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Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes

und der Länder vom 24. April 2001:

Veröffentlichung von Insolvenzinformationen im Internet

Dem Bundestag liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung der In-solvenzordnung (BT-Drs. 14/5680) vor. Danach sollen gerichtliche Entscheidungen - vor allem in Verbraucherinsolvenzverfahren – künftig auch über das Internet veröf-fentlicht werden können, um Kosten für Bekanntmachungen in Printmedien zu spa-ren.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder weisen darauf hin, dass Informationen aus Insolvenzverfahren, die in das Internet eingestellt sind, durch die Justiz nicht räumlich begrenzt werden können. Darüber hinaus ist deren Speicherung zeitlich nicht beherrschbar, und die Daten können vielfältig ausgewertet werden. Dies kann dazu führen, dass Dritte, etwa Auskunfteien oder Wirtschaftsinformationsdiens-te, die Daten auch nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens speichern und diese über längere Zeit im Internet verfügbar sind. Die mit der Insolvenzordnung bezweckte Chance der Schuldner auf einen wirtschaftlichen Neubeginn würde letztlich auf Dau-er beeinträchtigt, wenn sie zeitlebens weltweit abrufbar am Schulden-PrangDau-er ste-hen.

Der Gesetzgeber muss das Risiko für die betroffenen Verbraucherinnen und

Verbraucher, aufgrund einer möglichen Auswertung justizieller Veröffentlichungen im Internet dauerhaft Einbußen bei der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr zu erleiden, sorgfältig mit dem Interesse an der beabsichtigten Senkung von Bekanntma-chungskosten abwägen. Hierbei ist auch die gesetzgeberische Wertung zu berück-sichtigen, dass Personen, für die ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, gerade nicht in das Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht aufgenommen werden. Das Internet bietet im Gegensatz zu einem gerichtlichen Verzeichnis letztlich keine Gewähr, die ordnungsgemäße Pflege und die Löschung personenbezogener Daten sicherzustel-len, die für die Betroffenen von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung sein kön-nen.

Die Datenschutzbeauftragten appellieren daher an den Gesetzgeber und an die Jus-tizverwaltungen der Länder, die aufgezeigten Risiken insbesondere für Verbraucher-insolvenzen neu zu bewerten. Die vorgenannten Überlegungen sind im Gesetzge-bungsverfahren bisher nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden. Dabei sollten die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom

09.03.1988 - 1 BvL 49/86 - zu einem vergleichbaren Sachverhalt einbezogen wer-den.

Es erscheint zu einfach, die Informationen im Internet in gleicher Weise abzubilden wie in der Zeitung. Gerade das Internet bietet neue Chancen und Möglichkeiten, In-formationen gezielt nur denen zugänglich zu machen, die es angeht. Gerade hier sind neue Wege möglich, die mit herkömmlichen Medien nicht erreicht werden konn-ten. Es gilt deshalb, insbesondere zu untersuchen, ob dem Prinzip der Publizität bei

Veröffentlichungen im Internet nicht ein anderer Stellenwert zukommt und wie gravie-rende Nachteile für die Betroffenen vermieden werden können.

Bevor die geplante Änderung des § 9 InsO verabschiedet wird, ist daher vorrangig zu klären, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen besser geschützt werden kann.

Auch in anderen Bereichen wird das Internet bereits genutzt, erprobt oder die Nut-zung erwogen, um justizielle Informationen bereitzustellen, z.B. die Handels-, Ver-eins-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister oder in Zwangsvollstreckungs-verfahren. Inwieweit das Internet als Medium der im Ergebnis unbegrenzbaren In-formationsverarbeitung datenschutzrechtlich angemessen ist und welches Datenpro-fil ins Internet eingestellt werden darf, muss differenziert in Übereinstimmung mit dem gesetzlich bezweckten Grad der Publizität der jeweiligen Daten entschieden werden.

Jede gesetzgeberische Entscheidung für eine Veröffentlichung über das Internet soll-te aber im Hinblick auf deren besondere Risiken regeln, dass Veröffentlichungen be-fristet sind und dass spezielle Vorkehrungen getroffen werden, um die Identität und die Authentizität zu sichern sowie eine automatische Übernahme der Daten zu ver-hindern (Kopierschutz).

Sollte sich der Gesetzgeber nach sorgfältiger Abwägung für eine Veröffentlichung über das Internet entscheiden, so muss er die Auswirkungen der Regelung auf Grund aussagefähiger Berichte der Landesjustizverwaltungen überprüfen. Gegens-tand dieser Überprüfung muss auch sein, ob die eingetretene Kostensenkung tat-sächlich, wie von der Bundesregierung erwartet, einer größeren Anzahl von Schuld-nerinnen und Schuldnern den Weg zur Restschuldbefreiung eröffnet hat.

Anlage 3 Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes

und der Länder vom 01. Oktober 2001:

Terrorismusbekämpfung

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder unterstützen mit Nach-druck den Kampf des demokratischen Rechtsstaats gegen Terrorismus und organi-sierte Kriminalität. Sie sind heute zu einem Sondertreffen in Bonn zusammenge-kommen, um die aktuelle Situation nach den Terroranschlägen zu erörtern. Im politi-schen Raum werden zahlreiche Forderungen und Vorschläge zur Verbesserung der inneren Sicherheit diskutiert, die auch Auswirkungen auf den Datenschutz haben.

Die Datenschutzbeauftragten weisen darauf hin, dass die Sicherheits- und Strafver-folgungsbehörden zur Terrorismusbekämpfung bereits über weitreichende Befugnis-se zur Datenverarbeitung verfügen. So ist z.B. die Rasterfahndung zu Strafverfol-gungszwecken generell möglich, in den meisten Ländern auch zur Gefahrenabwehr durch die Polizei. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge kann bereits heute Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten an den Verfassungs-schutz und die Polizei übermitteln. Auch ist eine effektive Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz durch die geltende Rechtslage gewährleistet; Voll-zugsdefizite sind kein Datenschutzproblem. Zu pauschalen Forderungen nach Ein-schränkung des Bürgerrechts auf Datenschutz besteht deshalb kein Anlass. Die Da-tenschutzbeauftragten betonen, dass Datenschutz nie Täterschutz war und auch in Zukunft nicht sein wird.

Die Datenschutzbeauftragten sind zu einem offenen und konstruktiven Dialog über etwa notwendige Anpassungen an die neue Bedrohungslage bereit. Sie erwarten, dass sie rechtzeitig beteiligt werden. Die Datenschutzbeauftragten warnen vor über-eilten Maßnahmen, die keinen wirksamen Beitrag zur Terrorismusbekämpfung leis-ten, aber die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger einschränken. Sie sprechen sich dafür aus, alle neu beschlossenen Eingriffsbefugnisse zu befristen und tiefgrei-fende Eingriffsbefugnisse, damit auch die lautiefgrei-fende Rasterfahndung, einer ergebnis-offenen Erfolgskontrolle zu unterziehen.

Bei der künftigen Gesetzgebung sind die grundlegenden Rechtsstaatsprinzipien, das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit, das Verhältnismäßigkeitsprinzip, die Unschuldsvermutung und das Gebot besonderer gesetzlicher Verwendungsrege-lungen für sensible Daten selbstverständlich zu beachten. Diese verfassungsrechtli-chen Garantien prägen den Rechtsstaat, den wir gemeinsam zu verteidigen haben.

Anlage 4