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5 Zusammenfassung der Modellierungserkenntnisse

6.2 Einfluss des Bestands und der Reihenfolgedisziplin

Ferti-gung (vgl. Tabelle 7). Der Einfluss der Reihenfolgedisziplin auf die Termintreue in der gesamten Fertigung ist stärker als an einem einzelnen Arbeitssystem. Ein Grund könn-te der höhere Bestand der Fertigung sein, der es ermöglicht, stärker von der geplankönn-ten Reihenfolge abzuweichen. Auf diesen Zusammenhang haben bereits Nyhuis und Yu hingewiesen [Nyhuis-99, S. 87; Yu-01, S. 54 ff.]. Ausgehend von dieser Beobachtung untersucht der nächste Abschnitt den Zusammenhang zwischen Bestand Reihenfolge-disziplin und Reihenfolgeabweichung.

6.2 Einfluss des Bestands und der Reihenfolgedisziplin auf die Reihenfolgeabweichung

In Kapitel 4 wurde bereits ein Experiment zur Untersuchung der Wirkung der Reihen-folgeabweichung auf die Termintreue durchgeführt. Mit der Simulationskonfiguration dieses Experiments in Abschnitt 4.3.4 ist es ebenfalls möglich, den Bestand zu variie-ren. Das Ergebnis ist ein Nachweis über den Zusammenhang zwischen Bestand, Rei-henfolgedisziplin und Reihenfolgeabweichung, dargestellt in Abbildung 49. Das

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Termintreue

Reihenfolgedisziplin

Simulationspunkt Fertigung Simulationspunkt Arbeitssystem 12241

gramm zeigt die Reihenfolgetreue für verschiedene Bestandsniveaus über der Reihen-folgedisziplin:

Abbildung 49: Simulation der Reihenfolgetreue in Abhängigkeit der Reihenfolgedisziplin bei unter-schiedlichen Bestandsniveaus in der Fertigung (Lm=188 Std/BKT)

Da sich die Reihenfolgedisziplin sowohl auf den Betrag des Mittelwerts als auch auf die Streuung der Reihenfolgeabweichung in einer Fertigung auswirkt (vgl. Tabelle 7), ist hier die Reihenfolgetreue dargestellt. Die Reihenfolgetreue fasst zusammen, ob beide Größen eine termintreue Produktion zulassen. Zusätzlich blendet sie die Störeinflüsse des Rückstands aus. Das Diagramm liefert drei Erkenntnisse:

1. Je geringer die Reihenfolgedisziplin in der Fertigung ist, desto weniger Aufträge sind reihenfolgetreu. Dies ist für alle Bestandsniveaus sichtbar.

2. Mit sinkendem Bestand sinkt die Höhe der Reihenfolgetreue bei gleichbleiben-der Reihenfolgedisziplin.

3. Je höher der Bestand am Arbeitssystem ist, desto niedriger ist die minimal er-reichbare Reihenfolgedisziplin. Bei niedrigen Beständen ist die Reihenfolgedis-ziplin zwangsläufig hoch, da die Bearbeitung des dringendsten verfügbaren Auf-trags häufig alternativlos ist.

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Es ergibt sich folgendes Dilemma: Bei niedrigem Bestand ist die Reihenfolgedisziplin zwangsläufig hoch, die Reihenfolgetreue ist aber durchschnittlich niedriger. Die Rei-henfolgetreue kann aber bei niedrigem Bestand und hoher Reihenfolgedisziplin höher sein als bei hohem Bestand und niedriger Reihenfolgedisziplin. Welches Bestandsni-veau ist anzustreben?

Um das Systemverhalten tiefer zu ergründen, sind weitere Messpunkte notwendig. In der Versuchsanordnung, aus der die Simulationspunkte in Abbildung 49 stammen, ist der Bestand nach oben begrenzt. Die Auftragsfreigabe erfolgt normalerweise zum Starttermin. Das mittlere Bestandsniveau der Auftragsfreigabe nach Plan-Starttermin liegt bei ca. 8500 Std. Zur Reduzierung des Bestands verzögert die Simula-tion die Freigabe weiterer Aufträge. Dadurch sinkt der mittlere Bestand auf Kosten ei-ner Terminabweichung im Zugang der Fertigung. Eine Aussage über das Systemver-halten bei Beständen über 8500 Stunden lässt dieser Versuchsaufbau aber nicht zu.

Zur genaueren Untersuchung des Verhaltens der Reihenfolgetreue in Abhängigkeit des Bestands und der Reihenfolgedisziplin sind daher weitere Simulationsläufe, auch bei höherem mittlerem Bestand notwendig.

Das nachfolgende Experiment untersucht die Effekte des mittleren Bestands auch für sehr hohe Bestände. Es zeigt den Zusammenhang zwischen Bestand, Reihenfolgedis-ziplin und Reihenfolgetreue. Variationsparameter sind der Bestand und die Reihenfol-gedisziplin.

Durchführung

Der Versuchsplan umfasst 60 Simulationsläufe. Die Ausprägungen der Variationspa-rameter zeigt Tabelle 9.

Tabelle 9: Faktorstufen für die Simulationsparameter im Versuchsplan des Experiments

Hopp und Spearman haben das Conwip-Verfahren entwickelt [Hopp & Spearman-08, S. 363 ff.]. Es hält den Bestand der Fertigung mit Hilfe der Auftragsfreigabe konstant.

Um den Bestand zu beeinflussen, gibt die Simulation Aufträge mit Hilfe einer Conwip-Steuerung, gemäß dem von Lödding [Lödding-08, S. 327 ff.] beschriebenen Algorith-mus, frei. Die Anzahl der Conwip-Karten bestimmt die Höhe des Bestands. Die Zahl der Aufträge ist durch den Kunden vorgegeben und nicht beeinflussbar. Beim Einstel-len eines Zielbestands entscheidet die Fertigungssteuerung über die Anzahl der freizu-gebenden Aufträge. Zum Einstellen eines hohen Zielbestands ist es notwendig, Aufträ-ge freizuAufträ-geben, deren Plan-Starttermin in der Zukunft liegt. Dadurch erhalten die Auf-träge eine negative Terminabweichung im Zugang zur Fertigung. Bei niedrigen Zielbe-ständen ist es umgekehrt: Aufträge werden zurückgehalten, obwohl ihr Plan-Starttermin bereits erreicht ist. Die Auftragsfreigabe entscheidet somit über die Termin-abweichung der Aufträge im Zugang zur Fertigung. Die Versuchsdurchführung sieht zehn Faktorstufen für die Auftragsfreigabe vor. Neun davon sind unterschiedliche Be-standsstufen der Conwip-Steuerung und eine Stufe entspricht einer Auftragsfreigabe nach Plan-Starttermin der Aufträge, um Terminabweichungen im Zugang auszuschlie-ßen. Der Vorgabewert der Reihenfolgedisziplin variiert zwischen 100 und null Prozent.

Die Ergebnisse dieses Versuchs zeigen die Bestandsabhängigkeit der Wirkung der Reihenfolgedisziplin auf die Reihenfolgetreue.

Auswertung

Abbildung 50 zeigt die Ergebnisse der Simulation für Bestände, die niedriger sind als

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bei einer Freigabe nach Plan-Starttermin, also niedriger als ca. 8500 Stunden. Auch in dieser Darstellung ist statt der Termintreue die Reihenfolgetreue aufgetragen, da sie die möglichen Auswirkungen der Terminabweichung im Zugang ausblendet. Ohne Rückstand entspricht die Reihenfolgetreue der Termintreue. Bis zum Bestand von 8500 Stunden ist folgendes Verhalten zu beobachten: Wie in Abschnitt 6.1 gezeigt, führen niedrige Bestände bei gleichbleibender Reihenfolgedisziplin zu einer geringeren Rei-henfolgetreue. Eine hohe Reihenfolgedisziplin führt bei niedrigem Bestand zu keiner deutlichen Verbesserung der Reihenfolgetreue. Grund hierfür ist schlichtweg die Abwe-senheit der dringenden Aufträge, die die Auftragsfreigabe zur Bestandsbegrenzung zu-rückhält. Die höchste Reihenfolgetreue erzielt die Fertigung auf einem Bestandsniveau, das einer Freigabe nach Plan-Starttermin entspricht. Steigt der Bestand über dieses Niveau, beginnt die Reihenfolgetreue wieder zu sinken. Diese Werte sind in Abbildung 51 eingetragen. Hier liegen die mittleren Bestände der Simulationsläufe oberhalb von 8500 Stunden, also über dem mittleren Bestand der Freigabe nach Plan-Starttermin.

Abbildung 50: Simulation der Reihenfolgetreue in Abhängigkeit der Reihenfolgedisziplin in der Fertigung für Bestandsniveaus unterhalb der Freigabe nach Plan-Starttermin 0%

Abbildung 51: Simulation der Reihenfolgetreue in Abhängigkeit der Reihenfolgedisziplin in der Fertigung für Bestandsniveaus oberhalb der Freigabe nach Plan-Starttermin

Ein Bestand in Höhe von 18.000 Stunden entspricht in diesem Beispiel ca. dem 100-fachen der Tagesleistung. Bestände dieser Größenordnung sind durchaus möglich.

Durch die größere Auswahlmöglichkeit an Aufträgen führt auf einem hohen Bestands-niveau eine niedrige Reihenfolgedisziplin zu stärkeren Reihenfolgeabweichungen, als dies bei einem niedrigen Bestandsniveau möglich wäre. Je weiter das Bestandsniveau die Auftragsfreigabe nach Plan-Starttermin überschreitet, desto stärker wirkt sich eine niedrige Reihenfolgedisziplin auf die Reihenfolgetreue aus.

Oberhalb einer Reihenfolgedisziplin von 90 Prozent liegen die Werte der Reihenfolge-treue sehr nah beieinander. Daher gilt auch, je höher die Reihenfolgedisziplin ist, desto geringer ist die Bedeutung des Bestandsniveaus für die Reihenfolgetreue.

Beim Vergleich zwischen Abbildung 50 und Abbildung 51 fällt auf, dass sich eine nied-rige Reihenfolgedisziplin bei hohem Bestand quantitativ sehr viel negativer auswirkt als bei zu niedrigem Bestand. In der simulierten Fertigung liegt die Reihenfolgetreue bei einer Reihenfolgedisziplin von 70 bis 80 Prozent und einem mittleren Bestand zwi-schen 19000 und 24000 Stunden bei ca. 20 Prozent (Abbildung 51). Auf dem

wesent-0%

mittlerer Bestand [Std]<9000 oder ( Leer)

9000-14000

lich geringeren Bestandsniveau von 1500 bis 2500 Stunden führt die gleiche Reihen-folgedisziplin zu einer Reihenfolgetreue von ca. 40 Prozent (Abbildung 50).

Je nach Reihenfolgedisziplin einer Fertigung kann ein mittlerer Bestand bestimmt wer-den, auf dem die Termintreue am höchsten ist. Diese Positionierung hinsichtlich Be-stand und Termintreue beschreibt der nachfolgende Abschnitt.