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Astrozytenablation in GFAP-TK transgenen Mäusen während der

3. Ergebnisse

3.2. Astrozytenablation in GFAP-TK transgenen Mäusen während der

Mit Hilfe der immunhistochemischen Färbungen mit den Markern GFAP und Vimentin wurden Astrozyten dargestellt und im Corpus callosum ausgezählt. Es zeigte sich eine deutliche Reduktion der Anzahl sowohl GFAP positiver Astrozyten (Abb. 4A, p<0,0001) als auch Vimentin positiver Astrozyten (Abb. 4C, p<0,0001) bei GFAP-TK-transgenen Mäusen, die mit Ganciclovir ab Woche 4 behandelt wurden. Bei der täglichen Injektion von Ganciclovir ab der vierten Woche in einer Dosierung von 25mg/kg KG wurde eine Ablation von Astrozyten von 50-60% während aller untersuchten Zeitpunkten festge-stellt. In diesen Gruppen betrug die Zahl der Astrozyten zwischen 200 und 300 Zellen pro mm².

22 In den drei Kontrollgruppen, also den Wildtyptieren, die entweder mit PBS oder mit GCV behandelt waren sowie den transgenen Tieren, die PBS injiziert bekamen, gab es keine statistisch signifikante Reduktion der Astrozytenzahl. Zu allen Zeitpunkten lag die Anzahl etwa doppelt so hoch wie bei der Untersuchungsgruppe (600-700 Zellen/mm²).

Somit konnte nachgewiesen werden, dass die Ablation mittels Ganciclovir in GFAP-TK transgenen Mäusen funktioniert.

Mit Hilfe der Doppelfärbung mit GFAP (Astrozytenmarker) und Ki-67 (Proliferations-marker) wurden proliferierende Astrozyten dargestellt. Zu Beginn des Untersuchungs-zeitraumes betrug die Zahl dieser knapp ein Drittel im Vergleich zu den Kontrollgrup-pen und glich sich im Verlauf an sie an (Abb. 4B, p<0,0001). In der Woche 5 fanden sich in der Untersuchungsgruppe etwa 10 proliferierende Zellen pro mm², in den Kon-trollgruppen dagegen 30 Zellen pro mm². Bis zur Woche 6 halbierte sich die Anzahl sowohl in der Untersuchungs- als auch in den Kontrollgruppen und lag nun bei 5 Zellen bzw. 15 Zellen pro mm². In der Woche 7 waren in allen Gruppen 5 Zellen pro mm² zu zählen.

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Abb. 4: Astrozyten im Verlauf

Die Grafiken A) und C) stellen die Astrozytenanzahl in der Untersuchungsgruppe im Vergleich zu den Kontrollgruppen zu den untersuchten Zeitpunkten mittels GFAP bzw. Vimentin dar. Die Behandlung mit Ganciclovir (GCV) ab Woche 4 der Cuprizone-Fütterung bei transgenen GFAP-TK Mäusen führte zu einer Ablation von Astrozyten. In der Grafik B) wird mittels der Doppelfärbung mit GFAP und Ki-67 gezeigt, dass die Behandlung mit GCV die Anzahl der proliferierenden Astrozyten verminderte. Signifi-kante Unterschiede sind mit Sternchen gekennzeichnet (* p<0,05, ** p<0,01, *** p<0,001).

24 3.3. Auswirkung der Astrozytenablation zum Zeitpunkt der beginnenden Rekrutierung von Oligodendrozytenvorläuferzellen

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Gruppe beschrieben, bei der die Ganciclovir-Injektionen ab Woche 4 begonnen wurden. Im Cuprizone-Modell beginnen zu diesem Zeitpunkt Oligodendrozytenvorläuferzellen in das demyelinisierte Corpus callosum einzuwandern, nach Woche 5 reduziert sich die Anzahl der Vorläuferzellen wieder stark (Skripuletz et al., 2011).

3.3.1. Astrozytenablation verhindert Remyelinisierung

Das Ausmaß der Remyelinisierung wurde mittels der immunhistochemischen Myelin-Färbungen MOG, MAG, MBP, CNPase, PLP und der histochemischen LFB Färbung untersucht. Dabei handelt es sich bei MOG, MAG und PLP um Transmembran-Proteine, bei MBP und CNPase um membranständige Proteine. Die Astrozyten ablatierten Tiere wiesen im Vergleich zu den Kontrollgruppen eine statistisch signifikant verminderte und verzögerte Remyelinisierung auf, die in allen Färbungen nachzuvollziehen war (Abb. 5-7, für alle p<0,0001). Alle untersuchten Myelinproteine zeigten zum Zeitpunkt des Absetzens von Cuprizone (Woche 5) bei allen Gruppen keine oder nur eine geringe Expression. Im weiteren Verlauf nahm der Myelinisierungsgrad, der mit Hilfe eines Score-Systems von 0 − 3 objektiviert wurde, in den 3 Kontrollgruppen zu. Der Verlauf der Remyelinisierung hat zwischen den Kontrollgruppen keine Unterschiede ergeben:

zum Zeitpunkt Woche 5 wurde ein Score von 0 − 0,5 nachgewiesen, nach einer halben Woche lag bereits ein Score von 1 vor, nach einer Woche 1 − 1,5 und nach 2 Wochen lag der Remyelinisierungsgrad bereits bei 2. Im Gegensatz dazu wiesen die Astrozyten ablatierten Tiere eine deutlich reduzierte Expression aller untersuchten Myelinproteine auf und erreichten zu keinem Zeitpunkt einen Score von ≥ 1.

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Abb. 5: Verlauf des Myelinisierungsgrades anhand der MOG-Färbung

In A) ist der Verlauf der Myelinisierung zu den verschiedenen Untersuchungszeitpunkten und unter den verschiedenen Untersuchungsgruppen in der MOG-Färbung gezeigt. Alle Gruppen wurden über 5 Wo-chen mit Cuprizone gefüttert. Ab Woche 4 erfolgten Behandlungen mit Ganciclovir oder PBS. Die Aus-wertung erfolgte verblindet durch drei unabhängige Untersucher nach dem oben beschriebenen etablierten Score-System. In B) wird auszugsweise der Zeitpunkt Woche 7 demonstriert. Man sieht die deutlich ein-geschränkte Remyelinisierung bei den GFAP-TK transgenen Mäusen, die mit Ganciclovir (GCV) behan-delt wurden. Signifikante Unterschiede sind mit Sternchen gekennzeichnet (* p<0,05, ** p<0,01, ***

p<0,001).

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Abb. 6: Vergleich des Verlaufes des Myelinisierungsgrades in den Myelin-Färbungen PLP, CNPase und LFB

In A) ist der Verlauf der Myelinisierung zu den 4 Untersuchungszeitpunkten in den jeweiligen Untersu-chungsgruppen in der PLP-Färbung gezeigt. Alle Gruppen wurden 5 Wochen mit Cuprizone gefüttert. Ab Woche 4 erfolgten Behandlungen mit Ganciclovir oder PBS. In Woche 6 und 7 ist die Myelinisierung bei diesen GFAP-TK transgenen Tieren signifikant eingeschränkt. B) zeigt den Verlauf der Myelinisierung in der CNPase-Färbung. Hier ist bereits in der 5,5 Woche bei GFAP-TK transgenen Mäusen nach Astrozy-tenablation die Myelinisierung signifikant eingeschränkt. C) zeigt den Verlauf der Myelinisierung in der LFB-Färbung. Die Myelinisierung ist bei GFAP-TK transgenen Tieren ab Woche 6 signifikant einge-schränkt. Signifikante Unterschiede sind mit Sternchen gekennzeichnet (** p<0,01, *** p<0,001).

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Abb. 7: Vergleich des Verlaufes des Myelinisierungsgrades in den Myelin-Färbungen MAG und MBP

Die Grafik zeigt den Grad der Myelinisierung in den 4 Untersuchungsgruppen zu den 4 Untersuchungs-zeitpunkten mittels der Färbungen MAG A) und MBP B). Alle Gruppen wurden 5 Wochen mit Cuprizone gefüttert. Ab Woche 4 erfolgten Behandlungen mit Ganciclovir oder PBS. Es fallen in dieser Gruppe signifikant eingeschränkte Myelinisierungsgrade bereits ab der 5,5 Woche auf. Signifikante Unterschiede sind mit Sternchen gekennzeichnet (** p<0,01, *** p<0,001).

28 3.3.2. Astrozytenablation führt zu geringerer Anzahl an Oligodendrozyten

Oligodendrozyten, die das Myelin im ZNS bilden, wurden mit den Antikörpern Nogo-A und APC immunhistochemisch nachgewiesen. Passend zu der Zunahme des Remyelini-sierungsgrades in den 3 Kontrollgruppen stieg die Anzahl der Oligodendrozyten zu je-dem Zeitpunkt, ähnlich wie die Myelinisierung auch, an. Auch hier zeigten sich inner-halb der 3 Kontrollgruppen keine signifikanten Unterschiede.

In den Astrozyten ablatierten Mäusen zeigte sich eine sehr niedrige und im Vergleich zu den Kontrollmäusen signifikant reduzierte Anzahl an Nogo-A positiven (Abb. 8A, p<0,0001) und APC positiven Oligodendrozyten (Abb. 8B und C, p<0,0001) eine halbe Woche, eine Woche sowie 2 Wochen nach Absetzen von Cuprizone. Unmittelbar nach Absetzen von Cuprizone war zwar eine Tendenz zur verminderten Anzahl von Oli-godendrozyten zu erkennen, die Ergebnisse sind jedoch nicht statistisch signifikant.

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Abb. 8: Verlauf der Oligodendrozyten

In A) und C) ist der Verlauf der Oligodendrozyten zu den verschiedenen Untersuchungszeitpunkten und unter den verschiedenen Untersuchungsgruppen anhand der Nogo-A und APC Färbungen gezeigt. Alle Gruppen wurden 5 Wochen mit Cuprizone behandelt. Ab Woche 4 erfolgten Behandlungen mit Gancic-lovir oder PBS. In B) wird auszugsweise der Zeitpunkt Woche 6 anhand der APC Färbung demonstriert.

Man sieht die deutlich geringere Oligodendozytendichte bei den GFAP-TK transgenen Mäusen, die mit Ganciclovir (GCV) behandelt wurden. Signifikante Unterschiede sind mit Sternchen gekennzeichnet (**

p<0,01, *** p<0,001).

30 3.3.3. Astrozytenablation führt zu verminderter Anzahl an Oligodendrozytenvorläuferzellen

Die verminderte Anzahl an ausgewachsenen myelinbildenden Oligodendrozyten bei Astrozyten ablatierten Mäusen lässt keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob sie aufgrund mangelnder Vorläuferzellen oder durch Ausbleiben der Differenzierung dieser zu erklä-ren ist. Es wurden deshalb Immunfluoreszenz-Doppelfärbungen mit den Markern Olig2 und APC durchgeführt. APC ist ein Marker für reife Oligodendrozyten und Olig2 färbt sowohl Oligodendrozytenvorläuferzellen als auch Oligodendrozyten. Mit Hilfe der Doppelfärbung wurden die einfach positiven Zellen für Olig2, also nur die Vorläuferzel-len, die noch nicht differenziert haben, ausgezählt. Bereits in den Übersichtsaufnahmen war zu erkennen, dass die Astrozyten ablatierten transgenen Mäuse eine deutlich gerin-gere Anzahl an Oligodendrozytenvorläuferzellen aufwiesen, was statistisch signifikant war (Abb. 9A)). Die Anzahl der Oligodendrozytenvorläuferzellen blieb über den Unter-suchungszeitraum relativ konstant und lag bei 100 Zellen/mm², sodass in der Woche 7 sich die Untersuchungsgruppe und die Kontrollgruppen anglichen.

In der Doppelfärbung Olig2 und Ki-67, einem Proliferationsmarker, sieht man einen Mangel an proliferierenden Oligodendrozytenvorläuferzellen in der Untersuchungs-gruppe nach Ablation von Astrozyten. Hier ist ein statistisch signifikanter Unterschied jedoch nur bis zur Woche 5,5 zu verzeichnen (Abb. 9B, p<0,0001). Zu Beginn beträgt die absolute Zahl in den Kontrollgruppen zwischen 40 und 60 Zellen/mm², bis zur Wo-che 6 hat sich dieser Wert in den Kontrollgruppen halbiert. In der Untersuchungsgruppe nach Ablation von Astrozyten liegt der Wert zu allen Zeitpunkten konstant bei 10 Zel-len/mm².

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Abb. 9: Oligodendrozytenvorläuferzellen im Verlauf

Die Oligodendrozytenvorläuferzellen wurden mittels der Färbung Olig2 untersucht. Da Olig2 sowohl Oligodendrozytenvorläuferzellen als auch ausgewachsene Oligodendrozyten färbt, wurden anhand von Doppelfärbungen mit Olig2 und APC nur Olig2 einzeln positive Zellen gezählt (A). Anhand der Doppelfärbung mit Olig2 und Ki-67 wurden proliferierende Oligodendrozytenvorläuferzellen unteruscht (B). In B) wird auszugsweise der Zeitpunkt Woche 5 anhand der Olig2/Ki-67 Doppelfärbung demonstriert. Alle Untersuchungsgruppen wurden über 5 Wochen mit Cuprizone gefüttert. Ab Woche 4 erfolgten Behandlungen mit Ganciclovir oder PBS. Es fällt ein statistisch signifikanter Mangel an Oligodendrozytenvorläuferzellen auf, die auch eine wesentlich geringere Proliferation aufweisen. Signifi-kante Unterschiede sind mit Sternchen gekennzeichnet (* p<0,05, ** p<0,01, *** p<0,001).

32 3.4. Astrozytenablation zum Zeitpunkt der Remyelinisierung hat keinen Einfluss auf die Anzahl von Mikroglia

Eine Vorarbeit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. med. Martin Stangel untersuchte die Bedeutung der Astrozyten für die Demyelinisierung (Skripuletz et al., 2013). Hier kam eine besondere Rolle den Mikroglia zuteil, die bei Astrozytenablation während des Demyelinisierungsprozesses nicht ausreichend rekrutiert wurden. Zur Vervollständi-gung dieser Ergebnisse und zur Antwort auf die Frage, ob die bei uns eruierten Ergeb-nisse durch Veränderungen des Mikroglia-Verteilungsmusters zu erklären sind, wurden in dieser Arbeit Mikroglia mittels Färbungen gegen die Proteine RCA-1 und IBA-1 sichtbar gemacht und ausgezählt. Bei RCA-1 handelt es sich um eine Lectinfärbung, welche aktivierte Mikroglia darstellt, während Iba-1 auch ruhende Mikroglia färbt. Zu-nächst fiel auf, dass sich die Mikroglia antiproportional zu den Oligodendrozyten ver-hielten, also bei zunehmender Anzahl der Oligodendrozyten während der Remyelinisie-rung die Menge an Mikroglia abnahm. Außerdem ist zu vermerken, dass die Untersu-chungsgruppe und die Kontrollgruppen keinen signifikanten Unterschied zeigten (Abb.

10). Auch in den Astrozyten ablatierten Mäusen war eine stetige Abnahme der Mikrog-lia-Zahl zu erkennen. Die Anzahl der Mikroglia fiel sowohl in den Kontrollgruppen als auch in den Astrozyten ablatierten Tieren von 1000-1250 Zellen/mm² auf 250-500 Zel-len/mm² ab.

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Abb. 10: Verlauf der Mikroglia während der Remyelinisierung

Die Anzahl der Mikroglia wurde mittels der immunhistochemischen Färbungen RCA-1 (Darstellung aktivierter Mikroglia) A) und IBA-1 (Darstellung der gesamten Mikroglia) B) untersucht. Alle Untersu-chungsgruppen wurden 5 Wochen mit Cuprizone gefüttert. Ab Woche 4 erfolgten Behandlungen mit Ganciclovir oder PBS. Die Beurteilung erfolgte mittels manueller Zählung der positiv gefärbten Zellen.

Es sind jeweils die Zeitpunkte 5, 5,5, 6 und 7 Wochen nach Beginn der Cuprizone-Gabe dargestellt. Zu jedem Zeitpunkt sind Wildtyptiere und transgene GFAP-TK Mäuse mit PBS oder Ganciclovir (GCV) behandelt worden.

34 3.5. Astrozytenablation ab der Woche 5 zeigt keine Auswirkung auf die Remyelinisierung

Im dritten Versuchsansatz wurde Ganciclovir ab Woche 5 verabreicht. Es zeigte sich eine deutliche Reduktion der Anzahl GFAP positiver Astrozyten (Abb. 11A, p<0,0001) bei GFAP-TK-transgenen Mäusen im Vergleich zu Wildtyp Mäusen, die mit Ganciclo-vir behandelt wurden. Das Ausmaß der Remyelinisierung bei transgenen Mäusen, die Ganciclovir-Injektionen erst ab der Woche 5 bekamen, zeigte keinen statistisch signifi-kanten Unterschied im Vergleich zu der Kontrollgruppe. Dieses Ergebnis zeigte sich sowohl bei den immunhistochemischen Färbungen gegen die Myelinproteine PLP (11B), MOG (11C), MAG (11D), MBP (11E) und CNPase (11F) als auch bei der histologi-schen LFB Färbungen (11G). Auch wurden keine Unterschiede für die Anzahl an reifen Nogo-A (11H) und APC (11I) positiven Oligodendrozyten und IBA-1 (11J) und RCA-1 (11K) positiven Mikroglia festgestellt. Es ließ sich damit feststellen, dass die Astrozy-tenablation zum Zeitpunkt der beginnenden Myelinproteinexpression keinen Einfluss mehr auf die weitere Remyelinisierung nahm.

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Abb. 11: Fehlende Auswirkungen der Astrozytenablation nach 5 Wochen Cuprizone-Fütterung A) zeigt die erfolgreiche Astrozytenablation bei transgenen GFAP-TK Mäusen, die ab der 5 Woche mit Ganciclovir behandelt wurden im Vergleich zu Wildtyp Mäusen. Bei B)-G) zeigt sich kein signifikanter Unterschied bei dem Myelinisierungsgrad zwischen der Untersuchungsgruppe und der Kontrollgruppe, H) und I) stellen die Oligodendrozytenanzahl dar, die ebenfalls keinen signifikanten Unterschied aufweisen, J) und K) zeigen keinen signifikanten Unterschied in der Anzahl der Mikroglia zu den untersuchten Zeit-punkten. Signifikante Unterschiede sind mit Sternchen gekennzeichnet (*** p<0,001).

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4. Diskussion

4.1. Methodische Grundlagen

Die Rolle von Astrozyten bei der Remyelinisierung wurde in der vorliegenden Arbeit nach deren Ablation untersucht. Die Ablation von Astrozyten erfolgte in einem transgenen Mausstamm B6.Cg-Tg(Gfap-Tk)7.1Mvs/J, bei dem in die Promoter-Region des GFAP Gens, das Gen der Thymidin-Kinase des Herpes-Simplex-Virus eingesetzt wurde (Sofroniew et al., 1999). Beim GFAP handelt es sich um ein Intermediär-Filament, welches im zentralen Nervensystem ausschließlich in Astrozyten gebildet wird (Eng, 1985). Bei GFAP Hochregulation, wie sie im Rahmen einer Aktivierung von Astrozyten entsteht, wird in den transgenen Mäusen zeitgleich die Thymidin-Kinase exprimiert. Die Expression dieses Enzyms ist für die Zellen nicht toxisch. In Anwesenheit der Substanz Ganciclovir, einem Thymidin-Analogon, phosphoryliert die Thymidinkinase das Ganciclovir in eine Form, die als Nukleotid-Analogon in die DNA eingebaut wird und zum Abbruch der Synthese führt und anschließend die Apoptose der Zelle einleitet. Mit Hilfe dieses transgenen Mausstamms lassen sich im zentralen Nervensystem selektiv reaktive Astrozyten ablatieren. Für die Versuche wurde ein Injektionsschema mit Ganciclovir eingesetzt, bei dem eine Reduktion der Astrozytenzahl von etwa 50-60% erreicht werden konnte.

Für die Untersuchungen der Remyelinisierung nach vorher stattgehabter Demyelinisierung wurde das toxische Cuprizone-Modell eingesetzt. Beim Cuprizone handelt es sich um ein Neurotoxin, das im zentralen Nervensystem selektiv Oligodendrozyten, die myelinbildenden Zellen, zerstört (Skripuletz et al., 2011). Bereits 3-7 Tage nach Beginn der Cuprizone-Gabe sterben die ersten Oligodendrozyten ab. Ein vollständiger Verlust von Oligodendrozyten wird nach 3-4 Wochen beobachtet. Als Folge der Oligodendrozytenschädigung tritt nach 4,5-5 Wochen eine nahezu vollständige Demyelinisierung des Corpus callosum auf. Nach Absetzten von Cuprizone zum Zeitpunkt Woche 5 erfolgt eine spontane Remyelinisierung. Auch unter fortlaufender Cuprizone-Fütterung wandern parallel zu dem Abbau des Myelins bereits neue Oligodendrozytenvorläuferzellen, die OPCs, in die entmarkten Areale ein. Nach 5,5-6 Wochen sind sie zu Oligodendrozyten differenziert (Gudi et al., 2009). Wird Cuprizone weiter gegeben, werden diese reifen Oligodendrozyten nach der sechsten Woche erneut zerstört (Lindner et al., 2009). Cuprizone schädigt demzufolge selektiv

37 reife Oligodendrozyten ohne die Funktion von Oligodendrozytenvorläuferzellen zu beeinträchtigen.

Das Cuprizone-Modell eignet sich insbesondere für die Untersuchungen der Remyelini-sierung, welche in anderen Modellen für die Multiple Sklerose wie dem EAE-Modell (experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis) (Batoulis et al., 2011) oder dem Thei-ler-Virus-Modell (Mecha et al., 2013) nur schwer untersucht werden kann. In diesen Modellen laufen die De- und Remyelinisierungsvorgänge teilweise parallel ab und las-sen sich nicht abgrenzen, sodass Untersuchungen der Remyelinisierung nicht verlässlich möglich sind.

Ein weiterer Vorteil des Cuprizone-Modells ist, dass während der Demyelinisierung keine Entzündungszellen aus dem peripheren Blut in die entmarkten Areale dringen (Matsushima & Morell, 2001). Dies ermöglicht die isolierte Untersuchung von Vorgängen der De- und Remyelinisierung im zentralen Nervensystem, ohne Einflüsse des peripheren Immunsystems.

4.2. Etablierung eines geeigneten Zeitpunktes zur Untersuchung der Remyelinisierung

Um den optimalen Zeitpunkt für die Untersuchungen der Remyelinisierung zu definieren, wurde die Astrozytenablation zu 3 verschiedenen Zeitpunkten durchgeführt:

1: nach 3 Wochen zum Zeitpunkt der beginnenden Demyelinisierung; 2: nach 4 Wochen zum Zeitpunkt einer starken Demyelinisierung; 3: nach 5 Wochen zum Zeitpunkt der beginnenden Remyelinisierung (Vorhandensein von ersten Oligodendrozyten und Beginn der Regeneration von Myelinproteinen). In den ersten beiden Gruppen erfolgte eine vergleichende Analyse der Gehirne im Vergleich zu Kontrolltieren zum Zeitpunkt der beginnenden Remyelinisierung (Woche 5). Die Auswertung des Myelinisierungsgrades der Gruppe 1 ergab, dass in den Astrozyten ablatierten Mäusen zum untersuchten Zeitpunkt noch eine große Menge von zerstörtem Myelin im Corpus callosum nachweisbar war. In vorherigen Versuchen der Arbeitsgruppe von Prof. Dr.

med. M. Stangel konnte bereits gezeigt werden, dass Astrozyten eine entscheidende Rolle bei der Rekrutierung von Mikroglia einnehmen (Skripuletz et al., 2013). Nach

38 deren Ablation blieb eine ausreichende Mikrogliarekrutierung aus, um das zerstörte Myelin abzuräumen. Ferner konnte gezeigt werden, dass das nicht phagozytierte Myelindebris die nachfolgende Remyelinisierung verzögerte. Kotter et al. zeigten 2006, dass Myelinfragmente die Remyelinisierung behindern. Da in der Gruppe 1 dieser Arbeit die Astrozytenablation zum Zeitpunkt der beginnenden Demyelinisierung und der beginnenden Mikrogliainfiltration durchgeführt wurde, konnte auch hier eine verringerte Rekrutierung von Mikroglia nach Funktionsverlust von Astrozyten beobachtet werden, die im Folgenden zu einem verringerten Myelinabbau geführt hat.

Aufgrund dieser Beobachtung wurde diese 1. Untersuchungsgruppe nicht für die Untersuchungen der Remyelinisierung weiter verfolgt. Bei Ablation von Astrozyten ab der Woche 4 wurde ein Einfluss auf die Mikrogliaaktivierung nicht mehr nachgewiesen.

Ab der Woche 4 war die maximale Mikrogliaaktivierung zu beobachten und der Abbau von zerstörtem Myelin war bereits so stark fortgeschritten, dass die Ablation von Astrozyten ab der Woche 4 keinen Einfluss auf die Demyelinisierungsprozesse einnahm. Für die nachfolgenden Untersuchungen der Remyelinisierung wurden die Astrozyten ab der Woche 4 und der Woche 5 der Cuprizone-Fütterung ablatiert.

4.3. Warum die Arbeit von wissenschaftlichem Interesse ist

Die Astrozyten stellen den zahlreichsten glialen Zelltyp im ZNS dar. Welche Funktio-nen Astrozyten bei demyelinisierenden Erkrankungen im ZNS und insbesondere bei der Remyelinisierung einnehmen ist weiterhin nicht bekannt (Barnett & Linington, 2013).

Es ist allgemein anerkannt, dass Astrozyten eine wichtige Rolle für die Homöostase des ZNS haben und während der Aktionspotentiale anlaufende Transmitter, wie zum Bei-spiel das neurotoxische Glutamat und Elektrolyte, v.a. Kalium, aus dem Interzellular-raum eliminieren (Wang und Bordey, 2008). Dadurch helfen sie optimale Bedingungen für die neuronale Aktivität bereitzustellen. Auch ist bekannt, dass Astrozyten Einfluss auf die Durchblutung des ZNS nehmen und an der Regulation und dem Erhalt der Blut-Hirn-Schranke beteiligt sind (ebd.). Die Fortsätze von Astrozyten liegen sowohl Neuro-nen als auch kleineren Blutgefäßen im ZNS an (Kimelberg & Nedergaard, 2010). Wenn durch neuronale Aktivität Glutamat freigesetzt wird, bindet es u.a. an mGluRs (muska-rinerge Glutamat-Rezeptoren) der Astrozyten. Dadurch kommt es zu einem Einstrom von Ca2+ in die Zellen. Die erhöhte Ca2+-Konzentration aktiviert die Phospholipase A2, die die Bildung von Arachidonsäure aus Membranphospholipiden generiert, deren

Me-39 tabolite, Prostaglandine und Epoxyeicosatriensäuren, zu einer Dilatation der anliegen-den Gefäße führen (Attwel et al., 2010).

Die Funktion von Astrozyten für die Remyelinisierung ist weitgehend unbekannt und es werden sowohl negative als auch positive Einflüsse diskutiert. Einerseits wird ange-nommen, dass Astrozyten die Regeneration durch die Ausbildung einer glialen Narbe hemmen. Diese Annahme erfolgte nachdem in den sklerotischen Plaques im ZNS von MS Erkrankten, die als histopathologisches Korrelat der MS gelten (Lassmann, 2013), viele sogenannte reaktive Astrozyten beobachtet wurden. Es wurde angenommen, dass Astrozyten in geschädigten Arealen eine gliale Narbe ausbilden, die zwar den Ort der Schädigung begrenzen und so eine Ausbreitung der Entzündung verhindern, jedoch zugleich die Einwanderung von Oligodendrozytenvorläuferzellen hemmen kann, wodurch eine Regeneration des geschädigten Areals ausbliebe (Pekny & Nilsson, 2005).

Neuerdings wird die gliale Narbe eher als Endstadium einer nicht erfolgreichen Regene-ration angesehen (Barnett & Linington 2012).

Aus in vitro Versuchen weisen viele Ergebnisse darauf hin, dass Astrozyten die Remyelinisierung eher begünstigten. Astrozyten produzieren in vitro mehrere Chemo-kine und Wachstumsfaktoren, die die Regeneration von Oligodendrozyten und Myelin fördern könnten. Für die Faktoren PDGFα (platelet-derived growth factor) und FGF2 (fibroblast growth factor) konnte bereits vor Jahren gezeigt werden, dass diese in Kom-bination die Proliferation von Oligodendrozytenvorläuferzellen beschleunigen, jedoch deren weitere Differenzierung hemmen (Bögler at al., 1990; Richardson et al., 1988).

Ein weiterer Wachstumsfaktor, der IGF-1 (insulin-like growth factor), der im ZNS unter anderem ebenfalls von Astrozyten sezerniert wird, unterstützt die Entwicklung von Oli-godendrozyten und deren Überleben (Chesik et al., 2008). Dem zu Grunde liegt zum einen die Hemmung der Apoptose und zum anderen die Förderung des Zellwachstums und der Zellteilung (Aberg et al., 2006; Cui & Almazan, 2009). Bei diesen Arbeiten handelt es sich um in vitro Versuche und entsprechende in vivo Experimente, die die

Ein weiterer Wachstumsfaktor, der IGF-1 (insulin-like growth factor), der im ZNS unter anderem ebenfalls von Astrozyten sezerniert wird, unterstützt die Entwicklung von Oli-godendrozyten und deren Überleben (Chesik et al., 2008). Dem zu Grunde liegt zum einen die Hemmung der Apoptose und zum anderen die Förderung des Zellwachstums und der Zellteilung (Aberg et al., 2006; Cui & Almazan, 2009). Bei diesen Arbeiten handelt es sich um in vitro Versuche und entsprechende in vivo Experimente, die die