es sei denn, die Kunst gehört als Kunst am Bau zu einem Gebäude, welches abgerissen oder saniert wird. Das Werk «47°Nord 9°Ost – Bilder, Worte und Erde» (1999/2000)

5 Köpfli, Kunst löst etwas aus, KuL, 28. September 2014.

Abb. 2: Die Sphinx V. (2008) der Künstlerin Lilian Hasler leuchtet in der Nacht. Dass die Busen auch noch in der Nacht zu sehen sind, schockierte Eschner Bürgerinnen und Bürger zusätzlich.

des Ruggeller Künstlers Arno Oehri befand sich unter anderem an der Aussenwand des ehemaligen Postgebäudes im Zentrum von Eschen. Auf dem Gebäude waren dessen genaue geografische Koordinaten ange-bracht. Dazu gab es fünf Fotoschienen, die sich an der Seitenwand des Buswartehäuschens gleich beim Gebäude befanden und eine Lichtinstal-lation am Boden. Die Arbeit basierte auf der Kommunikation mit Liech-tensteinerinnen und Liechtensteinern auf den fünf Kontinenten. Auf der Internetseite www.artnet.li heisst es zum Projekt: «So entstanden 5 Bild-reportagen, welche zusammen mit dem Positionskreuz und der Positi-onsbezeichnung als permanente Installation dieses Projektes erhalten bleiben.» Die als «permanente Installation» vorgesehene Kunst am Bau verschwand etappenweise. Offenbar wurden zunächst defekte Foto-schienen und Bodenleuchten vom damaligen

Stockwerkseinheiteneigen-Abb. 3: Das Werk «47°Nord 9°Ost – Bilder, Worte und Erde»

(1999/2000) des Ruggeller Künstlers Arno Oehri befand sich unter anderem an der Aussenwand des ehemaligen Postgebäudes im Zentrum von Eschen. Es verschwand etappenweise.

tümer, dem Land Liechtenstein, nur teilweise ersetzt. Später wollte auch die Gemeinde als neue Eigentümerin der Stockwerkseinheiten nichts von Reparaturen wissen. Die letzten Teile des Kunstprojekts, die Metall-zeichen an der Nordfassade des Gebäudes, verschwanden, als das Gebäude saniert und zum heutigen Haus der Gesundheit umgebaut wurde. Die Verantwortlichen der Gemeinde Eschen informierten den Künstler nicht, lagerten die Zeichen aber bei der Gemeindeverwaltung ein. Arno Oehri hatte zuvor Kontakt mit der Gemeinde aufgenommen, da die Arbeit nach einigen Jahren hätte restauriert werden müssen. Der Vorsteher wollte davon aber nichts wissen, da es offenbar Probleme mit dem Gebäude gab. Als feststand, dass das Gebäude umgebaut werden sollte, rechnete Arno Oehri damit, dass die Gemeinde ihn benachrichti-gen und das weitere Vorgehen besprechen würde. Aber nichts passierte.

Heute erinnern nur noch Fotos an jene Kunst am Bau (Abb. 3).

Was nicht gefällt oder sonst irgendwie stört, verschwindet oft in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. Die Öffentlichkeit wird selten bis gar nie informiert, wenn in Liechtenstein Kunst entfernt, versteckt, verän-dert oder ausser Landes geschafft wird. So passiert beispielsweise mit dem Max-Frisch-Haus in Schaan, das im Jahr 2005 abgebrochen wurde, obwohl es eigentlich hätte unter Denkmalschutz gestellt werden sollen.

Auch der «Demokratieverstärker» der Künstler Stefan Sprenger und Werner Marxer musste aus dem Regierungsviertel weichen und fristet jetzt ein mehr oder weniger unbeachtetes Dasein vor dem Gymnasium in Vaduz. Die Kunst am Bau beim Landtagsgebäude ist in Form der mit Rot und Weiss bemalten Steine zwischen den gelben Klinkersteinen ohnehin schon sehr schlicht und zurückhaltend. Daher staunte die Künstlerschaft des Landes nicht schlecht, als eines Morgens plötzlich ein Bild des Fürsten an der Wand hing und wesentliche Teile der Kunst am Bau verdeckte und keineswegs ins Kunstkonzept passte.

Oder aber Kunstwerke verschwinden für einige Jahre in der Ver-senkung, wie beispielsweise die Brunnenanlage «Wasserspiel» von Georg Malin. Die Anlage mit den tellerförmigen Schalen aus emaillier-tem Stahl stand ab dem Jahr 1974 auf dem Pausenhof der Primarschule Resch in Schaan. Offenbar wurde der Brunnen von den Schaanerinnen und Schaanern nie richtig geliebt, denn nachdem er über Jahre nicht funktionierte und nicht gepflegt wurde, schenkte die Gemeinde den Brunnen im Zuge der Sanierung der Primarschule dem Künstler zurück.

Erst 2013 holte Olaf Gassner, Inhaber eines Gartenbaubetriebs, den

ver-waisten Brunnen aus der Versenkung und integrierte ihn eingangs Mau-ren in einem Schaugarten.6

Und noch einmal sorgten Busen für Aufregung. Auf den 21. April 2016 plante die Künstlerin Larissa Kaufmann die Vernissage ihrer Aus-stellung im Haus Gutenberg. Die in der Schweiz wohnhafte Künstlerin mit Liechtensteiner Wurzeln wollte ihre fröhlich-bunten Acrylbilder mit Frauen und Männern in Trachten zeigen. Sie nennt die Serie «Tanten und Onkel». Auffallend sind die üppigen Brüste und breiten Hüften der Damen, auch die Männer sind rund und dick dargestellt, in einer Art Comic. Die Ausstellung war vorbereitet, die Einladungen verschickt, die Bilder aufgehängt. Vonseiten des Hauses Gutenberg regte sich plötzlich Widerstand. Die Bilder seien nicht mit der katholischen Tradition des Hauses vereinbar, hiess es. Allerdings nicht von offizieller Seite. Die Ausstellung wurde kurzerhand abgesagt und auf die Vernissage redu-ziert. Als einzige halboffizielle Meldung war auf Larissa Kaufmanns Homepage zu lesen: «Die Ausstellung musste wegen Unpässlichkeit vonseiten des Hauses nur auf die Vernissage beschränkt werden.»

«Es ist so schön und alle freuen sich darüber»

Kunst soll nicht langweilig und unscheinbar sein. Jede Künstlerin, jeder Künstler will mit Kunst etwas bewegen. Kunst soll selten einfach

«schön» sein. Gerade im öffentlichen Raum eckt Kunst immer dann an, wenn sie zu freizügig und offenherzig, zu gross, zu bunt, zu nackt, zu schwarz, zu klobig, zu laut, zu auffällig ist. Bis heute stösst beispiels-weise der «Eintracht»-Kreisel in Eschen nicht nur auf Bewunderung.

Die bunten Objekte im hellblauen Wasserbecken (2007) von Ursula Wolf sorgten für viel Kritik. Für die Künstlerin allerdings kein Problem:

«Wenn man sich in oder für die Öffentlichkeit engagiert, muss man immer mit Kritik rechnen.»7

Wo eckt Kunst an? Umgekehrt könnte man fragen: Wie muss Kunst und Kultur in Liechtenstein sein, damit sie alle glücklich und zufrieden macht und nicht aufregt? Unscheinbar, distanziert, eher

kon-6 Liechtensteiner Vaterland, Symbolträchtiger Brunnen, 24. August 2013.

7 Hüppi, Verkehrsinsel und Kunstobjekt, Liechtensteiner Vaterland, 1. August 2014.

servativ, traditionell, fröhlich, dezent, leise. Alles, was zeitgenössische Kunst nur selten ist. BBKL-Präsident Johann Feichter sagte in einem Interview 2014 auf die Frage «Wie schätzen Sie die Situation in Liech-tenstein generell ein – haben unkonventionelle Kunstwerke es schwer, an öffentlichen Orten akzeptiert zu werden?»: «Ich glaube schon, aber nicht nur in Liechtenstein. Zeitgenössische Kunst ist immer unkonven-tionell oder sie imitiert nur. Kunst im öffentlichen Raum gibt oft Anlass für Debatten, man denke an den Hafenkran in Zürich oder an den ‹Fixer›

von Lilian Hasler, der nach wie vor Anlass zu Diskussionen gibt. Man wünscht sich hier etwas mehr Mut vonseiten der Politik, Diskussionen auszuhalten und Druck nicht sofort nachzugeben.»8

Im ländlich-konservativen Liechtenstein gilt meist das als gute und schöne Kunst, was die Betrachter freudestrahlend sagen lässt: «Es ist so schön und alle freuen sich darüber.» In dieses Rezept der Freude und zu-rückhaltender Schönheit passen keine schwarzen Jahreseier, die aussehen wie Granaten (Werner Marxer, 2007), schwarze Quader mitten in Vaduz (Morger & Degelo / Kerez, 2000) oder eben zu grosse Busen – ganz egal ob hellblau oder rosa.

Auch kritische Texte und kritische Theaterstücke haben einen schweren Stand. Bis heute ist beispielsweise nicht klar, warum beim Theaterstück «Rubel, Riet und Rock ’n’ Roll» (2015) an der Premiere Gäste mitten im Stück ihre Plätze verliessen. Das Stück beleuchtet den Aufstieg des Landes vom Agrarstaat zum Finanzplatz. War es zu kri-tisch? Autor Stefan Sprenger hielt sich in Sachen Kritik mehr als zurück, was einige Zuschauer fast schon enttäuschte. Tatsächlich gab es kaum Kritik, nicht einmal zwischen den Zeilen. Und dennoch passte offenbar etwas den kritikscheuen Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern ganz und gar nicht.

«Don’t mess with the prince»

Ganz generell hat es Kunst- und Kulturkritik in Liechtenstein schwer.

Im Ausland wird man als Journalistin oft gefragt, ob man denn den Fürst kritisieren dürfe. Tatsächlich gibt es einige Bereiche, wo Kritik, wenn

8 Hüppi, «Wenig respektvolles Vorgehen», Liechtensteiner Vaterland, 4. November 2014.

überhaupt, wohlüberlegt sein muss. Wer sich mit dem Fürstenhaus anlegt, offene Kritik gegenüber dem Fürsten äussert oder religiöse Kri-tik ausspricht, sich gar mit dem Erzbistum oder dem Bischof kritisch befasst, muss mit Folgen rechnen. Oft melden sich nicht einmal die kri-tisierten Personen zu Wort, sondern besorgte Bürger, denen das Wohl von Fürstenfamilie und Erzbistum am Herzen liegen, ganz so, wie es sich für ein katholisch geprägtes Land gehört.

Wer trotzdem Kritik äussert, hat mitunter plötzlich weniger Freunde, als Unternehmer weniger Aufträge, böse Telefonanrufe oder eine Klage am Hals. Dies passierte beispielsweise den jungen Männern, die hinter «KeeTV» stehen. Ihr Kurzfilm «Unholy Tomato» entrüstete und erfreute Ende 2015 die Facebook-Community in Liechtenstein.

Die Macher nennen ihren Kurzfilm, den sie Anfang Dezember auf der Internet-Videoplattform «Youtube» veröffentlichten, eine Satire. Im Film geht es um den Kampf zwischen einem Priester und dessen Angrei-fer. Gekämpft wird in der Pfarrkirche Triesenberg. «Mein Ziel war es,

Die Macher nennen ihren Kurzfilm, den sie Anfang Dezember auf der Internet-Videoplattform «Youtube» veröffentlichten, eine Satire. Im Film geht es um den Kampf zwischen einem Priester und dessen Angrei-fer. Gekämpft wird in der Pfarrkirche Triesenberg. «Mein Ziel war es,