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1.1 Akutes Nierenversagen

Das akute Nierenversagen (ANV) stellt eine bedeutende Komplikation nach herzchirurgischen Eingriffen dar. Seit 2007 wird dieses als Acute Kidney Injury (AKI) bezeichnet und ist mit einer hohen Letalität assoziiert (Hummel 1994;

Lassnigg et al. 2004, Kunt et al. 2009). Im Rahmen der vorliegenden Dissertation soll untersucht werden, welche präoperativen Risikofaktoren einen Einfluss auf die Inzidenz der AKI haben und wie sich verschiedene kardio-chirurgische Operationen auf diese auswirken. Weiterhin wird geprüft, ob und in welchem Ausmaß die zur Prävention der AKI eingesetzten Medikamente Furosemid und Dopamin die akute Nierenschädigung nach herzchirurgischen Eingriffen beeinflussen können.

1.2 Ursachen, Inzidenz und Risikofaktoren der AKI

Charakterisiert ist die postoperative AKI durch eine rasch einsetzende, potentiell reversible Verschlechterung der Nierenfunktion, die entweder zur Reduktion der Urinausscheidung und / oder zu einer Ansammlung von harn-pflichtigen Substanzen im Blut führt. Im klinischen Alltag gilt derzeit das Serum-Kreatinin als Goldstandard (Harrison et al. 2005; Sumnall 2007, Huang et al.

2011). Ein weiterer empfindlicher und diagnostischer Parameter ist die glomeruläre Fitrationsrate (GFR). Eine Reduktion zeigt ein beginnendes Nieren-versagen an und kann anhand der Erhöhung verschiedener Markersubstanzen gemessen werden (Hillis et al. 2006).

Das akute Nierenversagen wurde 2004 in einer internationalen Konsensus-konferenz einheitlich in die RIFLE-Stadien (entspricht den Stadien Risk-Injury-Failure-Loss-End Stage Renal Disease) eingeteilt. Später wurden diese in einer weiteren Konsensuskonferenz 2007 als AKI bezeichnet, nach Serum-Kreatininwerten und Diurese eingeteilt und durch die folgenden drei Stadien ersetzt (Bellomo et al. 2004; Metha et al. 2007), wie in Tabelle 1-1 dargestellt.

Einleitung

Tabelle 1-1: Klassifizierung der akuten Nierenschädigung nach RIFLE- und AKIN-Stadien

Definition der akuten Nierenschädigung durch das Acute Kidney Injury Network (AKIN-Definition)

Abrupte (innerhalb von 48 Stunden) Abnahme der Nierenfunktion, definiert durch - einen absoluten Anstieg des Serum-Kreatinins ≥ 0,3 mg/dl (≥ 26,4 µmol/l), - einen prozentualen Anstieg des Serum-Kreatinins ≥ 50 % (das 1,5-fache des

Ausgangswertes) oder

- eine Verminderung der Urinausscheidung < 0,5 ml/kg/h über mehr als 6 Stunden

Stadieneinteilung der akuten Nierenschädigung

RIFLE- Stadium

AKIN-

Stadium Serum-Kreatinin Urinausscheidung

Risk 1 1,5- bis 2-facher Kreatininanstieg (RIFLE/AKIN) oder

Kreatininanstieg ≥ 0,3 mg/dl (AKIN) < 0,5 ml/kg/h für 6 h Injury 2 2- bis 3-facher Kreatininanstieg < 0,5 ml/kg/h für 12 h

Failure 3 > 3-facher Kreatininanstieg oder Serum-Kreatinin > 4 mg/dl

mit einem akuten Anstieg ≥ 0,5 mg/dl

< 0,3 ml/kg/h für 24 h oder fehlende Urinausscheidung (Anurie) für 12 h

Loss *) Dauerhaftes Nierenversagen für > 4 Wochen

ESRD *) Dauerhaftes Nierenversagen für > 3 Monate

*) Die RIFLE-Stadien „Loss“ und „ESRD“ werden als Spätfolgen der akuten Nierenschädigung in der AKIN-Stadieneinteilung nicht mehr berücksichtigt

Schon minimale Änderungen des Serum-Kreatinins können mit einer signifi-kanten Zunahme der Mortalität bei Patienten nach kardiochirurgischen Ein-griffen assoziiert sein. Lassnigg et al. zeigten, dass ein geringer postoperativer Kreatininanstieg im Serum < 0,5 mg/dl mit einer dreifachen Erhöhung der Mortalität verbunden ist. Eine größere Zunahme des Serum-Kreatinins von

≥ 0,5 mg/dl geht sogar mit einer 18-fachen Zunahme der Mortalität einher (Lassnigg et al. 2004) und verdeutlicht damit den Schweregrad der akuten Nierenschädigung in den AKIN-Stadien.

Einleitung

Bei einem herzchirurgischen Eingriff entwickeln 5% bis 40% aller Patienten eine AKI. Diese Patientengruppe ist mit einer Mortalität von bis zu 80% assoziiert und 2% bis 15% der Patienten benötigen eine Nierenersatztherapie (Lassnigg et al. 2004, Druml 2005; Luckraz et al. 2005; Landoni et al. 2006, Sumnall 2007, Kunt et al. 2009). Verschiedene Faktoren erhöhen das postoperative Risiko einer AKI, z. B. das fortgeschrittene Alter des Patienten, ein Diabetes mellitus, eine Hypertonie sowie eine vorbestehende Nieren- oder Linksherzinsuffizienz (Hillis et al. 2006; Landoni et al. 2006). Auch operative Faktoren (Notfall-, Klappen- oder erneute koronare Bypass-Operation), postoperative Ereignisse (kardiogener Schock, Blutungen oder Hypovolämie) sowie bestimmte Medikamente (ACE-Hemmer, NSAR und Cyclosporin A) können das Nieren-versagen beeinflussen (Sadovnikov 2001, Ho et al. 2010).

1.3 Prävention

Präventive Maßnahmen, einer akuten Nierenschädigung entgegenzuwirken, sind von großer Bedeutung, da aktuell nur wenig ausreichende Behandlungs-strategien zur Verfügung stehen.

Die European Society of Intensive Care Medicine wie auch die internationale Konsensuskonferenz beschäftigten sich intensiv mit dieser Thematik und veröffentlichten 2010 einen einheitlichen Vorschlag. Zunächst sollen Patienten mit vorbestehendem Risiko schnell erkannt, umgehend einem Nephrologen vorgestellt und zugleich umfassend intensivmedizinisch abgeklärt werden.

Dabei ist besonders auf eine ausreichende Flüssigkeitsbilanzierung zur Korrektur einer primären hämodynamischen Störung sowie auf erhöhte Reten-tionsparameter zu achten. Darüber hinaus können verschiedene pharma-kologische Ansätze erwogen werden, z. B. eine Therapie mit Katecholaminen bei bestehender Hypotension zur Unterstützung der Nierenzirkulation. Um einen Gewebeschaden der Nieren zu verhindern, muss eine Infektion bzw.

Sepsis frühzeitig intensiv therapiert werden. Außerdem dürfen nephrotoxische Medikamente nur unter strenger Beobachtung verabreicht werden (Hafer et al.

2011).

Einleitung

1.4 Prävention / Therapie der AKI mit Dopamin

Bei der Behandlung der AKI ist das natürliche Katecholamin Dopamin eine Alternative zu den herkömmlichen Therapieansätzen, da es sich positiv auf die Nierenfunktion und die akute Nierenfunktionsverschlechterung auswirkt.

Obwohl dieses Medikament in „renal dose“ immer noch kontrovers diskutiert wird, wird es vielerorts weiterhin zur Prophylaxe einer Nierendysfunktion bei postoperativen Patienten angewendet.

Ein theoretisch vorteilhafter Effekt des Dopamins ist der Anstieg des kortikalen Blutflusses und der Kreatinin-Clearance über die Aktivierung von dopaminergen D1-Rezeptoren. Dies führt über eine Erweiterung der renalen Gefäße zu einem Anstieg der GFR, der Natrium- und Wasserexkretion sowie zu einer Aus-scheidung gelöster Stoffe (Lassnigg et al. 2000, Sadovnikoff 2001, Lüllmann et al. 2003, Kunt et al. 2009).

Die Zunahme des renalen Blutflusses könnte zwar die Nierenfunktion bei Patienten mit akuter Niereninsuffizienz verbessern, jedoch würde sich der Anstieg der GFR schädlich auf die Viabilität der Niere auswirken, die dadurch einem kurzen, aber schweren ischämischen Insult ausgesetzt ist (Gelman 1997). Zum anderen wirkt dieses Medikament auch über die adrenergen α- und β-Rezeptoren, indem es den Perfusionsdruck steigert und die kardiale Auswurfleistung erhöht (Kellum 1997). Es verhindert zusätzlich die Natrium-Resorption im proximalen Tubulus im dicken aufsteigenden Teil der Henle-Schleife wie auch im Sammelrohr und erhöht die Bildung und Freisetzung von Prostaglandin E2, welches die medullären Gefäße dilatiert. Aus diesem Grund wird der renale Sauerstoffverbrauch reduziert. Als schwerwiegende Neben-wirkung wurden kardiale Tachyarrhythmien und ein Anstieg des myokardialen Sauerstoff-Verbrauches beobachtet (Lassnigg et al. 2000, Lüllmann et al.

2003).

1.5 Prävention / Therapie der AKI mit Furosemid

Schleifendiuretika stellen eine weitere Möglichkeit dar, die akute

Nieren-Einleitung

erhaltung der Diurese die Entgiftungsfunktion der Niere gewährleistet.

Furosemid wird hauptsächlich proteingebunden transportiert, und nur ein geringer Anteil kann über das Glomerulum selbst gefiltert werden. Dadurch wird die renale tubuläre Sekretion wie auch die Diurese an sich beeinflusst. Zudem reduziert es die Natrium-, Kalium- und Chloridkonzentration, die im dicken Abschnitt des aufsteigenden Schenkels der Henleschleife über einen Kotransport resorbiert wird (Ho et al. 2010). Daraus resultieren sowohl eine Verringerung der Osmolarität des Nierenmarkes als auch eine verminderte Wasserrückresorption. Hoch dosierte Schleifendiuretika erreichen eine prompte Ausscheidung von bis zu 30% des Natriums. Zudem vermindern sie die Kaliumkonzentration bei einer Hyperkaliämie und steigern die Wasserexkretion bei einer extrazellulären Volumenüberladung (Metha et al. 2002, Lüllmann et al.

2003, Sumnall 2007). Überdies soll das Medikament einer tubulären Obstruktion durch eine Verstärkung des Urinflusses entgegenwirken (Kellum 1997, Kunt et al. 2009).

Dieses Diuretikum führt sogar zu einer Reduktion der GFR und geht mit einer Zunahme harnpflichtiger Substanzen einher (Lüllmann et al. 2003, Ho et al.

2010). Außerdem wird über eine erhöhte Exkretion von Prostaglandin E nach der intravenösen Anwendung von Furosemid berichtet, welches eine Vasodi-lation des Kortex bedingt. Es entsteht eine medulläre Hypoperfusion, die über eine längere Zeitspanne eher schädigend als nephroprotektiv wirkt (Lassnigg et al. 2000, Sadovnikoff 2001).

1.6 Fragestellung

Die AKI ist ein ernstzunehmendes Problem nach kardiochirurgischen Eingriffen.

Der zukünftige Schwerpunkt liegt darin, weitere Behandlungsoptionen zu entwickeln, um diese Komplikation zu verhindern (Sadovnikoff 2001, Metha et al. 2002).

In der vorliegenden Dissertation soll untersucht werden, wie sowohl bestimmte Risikofaktoren im Vorfeld einer Operation als auch Medikamente wie Furosmid und Dopamin eine Wirkung auf die Inzidenz und den Verlauf der AKI nach herzchirurgischen Eingriffen haben. In diesem Zusammenhang werden

unter-Einleitung

schiedliche kardiochirurgische Operationen näher betrachtet und folgende Kernaussagen beurteilt:

1) Wie viel Prozent der herzchirurgischen Patienten haben eine prä- existente Nierenfunktionseinschränkung?

2) Beeinflusst die Art des kardiochirurgischen Eingriffes die postoperative Nierenfunktion?

3) Kann eine Behandlung mit Furosemid oder Dopamin die akute Nieren-insuffizienz positiv beeinflussen?

4) Erhöhen diese Operationen die Notwendigkeit einer Nierenersatz-therapie und wie wirkt sich dies auf die Mortalität der Patienten aus?

5) Hat eine präoperative chronische Nierenschädigung Einfluss auf das postoperative Outcome der Patienten?

Patienten und Methodik

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