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Entrepreneurship als konzeptionelle Ergänzung

3. Entrepreneurial Walk als Strategiekonzept zur ressourcenorientierten

3.1 Entrepreneurship als konzeptionelle Ergänzung

Ein zentrales Problem der jüngeren Strategieforschung besteht für TEECE darin, dass die unternehmerisch geprägte Entwicklung neuer technischer oder kommer-zieller Kombinationen (Innovationen) zu wenig berücksichtigt wird. Besonders die Fit-Ansätze vernachlässigen seiner Meinung nach diesen Aspekt der Strategie. Es wird zwar versucht, durch die Integration adaptiver Strategieelemente eine mögli-che Reaktion auf Umweltveränderungen in der Theorie abzubilden, dadurch

wer-den aber die Manager der Unternehmen tenwer-denziell zu Verwaltern von Strukturen, die durch die Vergangenheit des Unternehmens vorgegeben werden.440 Es gilt somit zu prüfen, welche Charakteristika des Entrepreneurship-Ansatzes die Stra-tegieentwicklung in dynamischen Umfeldern unterstützen können.

Der Begriff des Entrepreneurs ist sehr facettenreich und wird in der Literatur mit unterschiedlichen Schwerpunkten behandelt. SCHUMPETER sieht den Entrepreneur oder Unternehmer441 als besondere Person, die in erster Linie lnnovator ist. Als Charakteristikum fordert SCHUMPETER von einem Unternehmer darum die Durch-setzung neuer Kombinationen. Sie kann in fünf verschiedenen Varianten erfol-gen: Erstens kann es sich um die Herstellung eines neuen Gutes handeln, zwei-tens kann eine noch nicht bekannte Produktionsmethode eingeführt werden, drit-tens kann ein neuer Absatzmarkt erschlossen werden, vierdrit-tens kann es sich um die Eroberung einer neuen Rohstoffquelle handeln und fünftens kann die Durch-führung einer Neuorganisation als Durchsetzung von neuen Kombinationen gese-hen werden.442 Das Prinzip der Innovation stellt auf volkswirtschaftlicher Ebene die Basis der wirtschaftlichen Entwicklung dar. Danach wird ein Status des Gleichge-wichtes durch das Auftreten von Entrepreneuren zerstört, die versuchen, Innova-tionen am Markt durchzusetzen und dadurch die eingefahrenen Pfade des beste-henden Wirtschaftskreislaufes aufbrechen. Als Beispiel kann die Einführung me-chanischer Webstühle in einer Volkswirtschaft dienen, in der Textilien nur in Handarbeit hergestellt werden. Wenn diese Innovationen erfolgreich sind, werden sie allerdings von anderen imitiert, was zu einer vollständigen Reorganisation der Branche führt, bis sich irgendwann ein neues Gleichgewicht einstellt.443 Nach ei-ner gewissen Zeit wiederholt sich dieser Prozess in ähnlicher Form mit anderen Akteuren und neuen Inhalten. SCHUMPETER bezeichnet diese industrielle Mutation,

440 Vgl.: Teece, D. J., lntroduction, in: Teece, D. J. (Hrsg.), The Competitive Challenge: Strategies for lndustrial Innovation and Renewal, Cambridge, MA 1987, S. 13.

441 Die beiden Begriffe werden im folgenden synonym verwendet.

442 Vgl.: Schumpeter, J., Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung: Eine Untersuchung über Un-ternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, 6. Aufl., Berlin 1964, S.

100f.

443 Vgl.: Schumpeter, J., Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung: Eine Untersuchung über Un-ternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, a. a. 0., S. 93ff, 209ff und 347f; Schumpeter, J. A., Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 7. Aufl., Tübingen 1993, S. 134ff.

bei dem die Wirtschaftsstruktur unaufhörlich von innen heraus revolutioniert wird, indem alte Strukturen zerstört und neue geschaffen werden, als „schöpferische Zerstörung".444

Der Pionier, der den Gleichgewichtszustand einer Branche durch seine Ideen auf-bricht oder zerstört, entspricht dem generischen Unternehmertypus. Für ScHUMPETER ist er „der Ingenieur seines Betriebes oder doch dessen technischer Leiter, soweit das nicht dasselbe ist und nicht in besonderen Fällen ein fachlicher Spezialist hinzugezogen wird. Er war und ist auch meist sein eigener oberster Ein-und Verkäufer, das Haupt seines Bureaus, der Leiter seiner Angestellten Ein-und Ar-beiter und mitunter, wenngleich er in der Regel Rechtsanwälte verwendet, sein eigener Jurist."445 Die Existenz des so charakterisierten generischen Unterneh-mers ist für GALBRAITH aber nur in der Frühphase eines neu entstehenden Marktes relevant. Nach einer ersten Welle von Innovationen, die häufig noch recht einfache Strukturen besitzen, sind dann nur noch Großunternehmen in der Lage, neue Pro-dukte und Techniken zu entwickeln, weil der Entwicklungsaufwand und die Kosten immer größer werden und nur noch in Teams und mit einem großen Ressourcen-potential bewältigt werden können.446 Diese Hypothese wird tendenziell von der Entwicklung des Marktes für Technische Textilien bestätigt. Auch hier führten zu Beginn der Marktentwicklung einfach strukturierte Innovationen zum Erfolg. So reichte es vielfach aus, Standardgewebe aus den neuentwickelten Glas- oder Carbonfasern herzustellen, um dann abzuwarten, welcher Anwender dieses Mate-rial verwenden kann. Die gegenwärtige Marktsituation hat sich diesbezüglich ent-scheidend gewandelt. Aus der einstigen einfach strukturierten Technology-Push-Situation hat sich mittlerweile eine komplexe Market-Pull-Technology-Push-Situation447 entwickelt, in der bestimmte Hersteller ihre hohen Anforderungen an textile Zwischenprodukte genau formulieren und von den mittlerweile zahlreichen Anbietern eine

maßge-444 Vgl.: Schumpeter, J. A., Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, a. a. 0., S 138.

445 Schumpeter, J. A., Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung: Eine Untersuchung über Unter-nehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, 6. Aufl., Berlin 1964, S. 116.

Ein interessanter Aspekt in dieser Charakterisierung des Unternehmers liegt darin, dass sie Parallelen zu vielen mittelständischen Textilherstellern aufweist.

446 Vgl.: Galbraight, J. K., American Capitalism: The Concept of Countervailing Power, Boston 1952, S. 91f.

447 Vgl.: Meffert, H., Marketing Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung: Konzepte -Instrumente - Praxisbeispiele, a. a. 0., S. 383.

schneiderte Lösung erwarten, die häufig mehrere Prozessstufen umfasst.448 Da-durch haben sich die ressourcenseitigen Anforderungen an die Unternehmen deutlich erhöht, und teilweise können die Problemlösungen nur in enger Koopera-tion mit Partnern aus der Textilen Kette verwirklicht werden.449 In diesem Sinne muss das größere Ressourcenpotential von internationalen Konzernen als Wett-bewerbsvorteil gegenüber den kleinen und mittleren inhabergeführten Unterneh-men gesehen werden.

Für die Pioniere oder Abenteuerunternehmer450 besteht zwar die Möglichkeit, mit dem von ihnen selbst initiierten neuen Markt zu wachsen, aber viele von den in der Entstehungsphase eines Marktes scharenweise auftretenden Unternehmern werden letztlich als temporale Erscheinungen wieder verschwinden, weil die an die Neuschaffung gekoppelten Unternehmergewinne der Pioniere durch das Auftreten neuer Wettbewerber schließlich eliminiert werden.451 Die auf der cha-rakteristischen Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung gegründete Profit-möglichkeit des Unternehmers erfordert eine besondere Kreativität und Risikoaf-finität, die als weitere zentrale Eigenschaften des Entrepreneurs gesehen werden müssen.452 Speziell sein kreatives Vorstellungsvermögen befähigt den Unterneh-mer trotz der herrschenden Informationsdefizite und der daraus entstehenden Un-sicherheit, dennoch mögliche zukünftige Chancen zu identifizieren, was seine Gewinnerwartungen und damit seine Investitionsentscheidung stark beeinflusst.453 Vor dem Hintergrund des Gesagten ist für CASSON ein Entrepreneur im

funktiona-448 Vgl.: Nemoz, G., How to select Technical Textiles Materials? By using their function definition, 11. Internationales Techtextil-Symposium für Technische Textilien, Vliesstoffe und textilar-mierte Werkstoffe, Vortragsunterlagen zum Vortrag Nr. 108 vom 23.04.2001, S. 1.; Schild, G., Technische Textilien - eine strategische Alternative?, a. a. 0., S. 30f.

449 Vgl.: Beckmann, J. A., Technische Textilien - Perspektiven zum Beginn des neuen Jahrtau-sends, 11. Internationales Techtextil-Symposium für Technische Textilien, Vliesstoffe und tex-tilarmierte Werkstoffe, Vortragsunterlagen zum Vortrag Nr. 101 vom 23.04.2001, S. 2.

450 Vgl.: Ursprung, H. W., Schumpeterian Entrepreneurs and Catastrophy Theory or A New Chapter to the Foundations of Economic Analysis, in: Zeitschrift für Nationalökonomie, Journal of Economics, Supplementum 4, Entrepreneurship: The Bonn-Harvard Schumpeter Cen-tennial, Bonn, September 1983, S. 44.

451 Vgl.: Schumpeter, J., Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung: Eine Untersuchung über Un-ternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, a. a. 0., S. 211f und 334ff.

452 Vgl.: Deakins, D., Entrepreneurship and Small Firms, 2. Ed., Berkshire 1999, S. 12ff.

453 Vgl.: Shackle, G. L. S., Expectations Investment and lncome, Oxford 1968, S. 54ff.

len Sinne eine Person, die in besonderer Weise darauf spezialisiert ist, urteilsba-sierte Entscheidungen über die spezifische Koordination ihm zur Verfügung ste-hender knapper Ressourcen zu treffen.454 Als urteilsbasierte Entscheidungen (judgemental decisions) sind solche Entscheidungen zu verstehen, die bei ver-schiedenen Individuen trotz gleicher äußerer Umstände unterschiedlich ausfallen.

Das resultiert aus deren unterschiedlicher Wahrnehmung der Situation aufgrund des unterschiedlichen Zugangs zu Informationen oder der unterschiedlichen Inter-pretation der Informationen. Die Koordination der Ressourcen wird in Abgren-zung zur bloßen Ressourcenallokation als dynamisches Element verstanden, was den Entrepreneur zu einem Agenten bzw. Repräsentanten des Wandels macht.

Die wettbewerbsrelevanten Chancen der besonderen Koordinationsfähigkeit des Entrepreneurs liegen in einer effizienteren Nutzung bestehender Ressourcen. Das Koordinationsproblem wird von den vier Elementen individuelle Präferenzen, Res-sourcen, Zustand der Umwelt und Zustand des technologischen Know-hows ge-prägt. Diese vier Elemente müssen permanent so koordiniert werden, dass sie zu optimalen Ergebnissen, das heißt zu einer verbesserten Ressourcenallokation bzw. zu maximalem Gewinn führen.455 Praktisch bedeutet das, der fortschreitende Wandel erzeugt eine Vielzahl neuer Optionen, aus denen der Unternehmer eine auswählt, auf die er setzt, was eine entsprechende Bereitschaft zur Übernahme eines Risikos voraussetzt, welches nicht durch Versicherungen oder ähnliches abgedeckt werden kann.456 Aus dem Koordinationsproblem resultieren letztlich die Entrepreneurial Rents, die auf der Neukombination bzw. Entwicklung von Res-sourcen aufbauen und deren Basis die Unsicherheit über die zukünftige Entwick-lung ist. RUMEL T definiert diese Art der Rente als Differenz zwischen dem ex post Wert einer Unternehmung und dem ex ante Wert bzw. den ex ante Kosten der Ressourcen, die für diese Unternehmung neu kombiniert wurden. In einem

454 Vgl.: Casson, M., Entrepreneurship, Hampshire 1991, S. 23ff. Die besondere Unterneh-mereignung ist prinzipiell in jeder Person in unterschiedlichem Maße vorhanden. Entspre-chend wächst die Zahl der Individuen, die den im Laufe der Entwicklung immer geringer wer-denden Anforderungen genügen. Somit zieht das erfolgreiche Auftreten der ersten Unterneh-mer das Auftreten anderer, imUnterneh-mer weniger qualifizierter UnternehUnterneh-mer nach sich. vgl.: Schum-peter, J., Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung: Eine Untersuchung über Unternehmerge-winn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, a. a. 0., S. 340.

455 Vgl.: Casson, M., Entrepreneurship, a. a. 0., S. 41ft.

456 Vgl.: Deakins, D, Entrepreneurship and Small Firms, a. a. 0., S 17.

Gleichgewichtssystem wäre diese Differenz null, so dass der Profit des Entrepre-neurs nur aus der ex ante Unsicherheit entstehen kann.457

Die Integration der Entrepreneurship-Perspektive stellt eine wichtige Ergänzung des statischen ressourcenorientierten Strategieansatzes dar; denn aus dieser Perspektive mutieren Dynamik und Wandel der Unternehmensumwelt von einer Bedrohung zu einer Voraussetzung für zukünftige Wettbewerbsvorteile. Für die Strategieentwicklung bedeutet das, eine permanente proaktive Suche nach neu-en Möglichkeitneu-en oder nach neuneu-en Märktneu-en sollte dneu-en Kern zukunftsorineu-entierter Strategien ausmachen. Besonders das kreative und aktive Element des Entre-preneurship-Ansatzes reicht zudem über die Versuche hinaus, die ressourcenori-entierten Strategien an die dynamische Entwicklung anzupassen, indem adaptive Elemente in die Strategien eingefügt wurden. In strategischem Sinne lässt sich Entrepreneurship als Identifikation und Entwicklung von bislang noch ungenutzten Möglichkeiten definieren, die durch Neukombination bestehender Ressourcen oder durch die Kreation neuer Ressourcen geschaffen werden.458 Er setzt also nicht auf die (aussichtslose) Verteidigung einmal erworbener Wettbewerbsvorteile, sondern fordert zu einer permanenten Suche nach neuen Wettbewerbsvorteilen auf. Gerade darin liegt die besondere Relevanz für Klein- und Mittelbetriebe, die aufgrund ihrer oftmals beschränkten Ressourcen kaum in der Lage sind, sich ge-gen die Wettbewerbskräfte abzuschirmen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass dieses Strategiekonzept nur selten zu Massenprodukten führt, also auch nur sel-ten hohe Gewinne erzielt werden können, da vorwiegend großvolumige Märkte hohe Margen ermöglichen.459 Oftmals schöpft ein als technologischer Feiger agie-rendes, etabliertes Großunternehmen die Rente eines neuen Produktes ab und nicht der eigentliche lnnovator. Allerdings besteht umgekehrt der fruchtbarste An-satz für einen Entrepreneur darin, einen profitablen schwerfälligen Quasimono-polisten bzw. ,incumbent' in einem neuen Markt direkt zu attackieren, weil dieser im Vorfeld aufgrund des großen Rentenflusses wahrscheinlich nur wenig Geld und Zeit in die Verbesserung seiner Leistungen investiert hat und zudem nur geringe

457 Vgl.: Rumelt, R. P., Theory, Strategy, and Entrepreneurship, a. a. 0., S. 143.

458 Vgl.: Hitt, M. A., et al., Entrepreneurial Strategies for Wealth Creation, in: Strategie Manage-ment Journal, Vol. 22, 2000, S. 480.

459 Vgl.: Jacobson, G., Hillkirk, J., Xerox: American Samurai, New York 1986, S. 15.

Ambitionen haben wird, den Angriff abzuwehren.460 Unter bestimmten Bedingun-gen führt gerade der Markteintritt in bestehende Industrien zu sehr erfolgreichen Ergebnissen und zwar auch dann, wenn die Unternehmen zunächst ohne Produk-tinnovationen in die existierende Branche eintreten, aber nach einer gewissen Zeit als ,Spätentwickler' exogene Veränderungen, die eine dynamische Marktentwick-lung induzieren, nutzen, um vormalige Marktführer zu überflügeln.461

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass das strategische Management in Umfeldern, die von Wandel und Unsicherheit geprägt sind, durch eine unterneh-merische Perspektive ergänzt werden muss. Vor allem inhabergeführte Klein- und Mittelbetriebe besitzen die Chance, die in Kapitel C.2.3 geforderte Fähigkeit zu gleichzeitig stabilem (zielorientiertem) und flexiblem Verhalten mit der Umsetzung einer entrepreneurship-basierten Strategie zu erwerben. Damit gelingt die Ab-bildung des permanenten Wandels der Umwelt im Strategiekonzept der Unter-nehmung. Mit dem Entrepreneurship-Ansatz wird die permanente Suche nach neuen Möglichkeiten und noch nicht entdeckten Chancen festgeschrieben, ohne in eine bloßes Ad-Hoc-Management zu verfallen.462 Auf Basis dieser Überlegungen ist eine dauerhafte Existenz der Unternehmung am Rande des Chaos und damit in der Zone höchster Fitness möglich.

3.2 Organisationale Lern- und Rekonfigurationsprozesse als