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mit 25-Hydroxycholecalciferol zur Prävention der peripartalen Hypocalcämie

5. Übergreifende Diskussion

5.3 Einsatz von Vitamin D Metaboliten zur Stabilisierung der peripartalen Calcium-

Dass eine Ration mit negativer DCAD die Inzidenz der klinischen und subklinischen Hypocalcämie senken kann, ist mehrfach gezeigt worden (Lean et al., 2006; Martin-Tereso and Verstegen, 2011). Ergebnisse zur Effizienz einer Applikation von 25-Hydroxycholecalciferol waren hingegen widersprüchlich (Jorgensen et al., 1978; Taylor et al., 2008). Die in Publikation 9 vorgestellte Studie war die erste Arbeit, in der untersucht wurde, inwieweit die Kombination aus der Supplementierung mit 25-Hydroxycholecalciferol und einer Ration mit negativer DCAD einen positiven Einfluss auf die peripartale Calcium-Homöostase haben kann.

Es konnte festgestellt werden, dass vor allem bei Kühen höherer Laktationsnummern die alleinige Gabe von 25-Hydroxycholecalciferol zu gegenüber der Kontrollgruppe niedrigeren Calcium-Plasmaspiegeln im geburtsnahen Zeitraum führte, während die Kombination aus Supplementierung und negativer DCAD einen stabilisierenden Effekt hatte. Vermutet wurde, dass die Supplementierung mit 25-Hydroxycholecalciferol eine gesteigerte gastrointestinale Calcium-Absorption zur Folge hatte. Diese Hypothese konnte inzwischen sowohl an nicht-laktierenden, nicht-tragenden Schafen (Tagungsbeitrag) als auch an laktierenden Kühen bestätigt werden (Oehlschlaeger et al., 2014). Unmittelbar zur Geburt verbesserte die durch die negative DCAD hervorgerufene metabolische Azidose dann wahrscheinlich die Freisetzung von Calcium aus dem Knochen, in den eventuell a.p. durch die erhöhte Absorption zusätzliches Calcium eingelagert worden war.

Die gegenüber den anderen Tieren in der supplementierten und mit einer positiven DCAD gefütterten Gruppe niedrigeren peripartalen Calcium-Plasmakonzentrationen könnten also auf Veränderungen des Knochenstoffwechsels bzw. die Ansprechbarkeit des Skeletts auf Parathormon zurückzuführen sein. Obwohl Vitamin D auch als „Knochen-Schutz-Hormon“

wahrgenommen wird, ist die vielfach beobachtete anabole Wirkung auf die Knochensubstanz von

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40 der zeitgleich verfügbaren Menge an Calcium in der Nahrung abhängig somit wahrscheinlich auf die erhöhte intestinale Absorption von Calcium zurückzuführen (Boyce and Weisbrode, 1983).

Über eine mögliche direkte Inhibition der Knochenmobilisation durch Vitamin D Metaboliten finden sich in der Literatur keinerlei Hinweise. Selbst für den durch die Supplementierung in höheren Konzentrationen im Plasma vorliegenden Metaboliten 24,25-Dihydroxycholecalciferol (Bilanzstudie an Schafen) konnte eine auf die Knochenresorption förderliche Wirkung gezeigt werden (Peacock et al., 1976). Allerdings wirkte sich 24,25-Dihydroxycholecalciferol beim Geflügel fördernd auf die Heilung von Frakturen aus (Kato et al., 1998). Ein über den Säure-Basen-Haushalt vermittelter Mechanismus muss zwar in Betracht gezogen werden, erscheint aber unwahrscheinlich. In einer kürzlich ebenfalls zur Kombination von 25-Hydroxycholecaciferol mit einer negativen DCAD durchgeführten Studie, in der kein positiver Effekt dieser Behandlung auftrat, war der pH im Urin tendenziell gegenüber einer mit negativer DCAD und Vitamin D behandelten Gruppe erhöht (Weiss et al., 2015). Ähnliches konnte aber weder in unserer Bilanzstudie an Schafen, noch bei laktierenden Kühen beobachtet werden (Oehlschlaeger et al., 2014).

Calcitriol kann die Freisetzung von Parathormon aus der Nebenschilddrüse inhibieren (Ouseph et al., 1996). Ein ähnlicher, wenn auch schwächer ausgeprägter Effekt wäre auch für hohe Plasmakonzentrationen von 25-Hydroxycholecalciferol denkbar. Die Kühe, die die Supplementierung in Kombination mit der positiven DCAD erhalten hatten, zeigten zwar verglichen mit den anderen Gruppen keine verringerten Parathormon-Plasmakonzentrationen zur Geburt, es wäre aber möglich, dass aufgrund der nicht erhöhten Sensitivität der Zielgewebe diese Spiegel trotzdem nicht zur angemessenen Knochenmobilisation ausreichend waren.

Darüber hinaus ist kritisch zu beurteilen, dass die Supplementierung mit 25-Hydroxycholecalciferol zu einer Reduktion der Expression von CYP27B1 bei gleichzeitiger Induktion der von CYP24A1 führt und so einen adäquaten Anstieg von Calcitriol zum Zeitpunkt der Geburt stören könnte (Tagungsbeitrag). Tatsächlich erschien der Anstieg der Calcitriol-Plasmakonzentrationen in der supplementierten und mit positiver DCAD gefütterten Gruppe gegenüber den anderen Tieren um circa zwölf Stunden verzögert. Da Hinweise darauf gefunden wurden, dass auch die Aktivität des die Inaktivierung von Vitamin D Metaboliten einleitenden

41 Enzyms CYP24A1 mit höherem Alter bei Ratten zunimmt (Johnson et al., 1995), und dass die Plasmahalbwertszeit von 25-Hydroxycholecalciferol bei älteren Milchkühen kürzer ist als bei jüngeren (Publikation 10), könnten sich solche zusätzlichen Änderungen der Expression bei Tieren höherer Laktationsnummern besonders negativ auswirken.

Auf der anderen Seite profitierten aber gerade diese Kühe von der Kombination aus Supplementierung und negativer DCAD. Warum sich diese Ergebnisse von Weiss et al. (2015) an Tieren gleichen Alters nicht wiederholen ließen, kann zurzeit nicht beantwortet werden.

Da in dieser Arbeit 25-Hydroxycholecalciferol in einer doppelt so hohen Dosierung verabreicht wurde, ist in diesem Zusammenhang auch die Frage zu stellen, ob beim Überschreiten eines kritischen Plasmaspiegels von 25-Hydroxycholecalciferol mit unerwünschten Wirkungen zu rechnen ist. Dass die Supplementierung mit 25-Hydroxycholecalciferol bei den Schafen die Expression von CYP27B1 und CYP24A1 allein schon über die mit dieser Behandlung einhergehenden Erhöhung der Calcitriol-Konzentrationen beeinflusste, passte durchaus ins Bild der aus der Literatur bekannten Daten. Überraschend war, dass die hohen Konzentrationen von 25-Hydroxycholecalciferol im Plasma der supplementierten Gruppe negativ mit der jejunalen Expression von TRPV6 korrelierten, während die Beziehung zwischen Calcitriol und TRPV6 RNA den Erwartungen für ein positiv reguliertes Gen und seinen Stimulus entsprachen (Abb.

5.2).

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42 Abb. 5.2: Korrelationen zwischen der Expression von TRPV6 im Jejunum und der Plasmakonzentration von Calcitriol (links) bzw. Hydroxycholecalciferol (rechts) bei mit 25-Hydroxycholecalciferol über zehn Tage supplementierten Schafen (DCAD 25-OHD, graue Kreise) und der dazugehörigen Kontrollgruppe (DCAD, weiße Kreise).

Darüber hinaus konnten in vorläufigen Untersuchungen Effekte von 25-Hydroxycholecalciferol auf die Expression von dem an der Elimination vieler Xenobiotika beteiligten Transporter P-gp und einem in seine Induktion miteinbezogenen Rezeptor gefunden werden (Publikation 11).

Auch der Frage, ob durch die Applikation hochdosierter Vitamin D Metaboliten Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu erwarten sind, sollte in Zukunft also nachgegangen werden. Die intravenöse Behandlung mit Calcitriol bei Schafen führte in Bezug auf die Expression von P-gp zu anderen Resultaten als bei Ratten und Mäusen (Chow et al., 2009; Chow et al., 2013). Da auch das bislang nicht im Tierversuch überprüfte 25-Hydroxycholecalciferol zumindest in der Zellkultur im Gegensatz zu unseren Ergebnissen induzierend wirkte (Schmiedlin-Ren et al., 1997), muss auch in diesem Fall bei der Planung weiterer Experimente kritisch hinterfragt werden, ob Labornager das geeignete Modell darstellen.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass 25-Hydroxycholecalciferol ohne weitere Grund-lagenforschung am Wiederkäuer zur Aufklärung der Wirkmechanismen zurzeit nicht zur Prävention der Hypocalcämie bei der Milchkuh empfohlen werden kann.

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