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Die Situation der Schwellenländer in der Neoklassik

PKE PMT SECYT

2 Technischer Fortschritt, Innovation und Wissen als Quellen des Wachstums

2.1 Quellen des Wachstums in nicht-F&E-basierten Wachstumsmodellen .1 Einführung .1 Einführung

2.1.2 Die neoklassische Wachstumstheorie .1 Aufbau und Ergebnisse .1 Aufbau und Ergebnisse

2.1.2.2 Die Situation der Schwellenländer in der Neoklassik

Die spezielle Situation der SL als Länder mit relativ geringen PKE lässt sich aus Sicht der neoklassischen Wachstumstheorie entweder als ein Ungleichgewichts-zustand (z.B. nach einem exogenen Schock) oder als ein GleichgewichtsUngleichgewichts-zustand mit relativ geringer Sparquote, relativ geringer Bildungsinvestition und/oder relativ hoher Bevölkerungswachstumsrate interpretieren.

Im ersten Fall müsste nach jedem Schock ein asymptotischer catch up-Prozess zu beobachten sein, wie er im Rahmen der Annäherung an den steady state be-reits skizziert wurde. Die ärmsten SL würden besonders schnell wachsen, mit zunehmendem PKE würde ihre Wachstumsrate abnehmen. Dieser Wachstums-prozess würde sich als Automatismus einstellen. Seine treibende Kraft wäre die Kapital- und/oder Humankapitalakkumulation.

Im zweiten Fall würde die Wachstumsrate der SL der weltweiten Wachstums-rate entsprechen. Um zu den IL aufzuschließen, müssten die Einwohner der SL ihre Sparneigung oder ihre Investitionen in Bildung erhöhen. In diesem Fall würde erneut ein asymptotischer catch up-Prozess einsetzten. Die neoklassische Wachstumstheorie lässt die Ursachen der geringeren Parameterwerte in SL un-erklärt, und mögliche feedback-Effekte geringer PKE auf die Faktorakkumula-tionsraten bleiben unberücksichtigt. Darüber hinaus wird von internationalen Unterschieden in der Technologie oder in den institutionellen Rahmenbe-dingungen gänzlich abstrahiert.

In beiden Fällen wachsen die SL langfristig schneller oder zumindest gleich schnell wie die IL. Armutsfallen, in denen SL dauerhaft gar nicht oder zumin-dest weniger als die IL wachsen, können im Rahmen des neoklassischen Wachs-tumsmodells nicht erklärt werden.

Ein Ansatzpunkt zur Einleitung bzw. Beschleunigung des catch up-Prozesses der SL ist in der neoklassischen Wachstumstheorie seine Weltmarktintegration.

Zwar schließt die Existenz nur eines Produktes im neoklassischen Modell eine isolierte Analyse der Wirkungen des internationalen Güterhandels aus. Durch eine gleichzeitige Öffnung von Güter- und Faktormärkten zwischen unterschied-lichen Ländern kann dagegen ein höherer Wachstumspfad des SL erreicht wer-den. Die größere relative Kapitalknappheit und der damit verbundene höhere Grenzertrag des Faktors Kapital im SL macht intertemporalen Handel durch Kapitalexporte aus dem IL in das SL profitabel. Diese können in Form von Ei-genkapital (z.B. FDI) oder Fremdkapital (Kredite) erfolgen und sind mit

Kapi-NICHT-f&E-BASIERTE WACHSTUMSMODELLE 15 talrückflüssen (ausgeschüttete Gewinne, Zinsen, Tilgung) in der Zukunft ver-bunden. Der Fluss von Kapital führt zu einer beschleunigten Angleichung der Faktorpreise und der Pro-Kopf-Produktion zwischen IL und SL. Das Konsumni-veau im IL liegt aber dauerhaft über dem im SL.1

2.1.2.3 Empirische Untersuchungen auf der Grundlage der Neoklassik Die Überprüfung des neoklassischen Modells erfolgte primär auf der Basis sei-ner Hypothesen über internationale PKE- und Wachstumsratendifferenzen.2 Im Solow-Modell werden internationale PKE-Differenzen durch unterschiedliche exogene Wachstumsparameter erklärt. Länder mit hohen Akkumulationsraten und geringem Bevölkerungswachstum sollten im Gleichgewicht ein höheres PKE aufweisen als andere.

Die Implikationen der Anpassungsprozesse des Solow-Modells haben darüber hinaus zur empirischen Untersuchung internationaler Wachstumsratendifferen-zen auf Basis der Konvergenzhypothese geführt. Bei identischen exogenen Pa-rametern (s, n, ö, g) für alle Länder würden auf dem Anpassungspfad aufgrund der größeren relativen Kapitalknappheit Länder mit einem geringen PKE schnel-ler wachsen als Länder, die sich dichter an ihrem steady state befinden.3 Unter-schiedliche exogene Parameter führen dagegen zu individuellen PKE-Niveaus im steady state. Nähern sich Volkswirtschaften an ihren individuellen steady state an, der von der individuellen Konstellation der exogenen Parameter be-dingt wird, so nennt man diesen Prozess bedingte Konvergenz. Das PKE in der Ausgangslage und die individuellen exogenen Parameter bestimmen gemeinsam die Wachstumsrate eines Landes. Und da sich die exogenen Parameter unter-scheiden können, kann es im Fall der bedingten Konvergenz dazu kommen, dass ein relativ reiches IL schneller wächst als ein relativ armes SL, da es trotz höhe-rem PKE noch weiter von seinem steady state entfernt ist.4

Die ersten Länderquerschnittsuntersuchungen zur Erklärung internationaler PKE- und Wachstumsratendifferenzen auf Basis des neoklassischen Modells kamen weitgehend zu positiven Befunden. Nach der Erweiterung um Human-kapital lieferte das erweiterte Solow-Modell eine gute Erklärung für internatio-nale PKE-Differenzen.5 Zudem trug das Anfangs-PKE in den Untersuchungen signifikant zur Bestimmung von Wachstumsratendifferenzen bei.6 Zwar musste die Annahme absoluter Konvergenz verworfen werden, aber es konnten

beding-1 Vgl. Frenkel/Hemmer (1999), S. I SSff.

2 Auch Untersuchungen zu internationalen Faktorbewegungen wurden zur Überprüfung des Solow-Models herangezogen. Sie zeigen, dass diese nicht den Vorhersagen der Neoklassik entsprechen. Kapital und Humankapital wandern entgegen den Knappheitsverhältnissen eher von den SL in die IL als umgekehrt. Vgl. Lucas (1990).

3 Der empirische Befund lautet absolute Konvergenz.

4 Im Fall der bedingten Konvergenz konvergieren die Wachstumsraten.

Vgl. Mankiw/Romer/Weil ( 1992).

6 Vgl. Barro (1991), Barro/Sala-i-Martin (1995).

te Konvergenzprozesse festgestellt werden. SL wuchsen, unter Berücksichtigung ihrer z. T. geringeren Faktorakkumulationsraten, schneller als die IL.

Mit zunehmender Verfeinerung der Methode und längeren Beobachtungszeit-räumen kam es allerdings zu einer gewissen Relativierung der Ergebnisse. Nur wenige Wachstumsparameter (darunter die Investitionsquote) erwiesen sich tatsächlich als robust, und die ad hoc-Berücksichtigung zahlreicher bedingender Parameter verwässerte die Aussagen der Untersuchungen zur Konvergenz.1 Auch die Annahme einer weltweit gleichen Technologie erwies sich als nicht haltbar. Und statt bedingter Konvergenz rückten die absolute Divergenz der PKE sowie die geringe Persistenz von Wachstumsraten in den Blickpunkt der empirischen Wachstumsforschung.2

Gerade die Wachstums-Performance der SL ist alles andere als homogen, von einer Allgemeingültigkeit der Neoklassik kann vor dem Hintergrund der vielen verschiedenen Erfahrungen nicht gesprochen werden. Einige Staaten - das pro-minenteste Beispiel sind die „Tigerstaaten" Südost-Asiens - scheinen tatsächlich einen catch up-Prozess zu durchlaufen. Seine fundamentalen Ursachen (hohe Erspamisbildung, Humankapitalakkumulation oder technischer Fortschritt) sind aber weiterhin umstritten.) Andere Staaten - insbesondere im Afrika südlich der Sahara - wachsen dagegen sogar langsamer als der Durchschnitt aller Staaten.

Und auch im Zeitablauf schwanken die Wachstumsraten deutlich: ehedem er-folgreiche Staaten können Wachstumskatastrophen erleben.4 Pritchett hat eine anschauliche Taxonomie unterschiedlicher Wachstumserfahrungen zusammen-gestellt.5 Ein allgemeingültiges Wachstumsmodell müsste alle diese Erfahrungen von SL erklären können, das neoklassische Model leistet dies nicht.

Bereits vor der relativ neuen Welle von Länderquerschnittsuntersuchungen wur-den auf der Basis des neoklassischen Modells empirische Untersuchungen der Wachstumsbeiträge der einzelnen Produktionsfaktoren durchgeführt. Solow führte hierzu die Methode des growth accounting ein.6 In diesem Ansatz werden die Zuwächse des BIP in die Beiträge der Zuwächse der Produktionsfaktoren zerlegt. Werden die Wachstumsbeiträge aller messbaren quantitativen und quali-tativen Veränderungen der Faktorbestände - unter Berücksichtigung ihrerfactor shares - vom Gesamtoutputwachstum abgezogen, so ergibt sich das sogenannte Solow-Residual. Es wird auch als Totale Faktorproduktivität (TFP) bezeichnet und als Maß des (nicht direkt messbaren) technischen Fortschritts interpretiert.

1 Vgl. Barro/Sala-i-Martin ( 1995), Sala-i-Martin (1997) und zur Kritik an Länderquer-schnittsregressionen Kenny/Williams (2001 ).

2 Vgl. Pritchett (1997), Easterly/Levine (2001). Auf die Probleme von Untersuchungen zur Persistenz von Wachstumsraten wurde bereits im Kontext der Situation der SL in der Neo-klassik eingegangen.

3 Zur Kontroverse siehe u.a. die Aufsätze von Young ( 1995) und Nelson/Pack ( 1997).

4 Vgl. Easterly et al. (1993).

5 Vgl. Pritchett (2000).

6 Vgl. Solow (1957).

NICHT-F&E-BASIERTE WACHSTUMSMODELLE 17 In den ersten Studien war der Beitrag der TFP zum Wachstum außerordentlich hoch, aber durch zunehmende Verfeinerungen des growth accounting konnte das Residual immer weiter reduziert werden.' Die meisten neueren Untersu-chungen zeigen aber, dass die TFP weiterhin einen wichtigen Beitrag zum Wachstum und zu internationalen PKE-Differenzen leistet.2

Allerdings weisen growth accounting-Studien erhebliche Probleme auf. Da die growth accounting-Studien Hicks-neutralen technischen Fortschritt implizieren, vernachlässigen sie mögliche Effekte des technischen Fortschritts auf die Rate der Kapitalakkumulation, und die Bedeutung der Kapitalakkumulation für das Wachstum wird überschätzt. Auch die Interpretation des TFP-Anstiegs als

„technischer Fortschritt" ist problematisch, da die TFP eher ein Maß für alle nicht näher spezifizierten Größen ist.3 Aber trotz der Kritik stellt das growth accounting auch heute noch den dominierenden Ansatz zur Messung des techni-schen Fortschritts bzw. des technitechni-schen Niveaus eines Landes dar.

Aufgrund der Erklärungsdefizite der Neoklassik (Rolle des technischen Fort-schritt, Beitrag und Erklärung der TFP, internationale Faktorbewegungen, keine Einflussmöglichkeiten der Wirtschaftspolitik) und theoretischer Fortschritte entstand in den 80er Jahren eine neue Klasse von Wachstumsmodellen, die so-genannten endogenen Wachstumsmodelle.4

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