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1 Exekutive Kontrolle und Aufgabenwechsel

1.3. Das Aufgabenwechselparadigma

Ein experimentelles Paradigma, das häufig zur Untersuchung von Prozessen exekutiver Kontrolle verwendet wird, ist das Aufgabenwechselparadigma. Das Funktionieren und Scheitern exekutiver Kontrolle zeigt sich besonders deutlich dann, wenn Probanden zwi-schen zwei oder mehreren Aufgaben entweder in einer festgelegten Reihenfolge (vgl. Jer-sild, 1927; Spector & Biedermann, 1976) oder zufällig wechseln müssen. Das Ziel der ex-perimentellen Manipulation ist es dabei, den Beitrag exekutiver Kontrollprozesse in der Aufgabe zu maximieren, indem man die Versuchsteilnehmer dazu anhält, zwischen Auf-gaben hin und her zu wechseln und dabei die Zeit bestimmt, die das Wechseln kostet bzw.

welche Faktoren diesen Wechsel beeinflussen. Bei diesen Wechseln lassen sich so genann-te Wechselkosgenann-ten beobachgenann-ten, d.h. die Reaktionszeigenann-ten werden langsamer bzw. die Fehler-raten steigen an, wenn ein Proband (aus Gründen der Übersichtlichkeit wird durchgehend die männliche Schreibweise verwendet) die Aufgabe wechseln muss, im Vergleich zu den Reaktionszeiten bzw. Fehlerraten einer Aufgabenwiederholung (Allport, Styles & Hsieh, 1994; Schuch & Koch, 2003). Die Wechselkosten werden dabei durch Subtraktion der Re-aktionszeiten in den Wiederholungsdurchgängen von den ReRe-aktionszeiten der Wechsel-durchgänge berechnet.

Innerhalb des Aufgabenwechselparadigmas unterscheidet man zwischen verschiedenen Darbietungsformen der Aufgaben (und somit des Aufgabenwechsels):

a. einer blockweisen Präsentation einer Aufgabenart (z. B. ein Block besteht nur aus Aufgabe A, der nächste Block nur aus Aufgabe B; vgl. Jersild, 1927; Spector &

Biederman, 1976) – häufig genutzt als Kontrollbedingung für nachfolgende Proze-duren (b - d)

b. das abwechselnde Darbieten von Aufgabenarten: Z.B. im Stile einer vorhersagba-ren Reihenfolge (ABABAB; vgl. "alternating-runs" Paradigma, Rogers & Monsell, 1995) oder einer rein zufälligen Reihenfolge der zu bearbeitenden Aufgaben

c. vor jeder Aufgabe wird den Teilnehmern ein Hinweisreiz präsentiert, der ihnen mit-teilt, welche Aufgabe sie bearbeiten sollen (z.B. Meiran, 1996)

d. die Serie der Versuchsdurchgänge wird gelegentlich von einer Instruktion unter-brochen, die angibt, mit welcher Bearbeitungsregel die nachfolgenden Versuchs-durchgänge zu bearbeiten sind (Goschke, 2000)

Häufig (jedoch nicht immer) werden für beide Aufgaben im Aufgabenwechsel dieselben Stimuli und Antworten verwendet. Stimuli können zum Beispiel Zahlen sein und der Pro-band muss zwischen der Einschätzung der Größe der Zahlen (im Verhältnis zu einer ande-ren Zahl) und dem Einschätzen von Gerade/Ungerade der Zahlen wechseln. Dabei können sich die Stimuli hinsichtlich ihrer Kongruenz unterscheiden. Inkongruente Stimuli sind solche, bei denen beide Aufgaben verschiedene Antworten verlangen. Kongruente Stimuli hingegen sind solche, bei denen beide Aufgaben dieselbe Antwort verlangen.

1.3.1. Komponenten der Wechselkosten: Exogene Komponenten der Rekon-figuration des Task-Set

Auch bei längeren Vorbereitungszeiten, d.h. ausreichend Zeit zwischen den Aufgaben-wechseln bzw. ausreichend Zeit zwischen Aufgabenwechsel-Hinweisreiz (Cue) und tat-sächlichem Aufgabewechsel, lassen sich noch Wechselkosten finden. Rogers und Monsell (1995) gingen der Frage nach, ob eine Verlängerung der Vorbereitungszeit (in diesem Fal-le der Zeit zwischen der Fal-letzten Antwort und dem nächsten Stimulus) die Wechselkosten verringern bzw. ganz auslöschen könne. Es zeigte sich jedoch auch bei einer Vorberei-tungszeit von 1200 ms ein deutlicher Rest an Wechselkosten, die so genannten residualen Wechselkosten (vgl. Rogers & Monsell, 1995; Meiran, 1996). Eine Abnahme der

Wech-selkosten war nur bis zu einer Vorbereitungszeit bis 600 ms zu beobachten, danach näher-ten sich diese asymptotisch einem bestimmnäher-ten Wert an.

Rogers und Monsell (1995) sehen die Wechselkosten nicht als Produkt eines einzelnen Mechanismus, sondern sehen mehrere Prozesse am Werk – die Wechselkosten, die man unter Verwendung inkongruenter Stimuli erhebt, bestehen ihrer Meinung nach aus mindes-tens zwei Komponenten:

1. einem endogenen Rekonfigurationsprozess (z.B. Evaluationsprozesse des Hinweis-reizes, bzw. Implementierung des Aufgabenzieles) und

2. einer Restkomponente, den residualen Wechselkosten (Meiran, 1996; Rogers &

Monsell, 1995, Ruthruff, Remington & Johnston, 2001).

Rogers und Monsell (1995) schlagen ein Zwei-Komponenten Modell des Wechsels des Task-Sets vor, wobei die Wechselkosten aufgrund der Vorbereitung auf die neue Aufgabe entstehen. Eine Komponente ihres Systems besteht aus einem endogenen Kontrollmecha-nismus ("top-down" MechaKontrollmecha-nismus), der das kognitive System entsprechend den neuen Anforderungen teilweise rekonfiguriert. Die andere Komponente besteht aus Stimulus ge-triggerten Prozessen (also exogener Kontrolle bzw. "bottom-up" Kontrolle), die vorher aktivierte Prozesse der "alten" (vorhergehenden) Aufgabe hemmen und die Task-Set Re-konfiguration abschließen. Diese exogen kontrollierten ReRe-konfigurationsprozesse sind da-bei für die Entstehung der residualen Wechselkosten verantwortlich, woda-bei die Dauer die-ser Prozesse von der Menge an proaktiver Interferenz durch die "alte" Aufgabe abhängt – es ist ein aktiver Mechanismus am Werk, der das kognitive System auf die geänderten An-forderungen einstellt. Die Wechselkosten sind hier Ausdruck der Dauer eines stufenartigen exekutiven Kontrollprozesses, der das kognitive System auf die kommende Aufgabe vor-bereitet. Jedoch kann dieser Prozess nicht vor Ankunft des ersten neuen Stimulus abge-schlossen werden.

Im Gegensatz zu dem bei Rogers und Monsell (1995) postulierten Vorhandensein zweier Komponenten im Prozess der Entstehung der Wechselkosten sehen andere Theorien zur Erklärung der Entstehung der Wechselkosten einen einzelnen Prozess/eine einzelne Kom-ponente in der Entstehung eben jener am Werke.

1.3.2. Aktivierungs-/Inhibitionsansätze

Einige Forscher sehen den Ursprung der Wechselkosten in der persistierenden Aktivie-rung/Inhibition des jeweils vorhergehenden Task-Sets nach einem Aufgabenwechsel; somit sind proaktive Effekte der Aufgabenausführung im vorangegangenen Durchgang für die Entstehung der Wechselkosten verantwortlich. Allport, Styles und Hsieh (1994) schlugen das Konzept der Task-Set Trägheit ("task set inertia") zur Erklärung der (residualen) Wechselkosten vor. Dabei gingen sie davon aus, dass ein in Aufgabe N-1 aktiviertes Task-Set auch nach einem Aufgabenwechsel noch einen bestimmten Rest an Aktivierung besitzt, der sich auf die Durchführung der nächsten Aufgabe (im Falle eines Aufgabenwechsels) nachteilig auswirkt. Weiterhin nachteilig im Rahmen eines Aufgabenwechsels kann sich auswirken, dass während der Durchführung von Aufgabe A Aufgabe B gehemmt sein muss, um eine ungestörte Bearbeitung von Aufgabe A zu gewährleisten. Kommt es nun zu einem Wechsel von Aufgabe A hin zu Aufgabe B, so steht diese Hemmung bzw. Reste dieser Hemmung der reibungslosen Durchführung von Aufgabe B im Wege (vgl. Mayr &

Keele, 2000).

Allport und Kollegen verdeutlichten ihre Überlegungen an einem Beispiel aus der For-schung zum "Stroop-Effekt" (Stroop, 1935), indem sie anführten, dass ein Wechsel von der nicht-dominanten (Farbbenennung) zur dominanten Aufgabe (Wortbenennung) besonders schwierig ist, da die dominante Aufgabe in Durchgang N-1 besonders stark gehemmt sein muss, um die nicht-dominante Aufgabe in N-1 durchführen zu können. Nach einem Wech-sel in Durchgang N besteht somit immer noch ein negativer Einfluss des "trägen" Task-Sets aus Durchgang N-1. Unterstützung erfahren die Überlegungen von Allport und Kolle-gen (1994) durch die Beobachtung itemspezifischer Wechselkosten. So konnten Allport und Wylie (2000) zeigen, dass bei einer modifizierten Version des Stroop Paradigma Sti-muli, die durch ihre Benutzung in der jeweils anderen Aufgabe "geprimt" waren, höhere Wechselkosten verursachten. Die Versuchsteilnehmer mussten häufig zwischen kurzen Blöcken aus Benennung der Farbe, in der ein Wort geschrieben ist und Benennung des Wortes hin und her wechseln. Aber nur ein Teil der Stimuli, die in der einen Aufgabe Verwendung fanden, wurden auch in der anderen Aufgabe eingesetzt. Somit war es mög-lich, die Wechselkosten bei Stimuli, die nur in einer Aufgabenart eingesetzt wurden ("un-geprimte" Stimuli) mit den Wechselkosten bei Stimuli, die bei beiden Aufgaben in Benut-zung waren ("geprimte" Stimuli) zu vergleichen.

In der Tradition von Allport und Kollegen (1994) gehen Mayr und Keele (2000) davon aus, dass der Wechsel zwischen Aufgaben der Inhibition der vorher durchgeführten Auf-gabe bedarf. Ein Wechsel hin zu einer AufAuf-gabe, die kürzlich inhibiert wurde, ist somit auf-grund persistierender Inhibition auf dieser Aufgabe besonders schwierig.

Schuch und Koch (2003) konnten zeigen, dass diese Inhibition auf der Stufe der Antwort-selektion in Trial N-1 geschieht und in Form einer Inhibition der jeweils "falschen" Kate-gorie-Antwort Regel erfolgt. Ohne eine Antwortselektion scheinen keine residualen Wech-selkosten zu entstehen.

1.3.3. Assoziativer Lernprozess als Ursache der Wechselkosten?

Ein weiterer Ansatz zur Erklärung der Entstehung der Wechselkosten (Lern-/Assoziationsansatz) nimmt an, dass Lernmechanismen nach Aufgabenausführung die Wechselkosten verursachen. Im Kern geht es dabei um die Entstehung assoziativer bindungen zwischen einer Stimuluskategorie und einer bestimmten Antwort (bzw. die Ver-stärkung einer "category-response-rule"). So gehen Wylie und Allport (2000) davon aus, dass die Ausführung einer Aufgabe zu einer Verstärkung der Verbindung zwischen der jeweiligen Aufgabe und der Antwort führt, während die andere Aufgabe mit einer "Nicht-Antwort" verbunden wird.

Wenn ein Stimulus in einem Versuchsdurchgang mit Aufgabe A verbunden ist, nach einem Aufgabenwechsel jedoch mit Aufgabe B, so vermuten Wylie und Allport (2000), dass nichts desto trotz Task-Set A aufgerufen wird (zeitgleich neben Task-Set B). Dieser Wett-bewerb zwischen den Task-Sets führt unter Umständen zu einem längeren Antwortaus-wahlprozess, was die gesteigerten Wechselkosten erklären kann, wenn ein Stimulus zuerst in der Farbbenennungsaufgabe des Stroop Paradigmas und dann in der Wortbenennungsva-riante auftaucht.

Ähnlich geht Meiran (2000) von einer assoziativen Verbindung zwischen einem Antwort-set und einer Antwortkategorie aus, die durch das Ausführen einer Antwort verstärkt wird.

Hinweise für die Richtigkeit dieser Annahmen stammen aus der Beobachtung, dass die Menge an Wechselkosten die Häufigkeit der Ausführung einer Aufgabe abbildet (Wylie &

Allport, 2000). So könnte ein "Erstarken" der Assoziationen zwischen einer Stimuluskate-gorie einer Aufgabe (z.B. Gerade/Ungerade Einschätzung) und den jeweils geforderten Antworten (links/rechts) mit der Ausführung nachfolgender Aufgaben interferieren (All-port & Wylie, 2000; Wylie & All(All-port, 2000). Der Proband würde also im Laufe der Bear-beitung der Experimentalaufgabe bestimmte Zuordnungsvorschriften lernen, die jeweils

Ist eine dieser Assoziationen stärker, so wird sie die dominante Stellung in der Bestim-mung der Antwort innehaben. Konflikte zwischen solchen assoziativen Verbindungen könnten dann zu einer Zunahme in der Reaktionszeit führen, also Wechselkosten verursa-chen.