• Keine Ergebnisse gefunden

Bei ca. jeder 10. rekonstruktiven Skelett-Operation werden Knochenersatzmaterialien benötigt (VAN DER STOK et al. 2011). Insbesondere Critical Size Defekte, definiert als 2-2,5 fach so lange Defekte wie der Knochendurchmesser (AN u. FRIEDMAN 1998), würden aufgrund überforderter Knochenregeneration ohne Auffüllung zu Nonunions führen (LASANIANOS et al. 2010; GUDA et al. 2011). Aber auch kleinere Defekte können bei Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Osteoporose einen Knochenersatz erfordern (PIETRI u. LUCARINI 2007; HANNINK u. ARTS 2011).

Bis heute gelten Auto-, Allo- und Xenografts oder demineralisierte Knochenmatrix als effizientestes Biomaterial zur Versorgung dieser Defekte (YAO u. HO 2009;

DIMITRIOU et al. 2011; VAN DER STOK et al. 2011). Nachteile der Autografts mit z. T. anliegendem Gewebe zum Erhalt der Vaskularisation bestehen einerseits in beschränkter Verfügbarkeit, andererseits im zusätzlichen operativen Eingriff. Dieser bedeutet für den Patienten eine längere Narkosedauer und zusätzliche postoperative Schmerzen (LASANIANOS et al. 2010; VAN DER STOK et al. 2011). Bei Allo- und Xenografts besteht dagegen die Gefahr von Krankheitsübertragungen und Graft-Abstoßungen auf infektiöser oder immunologischer Basis (GOLDBERG u. AKHAVAN 2005; GUGALA et al. 2007; HANNINK u. ARTS 2011). Einem Demineralisierungs-prozess unterzogene Knochenmatrix hingegen setzt zwar die Infektionsgefahr herab, besitzt andererseits aber auch weniger Stabilität (YAO u. HO 2009).

Seit einiger Zeit wird daher sowohl an neuen Behandlungsstrategien wie der Masquelet-Technik, die in einem Zwischenschritt eine biologische Membran als Graftbett erzeugt (KARGER et al. 2012), als auch an neuen Biomaterialien, die dem Knochen ähnliche mechanische Eigenschaften und Struktur aufweisen sollen (NANDI et al. 2010; DIMITRIOU et al. 2011), geforscht. Einige dieser Materialien sind natürlichen Ursprungs wie Kollagenschwämme oder Korallen (O'BRIEN et al. 2005;

YAO u. HO 2009). Die meisten sind jedoch synthetischen Ursprungs und oft zusätzlich mit Cytokinen wie BMP-2, IGF-1 und TGF-beta oder mit mesenchymalen Stammzellen kombiniert (NUSS u. VON RECHENBERG 2008; HENSLEE et al.

2011; CAO et al. 2012). Eine Vielzahl von Granulaten und offenporigen Strukturen

Einleitung

___________________________________________________________________

10

auf der Basis von Calciumphosphaten oder Polymeren (wie PMMA, PLGA, OPLA) ist bereits kommerziell erhältlich (NUSS u. VON RECHENBERG 2008; NANDI et al.

2010; VAN DER STOK et al. 2011). Jedoch werden gerade ihre ungenügende mechanische Belastbarkeit und beim Abbau auftretende Fremdkörperreaktionen häufig kritisiert (SUGANUMA u. ALEXANDER 1993; HING 2005; GENG et al. 2009).

Poröse Metalle besitzen neben einer Struktur, die Flüssigkeitsdurchtritt sowie Gewebeeinwuchs erlaubt (WEN et al. 2001), den Vorteil hoher Stabilität bei geringem Gewicht (KIRKLAND et al. 2009; BARBAS et al. 2012). Allerdings können selbst relativ inerte Metalle wie Titan bei Verbleib am Implantationsort ein erhöhtes Tumor- oder Metallose-Risiko bergen (MCDONALD et al. 2002; VOGGENREITER et al. 2003; DUNN et al. 2012), weshalb solide Implantate nach vollendeter Heilung oft routinemäßig wieder entfernt werden (RICHARDS et al. 1992). Dieses Vorgehen ist bei porösen, nach Abschluss der Heilung vom Knochen durchbauten Implantaten nicht möglich. Bei einem perfekten Knochenersatz sind daher Implantatdegradation und Knochenwachstum so gut aufeinander abgestimmt, dass jederzeit die benötigte Stabilität und Leitstruktur gegeben sind (HANNINK u. ARTS 2011), am Ende jedoch ein vollständiger Ersatz erfolgt ist (HING 2005). Dieser Effekt wird bei degradablen Implantaten auch als sogenannter schleichender Ersatz („creeping substitution“) bezeichnet (KARAGEORGIOU u. KAPLAN 2005).

Insbesondere das bioresorbierbare Leichtmetall Magnesium gewann aufgrund dem kortikalen Knochen ähnlichen mechanischen Kennwerten (Mg: Elastizitätsmodul 41-45 GPa, Druckfestigkeit 65-341-45 MPa; Knochen: Elastizitätsmodul 3-20 GPa, Druckfestigkeit 130-180 MPa) an Interesse (STAIGER et al. 2006; WANG et al.

2012). Im Körper erfüllt Magnesium als Element zusätzlich wichtige Aufgaben, während es bei eventuellem Überschuss über die Nieren ausgeschieden wird (SARIS et al. 2000).

Obwohl bereits viele in vitro Untersuchungen und unterschiedliche Herstellungs-verfahren mit z. T sogar genau vorherbestimmbarer Endstruktur der Implantate

Einleitung

___________________________________________________________________

11

existieren (WEN et al. 2004; BACH et al. 2007; NGUYEN et al. 2011), wurden in vivo bisher nur unbeschichtete Magnesiumschwämme der Legierung AZ91 in Kaninchen-kniegelenken untersucht (REIFENRATH 2005). Diese degradierten jedoch viel zu schnell für einen Knocheneinwuchs. Da bekannt ist, dass chloridhaltige Medien die Degradation grundsätzlich beschleunigen (STAIGER et al. 2006; MEYER-LINDENBERG et al. 2010) und es sich bei Synovia ebenfalls um ein solches Medium handelt (SCHOLZ et al. 1983), führt möglicherweise allein ein Implantationsort ohne Synoviakontakt zu langsamerem Degradationsfortschritt und damit besserem Einwachsen von Zellen.

Zusätzlich existieren verschiedene werkstoffkundliche Ansätze, um die Korrosionsbeständigkeit und somit die Biokompatibilität von Magnesiumimplantaten zu erhöhen. Zum einen wird das Degradationsverhalten stark durch die Zusammensetzung der Legierungselemente beeinflusst (WITTE 2010; REIFENRATH et al. 2011; KRAUS et al. 2012), so dass eine deutlich langsamer degradierende Legierung wie AX30 gewählt werden kann (HUEHNERSCHULTE et al. 2011). Zum anderen können Körperflüssigkeiten abschirmende Beschichtungen die Degradationsgeschwindigkeit deutlich reduzieren und sich gleichzeitig positiv auf die Integration in den Knochen auswirken (WANG et al. 2012). Ein mögliches Beschichtungsmaterial ist Bioglas, das seit Anfang der 1970er erforscht und seit 1985 aufgrund seiner hervorragenden Bioaktivität und Osteokonduktivität klinisch eingesetzt wird (HENCH et al. 1971; HEIKKILÄ et al. 1995; HENCH 2006). Als Alternative kommen bioaktive Calciumphosphatverbindungen in Betracht, die mit Hilfe eines Magnesiumfluorid-Interlayers sehr fest an das darunter liegende Magnesiumimplantat gebunden werden können (JO et al. 2011) und die Knochenbildung und -reifung beschleunigen sollen (XU et al. 2009). Aber auch Magnesiumfluorid allein kann durch Einlagerung in die natürliche Magnesiumhydroxidschicht eine sehr dichte und als Korrosionsbarriere wirksame Schicht bilden (THOMANN et al. 2010; WITTE et al. 2010). Zusätzlich ist die in vielen Fluorid-Studien belegte Osteoidinduktion (MCCORMACK et al. 1993; MOUSNY et al.

2008) möglicherweise für eine bessere Schwammdurchbauung nutzbar.

Einleitung

___________________________________________________________________

12

Da bislang keine Untersuchungen von beschichteten AX30 Magnesiumschwämmen durchgeführt worden sind und zudem bisher auch keine andere Lokalisation als das Kniegelenk gewählt wurde, waren die Ziele der vorliegenden Arbeit:

a) Methoden zur Untersuchung von Biokompatibilität und Degradationsverhalten von Magnesiumschwämmen mit Beschichtung in unbelastetem spongiösem Knochen zu etablieren

b) Bioglas-, fluorid- und calciumphosphatbeschichtete AX30 Schwämme in vivo zu untersuchen und ihre Eignung als Knochenersatzmaterial zu vergleichen c) Die Ergebnisse mit denen von Leerbohrungen zu vergleichen, um zwischen

operations- und implantatbedingten Veränderungen zu differenzieren und das Ausmaß der Defektheilungsunterstützung durch die Implantate einzuordnen

Publikation I

___________________________________________________________________

13

2 Publikation I

Biocompatibility and degradation behaviour of degradable

magnesium sponges coated with bioglass – method establishment within the framework of a pilot study

Biokompatibilität und Degradationsverhalten von degradablen, bioglas-beschichteten Magnesiumschwämmen – Methodenetablierung im Rahmen einer Pilotstudie

M. Lalk1*, J. Reifenrath1, D. Rittershaus1, D. Bormann2, A. Meyer-Lindenberg1

1Small Animal Clinic, University of Veterinary Medicine Hannover, Bünteweg 9, 30559 Hannover, Germany

2Institute of Materials Science, Leibniz University Hannover, An der Universität 2, 30823 Garbsen, Germany

*Corresponding author

Materialwissenschaft und Werkstofftechnik 2010 (Materials Science and Engineering Technology 2010)

Volume 41, Issue 12, Pages: 1025-1034 DOI 10.1002/mawe.201000704

Publikation I

___________________________________________________________________

14

2.1 Abstracts

Aim of the present study was to establish methods for the evaluation of biocompatibility and degradation behaviour of coated magnesium sponges in cancellous bone. So bioglass coated sponges of the magnesium alloy AX30 were implanted into the femurs of rabbits for an observation period of 6, 12 and 24 weeks, respectively. In the follow up clinical and radiographical examinations and in vivo µ-computed tomographies (XtremeCT) were taken regularly. After euthanasia ex vivo µ-computed tomographies (µCT80) and histological examinations were executed. As result the greater trochanter proved to be a suitable implantation site and all coated magnesium sponges were tolerated well. The radiographs showed no development of gas or severe bone alterations. The XtremeCT depicted the proceeding degradation and accumulations of gas, but turned out to be not as meaningful in exact determination of bone and sponge changes. Better results regarding the degradation state of the sponges were provided by the µCT80 at the end of the test.

After all implantation periods different sized implant residues and newly formed bone around the implant were found. The histological examinations resulted in new bone formation and a mild, decreasing inflammation. The bone-implant-interface could not be evaluated at all localisations, since the remaining implants partly coiled up during microtome sectioning. In conclusion the chosen methods are suitable for usage in further studies. But supplement of the cutting and grinding method according to Donath and Breuner is required to examine the bone-implant-compound.

Keywords: sponge, bioglass coating, in vivo, magnesium alloy, resorbable

Ziel dieser Studie war die Methodenetablierung zur Untersuchung von Biokompatibilität und Degradationsverhalten von Magnesiumschwämmen mit Beschichtung in spongiösem Knochen. Es wurden bioglasbeschichtete Schwämme der Magnesiumlegierung AX30 für 6, 12 und 24 Wochen in Kaninchenfemora implantiert. Darauf folgten regelmäßige klinische und radiologische Untersuchungen, in vivo (XtremeCT) und ex vivo (µCT80) µ-Computertomographien und histologische Untersuchungen. Der Trochanter major erwies sich als geeigneter Implantationsort

Publikation I

___________________________________________________________________

15

und die beschichteten Magnesiumschwämme waren gut verträglich. Die Röntgen-aufnahmen zeigten weder Gasentwicklung noch gravierende Knochen-veränderungen. Das XtremeCT stellte Degradationsfortschritte und Gas dar, stellte sich aber als wenig aussagekräftig bezüglich der exakten Bestimmung der Umbauvorgänge von Implantat und Knochen heraus. Bessere Ergebnisse bezüglich des Degradationsfortschritts der Schwämme lieferte hingegen das µCT80 am Versuchsende. Nach allen Implantationszeiten wurden unterschiedlich große Schwammresiduen und neu gebildeter Knochen nachgewiesen. Die histologischen Untersuchungen ergaben neben der Knochenneubildung milde, abnehmende Entzündungsreaktionen. Die Knochen-Implantat-Grenzflächen konnten nicht an allen Lokalisationen untersucht werden, da sich das Implantatmaterial während des Schneidevorgangs am Mikrotom z. T. herauslöste. Insgesamt eignen sich die gewählten Methoden für die Verwendung in weiteren Studien. Zusätzlich ist jedoch die Einführung der Trenn-Dünnschliff-Methode nach Donath und Breuner zur Untersuchung des Implantat-Knochen-Verbundes wichtig.

Schlüsselwörter: Schwamm, Bioglasbeschichtung, in vivo, Magnesiumlegierung, resorbierbar

Publikation II

___________________________________________________________________

16

ÄHNLICHE DOKUMENTE