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Längst sind methicillinresistente Staphylokokken (MRS) nicht mehr nur Gegenstand der Forschung, sondern auch immer wieder Thema der Medien, wodurch sie zunehmend in das öffentliche Interesse geraten. Dies trägt zur Brisanz aktueller Debatten über die Anwendung von Antibiotika in der Veterinärmedizin bei. Dabei ist die Entwicklung von Resistenzen nichts Neues. So wurde Methicillin als penicillinasefestes β-Laktam-Antibiotikum im Jahr 1959 erstmals eingesetzt, und bereits 1961 erschienen Publikationen, die über methicillinresistente Stämme berichteten (JEVONS 1961). Ähnlich verhält es sich auch mit den meisten anderen Wirkstoffen.

Der Nachweis von MRS in der Nutztierhaltung und sich anschließenden Produktionsketten hat zu zahlreichen Studien geführt, durch welche Vorkommen, Verteilung und Eigenschaften von MRS, vornehmlich methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA), beleuchtet wurden (KADLEC et al. 2009, FEßLER et al. 2011 u. 2012, KADLEC et al. 2012a, WENDLANDT et al. 2013a). Im Gegensatz zur Situation bei landwirtschaftlichen Nutztieren fehlen repräsentative Monitoring-Programme, welche die derzeitige Situation in Kliniken und kurativen Praxen für Liebhabertiere wie Klein- und Heimtiere sowie Pferde zusammenfassen.

Auch Tierärzte für und Tierhalter von Liebhabertieren sind immer häufiger mit therapieresistenten Infektionen durch MRS konfrontiert, deren Resistenz sehr variabel und ausgeprägt sein kann. Immer seltener finden sich MRS, die ausschließlich β-Laktam-Resistenz aufweisen. Meist liegt ein erweiterter Resistenzphäno- sowie -genotyp vor (WEESE 2008).

Staphylokokken sind eine artenreiche Gattung (http://www.bacterio.net/) aus der Familie Staphylococcaceae (SCHLEIFER u. BELL 2009) innerhalb der taxonomischen Ordnung Bacillales und sind unbewegliche, nicht sporenbildende, fakultativ anaerobe, Gram-positive, kugelförmige Bakterien. Sie werden in koagulasepositive und koagulasenegative Spezies eingeteilt (CASEY et al. 2007).

Sie sind Kommensalen der Haut und Schleimhäute aller Säugetiere, sind allerdings fakultativ pathogen und können somit auch schwere Infektionen hervorrufen. Ihnen

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wurde schon im Jahr 1880 durch den Mediziner Sir Alexander Ogston eine große klinische Bedeutung als Infektionserreger beigemessen (NEWSOM 2008). Viele Staphylokokken verfügen über ein zoonotisches Potential (DAWSON 2013). Die meisten Spezies sind nicht streng wirtsspezifisch, sondern zwischen Mensch und Tier übertragbar. Es existieren drei Hauptstrategien zur Resistenzbildung, die, wie bei SCHWARZ und CHASLUS-DANCLA (2001) beschrieben, die Synthese inaktivierender Enzyme, die reduzierte intrazelluläre Akkumulation oder die Veränderung, den Schutz beziehungsweise den Ersatz von Zielstrukturen umfassen können. Die Ausprägung der Methicillinresistenz zählt zur Veränderung der Zielstruktur. Staphylokokken erwerben durch Integration des staphylococcal cassette chromosome mec Elementes (SCCmec) in ihr Chromosom die Resistenzgene mecA oder mecC, welche für alternative Penicillin-bindende Proteine kodieren. Diese haben eine signifikant niedrigere Affinität zu fast allen β-Laktamen (LIM u.

STRYNADKA 2002). Daher werden mecA-positive Isolate als resistent gegenüber allen β-Laktamen angesehen. Inwiefern dies für mecC-positive Isolate gilt, wird derzeit noch untersucht (GARCÍA-ÁLVAREZ et al. 2011, SHORE et al. 2011).

Zusätzlich erwerben methicillinresistente Staphylokokken häufig weitere Resistenzgene und werden dann als multiresistent angesprochen, wenn sie gegen mindestens drei unterschiedliche Klassen antimikrobieller Wirkstoffe erworbene Resistenzmechanismen aufweisen (SCHWARZ et al. 2010). Dies sichert das Bestehen dieser Bakterien auch unter dem Selektionsdruck unterschiedlicher antimikrobieller Wirkstoffe und befähigt die Bakterien somit, unter erhöhtem Selektionsdruck, wie er etwa in Praxen und Kliniken anzutreffen ist, zu überleben (AKSOY et al. 2010). Aus diesem Grund sind moderne Praxen und Kliniken als passende Umgebung für das Vorkommen multiresistenter MRS anzusehen.

Die Präsenz von MRS ist schon lange nicht mehr nur auf humanmedizinische Einrichtungen beschränkt. Die fortlaufende Entwicklung in der Veterinärmedizin, die sich vor allem in spezialisierten Fachkliniken dem Standard der Humanmedizin deutlich angenähert hat, hat zur Etablierung von MRS in tiermedizinischen Kliniken und Praxen geführt. Moderne operative Eingriffe unter sterilen Kautelen erfordern häufig eine perioperative Infektionsprophylaxe, aber auch die intensivmedizinische

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Betreuung von Haustieren macht eine längerfristige Therapie mit unterschiedlichen antimikrobiellen Wirkstoffen oder Wirkstoffkombinationen häufig unabdingbar. Dieses schlägt sich auch in einem erhöhten Vorkommen nosokomialer Infektionen nieder (WALTHER u. GROBBEL 2009). Das Vorhandensein einer multiresistenten Bakterienflora in Praxen und Kliniken kann angenommen werden, ist aber bisher wenig untersucht. Außerdem wurde die Kolonisation von Tierärzten und Klinikpersonal mit MRSA, sowie die Übertragung von MRSA zwischen Haustieren, Haltern und tiermedizinischem Personal gezeigt (VITALE et al. 2006, WEESE et al.

2006, NIENHOFF et al. 2009, RUTLAND et al. 2009).

Die Staphylococcus Spezies Staphylococcus pseudintermedius wurde 2005 als neue Spezies von DEVRIESE und Kollegen erstmalig beschrieben und wird zur Staphylococcus intermedius-Gruppe gezählt. S. pseudintermedius und vor allem auch methicillinresistente S. pseudintermedius (MRSP) wurden schon bei diversen Tieren und auch beim Menschen nachgewiesen, kommen aber am häufigsten bei Hunden vor. Insbesondere MRSP zeichnen sich durch sehr ausgeprägte Resistenzeigenschaften aus (KADLEC et al. 2010a, PERRETEN et al. 2010, NIENHOFF et al. 2011, KADLEC u. SCHWARZ 2012). Ein Großteil der Studien zum Vorkommen von MRS bei Kleintieren bezieht sich auf MRSA und MRSP und beschreibt Fälle, in denen klinische Infektionen mit MRSA oder MRSP vorliegen.

Allerdings wurden auch methicillinresistente koagulasenegative Staphylokokken (MRCoNS), die oft auch multiresistent waren, von kleinen Haustieren und Pferden mit Infektionen isoliert (KERN u. PERRETEN 2013). Wissenschaftliche Arbeiten zu Vorkommen, Charakterisierung und Bedeutung von MRCoNS in der Kleintiermedizin liegen derzeit aber kaum vor. Trotz zahlreicher Publikationen fehlen epidemiologische Studien zu Vorkommen, Charakterisierung, Verteilung und Bedeutung von MRS bei Kleintieren.

Die Präsenz von MRS in Kliniken und Praxen birgt Risiken für Tiere und den Menschen. Sie stellen eine Kolonisations- und möglicherweise auch Infektionsquelle nicht nur für stationär aufgenommene Tiere, sondern auch für Angestellte und nachfolgend Halter sowie jeweils das familiäre Umfeld dar. Eine Kolonisation verläuft in der Regel bei gesunden Individuen unbemerkt. Doch unter Immunsuppression

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können schwere Infektionen entstehen. Dies gilt zunächst für stationär betreute Tiere zum Zeitpunkt der Erkrankung. Das Management therapieresistenter Infektionen gestaltet sich häufig schwierig und ist mit Leiden für das Tier verbunden, zumal oft hohe Kosten bei vorsichtiger bis zuweilen schlechter Prognose auf den Tierbesitzer zukommen. Doch auch nach einer Genesung können die Tiere bei Entlassung kolonisiert sein und anschließend als Überträger fungieren. Hierbei wären besonders Schwangere, Säuglinge und Kleinkinder, alte sowie chronisch kranke Menschen gefährdet. Analog dazu kann eine Kolonisation von Mitarbeitern gesundheitliche Konsequenzen für das private Umfeld haben.

In der vorliegenden Studie wurden in einer Kleintierklinik aus Tupferproben der Räumlichkeiten, des Inventars, stationär aufgenommener Tiere (hauptsächlich Katzen) sowie des Personals, MRS isoliert. Die MRS-Isolate wurden auf ihre Resistenzeigenschaften untersucht und mit den derzeit vorliegenden, etablierten Typisierungsmethoden der Spezies entsprechend charakterisiert. Abb.1 illustriert die Isolierung und Charakterisierung der Isolate.

Abb. 1.1. Schematische Darstellung zur Aufarbeitung der Proben von der Isolierung bis zur molekularen Typisierung.

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Vor dem Hintergrund des zoonotischen Potentials durch das tägliche Miteinander sowie innigen Kontakt von Mensch und Haustier soll diese Arbeit Informationen zu Speziesverteilung, Resistenzverhalten und molekularer Charakteristika von allen detektierten MRS bei Katzenpatienten und ihrer Umgebung liefern.

In der an dieser Studie beteiligten, gut ausgestatteten und hygienisch einwandfrei geführten Klinik sind neben mehreren Tierärzten auch einige tierärztliche Fachangestellte und Auszubildende zu tierärztlichen Fachangestellten tätig. Es gibt mehrere Behandlungsräume sowie Möglichkeiten zu bildgebender Diagnostik, Operationsräume und eine Station mit räumlich getrenntem Isolationsbereich. Durch die Beprobung von Räumlichkeiten und Utensilien sollen Erkenntnisse über Diversität und Verteilung von MRS-Isolaten gewonnen werden. Die molekulare Typisierung soll die Unterscheidung zwischen Isolaten verschiedener Probenherkunft ermöglichen und durch den Nachweis stammspezifischer Charakteristika die Verbreitung einzelner Klone bei Isolaten von stationär aufgenommenen Tieren, Klinikräumlichkeiten und -utensilien oder Klinikpersonal aufzeigen. Alle stationär aufgenommenen Tiere wurden auf das Vorkommen von MRS untersucht, um unabhängig von einer vorliegenden Infektion Informationen über eine mögliche Kolonisierung zu erhalten. Ein besonderer Fokus lag dabei auf dem Nachweis und der eingehenden Analyse mobiler Resistenzgene.