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Elutionsversuche unter kinetisch kontrollierten Laborbedingungen

Schadstoffe im Labor unter bestimmten Bedingungen wäre mit drei verschiedenen Verfahren möglich gewesen.

Der statische Schüttel- oder Rührtest (Batch-Versuch) zählt zu den am häufigsten verwendeten Auslaugtests für anorganische und organische Schadstoffe (Cornelissen et al., 1999). Allerdings beinhaltet diese Methode einige Nachteile, wie z.B. das Auftreten von Scherkräften, die vor allem für ein unverhältnismäßiges Ansteigen der Schadstoff-Desorption verantwortlich sind. Bei einer weiteren Methode wird dem Boden / Wasser-System ein polymeres Adsorbens (z.B. Tenax®, XAD-Harze) als eine dritte Phase zugesetzt (Carroll et al., 1994; Cornelissen et al., 1997 und 1999; van Noort et al., 2003).

Durch die Messung des Übergangs eines Schadstoffes von der Boden / Wasser-Mischung zum Adsorbens ermöglicht dieses Verfahren eine recht gute Abschätzung von Freisetzungsraten und der Extrahierbarkeit der Schadstoffe. Allerdings sind auch hierbei die gleichen Nachteile wie bei Verwendung der Batch-Versuche zu beobachten, wenn diese Methode als statischer Test durchgeführt wird. Des Weiteren besteht die Möglichkeit einer Überbestimmung der Desorbierbarkeit der Schadstoffe, wenn der Übergang des Analyten vom Boden zum Sorbens direkt stattfindet.

Eine bessere Methode zur Abschätzung von Freisetzungsraten organischer Stoffe stellen daher dynamische Säulentests dar. Nicht nur das Fehlen von Scherkräften zählt zu den Vorteilen dieser Methode gegenüber statischen Verfahren, sondern z.B. auch eine unproblematische Phasentrennung. Weiterhin sind dynamische Säulentests realen Feldbedingungen ähnlicher als Batch-Versuche (Jackson et al., 1984). Allerdings wurden bisher meist Verfahren für anorganische Schadstoffe übernommen und für die Elution organischer Schadstoffe entsprechend modifiziert, da standardisierte Verfahren für organische Schadstoffe bisher nicht verfügbar sind. Die häufig verwendete und vom Deutschen Institut für Normung (DIN) vorgeschlagene Methode DIN V 19736 beinhaltet die Verwendung aufrechtstehender Bodensäulen, durch die das Elutionsmittel mit konstanter Geschwindigkeit gepumpt wird. Allerdings werden hierbei die Eluate ungefiltert in Gefäßen gesammelt, die ein organisches Lösungsmittel enthalten.

Für die vorliegende Arbeit war vor allem von Bedeutung, dass bei den Elutionsversuchen keine Sättigung der Wasserphase mit den Schadstoffen auftritt, um den Einfluss der verschiedenen Faktoren auf die Mobilisierbarkeit organischer Stoffe beobachten zu können. Wie bereits erwähnt, hatten Wehrer und Totsche (2003) bemerkt, dass die Durchführung von Säulenexperimenten unter Gleichgewichtsbedingungen trotz unterschiedlicher Einflussfaktoren zu gleichen Ergebnissen und somit Equifinalität führen kann und daher kinetisch-kontrollierte Versuchsbedingungen notwendig sind. Diese Bedingungen können durch Flussunterbrechungsexperimente überprüft und gegebenenfalls durch Verändern der Flussrate eingestellt werden (Brusseau et al., 1997;

Wehrer und Totsche, 2003). Die Konzentration der gelösten Stoffe im Eluat ist daher nicht vorrangig abhängig von ihrer Löslichkeit, sondern z.B. ihrer Diffusionsfähigkeit durch die

Poren der Bodenstruktur. Faktoren, die einen Einfluss auf diese Struktur haben, sollten demnach eine Verringerung oder Beschleunigung der Freisetzungsrate zur Folge haben und somit einen starken Einfluss auf die Mobilisierbarkeit dieser Stoffe.

In einem ersten Versuch konnte mithilfe der Flussunterbrechung gezeigt werden, dass der Versuchsaufbau eine kinetisch-kontrollierte Freisetzung sowohl des gesamten organischen Materials als auch der einzelnen ausgewählten Schadstoffgruppen ermöglicht. Diese Beobachtungen stehen im Gegensatz zu den von Wehrer et al. (2003) ermittelten Ergebnissen, die für die PAK keine ratenlimitierte Freisetzung ableiten konnten und somit einen löslichkeitslimitierten Verteilungsprozess für diese Schadstoffgruppe zugrunde legten.

Auch Enell et al. (2004) vermuteten, dass die gleichmäßig beobachteten Freisetzungsraten der von ihnen untersuchten PAK auf der Einstellung von Verteilungsgleichgewichten beruhten, d.h. höhere Freisetzungsraten der PAK nicht beobachtet werden könnten. Die von Reemtsma und Mehrtens (1997) vorgeschlagenen kurzen Elutionssäulen zur Vermeidung von Chromatographieeffekten wären daher auch nicht nötig, weil die Stoffkonzentrationen im Wasser bereits maximale Werte erreicht hätten. Die von ihnen ermittelte Kontaktzeit des Eluenten mit dem Boden betrug allerdings etwa 30 min, was für eine Gleichgewichts-Einstellung des Systems vermutlich zu kurz ist.

Auch die in der vorliegenden Arbeit ermittelte Kontaktzeit von ca. 190 min (Kapitel 11.1) bei ähnlichem Versuchsaufbau deutet daraufhin, dass Enell et al. (2004) ebenfalls eher ratenlimitiert als löslichkeitslimitiert gearbeitet haben und maximale Werte der PAK im Eluat noch nicht erreicht wurden. Die Unklarheit über die Art der Versuchsbedingungen birgt somit auch ein hohes Fehlerpotential bei der Bewertung eines Schadstoffs. Um das Ausmaß der Gefährdung richtig einschätzen und die Ergebnisse entsprechend interpretieren zu können, sollten Elutionsversuche daher zunächst immer auf die Art der Desorption hin untersucht werden (Wehrer und Totsche, 2003).

Die Polarität der Stoffe kann dabei eine große Rolle spielen, vor allem, wenn mehrere Schadstoffgruppen mit stark unterschiedlicher Polarität untersucht werden. Während die Versuchbedingungen für hydrophile Stoffe aufgrund der höheren Wasserlöslichkeit noch deutlich kinetisch-kontrolliert sind, können die Freisetzungsraten hydrophober Stoffe möglicherweise bereits auf der Einstellung des Verteilungsgleichgewichtes beruhen (Wehrer und Totsche, 2003). Die für die vorliegende Arbeit ausgewählten hydrophoben organischen Schadstoffe deckten einen relativ engen Polaritätsbereich ab (log KOW 4,4–

7,0), so dass die Versuchsbedingungen für alle Stoffgruppen geeignet waren, um Einflussfaktoren auf die Freisetzungsraten zu beobachten. Wie in Tab. 36 gezeigt ist, wurden außerdem bei allen Versuchen Schadstoffkonzentrationen in den Eluaten gemessen, die deutlich unterhalb der maximalen Wasserlöslichkeit der Substanzen lagen.

Für die OH-PCB wurden keine Angaben über Wasserlöslichkeiten gefunden, es kann aber davon ausgegangen werden, dass aufgrund der log KOW-Werte und der OH-Gruppe die Löslichkeiten höher als die der PCB-Muttersubstanzen sind und somit in den Eluaten keinesfalls maximal mögliche Konzentrationen erreicht wurden. Daher kann zusätzlich ausgeschlossen werden, dass sich während der Versuche ein Verteilungsgleichgewicht einstellen konnte.

Schadstoffgruppe Log KOW Wasserlöslichkeit [µg/L]

Cmax

in den Eluaten [µg/L]

DiCl-BP 5,0 1000 – 2100 0,04 TriCl-BP 5,7 100 – 400 0,12 TetraCl-BP 6,3 17 – 200 0,07

PentaCl-BP 7,0 4 – 30 0,04

DiCl-OHBP 4,6 k.A. 0,07

TriCl-OHBP 5,2 k.A. 0,05

TetraCl-OHBP 5,9 k.A. 0,09

PAK 1 4,4 70 - 1290 0,23

PAK 2 4,9 140 - 260 0,06

Tab. 36: Vergleich der Wasserlöslichkeiten der einzelnen Schadstoffgruppen ( nach Harberer et al., 1996; Wang et al., 2003; Martinez et al., 2004) mit den höchsten in den Eluaten gefundenen Konzentrationen (Cmax). Die Werte beziehen sich jeweils auf eine Einzelsubstanz. (k.A. – keine Angaben gefunden).

Der Nachteil dynamischer Säulentests im Vergleich zu statischen Methoden liegt vor allem in der relativ schlechten Reproduzierbarkeit (= hohe Standardabweichung) der Ergebnisse (Jackson et al., 1984). Das analytische Leistungskriterium validierter Methoden nach DIN EN ISO/IEC 17025 (2005) sieht eine Varianz von < 15 % für die Reproduzierbarkeit vor. Mit dem verwendeten Elutionsaufbau schwankten die Werte allerdings zwischen 3 - 20 % für die Messungen des gesamten organischen Materials (SAK254 nm) und zwischen 4 – 36 % für die der einzelnen Schadstoffgruppen, so dass das Leistungskriterium nicht immer eingehalten werden konnte. Dies liegt vor allem in der Inhomogenität des Bodenmaterials begründet, das zum Teil Agglomerate bis zu einem Durchmesser von 2 cm mit vermutlich deutlich höheren Schadstoffanteilen enthielt. Der Boden wurde zwar durch Mischen homogenisiert und die Agglomerate weitestgehend beim Sieben entfernt, dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Verteilung der organischen Stoffe im Rieselfeldboden inhomogen war und dies somit ungleichmäßige Gehalte in den Säulen verursachte. Auch analytische Unsicherheiten durch die Vielzahl der Aufarbeitungsschritte können zu den beobachteten Schwankungen

der Varianz beigetragen haben. Weiterhin kann es zur Ausbildung von Kanälen im Boden und Chromatographieeffekten während der Elution kommen, so dass freigesetzte hydrophobe organische Schadstoffe wieder re-adsorbiert werden können und die gemessenen Freisetzungsraten dadurch stark variieren. Diese Probleme wurden allerdings durch die Verwendung kurzer Säulen beseitigt, wie sie bereits von Reemtsma und Mehrtens (1997) vorgeschlagen wurden.

Trotz der mäßigen Reproduzierbarkeit konnte gezeigt werden, dass der verwendete Versuchsaufbau geeignet war, verschiedene Einflüsse auf die Mobilisierbarkeit organischer Stoffe im Boden sichtbar zu machen. Vor allem die statistische Auswertung der Ergebnisse erlaubte eindeutige Aussagen zu signifikanten Veränderungen und bot auch bei wenig Wiederholungen genügend Sicherheit, um die Nullhypothese nicht fälschlicherweise abzulehnen. Allerdings muss auch davon ausgegangen werden, dass einige signifikante Unterschiede dadurch übersehen wurden.

19.3 Der Einfluss von Salzen auf das Freisetzungsverhalten organischer