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Elektrophysiologische Korrelate der Fehlerverarbeitung

2 Die Erforschung menschlicher Handlungsfehler

2.2. Elektrophysiologische Korrelate der Fehlerverarbeitung

Auf der Ebene hirnelektrischer Prozesse begann die Fehlerforschung Anfang der neunziger Fuß zu fassen. Zwei unabhängige Forschergruppen (Falkenstein et al., 1990; Gehring et al., 1993) entdeckten Anfang der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts eine Negativierung im menschlichen Elektroenzephalogramm (EEG; Amplitude bis zu 15µV (Gehring et al., 1993)), die 50-100 ms nach einer fehlerhaften Antwort in einer Wahlreaktionsaufgabe (im Sinne Reasons (1990) handelt es sich hierbei um einen "slip"; eine ERN nach einem

"mistake" ist hingegen nicht zu beobachten (Tucker, Liotti, Potts, Russell & Posner, 1993/1994)) ihr Maximum erreicht und eine frontozentrale Verteilung aufweist. Der Be-ginn der Entwicklung dieses Potentials liegt jedoch schon kurz nach dem Einsetzen der elektromyographischen Aktivität die zu der fehlerhaften Handlung führt. Sie nannten die-ses ereigniskorrelierte Potential "error related negativity" (ERN; Gehring et al., 1993) bzw.

"error negativity" (Ne; Falkenstein et al., 1990; im weitern Verlauf der vorliegenden Arbeit wird aus Gründen der Übersichtlichkeit die Bezeichnung ERN verwendet). Gefolgt wird diese Negativierung von einem positiven Potential, welches ein eher parietales Maximum aufweist und in einem Zeitfenster von 200-500 ms nach dem inkorrekten Tastendruck zu beobachten ist. Gemeinhin wird dieses Potential als "error positivity" (Pe, Falkenstein et al., 1990) bezeichnet.

Die ERN tritt nicht nur nach einem vollständig ausgeführten Fehler auf, sondern auch nach einer nur teilweisen Aktivierung der fehlererzeugenden Muskulatur, auch wenn diese Ak-tivierung nicht die für eine Reaktion erforderliche Stärke erreicht (sogenannte "partial-errors"); die Pe hingegen ist nur nach vollständig ausgeführten Fehlern zu beobachten (Vi-dal, Hasbroucq, Grapperon & Bonnet, 2000).

Die ERN lässt sich in den verschiedensten Antwortmodalitäten beobachten. So konnte sie für fehlerhafte Fußbewegungen (Holroyd, Dien & Coles, 1998), fehlerhafte vokale Aktivi-tät (Masaki, Tanaka, Takasawa & Yamazaki, 2001) und Augenbewegungen (Nieuwenhuis, Ridderinkhof, Blom, Band & Kok, 2001; Van`t Ent & Apkarian, 1999) sowie fehlerhafte Handbewegungen gezeigt werden. Bedeutsam ist auch die Beobachtung, dass eine ERN durch Feedback (unabhängig von der Modalität der Feedbackpräsentation – auditorisch, visuell oder somatosensorisch), welches die inkorrekte Ausführung einer Aufgabe signali-siert, ausgelöst werden kann (Miltner, Braun & Coles, 1997). In Experimenten hingegen, wo den Versuchsteilnehmern nicht genug Information zur Detektion eines Fehlers zur Ver-fügung stand, konnte eine ERN nur im Zusammenhang mit informativem Performanzfeed-back gezeigt werden (Scheffers & Coles, 2000; Coles, Scheffers & Holroyd, 2001; Hol-royd & Coles, 2002). Die ERN ist sowohl bei Fehlern in der Antwortauswahl als auch bei solchen der Antwortinhibition zu beobachten (Scheffers, Coles, Bernstein, Gehring &

Donchin, 1996) und bei verspäteten Antworten, wenn die Geschwindigkeit der Antwort betont wird (Luu, Flaisch & Tucker, 2000).

Die Amplitude und Latenz der ERN kann durch verschiedenste experimentelle Manipula-tionen beeinflusst werden. So fanden sich VariaManipula-tionen aufgrund unterschiedlicher

indivi-dueller Fehlerbedeutsamkeit (Ullsperger & Szymanowski, 2004), aufgrund unterschiedli-cher Fehlerdetektierbarkeit (Bernstein, Scheffer & Coles, 1995) oder unterschiedlichen Zeitdrucks (Falkenstein, Hoormann, Christ & Hohnsbein, 2000).

Die Amplitude der ERN lässt sich auch durch die Aufgabenschwierigkeit manipulieren: So konnte eine Reduktion der Amplitude der ERN bei einer leichten Aufgabe (Flanker-Task;

vgl. Eriksen & Eriksen, 1974) im Vergleich zu einer schweren Aufgabe (Stroop-Task; vgl.

Stroop, 1935) gefunden werden (West & Alain, 1999). Weiterhin nimmt die Deutlichkeit bzw. Detektierbarkeit des Fehlers Einfluss auf die Amplitude der ERN. So erzeugen deut-liche, einfach zu detektierenden Fehler eine größere Amplitude der ERN als dies kleinere, leichter zu übersehende Fehler tun (vgl. Falkenstein, Hoormann, Christ & Hohnsbein, 2000). Ferner konnten Bernstein und Kollegen (1995) zeigen, dass ein Fehler, der in zwei-erlei Hinsicht fehlerhaft war (die Reaktion erfolgte mit dem falschen Finger der falschen Hand = Doppelfehler) eine größere ERN Amplitude erzeugen konnte als ein "einfacher"

Fehler. Die Amplitude der ERN ist hingegen reduziert nach einem Fehler der in Antwort auf einen selten präsentierten Stimulus auftritt (Holroyd & Coles, 2002).

Die Höhe der Amplitude der ERN scheint auch Einfluss auf das Korrekturverhalten der Probanden zu nehmen. Gehring und Kollegen (1993) berichten, dass eine positive Korrela-tion zwischen der Amplitude der ERN und der Wahrscheinlichkeit, dass ein Fehler sofort korrigiert wird, besteht. Eine größere ERN Amplitude kann beobachtet werden, wenn der Fehler schnell korrigiert wird im Gegensatz zu einer langsamen Fehlerkorrektur (Rodrigu-ez-Fornells, Kurzbuch & Münte, 2002; siehe aber Fiehler et al. (2005) für abweichende Befunde). Zusammengenommen zeichnen diese Hinweise das Bild eines hoch flexiblen Fehlerverarbeitungssystems, das durch Fehler in vielfältigen Antwortmodalitäten angeregt flexibel und individuell verschieden auf Fehler reagiert.

Neuere Überlegungen zur strukturellen/funktionellen Architektur der ERN gehen in die Richtung, dass sich diese aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt:

1. einer generellen Komponente, die unabhängig von richtig oder falsch einer Antwort und unabhängig von der Aufgabe vorhanden ist ("correct related negativity", "cor-rect negativity" (CRN/Nc)) und

2. der wahren ERN, die von der Korrektheit der Antwort und der Aufgabe abhängig ist.

Hinweise in diese Richtung kommen zum Beispiel von Yordanova und Kolev (2004), die mittels einer Komponentenanalyse zeigen konnten, dass die ERN aus verschiedenen Kom-ponenten besteht.

Verschiedene Handlungsüberwachungsmodelle versuchen, die Entstehung und die funkti-onelle Signifikanz der ERN zu entschlüsseln. Im Folgenden werden die wesentlichen An-sätze kurz erläutert.

2.2.1. Die Mismatch Hypothese

Hierbei wird die ERN als Korrelat der Entdeckung einer Abweichung zwischen einer tat-sächlich erfolgten Antwort und einer korrekten Antwortrepräsentation gesehen. Hierzu wird die tatsächlich getätigte Antwort mit einer Repräsentation der eigentlich korrekten Antwort vergleichen. Die Repräsentation der korrekten Antwort entsteht dabei durch das Verbinden des Stimulus mit der passenden Antwort, d.h. es sind eine vollständige Stimu-lusevaluation und eine korrekte Anwendung des Task-Set erforderlich, um eine Repräsen-tation der eigentlich korrekten Antwort zu erhalten. Nach Gehring und Kollegen (Gehring, Goss, Coles, Meyer & Donchin, 1993) ist die Repräsentation der abgegebenen Antwort eine Efferenzkopie derjenigen Signale, die vom motorischen Cortex ausgehend die Hand-lung ausgelöst haben. Gegen eine Nutzung propriozeptiver oder sensorischer Feedbackin-formationen durch das Fehlerdetektionssystem spricht das schnelle Entstehen der Negati-vierung kurz nach Antwortabgabe, bevor eine Verarbeitung von Feedbackinformationen statt gefunden haben kann. So lassen sich spontane Korrekturen bereits in einem Zeitbe-reich von unter 100 ms (Rabbitt & Rogers, 1977) finden, was klar gegen eine Nutzung von Feedbackinformationen in der Fehlerdetektion spricht.

Hinweise für die Gültigkeit dieser Sichtweise der Entstehung der ERN kommen vor allem aus dem Bereich von Untersuchungen, die mittels einer eingeschränkten Repräsentation der korrekten Antwort (RCR) versuchten, die ERN zu modulieren. So ist die ERN verzö-gert für unkorrigierte Fehler, bei welchen die RCR unter Umständen beeinträchtigt ist (Falkenstein, Hoormann & Hohnsbein, 1997; Fiehler et al., 2005). Eine kleinere ERN konnte unter starkem Zeitdruck beobachtet werden, eventuell ebenfalls bedingt durch eine Beeinträchtigung der RCR (Falkenstein et al., 1990). Weiterhin für die Annahme der Feh-lerdetektionshypothese spricht die Beobachtung, dass die ERN verzögert und in der Ampli-tude geringer ist bei unkorrigierten Fehlern (Falkenstein, Hohnsbein & Hoormann, 1996).

Anzunehmen ist, dass im Falle unkorrigierter Fehler selbiger schwerer zu erkennen war/ist und somit keine Korrekturantwort erfolgte. Ähnliches lässt sich auch bei hohem Zeitdruck

in der Bearbeitung der Aufgabe feststellen: Die ERN weist eine geringere Amplitude auf (Gehring et al., 1993), eventuell da der hohe Zeitdruck ein Erkennen des Fehlers erschwert.

Ist sich die Versuchsperson sicher, die richtige Antwort abgegeben zu haben, so lässt sich ebenfalls eine reduzierte ERN beobachten (Scheffers & Coles, 2000). Vermutlich ist auch in diesem Falle die Fehlererkennung beeinträchtigt. Ferner liefert die Tatsache, dass die Amplitude der ERN bei einem leicht zu entdeckenden Fehler (wo die Abweichung zwi-schen tatsächlicher und geforderter Antwort besonders hoch ist) größer ist als bei einem

"einfachen" Fehler (der eine kleinere Abweichung zwischen den zu vergleichenden Ant-worten aufweist) Unterstützung für die Fehlerdetektionshypothese der Entstehung der ERN (vgl. z. B. Bernstein et al., 1995).

Ausgehend von den zuvor skizzierten Befunden und Überlegungen entwarfen Coles, Scheffers und Holroyd (2001) ein zweistufiges Modell der Fehlerverarbeitung. Die erste Stufe besteht dabei aus einem Modul, welches die Efferenzkopie der abgegebenen Hand-lung mit der geforderten HandHand-lung vergleicht (wobei diese noch nicht vollständig vorlie-gen muss). Findet dieses Modul eine Diskrepanz, so sendet es ein Signal an ein weiteres Modul, welches dann wiederum Korrekturhandlungen einleitet bzw. die Antwortstrategie entsprechend den neuen Erkenntnissen anpasst, um künftig Fehler zu vermeiden.

In jüngerer Zeit, ausgehend von neueren Befunden (Vidal et al., 2000), erweiterten Falken-stein, Hielscher, Dziobek, Schwarzenau, Hoormann, Sundermann und Hohnsbein (2001) die Fehlerdetektionshypothese der ERN. Sie gingen dabei von der Überlegung aus, dass auch nach einem korrekt beantworteten Versuchsdurchgang ein Vergleichsprozess zwi-schen tatsächlicher und geforderter Antwort nötig ist. Diese Annahme fand Bestätigung durch die Beobachtung einer kleinen Negativierung, die der ERN ähnelt, und nach korrek-ten Versuchsdurchgängen zu beobachkorrek-ten ist ("correct related negativity"(CRN); Ford, 1999; Vidal et al., 2000). Falkenstein et al. (2001) schlossen daraus, dass die ERN nicht das Ergebnis des Vergleichsprozesses zwischen intendierter und tatsächlicher Antwort repräsentiert, sondern vielmehr den Vergleichsprozess an sich. Falkenstein und Kollegen weisen jedoch auch darauf hin, dass es als Erklärung für die höhere ERN Amplitude nach einem Fehler nicht unbedingt einsichtig ist, warum der Vergleichsprozess zur Entdeckung eines Fehlers intensiver sein sollte. Denkbar wäre hier die Alternativerklärung, dass die ERN-ähnliche Negativierung nach einer korrekten Antwort tatsächlich einen Vergleichs-prozess abbildet, und die ERN in einem Fehlerdurchgang diesen VergleichsVergleichs-prozess plus ein überlagerndes Fehlersignal beinhaltet (vgl. auch Yordanova & Kolev, 2004).

2.2.2. Das Antwortkonfliktmodell

Im Sinne der Fehlerdetektionshypothese sollte in einem korrekt beantworteten Versuchs-durchgang keine ERN zu beobachten sein, also auch keine Aktivierung in Hirnstrukturen, die mit der Generierung der ERN in Zusammenhang gebracht werden. In einer bildgeben-den Studie zeigte sich jedoch auch in korrekt beantworteten Versuchsdurchgängen Aktivie-rung in der Umgebung des anterioren cingulären Cortex (ACC) im frontomedianen Cortex, der häufig mit der Generierung der ERN in Verbindung gebracht wird (Carter, Braver, Barch, Botvinick, Noll & Cohen, 1998). Carter und Kollegen schlossen aus diesen Befun-den, dass das erhöhte Konfliktpotential der Aufgabe, d.h. die starke Konkurrenz zwischen den Antwortalternativen, zu diesem Aktivierungsmuster führte (aufgrund experimenteller Manipulationen kann die Aktivierung im frontomedianen Cortex allerdings auch auf Unsi-cherheit in der Stimulusevaluation/-enkodierung zurückzuführen sein; vgl. Ullsperger &

von Cramon, 2004). Der Umgang mit Konflikten in der Informationsverarbeitung ist eine zentrale Funktion kognitiver Kontrolle (vgl. zum Beispiel Normann & Shallice, 1986). Der ACC würde im vorliegenden Falle den Informationsverarbeitungsprozess im Hinblick auf eventuell in diesem vorhandene Konflikte überwachen. Das Antwortkonfliktmodell geht davon aus, dass die ERN einen Konflikt zwischen Antwortrepräsentationen widerspiegelt.

Die ERN ist demnach nicht spezifisch für Fehler sondern hängt von der Menge an Konflikt ab. Computersimulationen (Botvinick, Braver, Barch, Carter & Cohen, 2001) zeigten, dass man vor allem in der Zeit nach der Antwortabgabe in inkorrekt beantworteten Versuchs-durchgängen einen höheren Konflikt beobachten kann als in korrekt beantworteten Durch-gängen. Hierzu sind ergänzend Befunde von Gratton, Coles, Sirevaag, Eriksen & Donchin (1988) zu nennen, die mittels lateralisierter Bereitschaftspotentiale (LRP) zeigen konnten, dass die Stimulusevaluation, die zu der korrekten Antwort führen würde, zum Zeitpunkt der Abgabe der inkorrekten Antwort noch nicht abgeschlossen ist. Die neuronale Reprä-sentation der korrekten Antwort hat zum Zeitpunkt der Fehlerauslösung also noch nicht ihre volle Stärke erreicht. Der größte Konflikt zwischen den Antworttendenzen ist dem-nach auch erst dem-nach dem Fehler zu erwarten, wenn auch die korrekte Antwort in vollem Umfang repräsentiert ist. Die ERN sollte, folgt man dieser Sichtweise, auch nach einer an sich korrekten, jedoch in einem inkompatiblen Versuchsdurchgang (hoher Konflikt) erfolg-ten Antwort zu beobacherfolg-ten sein. Betrachtet man solche Versuchsdurchgänge auf die Ant-wort bezogen, so zeigt sich jedoch keine Negativierung bei korrekten AntAnt-worten in einem inkompatiblen Versuchsdurchgang (Scheffers & Coles, 2000; Ullsperger & von Cramon, 2001). Betrachtet man das Ganze jedoch auf den Stimulus bezogen, so ist häufig eine

klei-ne Negativierung im Zeitbereich von ca. 250 ms nach Präsentation des Stimulus (N2) beim Vergleich zwischen inkompatibeln und kompatibeln Versuchsdurchgängen zu beobachten, wobei diese in inkompatibeln Versuchdurchgängen erhöht ist.

Yeung, Cohen und Botvinick (2004) interpretieren diesen Befund dahingehend, dass diese N2 das Korrelat für einen zugrunde liegenden Antwortkonflikt ist. Es ist wahrscheinlich, dass ein ERP-Korrelat für Antwortkonflikt in einer stimulusbezogenen Auswertung des EEG zu finden ist. Die N2 (die auch in korrekt beantworteten Versuchsdurchgängen zu finden ist) könnte ein mögliches Maß für Antwortkonflikt darstellen (vgl. auch van Veen &

Carter, 2002; Nieuwenhuis, Yeung, van den Wildenberg & Ridderinkhof, 2003). Unter-stützend für diese Sichtweise konnten Liotti, Woldorff, Perez und Mayberg (2000) die Quelle der N2 Komponente im ACC lokalisieren.

Es finden sich jedoch auch Befunde, die gegen die Theorie des Antwortkonfliktes als Grundlage der ERN sprechen. Bei inkompatiblen Versuchsdurchgängen, die mit einem Fehler beantwortet werden, sollte der Konflikt am größten sein. Betrachtet man solche Durchgänge jedoch unter Hinzuziehung lateralisierter Bereitschaftspotentiale (LRP; diese zeigen den Zeitverlauf antwortbezogener Aktivierung in beiden Antwortkanälen), so zeigt sich ein anderes Bild. Der Konflikt, den man nun in den LRP beobachten konnte war im-mer kleiner bei Fehlerdurchgängen als in korrekten Durchgängen bei inkompatiblen Stimu-li (Falkenstein et al., 2000).

2.2.3. Die Dopaminhypothese

Miltner, Braun und Coles (1997) konnten eine ERN nach Gabe eines negativen Feedbacks beobachten. In Anlehnung an die daraus gefolgerte Bedeutsamkeit eines Feedbacks erwei-terten Holroyd und Coles (2002) die Fehlerdetektionshypothese dahingehend, dass nicht nur eine Diskrepanz zwischen einer abgegebenen Antwort und der korrekten Antwortrep-räsentation eine ERN hervorrufen kann, sondern dass generell eine ERN erzeugt wird, wenn ein Ergebnis negativer ausfällt als erwartet. Die Diskrepanz entsteht also zwischen dem tatsächlichen und dem erwarteten Ergebnis, häufig begeleitet von dem Ausbleiben einer Belohnung.

Ein Fehler ist demnach ein Ereignis, welches das Ausbleiben einer Belohnung signalisiert ("error in reward prediction"). Hinweise für die Richtigkeit dieser Überlegungen kommen dabei aus Studien mit einem "gambling-task" Paradigma, in welchem eine ERN nach

ei-nem Feedback, das suboptimale Performanz signalisierte, beobachtet werden konnte (Geh-ring & Willoughby, 2002).

Die angenommene wichtige Rolle des mesenzephalischen Dopaminsystems in der Gene-rierung der ERN stützt sich auf Beobachtungen von Schultz (1998), der bei Affen das Ler-nen einer Aufgabe in Verbindung mit Präsentation bzw. Entzug einer Belohnung unter-suchte. Schultz (1998) konnte zeigen, dass die Präsentation der Belohnung bei den Affen einen phasischen Aktivitätsanstieg des dopaminergen Systems im Mesenzephalon auslöst, welcher bei fortschreitender Konditionierung auch bereits vor der Präsentation der Beloh-nung beobachtet werden konnte. Die Präsentation eines Reizes, der eine BelohBeloh-nung vor-hersagte, reichte aus, um die beschriebene dopaminerge Aktivität auszulösen. Die Aktivität der dopaminergen Neurone verringert sich jedoch wenn die erwartete Belohnung ausbleibt.

Schultz zog aus diesen Beobachtungen den Schluss, dass die Dopmaninneurone des Me-senzephalon sensitiv sind für Veränderungen in Belohnungskontingenzen. Ist die Verände-rung besser als erwartet erfolgt eine Ausschüttung von Dopamin, ist die VerändeVerände-rung hin-gegen schlechter, so verringert sich die dopaminerge Aktivität (Schultz, 2000; Schultz &

Dickinson, 2000).

Holroyd und Coles (2002) übertrugen diese Beobachtung nun auf den Menschen und äu-ßerten die Vermutung, dass ein Ausbleiben einer Belohnung (also ein Fehler in der Vor-hersage einer Belohnung, der von den Basalganglien entdeckt wird) und die damit verbun-dene Reduktion der dopaminergen Aktivität zu einer Depolarisierung apikaler Dendriten im ACC führt, welche wiederum in der Summe an der Schädeloberfläche als ERN gemes-sen werden kann. Unterstützung erfährt diese Vermutung dabei weiterhin durch die Beo-bachtung, dass der ACC zahlreiche Projektionen aus dem limbischen System bündelt.

Vielfältige Projektionen des ACC in den motorischen Kortex wiederum ermöglichen es diesem, Handlungen zu kontrollieren, was insbesondere im Rahmen von korrigierenden Antworten nach Fehlern eine wesentliche Rolle spielen kann. Der ACC kann so ausgehend von einem Fehlersignal die Performanz des Systems in Übereinstimmung mit den Prinzi-pien des Verstärkungslernens optimieren. Das Fehlersignal als Ausgangspunkt dieses Ver-stärkungslernens entsteht dabei durch einen Vergleich zwischen erwartetem und tatsächli-chem Ausgang einer Handlung, welcher wie bereits erwähnt wahrscheinlich in den Basal-ganglien vorgenommen wird.

Die Idee, dass das dopaminerge System in der Generierung der ERN eine wichtige Rolle spielt wird dabei durch Untersuchungen an alten Menschen bzw. Parkinson-Patienten un-terstützt. Alte Menschen weisen eine generelle Beeinträchtigung des dopaminergen

nigrostriatalen Systems auf, was zu einer Reduktion der ERN in verschiedenen Aufgaben führt (Falkenstein et al., 2000; vgl. auch Band & Kok, 2000). Auch bei Parkinson-Patienten, die ebenfalls von einer reduzierten Dopaminaktivität durch Schädigung der Do-paminneurone des Mittelhirns betroffen sind, konnte eine Reduktion der ERN gefunden werden (West & Alain, 1999).

Die Funktion der ERN wird von der Dopaminhypothese in der Auslösung korrigierender Handlungen gesehen. Solche Handlungen können dazu dienen, den Fehler zu inhibieren oder zu korrigieren, oder die Fehlerrate in nachfolgenden Durchgängen zu senken, also die Performanz im Sinne eines Lernprozesses über die Zeit hinweg zu optimieren.