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Empirische Befunde zu F&E-basiertem Wachstum

PKE PMT SECYT

2 Technischer Fortschritt, Innovation und Wissen als Quellen des Wachstums

2.2 Innovation durch F&E als Quelle endogenen Wachstums

2.2.4.4 Empirische Befunde zu F&E-basiertem Wachstum

Der von den F&E-basierten EWM modellierte Wachstumsprozess erscheint plausibel, bedarf aber der empirischen Bestätigung. Die F&E-basierte EWM unterstellt einen linearen Wirkungszusammenhang zwischen F&E und Wachs-tum, der als Ansatzpunkt für ihre empirische Überprüfung dienen kann:

Grafik 2.2.4.1: Die lineare Wirkungskette von der F&E zum Wachstum in derEWT

~-F_&_E_~H

Patenre

l~-a

Quelle: eigene Darstellung

Allerdings ist jedes Verbindungsstück in dieser Kette mit erheblichen Proble-men für eine empirische Untersuchung des ZusamProble-menhangs zwischen den F&E-Anstrengungen und dem Wachstum eines Landes verbunden.1 So ist ein großer Teil der F&E nicht formeller, sondern informeller Natur, und die Ent-scheidung über formelle oder informelle F&E wird u.a. von steuerlichen Anrei-zen bestimmt. Beim Patentierungsverhalten gibt es ebenfalls Probleme: Auch informelle F&E (oder der Zufall) wird zu Patenten führen, während formelle F&E häufig zu Erkenntnissen führt, bei denen z.B. Geheimhaltung bevorzugt wird. Der Zusammenhang zwischen den Patenten und der TFP wird ebenfalls nicht annähernd linear sein. Wie bereits in Abschnitt 2.1 angesprochen, wirken auf die TFP auch andere Einflussgrößen als die Zahl der Patente. Andererseits erhöhen Innovationen (und damit Patente) auch direkt die Kapitalakkumulation, so dass ihr Gesamteffekt auf das Wachstum möglicherweise unterschätzt wird.

Schließlich schlagen sich viele Innovationen überhaupt nicht messbar im Out-put einer Wirtschaft nieder. In der Summe können all diese Probleme in einem äußerst schwachen Gesamtzusammenhang zwischen den Ausgaben für F&E, der Innovationsrate und dem Wachstum eines Landes resultieren.

1 Für einen Überblick über die Probleme bei und die empirischen Befunde zu den Beziehun-gen zwischen den ersten drei Größen vgl. Griliches ( 1994 ).

F&E-BASIERTE W ACHSTUMSMODELLE 61 Neben der Überprüfung des direkten „linearen" Zusammenhang zwischen F&E und Wachstum (oder F&E und PKE) kann sich eine empirische Untersuchung auch auf „indirekte" Indizien der EWT beziehen: die Existenz internationaler TFP-Differenzen oder die Entwicklungstendenz in der Welteinkommensvertei-lung.

Zunächst soll ein kurzer Blick auf die direkte Beziehung zwischen dem PKE bzw. der PKE-Wachstumsrate und dem Anteil der F&E-Ausgaben am BIP eines Landes geworfen werden (Grafiken 2.2.4.2 und 2.2.4.3, nächste Seiten). Bereits der Augenschein macht deutlich, dass das Niveau der PKE (PCIL) in einem deutlich positiven Zusammenhang zum Anteil der Ausgaben für F&E am BIP (RD) zu stehen scheint, während der Zusammenhang für die Wachstumsrate (PCIG) dagegen nur sehr schwach ist.1

Grafik 2.2.4.2: F&E-Investitionen und PKE2

PCILvs. RD

50000 ~ - - - ~

40000

30000

,-l

2

20000

10000

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....

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0 .•.. : .. .

0 100

Quelle: Weltbank (2001).

..

200 300 400

RD

1 Die Angaben für den Anteil der F&E-Ausgaben am BIP beziehen sich auf 1995, die für die PKE auf das Jahr 1990 und die für das PKE-Wachstum auf den Durchschnitt der Jahre 1985 bis 1995.

2 In der Grafik steht PCIL für das PKE in US-$ und RD für den Anteil der gesamten Ausga-ben eines Landes für F&E am BIP multipliziert mit Hundert.

Grafik 2.2.4.3: F&E-Investitionen und Wachstum des PKE1 PCIGvs. RD

1000 -,---,

500

·, 0

-500 - ; - - - r - - - , - - - - " - T ' " - - - - f

0 100 200

RD Quelle: Weltbank (2001).

300 400

Was haben ökonometrische Untersuchungen zu den Hypothesen der F&E-basierten EWT herausgefunden? In Anlehnung an die Untersuchung von Man-kiw, Romer und Weil hat Lichtenberg auf der Grundlage des Solow-Modells eine Länderquerschnittsuntersuchung für 57 Staaten zum Zusammenhang von F&E-Investitionen und PKE-Differenzen durchgeführt.2 Er berechnet für jedes Land auf der Basis von UNESCO-Daten einen F&E-Kapitalstock nach der permanent inventory-Methode. Unter Berücksichtigung der Sach-und

Human-kapitalakkumulation findet er einen eigenständigen positiven Beitrag der Wis-sensakkumulation durch F&E auf das Niveau des PKE und auf seine Wachs-tumsrate. Dieser Beitrag ist für private F&E-Ausgaben höher als für staatliche F&E-Ausgaben.

Birdsall und Rhee haben die Untersuchung von Lichtenberg dahingehend modifiziert, dass sie - ebenfalls auf der Basis von UNESCO-Daten -

untersu-1 In der Grafik steht PCIG für das Wachstum des PKE in Prozent mal Hundert und RD für den Anteil der gesamten Ausgaben eines Landes für F&E am BIP multipliziert mit Hundert.

2 Vgl. Lichtenberg (1992). Sein Ansatz stellt keinen direkten Test der EWT dar, gibt aber Anhaltspunkte für die Beziehung zwischen Forschung und Wohlstand von Gesellschaften.

F&E-BASIERTE W ACHSTUMSMODELLE 63 chen, ob sich das Wachstum des BIP durch das Wachstum der Anzahl der Forscher (absolut und pro Kopf der Bevölkerung) oder das Wachstum der F&E-Ausgaben erklären lässt.' Anhand ihrer Länderquerschnittsuntersuchung kom-men sie zu dem Ergebnis, dass zwar für die OECD-Staaten ein positiver Zu-sammenhang zwischen der Zunahme der Zahl der Forscher bzw. der F&E-Ausgaben und dem Wachstum gefunden werden kann, allerdings nicht für ein größeres Sample unter Einbeziehung von Entwicklungsländern. In einem weite-ren Analyseschritt fühweite-ren sie hohe F&E-Ausgaben-Anteile am BIP eher auf hohe PKE zurück als umgekehrt.

Jones hat im Rahmen einer Zeitreihenanalyse untersucht, ob der Wachstums-pfad der USA den Hypothesen aus der F&E-basierten EWT entspricht. Er kommt aufgrund der Beobachtung, dass der Forschungssektor der USA in der Nachkriegszeit deutlich gewachsen ist, während ihre Wachstumsrate nahezu konstant blieb, zu dem Ergebnis, dass EWM mit ihrer linearen Wissensproduk-tionsfunktion nicht den Wachstumspfad der USA erklären können.2

Ein indirekter Ansatz zur Erfassung des Wissensstandes eines Landes unter-sucht die Existenz, das Ausmaß und die Entwicklung internationaler TFP-Differenzen. Länderquerschnitts- Panel- und growth accounting-Studien finden international erhebliche Unterschiede sowohl in Niveaus als auch in TFP-Veränderungsraten.3 Über die konkreten Ursachen der TFP-Differenzen machen die Untersuchungen keine Aussagen. Es ist erneut zu bedenken, dass die TFP-Differenzen auch andere als nur technologische Ursachen haben können. Auch die absolute Divergenz der PKE, die in neueren Studien zur weltweiten Ein-kommensverteilung hervorgehoben wird, kann mit Vorsicht als ein Indiz zu-gunsten der F&E-basierten EWM interpretiert werden, da er auf geografisch begrenzte Spillovereffekte hinweist.4 Ein geografisch begrenzter Spillover-Mechanismus kann in international unterschiedlichen Raten der Wissensakku-mulation durch F&E begründet liegen, allerdings können auch andere Aspekte ursächlich sein (z.B. learning by doing, institutionelle Unterschiede oder peku-niäre Externalitäten aufgrund von Transaktionskosten).

1 Vgl. Birdsall/Rhee (1993).

2 Vgl. Jones ( 1995b ). Diese Beobachtung von Jones führte zur Entwicklung der semiendoge-nen Wachstumstheorie (s. Abschnitt 2.2.4.4). Die Beobachtung von Jones reiht sich andere Untersuchungen ein, die weltweit eine im Zeitablauf beschleunigte Akkumulation von Pro-duktionsfaktoren (und der Verbesserung der Rahmenbedingungen) beobachten, während die Wachstumsraten zurückgegangen sind. Vgl. Easterly (2002).

3 Derartige internationale TFP-Differenzen sind der Befund nahezu aller Länderquerschnitts-und pane/-Wachstumsuntersuchungen. Vgl. Fagerberg (1994), Jones/Hall (1999) oder Eastery/Levine (2001 ).

4 Diese absolute Divergenz scheint mit der Bildung einer zweigipfligen Welteinkommenver-teiung mit einem Nullwachstumspol und ein Wachstumspol einher zu gehen. Vgl. Quah (1993).

Untersuchungen zu den asiatischen „Tiger"-Ökonomien zeigen, dass ihr Wachs-tumsprozess von einem Anstieg der Ausgaben für F&E begleitet worden ist.

Allerdings scheint das Wachstum der Ausweitung des Forschungssektors zeit-lich voranzulaufen. Heute finden sich diese Länder hinsichtzeit-lich ihrer F&E-Ausgaben/BIP in der weltweiten Spitzengruppe.

Schließlich weisen mikroökonomische Untersuchungen auf Unternehmens-oder Industrieebene auf hohe private und soziale Ertragsraten der privaten F&E-Ausgaben hin. Griliches stellte fest, dass die Ertragsraten um so höher lagen, je aggregierter das Untersuchungsniveau war. Dies kann als ein weiteres Indiz für positive externe Effekte privater F&E interpretiert werden.'

Wie kann es zu dieser insgesamt wenig überzeugenden Bilanz empirischer Untersuchungen zur F&E-basierten endogenen Wachstumstheorie kommen?

Ein mögliches Argument für die geringe empirische Evidenz F&E-basierter Wachstumsprozesse liegt in der Vernachlässigung internationaler Wissensspill-over. Hierauf wird im Abschnitt 2.3 ausführlich eingegangen. Und auch der inländische Wissensdiffusionsprozess und seine Determinanten werden in der EWT im Vergleich zum Wissensproduktionsprozess vernachlässigt.

Darüber hinaus ist die Messung von Innovationsoutputs in der postindustriellen Dienstleistungsökonomie problematisch, da sich die Qualität vieler Dienst-leistungen, aber auch von Produkten wie z. B. Pharmazeutika, nur schwer im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen erfassen lässt.2

Auf der anderen Seite scheinen direkte Länderquerschnittsuntersuchungen zur F&E-basierten EWT für Samples unter Einbeziehung von Entwicklungsländern insofern wenig vielversprechend zu sein, als das die absoluten und die privaten F&E-Ausgaben der meisten Entwicklungsländer nur sehr gering sind und ihre Messung nicht nach einheitlichen Standards erfolgt. Die Erfassung von Investi-tionen in Wissen bereitet zudem gerade in Entwicklungsländern erhebliche Schwierigkeiten, da dort viele derartige Aktivitäten informell ablaufen.

Darüber hinaus ist denkbar, das Länder im Entwicklungsprozess unterschiedli-che Wachstumsstadien durchlaufen, in denen naunterschiedli-cheinander verschiedene Ak-kumulationsprozesse dominieren. In diesen Fall wäre formelle F&E erst ab einem bestimmten Entwicklungsstand für einen endogenen Wachstumsprozess von Bedeutung sein, und gerade Schwellenländer müssten mit der Einleitung einer wissensbasierten Wachstumsstrategie beginnen und ihre Rahmenbedin-gungen dementsprechend anpassen.3

1 Für einen Überblick vgl. Griliches (1998).

2 Zur Diskussion über die Messung von Wissen und endogenem Wachstum vgl. Griliches (1994) und Aghion/Howitt (1998) Kapitel 12.

3 Zur Taxonomie von Wachstumspfaden vgl. Sachs (2000). Für EWM mit Wachstumsphasen vgl. z.B. Sörensen ( 1999) oder Chui/Levine/Pearlman (2001 ):

F&E-BASIERTE W ACHSTUMSMODELLE 65 Ein letztes mögliches Argument ist das Auftreten positiver und negativer exo-gener Schocks und aus ihnen resultierende Anpassungsprozesse, die F&E-basierte endogene Wachstumsprozesse immer wieder stören und die empirisch beobachtbaren Trends dominieren. Auf die geringe Persistenz von Wachstums-raten gerade in Entwicklungsländern wurde bereits in Abschnitt 2.1 hingewie-sen.

2.2.4.S Wissensakkumulation als Quelle des Wachstum - einige

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