• Keine Ergebnisse gefunden

Die Entstehung des Rock and Roll

Im Dokument Rockmusik in den 50er und 60er Jahren (Seite 24-35)

„The blues had a baby and they called it rock and roll.”

Muddy Waters

Wenngleich Rock and Roll in den ausgehenden 50er Jahren vornehmlich die Herzen eines weißen Publikums eroberte und weiße Künstler das Gen-re in den 60er JahGen-ren dominierten, lagen seine Ursprünge in erster Linie in der Musik der Afroamerikaner. Zwar hatte auch die weiße Folk- und Coun-trymusic, die ebenfalls Elemente schwarzer Musik beinhaltet, nicht uner-heblichen Einfluss auf den Rock and Roll, doch war es die schwarze Blues-music, die ihn maßgeblich prägte.

Blues

Erste Formen des Blues waren bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert im Süden der USA entstanden und knüpften teilweise an traditionellere For-men schwarzer Musik wie dem Gospel, den „Worksongs“ und „Fieldhol-lers“ an, die von den schwarzen Sklaven gesungen worden waren. Dadurch geprägt, sind auch die späteren Bluestexte zumeist autobiographischer Na-tur und erzählen vom Leid des Sängers, von Ausbeutung, Ungerechtigkeit, Heimweh, Hunger, finanzieller Not, aber auch unglücklicher oder unerwi-derter Liebe.1 Dieser grundsätzlich melancholischen Natur verdankt der Blues auch seinen Namen („to be blue“ = traurig, trübsinnig, niederge-schlagen sein), wenngleich unbekannt ist, wer den Begriff „Blues“ als Be-zeichnung für die entstehende Musikrichtung prägte. Das Wort „blue“ ist auch in den „blue notes“ wiederzufinden, jenen verminderten Tönen der Dur- und Molltonleiter, die für den Blues charakteristisch sind.2

Kapitel 2

1 Paul Friedlander, Rock and Roll – A Social History (Boulder: Westview Press, 1996) 16–17.

2 „Blue notes“ sind Töne, die zwischen kleiner und großer Terz oder zwischen einer reinen und einer verminderten Quinte liegen. Eine exakte Notierung und Defini-tion ist nicht möglich, da diese Töne der InterpretaDefini-tion des Musikers unterliegen.

Ihr Ursprung liegt vermutlich in der afrikanischen Pentatonik (fünftonig), weshalb

Obwohl im ländlichen Süden der USA zahlreiche unterschiedliche Bluesformen entstanden sind, die zumeist unter dem Oberbegriff „Coun-try Blues“ zusammengefasst werden, hatte der Blues aus dem Mississippi Delta (Delta Blues) den nachhaltigsten Einfluss auf die spätere Rockmusik.

Im Gegensatz zu dem Blues aus Küstenstaaten wie Georgia, North und South Carolina war der Delta Blues ungeschliffen, rau und sehr emotional.

Zu seinen bekannteren Vertretern zählen Robert Johnson, Charley Patton und McKinley Morganfield, der als Muddy Waters berühmt wurde.3 Wa-ters, der 1915 in Rolling Fork, Mississippi, geboren wurde und dort auf-wuchs, spielte zunächst Delta Blues, ging später jedoch nach Chicago, wo er Ende der 1940er Jahre eine Band gründete.4

In Chicago, der Heimat von etwa 400.000 Afroamerikaner nach dem 2.

Weltkrieg, wurde Waters bekannt als einer der Mitbegründer des Chicago Blues. Diese neue Bluesrichtung zeichnete sich vor allem durch den Ein-satz elektrischer Gitarren aus und integrierte Elemente des Swing und Boogie-Woogie, was sie im Gegensatz zum klassischen Country Blues schwungvoller machte. Wenngleich schon andere Blues-Musiker vor Mud-dy Waters E-Gitarren eingesetzt hatten, zum Beispiel Aaron „T-Bone“

Walker, geht die bis heute in der Rockmusik dominierende Verwendung der E-Gitarre mit nur wenigen Riffs5 auf Muddy Waters zurück. Sein Ein-fluss auf Musiker späterer Generationen lässt sich auch daran erkennen, dass sein Lied „Rollin’ Stone“ einer britischen Band, die knapp 20 Jahre später zu einer der erfolgreichsten Rockbands überhaupt werden sollte, als Namensvorlage diente.6

Neben Muddy Waters zählt auch John Lee Hooker (1917–2001), der ebenfalls in Mississippi geboren wurde, zu den bekanntesten Vertretern des Chicago Blues, wenngleich er die meiste Zeit seines Lebens in Detroit verbrachte. Im Gegensatz zu Waters hielt Hooker jedoch stärker an den

sie im Zwölfton-System einzuordnen sind. Dazu: Charlton, Rock Music Styles – A History, 13.

3 Woher der Künstlername Muddy Waters kam, ist ungewiss. Bekannt ist lediglich, dass Muddy Waters in seiner Kindheit gerne mit den Händen in flachen Weihern fischte („to muddy“). Charlton, Rock Music Styles – A History, 19.

4 Zu Leben und Werk von Muddy Waters siehe Sandra B. Tooze, Muddy Waters: The Mojo Man (Toronto: ECW Press, 1996).

5 Ein Riff ist eine immer wiederkehrende, kurze und zumeist rhythmische Tonfolge, die das gesamte Musikstück prägt.

6 Keith Richards von den Rolling Stones schrieb auch das Vorwort für Robert Gor-dens Buch Can't be Satisfied: The Life And Times Of Muddy Waters (New York: Little, Brown and Company, 2002).

Kapitel 2 Die Entstehung des Rock and Roll

26

Traditionen des Delta Blues fest, wie dem sogenannten „call-and-response“, das seine Ursprünge in den „Worksongs“ und „Fieldhollers“ der Sklaven hatte. Dabei unterbricht der Sänger für eine gewisse Zeit sein Lied, um den Zuhörern die Möglichkeit zu geben, auf den von ihm gesungenen Text zu antworten. In Hookers vielleicht bekanntestem Stück „Boom Boom“ hören die Instrumente immer dann auf zu spielen, wenn eine Zeile gesungen wird, auf die die Instrumente dann gewissermaßen antworten.

Auch die Animals, eine britische Rockband, behielt diese Technik in ihrer Coverversion des Liedes aus dem Jahr 1965 bei.7

Der Chicago Blues mit seinen Elementen des Swing und Boogie-Woogie kann als spezielle Richtung des übergeordneten Urban Blues gesehen wer-den. Dieser „städtische“ Blues grenzte sich vom traditionellen Country Blues dadurch ab, dass nicht mehr nur ein Sänger mit Gitarre oder Mund-harmonika auftrat, sondern die Lieder von Bands gespielt wurden, die so-wohl über Rhythmusinstrumente wie Bassgitarre, Schlagzeug oder akusti-sche Gitarre als auch über Soloinstrumente, etwa Saxofon oder Piano, ver-fügten. Die akustische Gitarre war im Vergleich zu den anderen Instru-menten zu leise, um sie als Soloinstrument einsetzen zu können, was maß-geblich zur Entwicklung der E-Gitarre beitrug.

Einer der bekanntesten Vertreter des Urban Blues ist Riley B. King („Blues Boy“ King oder verkürzt B.B. King), der 1925 in Mississippi gebo-ren wurde. King ging Ende der 40er Jahre nach Los Angeles, wo er einen Plattenvertrag beim späteren Gründer von Sun Records, Sam Phillips, der auch Elvis den ersten Plattenvertrag gab, unterschrieb. Bis heute ist B. B.

King als Live- und Studiomusiker aktiv. Im Jahr 2000 nahm er zusammen mit Eric Clapton, der schon 1979 eine Konzerttournee mit Muddy Waters unternommen hatte, das Album Riding With The King auf. Bereits 1988 hat-te King zusammen mit der irischen Rockband U2 den Film und das Liveal-bum Rattle and Hum aufgenommen und den Blues dadurch auch einem jüngeren Publikum zugänglich gemacht.8

Ebenfalls in Mississippi geboren wurden zwei weitere Blues-Legenden, die maßgeblichen Einfluss auf Rockmusiker späterer Tage hatten. Elmore James (1918) war einer der ersten Musiker aus dem Delta, die in Chicago mit Jazzmusikern spielten und dadurch dem Blues eine neue Richtung ga-ben. Außerdem wurde James bekannt dafür, dass er ein Metallröhrchen als eine Art Plektron verwendete und damit über die Saiten strich. Diese Tech-nik wurde später von Jimi Hendrix, Eric Clapton und Lewis Brian Jones

7 Charlton, Rock Music Styles – A History, 19.

8 B.B. King und David Ritz, Blues All Around Me (New York: Perennial, 1999).

Kapitel 2 Die Entstehung des Rock and Roll

von den Rolling Stones nachgeahmt. Brian Jones war so von James begeis-tert, dass er sich am Anfang seiner Karriere sogar den Künstlernamen Elmo Lewis gab.9

Nicht weniger einflussreich als James war Chester Arthur Burnett (1910–1976), der bei einer Größe von fast zwei Metern und drei Zentnern Gewicht über ein bemerkenswertes Stimmvolumen verfügte und damit oft einem Wolfsgeheul ähnliche Töne imitierte, was ihm den Bühnennamen Howlin’ Wolf einbrachte. Burnetts rauer Stil machte ihn zum Vorbild für Bands wie die Doors, Cream, Grateful Dead und die Rolling Stones. 1972 nahm Burnett zusammen mit vielen populären Rockmusikern dieser Tage – darunter Clapton, Steve Winwood, Ex-Beatle Ringo Star und die beiden Stones Bill Wyman und Charlie Watts – das Album The London Howlin’

Wolf Sessions auf,10 was abermals die Bedeutung der Blues-Väter für die Rockstars der 60er und 70er Jahre unterstreicht.

Während der Instrumentalbereich des Blues eine reine Männerdomäne war, blieb der Gesang häufig Künstlerinnen vorbehalten. Die erste profes-sionelle Bluessängerin war Gertrude Pridgett (1886–1939), die unter ihrem Künstlernamen Ma Rainey oder auch als „The Mother of the Blues“ be-kannt wurde. Ihr Gesangsstil war gekennzeichnet von stöhnenden Klage-lauten, langen Pausen und verzerrten „blue notes“ und einem gewaltigen Stimmvolumen, das notwendig war, um die begleitenden Instrumente zu übertönen. Bereits 1923 nahm sie ihre erste Platte auf und unterzeichnete einen Vertrag mit Paramount Records. Bei einigen ihrer Aufnahmen wur-de sie von Jazzgrößen wie Louis Armstrong owur-der Colemann Hawkins be-gleitet.11 Rainey hatte auch maßgeblichen Einfluss auf die acht Jahre jün-gere Bessie Smith (1894–1937), die ihre Karriere als Gesangspartnerin von Rainey begann und 1929 eine der Hauptrollen im Film St. Louis Blues spielte. In den 30er Jahren machte Smith einige Aufnahmen mit Big-Band-Leader Benny Goodman, der als einer der ersten mit rassistischen Tabus brach und schwarze Künstler in sein Orchester aufnahm. Jedoch blieb es bis in die 50er Jahre hinein eine Ausnahme, dass schwarze und weiße Mu-siker zusammen auftraten oder vor einem gemischten Publikum spielten.

Bezeichnenderweise rankten sich auch für lange Zeit Gerüchte um den frühen Tod von Bessie Smith, da ihr unmittelbar nach einem Autounfall angeblich die Behandlung in einem Krankenhaus für Weiße versagt

wor-9 Friedlander, Rock and Roll – A Social History, 105.

10 Charlton, Rock Music Styles – A History, 19.

11 Sandra Lieb, Mother of the Blues: A Study of Ma Rainey (Amherst: University of Massachusetts Press, 1981).

Kapitel 2 Die Entstehung des Rock and Roll

28

den wäre. Erst 1972 konnte Chris Albertson durch Interviews mit dem be-handelnden Arzt und dem Fahrer des Krankenwagens beweisen, dass Smith direkt in ein naheliegendes Krankenhaus für Schwarze gebracht wurde, da getrennte Krankenhäuser für Schwarze und Weise gängige Praxis im Süden der USA waren, und niemals um Aufnahme in ein „weißes“

Krankenhaus ersucht worden war.12 Trotz ihrer kurzen Karriere prägten Ma Rainey und Bessie Smith die Musik späterer Sängerinnen wie Mahalia Jackson, La Vern Baker und Janis Joplin.

Folk und Countrymusic

Neben dem Blues hat der Rock and Roll seine Wurzeln auch im Folk und der Countrymusic.13 Der amerikanische Folk geht zurück auf die musikali-sche Tradition der verschiedenen Einwanderergruppen, die Liedgut aus ihren Heimatländern mit in die USA brachten. Da Folk im Gegensatz zur Kunstmusik nicht notiert war, sondern mündlich überliefert wurde, unter-lag er stets einer großen Veränderung, abhängig von der Interpretation des jeweiligen Künstlers. Zudem wurden auch neue Themen, die sich aus den veränderten oder andersartigen Lebensumständen in der neuen Heimat er-gaben, in die Lieder integriert. So griffen mehr und mehr Musiker in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts soziale Probleme wie die Sklaverei, die Gleichstellung der Frauen oder auch den Alkoholmissbrauch in ihren Lie-dern auf. Der Fokus des Folk lag also hauptsächlich auf Text und Gesang, weshalb Instrumente stets nur begleitenden Charakter hatten und traditio-nelle Folkmusiker eine elektronische Verstärkung konsequent ablehnten.

Erst Bob Dylan brach Mitte der 60er Jahre mit dieser Maxime, was zu hefti-gen Kontroversen innerhalb der Folk-Gemeinde führte.14 Bei Dylans legen-därem Auftritt auf dem Newport Folk Festival, bei dem er erstmals live mit Verstärkern vor einem größeren Publikum spielte, soll der bekannte

Folk-12 Chris Albertson, Bessie (New York: Stein and Day, 1972).

13 Die deutschen Schreibweisen für „Folk(music)“, „Countrymusic“ und „Folkrock“

variieren sehr stark, was nicht verwunderlich ist, da sich nicht einmal renommier-te englischsprachige Fachmagazine wie der Rolling Stone auf eine Schreibweise ei-nigen können. Hier findet man beispielsweise die Schreibweisen „Folk-Rock“,

„Folkrock“ oder auch „Folk Rock“, die als solche auch in die deutsche Literatur übernommen wurden. Um hier eine einheitliche Schreibweise zu gewährleisten, wurde sich an den Vorschlägen des Duden orientiert.

14 Charlton, Rock Music Styles – A History, 40.

Kapitel 2 Die Entstehung des Rock and Roll

Sänger Pete Seeger sogar mit einer Axt in den Händen gedroht haben, die Stromkabel durchzuschlagen.

Bereits 1941 hatte Seeger im Alter von 22 Jahren die Almanac Singers gegründet, eine traditionelle Folkband, die vor allem für einen Aufbau starker Gewerkschaften, die Beendigung des Zweiten Weltkrieges und die Garantie von Bürgerechten für die Afroamerikaner in ihren Liedern ein-trat. Als sich die Almanac Singers 1948 auflösten, rief Seeger noch im glei-chen Jahr die Weavers ins Leben, die mit den Aufnahmen bekannter Folk-songs wie „Goodnight Irene“ oder „Kisses Sweeter Than Wine“ nationale Berühmtheit erlangten.15 Anfang der 50er Jahre litten die Weavers wäh-rend der Kommunisten-Verfolgung in den USA unter Untersuchungen durch das House Un-American Activities Committee16, da sie dem linken poli-tischen Spektrum nahestanden. 1953 lösten sie sich vorübergehend auf.

Mit Seegers Kompositionen waren später auch andere Musiker erfolg-reich. Das Folk-Trio Peter, Paul and Mary hatte 1962 mit „If I Had a Ham-mer“ einen Hit, und ein Jahr später erreichte der Rock and Roll Musiker Trini Lopez mit diesem Titel die amerikanischen Charts. Im Herbst 1965 belegten The Byrds mit Seegers Komposition „Turn! Turn! Turn!“, die einem Bibeltext entlehnt war, den Spitzenplatz in der Hitparade. Seeger, der 1919 In New York geboren wurde, entstammte einer musikalischen Fa-milie. Seine Mutter Constance Edson war eine bekannte Violinistin, und sein Vater Charles Seeger unterrichtete als Musikwissenschaftler an Univer-sitäten in New York und Kalifornien. Zusammen mit John A. Lomax und dessen Sohn Alan Lomax hatte Charles Seeger eine Vielzahl amerikani-scher Folksongs notiert und aufgenommen. John A. und Alan Lomax wie-derum veröffentlichten 1947 mit Folk Song USA eine erste umfassende Sammlung traditioneller Lieder und archivierten später auch im Auftrag des Kongresses amerikanische Folksongs für die Library of Congress.17

15 Seeger selbst hat eine Geschichte der Folk Music, gepaart mit autobiographi-schem Material, veröffentlicht: Pete Seeger, The Incompleat Folk Singer (New York:

Simon and Schuster, 1972).

16 Das House Un-American Activties Committee war ein Komitee im Repräsentanten-haus des Kongresses, das mögliche, gegen die Vereinigten Staaten gerichtete Um-triebe untersuchte. Die Arbeit des Komitees, das 1945 ins Leben gerufen wurde und dem auch Richard Nixon angehörte, richtete sich in erster Linie gegen ver-meintliche Anhänger kommunistischer Ideologien in Regierungsbehörden, aber auch gegen Künstler in der Musik- und Filmbranche.

17 John A. Lomax und Alan Lomax, Folk Song USA: The 111 Best American Ballads (New York: Duell, Sloan and Pearce, 1947).

Kapitel 2 Die Entstehung des Rock and Roll

30

Zahlreiche ihrer Aufnahmen machten sie zusammen mit Woody Gu-thrie, der ebenfalls Mitglied der Almanac Singers gewesen und neben See-ger der bedeutendste Folkmusiker der 40er und 50er Jahre war. Guthrie, der mit vollem Namen Woodrow Wilson Guthrie hieß, kam 1912 in Okla-homa zur Welt, just in dem Jahr, in dem sein Namensvetter Woodrow Wil-son zum Präsidenten gewählt wurde. 1935 ging Guthrie wie viele andere

„Okies“ auch nach Kalifornien, um der Verödung des Farmlandes im Mitt-leren Westen, der „Dust Bowl“, zu entkommen. Dort hatte er erste kleinere Erfolge als Radiosänger.18 1940 zog Guthrie nach New York City, wo er en-ge Verbindunen-gen zu Folk- und Protestmusikern aus einem kommunistisch geprägten Milieu knüpfte und sich Seegers Almanac Singers anschloss.

Während sich die Almanac Singers gegen den Krieg aussprachen, unter-stütze Guthrie jedoch später den militärischen Kampf gegen den Faschis-mus und diente während der Kriegsjahre als Musiker in der Handelsmari-ne. Sein Markenzeichen zu dieser Zeit war eine Gitarre, auf die er „This Machine Kills Fascists“ geschrieben hatte.19 Nach dem Krieg veröffentlich-te Guthrie ein Liederbuch, das auch seinen bekannveröffentlich-tesveröffentlich-ten Song „This Land is Your Land“ enthielt, den er bereits 1940 geschrieben hatte. „This Land is Your Land“ war in seiner ursprünglichen Fassung ein Protestsong gegen soziale Ungerechtigkeit in den USA, und Guthrie prangerte die ungleiche Verteilung materiellen Besitzes an: „One bright sunny morning in the shadow of the steeple, By the relief office I saw my people, As they stood hungry, I stood there wondering if this land was made for you and me [God blessed America for me].”20 Guthries Lied war eine Anspielung auf Irving Berlins „God Bless America”, eine Lobeshymne auf die Vereinigten Staaten, die Guthrie für nicht zutreffend hielt. Im Originalmanuskript hat-te Guthrie deshalb auch zunächst die Textzeile „God blessed America for me“ vorgesehen, diese aber ausgestrichen und durch „this land was made for you and me“ ersetzt.21 Im Laufe der Zeit entfernte er jedoch die sozial-kritischen Passagen, sodass sich das Stück mehr und mehr zu einem patrio-tischen Lied entwickelte und gelegentlich als „Folk-Nationalhymne der USA“22 bezeichnet wird. Obwohl Guthrie ab 1954 wegen der Nervenkrank-heit Chorea Huntington die meiste Zeit bis zu seinem Tod 1967 im

Kran-18 Seeger, The Incompleat Folk Singer, 41–42.

19 Charlton, Rock Music Styles – A History, 40.

20 Woody Guthrie; Copyright © 1972 Ludlow Music.

21 Ein Faksimile des Manuskripts kann eingesehen werden bei The Woody Guthrie Foundation and Archives, http://www.woodyguthrie.org/foundation/research.htm..

22 Robert Shelton, No Direction Home – The Life and Music of Bob Dylan (London:

New English Library, 1986) 79.

Kapitel 2 Die Entstehung des Rock and Roll

kenhaus verbringen musste, blieb er ein Magnet und Vorbild für jüngere Folk-Musiker.

Dazu gehörte auch der damals noch unbekannte Bob Dylan, der ihn im Februar 1961 im Hospital besuchte und von Guthries charismatischer Art fasziniert war. Seine Bewunderung für den dahinsiechenden Folk-Helden kommt in Dylans Lied „Last Thoughts on Woody Guthrie“ aus dem Al-bum The Bootleg Series, Volumes 1–3 (1991) zum Ausdruck: „And where do you look for this hope that yer seekin’, [...], You can either go to the church of your choice, Or you can go to Brooklyn State Hospital, You’ll find God in the church of your choice, You’ll find Woody Guthrie in Brooklyn State Hospital.”23 Dylan schloss eine enge Freundschaft mit Woody Guthrie und auch mit dessen Sohn Arlo, der wie Dylan einer der musikalischen Helden der Protestbewegung in den 60er Jahren werden sollte.

Während der Einfluss des Folk auf die spätere Rockmusik hauptsächlich in sozial-kritischen Texten lag, war es im Falle der Countrymusic eher die instrumentale Komponente, an der sich die ersten Rockmusiker orientier-ten. Countrymusic ist eine spezielle Form der Folkmusik, die zunächst im Süden der USA entstand und in erster Linie unterhaltenden Charakter hat-te. Sie war zumeist Tanzmusik und wurde auf Gitarren, Fideln und später auch auf dem Klavier oder der Mundharmonika gespielt. Mit der zuneh-menden Bedeutung des Radios in den 20er Jahren gewann Country auch Anhänger in anderen Teilen der USA, und der WSM Barn Dance (WSM war der Name des Radiosenders) wurde ab 1925 zu einem der populärsten Programme. In den 30er und 40er Jahren entwickelte sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Stilrichtungen der Countrymusic, von denen einige wie-derum Elemente des Folk und des Blues beinhalteten, weshalb klare Tren-nungen zwischen den einzelnen Richtungen zumeist nur schwer möglich sind.24

Eine Spielart der Countrymusic, die in den vierziger Jahren entstand, war Bluegrass, dessen Name sich an den Bundesstaat Kentucky („The Blue Grass State“) anlehnt, weil dort im Frühjahr und Sommer ein blaugrünes Gras blüht. Bluegrass zeichnet sich aus durch etwa vier bis sieben Musiker, die über Rhythmus- als auch Soloinstrumente verfügen, sowie durch einen

Eine Spielart der Countrymusic, die in den vierziger Jahren entstand, war Bluegrass, dessen Name sich an den Bundesstaat Kentucky („The Blue Grass State“) anlehnt, weil dort im Frühjahr und Sommer ein blaugrünes Gras blüht. Bluegrass zeichnet sich aus durch etwa vier bis sieben Musiker, die über Rhythmus- als auch Soloinstrumente verfügen, sowie durch einen

Im Dokument Rockmusik in den 50er und 60er Jahren (Seite 24-35)