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Erfahrungen aus der Literatur

Im Dokument ParkGap – Performance Gap Gebäude (Seite 43-46)

4.2 Ursachen und Massnahmen

4.5.2 Erfahrungen aus der Literatur

Die gefundenen Studien mit Evidenz zu Energy Performance Gaps in Gebäudeparks wurden in Ab-schnitt 4.1 und Tabelle 9 (Seite 38) vorgestellt.

Hier gehen wir vertieft auf einige dieser Studien ein und stellen kurz einige weitere relevante Arbeiten für Gebäudeparks vor. Die Auswahl erfolgte zwecks Vorstellung der stark unterschiedlichen Bewer-tungsmethoden und, im Fall von [9], auch aufgrund des direkten Bezugs zur Schweiz.

4.5.2.1 Analyse von Energieausweisen für die Niederlande

Die unseres Wissens umfangreichste und detaillierteste nationale Studie über die Differenzen zwi-schen in der Planung berechneten Energieausweisen und gemessenen Energieverbräuchen ist dieje-nige von Majcen et al. [38] für die Niederlande.

Die Studie dokumentiert ausführlich die Datenerhebung, Datenbereinigung und Auswahl der Stich-probe von rund 200'000 renovierten niederländischen Wohngebäuden. Ebenfalls werden die ange-wandten statistischen Methoden für die Einordnung und Bewertung der Gebäude in Kategorien (Effi-zienzklassen A bis G) besprochen. Dabei wird zwischen dem Gasverbrauch und dem Elektrizitätsver-brauch unterschieden.

In einer Reihe von Fachartikeln widmet sich das gleiche Autorenteam zudem der Analyse und Über-prüfung des niederländischen Energiestandards für Wohngebäude [83, 85, 86, 87]. Mit Blick auf den energetischen Performance Gap werden in diesen Arbeiten der Einfluss des Nutzerverhaltens, der Gebäude- und Haushaltseigenschaften sowie der Berechnungsmethoden diskutiert. Darauf aufbau-end werden Energieeinsparpotentiale im Gebäudepark und das Reduktionspotential durch Sanie-rungsmassnahmen bewertet.

Für Gebäude in den schlechteren Effizienzklassen lag gemäss [38] der gemessene Gasverbrauch deutlich tiefer, für Gebäude in den besten Effizienzklassen hingegen höher als im Rahmen der Pla-nung berechnet worden war. Die gefundene Streubreite war in beiden Fällen gross [83]. Mittels einer Sensitivitätsanalyse wurde gezeigt, dass die mittlere Raumtemperatur, die Lüftungsraten und die U-Werte der Gebäudehülle einen grossen Einfluss auf den Energieverbrauch haben. Die Anzahl der Be-wohner und die inneren Wärmelasten erwiesen sich als im Vergleich weniger wichtig.

Majcen et al. zogen betreffend den Wohnbau die folgenden Schlussfolgerungen für die niederländi-sche Energiepolitik [87]:

‒ Die aktuell in den Niederlanden verwendete Berechnungsmethode kann im Vergleich mit dem ge-messenen Verbrauch nicht als korrekt betrachtet werden.

‒ Die derzeit in den Modellen verwendeten Standardwerte für die Raumtemperatur, die Lüftungsra-ten, die Infiltrationsverluste und die inneren Wärmelasten sind in Frage gestellt.

‒ Das gleiche gilt für die derzeit in den Modellen verwendeten Standardwerte für die Effizienz von Heizungsanlagen. Möglicherweise wurden aus Unwissen und/oder fehlender umfangreicher mes-stechnischer Überprüfung besonders tiefe Nutzungsgrade für ineffiziente Systeme angesetzt.

‒ Entweder sollten die verwendeten Standardwerte korrigiert, oder der tatsächlich gemessene Ener-gieverbrauch für Schätzmodelle des Energiebedarfs verwendet werden.

‒ Der Ersatz von alten Gaskesseln durch neue, effizientiere Modelle zeigt die grössten Energieein-spareffekte. In zweiter Priorität sollte die Qualität der Fenster verbessert werden.

‒ Im Vergleich mit anderen Massnahmen ist der Ersatz von Lüftungsanlagen weniger effizient (wenn auch effizienter als theoretisch erwartet).

‒ Weitere Studien sollten die ökonomischen Aspekte von Sanierungsmassnahmen mit berücksichti-gen.

Weiters weist das Autorenteam in [87] auf grundlegende Voraussetzungen für Untersuchungen von Gebäudeparks hin, um zuverlässige und belastbare Ergebnisse zu ermöglichen:

‒ Eine zuverlässige Ausgangsbasis („Baseline“) für den Energieverbrauch des Wohnbau-Portfolios würde eine realistische Zielsetzung zur Reduktion des Energieverbrauchs durch die Energiepolitik ermöglichen.

‒ Die Verfügbarkeit, hohe Qualität und Vertrauenswürdigkeit von Datensätzen zum Energiever-brauch ist von höchster Bedeutung. Entsprechende Datenbanken („energy performance registers”) sollten öffentlich zugänglich sein. Möglichkeiten zur Gewährleistung des Datenschutzes sind vo-rhanden.

‒ Bisher gibt es wenig Erfahrung aus der Analyse von sehr grossen Datenmengen zu Gebäuden.

Verwendete Methoden und Erfahrungen im Umgang mit grossen Datensätzen sollten öffentlich zu-gänglich gemacht und diskutiert werden.

4.5.2.2 Langfristmonitoring des Heiz- und Warmwasserwärmebedarfs in Deutschland

Eine ebenfalls sehr umfangreiche Studie zur Entwicklung des Energieverbrauchs in Wohnbauten legt die Techem Energy Services GmbH aus Deutschland vor [39, 95] (Details siehe Anhang C).

Die Studie basiert auf regelmässig aktualisierten Daten und geht bis auf die Heizperiode 1998/99 zu-rück. Sie basiert auf Verbrauchsabrechnungen für die Heizung und das Warmwasser von über 115'000 Mehrfamilienhäusern in Deutschland.

Folgende Punkte fallen bei Betrachtung dieser Studie unter dem Blickwinkel der Performance von Ge-bäudeparks auf:

‒ Die Auswahl der Gebäude sowie die Berechnungsgrundlagen und allfällige Annahmen sind nach-vollziehbar dokumentiert.

‒ Die Daten wurden in regelmässigen Zeitabständen erhoben, vergleichbar ausgewertet und doku-mentiert. Auf einem Zeitstrahl ist die langfristige Entwicklung des Verbrauchs nachvollziehbar dar-gestellt (vgl. Abschnitt 3.1: Performance Gap „Entwicklungspfad“).

‒ Die erhobenen Messdaten wurden in verschiedenen Detaillierungsstufen (z.B. nach Energieträger, Verbrauchergruppen, Verwaltungskreis) ausgewertet.

‒ Die Darstellung der Ergebnisse erfolgte sowohl tabellarisch als auch grafisch (Balken-, Häu-figkeitsdiagramme, Deutschlandkarte).

‒ Die Auswertung der Messdaten wurde durch Benutzerbefragungen ergänzt.

‒ Die Erhebung, Analyse, Dokumentation und Bewertung der Messdaten erfolgte aus einer Hand.

Eine Überprüfung durch unabhängige Dritte ist nach unserem Wissensstand allerdings nicht erfo-lgt.

4.5.2.3 Vergleich von berechneten und gemessenen Energieverbräuchen in Deutschland Im Gebäudereport 2015 der deutschen Energie-Agentur (dena) [55] wird die Entwicklung des deut-schen Gebäudeparks hinsichtlich Energiepolitik, Energieverbrauch, Volkswirtschaft, Nutzung und Bau-bestand betrachtet.

Der Bericht basiert auf verschiedenen öffentlichen Statistiken aus Deutschland und der EU sowie auf Daten der dena-Energieausweisdatenbank, die über 50'000 Energieausweise enthält.

Obwohl die dena-Studie den Energieverbrauch nicht im Hinblick auf Performance Gaps in Gebäude-parks auswertet, enthält sie zwei in unserem Zusammenhang erwähnenswerte Resultate:

‒ Bei den berechneten Ausweisen („Energiebedarfsausweis“) entfallen 2% aller Gebäude auf die be-ste Effizienzklasse A und 25% auf die schlechtebe-ste Effizienzklasse H. Wird hingegen die Häu-figkeitsverteilung gemessener Energieverbräuche („Energieverbrauchsausweis“) verwendet, entfal-len weiterhin 2% aller Gebäude auf die Effizienzklasse A, aber nur noch 7% auf die Effizienzklasse H. Die Ursache wird darin vermutet dass die Gebäude der Effizienzklasse H in Realität häufig nur teilbeheizt werden, während in den Berechnungsmodellen von einer konstanten Gebäudetempera-tur von 20°C ausgegangen wird.

‒ Die Differenz zwischen den berechneten Energiebedarfskennwerten und den gemessenen Ener-gieverbrauchskennwerten von Wohngebäuden liegt bei Gebäuden, die vor 1949 errichtet wurden bei ca. 30% und nimmt dann für jüngere Gebäude kontinuierlich ab (siehe auch Abschnitt 4.3 zu Prebound-Effekten).

4.5.2.4 Studien zu Gebäudeparks in den USA

Scofield untersuchte in [47] den Energieverbrauch, die Treibhausgasemissionen und die Energieeffizi-enz von 953 New Yorker Bürogebäuden, darunter 21 LEED zertifizierten Gebäuden. Neben Durch-schnittswerten wurden auch die Häufigkeitsverteilungen des Energieverbrauchs und der Gebäudeflä-chen gegenübergestellt. Die Studie konnte keine signifikanten Unterschiede zwisGebäudeflä-chen den regulären Bürogebäuden und den LEED zertifizierten Gebäuden feststellen.

In [49] diskutierte Scofield verschiedene in den USA übliche Methoden zum Vergleich des Energiever-brauchs von Gebäuden. Die Arbeit präsentiert statistische Auswertungen von grösseren Gebäude-parks und illustriert und diskutiert die Auswirkungen von Ausreissern auf ein Portfolio, wobei nicht nur der Energieverbrauch sondern auch die Gebäudegrösse berücksichtigt werden. Ebenfalls werden die Vor- und Nachteile der Bewertung nach End- und Primärenergie diskutiert.

4.5.2.5 Erfolgskontrolle von Gebäudeenergiestandards in der Schweiz

Wie anspruchsvoll und aufwändig die Datenerhebung, Datenbereinigung und Plausibilisierung für die Analyse von Gebäudeportfolios sein kann, zeigte die BFE-Erfolgskontrolle der Gebäudeenergie-stan-dards [9] (vgl. auch Abschnitte 4.1 und 4.4.2).

In dieser Studie wurde erheblicher Aufwand darin investiert, eine möglichst grosse und repräsentative Zufallsstichprobe zu erhalten. Letztlich konnten Messdaten für 214 Gebäude erhoben werden, die mit Vor-Ort-Begehungen und Nutzerbefragungen sorgfältig ergänzt wurden.

Das Resultat der Vergleiche der gemessenen Energiekennzahlen mit den jeweiligen Grenzwerten wurde in einer zentralen Abbildung zusammengefasst, welche die erhaltenen Medianwerte wie auch die zugehörigen Streubreiten übersichtlich dokumentiert (Abbildung 12).

Auf Grund der vergleichsweise kleinen Anzahl Objekte, für die schlussendlich Energieverbrauchs-kennzahlen vorlagen, sind diese Ergebnisse kaum als repräsentativ für die gesamte Schweiz zu er-achten.

Zudem musste die Studie mit einer sehr heterogenen Datenbasis arbeiten, was beispielsweise die Vergleichbarkeit zwischen den Gebäuden, die den Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn [30]) folgen und denen, die nach den Minergie-Standards gebaut wurden, einschränkt. Der Grund ist, dass die MuKEn-Grenzwerte gebäude-individuell auf Ebene Nutzenergie sind (weswegen in den verwendeten Grenzwerten ein zeitlich und über alle Gebäude hinweg konstanter Nutzungsgrad von 85% einbezogen wurde), während dies bei den Minergie-Gebäuden nicht der Fall ist.

Die Studie [9] beinhaltete auch eine detaillierte Ausreisseranalyse und Ursachenforschung zu den ge-fundenen Abweichungen. Für eine Stichprobe von 82 Einfamilienhäusern wurde mittels multivariater Regressionsanalyse ermittelt, dass bei Neubauten, und/oder beim Vorhandensein einer Gasheizung

und/oder der Möglichkeit zum Lüften mit Kippfenstern die jeweiligen Grenzwerte tendenziell eher über-schritten wurden. Das Einhalten oder Unterschreiten des jeweiligen Grenzwerts hingegen korrelierte mit dem Vorhandensein einer thermischen Solaranlage, und/oder einer Photovoltaik-Anlage (die oft-mals indikativ ist für eine erhöhte Sensibilisierung der Nutzer/Eigentümer für energetische Themen), und/oder einer Wärmepumpe als Hauptwärmelieferant.

Abbildung 12: Abbildung 1 aus [9]: Gewichtete EKZ18 [kWh/m2]. Die Boxen werden nur dargestellt, wenn mindes-tens fünf Gebäude in der jeweiligen Untergruppe vorhanden sind. Die vertikale Linie im Inneren einer Box mar-kiert den Median. Die Boxen erstrecken sich vom 25. bis zum 75. Perzentil. Die Linien ausserhalb der Boxen zei-gen die Lage weiterer Datenpunkte, bis zu einer maximalen Länge, die durch das 1.5-fache des Interquartilsab-stands (Q0.75-Q0.25) gegeben ist. Ausreisser werden nicht dargestellt.

Der Originaldatensatz von [9] wurde uns dankenswerter Weise vom BFE für eine Re-Analyse zur Ver-fügung gestellt. Wir verwendeten ihn um unseren Vorschlag zu illustrieren, wie Performance Gap Ana-lysen für Gebäudeparks kompakt und aussagekräftig dokumentiert werden können (Abschnitt 5.1.3).

Im Dokument ParkGap – Performance Gap Gebäude (Seite 43-46)