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3. Eigene Untersuchungen

5.2 Kritische Betrachtung der Versuchsanstellung

5.5.4 Einfluß der Sulfatzulage auf den Thiaminstoffwechsel

Untersuchungsziel war die Klärung der Frage, ob Sulfatgaben in vitro thiaminolytische Wirkungen entfalten und ob diese wie beschrieben (RAISBECK 1982; HARRIES 1987;

GOONERATNE et al. 1989 a, b; OLKOWSKI et al. 1991; ROUSSEAUX et al. 1991;

HAMLEN et al. 1993; JEAN-BLAIN et al. 1994,1995; DE OLIVEIRA 1997) von klinischer Relevanz wären.

Die thiaminolytische Wirkung wird anhand erniedrigter Gesamtthiamingehalte im Überstand beurteilt. Dieses Substrat stellt in vivo den flüssigen Panseninhalt dar, der im Labmagen ankommt. Da Vit. B1 postruminal resorbiert wird, repräsentiert der B1-Gehalt im Überstand den zur Resorption anstehenden Anteil von Thiamin und seinen Derivaten (STEINBERG et al. 1977; HÖLLER 1990).

Eine Abnahme des Gesamtthiamingehalts war sowohl während ausschließlicher Sulfatzulage um 8,06 % als auch unter zusätzlicher Thiamingabe um bis zu 12,5 % zu beobachten.

Aufgrund dieser Ergebnisse kann von einer thiaminolytischen Wirkung des Sulfats ausgegangen werden.

Sie fiel moderat aus, da die Vit-B1-Konzentration während des gesamten Versuchszeitraums nicht unter die kritische Grenze von 50 µg/l abfiel. Somit ist anzunehmen, daß mit Sulfatgaben in Zusammenhang gebrachte CCN-Erscheinungen nicht durch Vit.-B1-Mangel bedingt sind (STEINBERG u. KAUFFMANN 1977) .

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch JEAN-BLAIN et al. (1994; 1995) und DE OLIVEIRA et al. (1996; 1997). Obwohl die Veränderungen vermutlich keinen schwerwiegenden Thiaminmangel auslösen, werden zum Teil sehr ausgeprägte Einflüsse auf den Thiaminstoffwechsel innerhalb der einzelnen Pansensaftfraktionen offenbar. Erste Mitteilungen hinsichtlich des gemessenen Thiamins und seiner Derivate liegen bisher von DE OLIVEIRA et al. (1997) und MITTROWANN (1999) vor, deshalb werden im folgenden Veränderungen und Interaktionen zwischen den Fraktionen dargestellt.

1. Pflanzen- und Protozoenfraktion (PPB1)

Die erste Sulfatgabe führte zu einer Zunahme der TMP- und Thiamingehalte um 9,16 % bzw.

um 18,9 %, ab dem 2. Zulagetag sanken die Werte aller Thiaminverbindungen deutlich ab [Gesamtthiamin (GT): - 33,2 %; Thiamin: - 34,4 % ; TMP: - 31,0 %; TDP: - 34,5 %].

Die am ersten Tag der Sulfatzulage gemesssenen Zunahmen des Thiamin- und TMP-Gehalts decken sich auffällig mit einer Zunahme der Protozoenzahl um 12,1 % (vgl. HÖHLING 2000). Offensichtlich reichte in dieser Zeit die reduzierte Sulfit- (Sulfid-) Konzentration noch nicht für toxische Wirkungen aus, sondern förderte sogar den ruminalen protozoalen Stoffwechsel. Insgesamt bedingte die Protozoenzunahme eine höhere Thiaminaufnahme und Phosphorylierung zu TMP. Ab dem zweiten Zulagetag fielen alle Parameter drastisch und

schnell, was durch den massiven Zelltod der Protozoen infolge hoher Sulfitkonzentrationen erklärt werden kann. Dennoch sanken in dieser Fraktion trotz Protozoenrückgangs um 68,4 % die Thiamin- und Derivatkonzentrationen nur um 30,0 - 35,0 %, was wahrscheinlich auf die hohe Thiaminspeicherkapazität der Protozoen zurückzuführen ist.

Die anhaltend sinkenden Protozoengehalte unter Thiamingabe äußerten sich in weiteren Ab-nahmen der Thiaminverbindungen (im Vergleich zu den Kontrollfermentern; GT: - 53,5 %;

Thiamin: - 69,3 %; TDP: - 56,6 %: TMP: - 49,1 %). Innerhalb der Zulagefermenter nahmen die Konzentrationen wieder zu, möglicherweise spielt auch hier das Thiamin-speichervermögen der verbliebenen Protozoenpopulation eine Rolle, wofür auch das sättigungsbedingte Plateau spricht (vgl. Kap. 4.17, Abb. 4.17., 4.17.3 und Tab. 9.42 bzw.

9.41).

2. Bakterienfraktion (BB1)

Die Sulfatzulage führte zu einem deutlichen Anstieg der Gesamtthiamin- (+ 11,3 bis + 18,8 %), TDP- (+ 29,6 %), TMP- (+ 20,3 %) und einer Erniedrigung der Thiaminkonzentration (- 5,00 bis - 15, 0 %). Diese Veränderungen sprechen für die unter Punkt 5.5.2 und 5.5.3 geäußerten Vermutungen, daß die Bakterienzahl unter Sulfatgabe stark angestiegen ist (Proteingehalt + 68,5 %). Die abnehmenden Thiamingehalte deuten darauf hin, daß der gesteigerte Thiaminbedarf wachsender Bakterienzahlen durch Aufnahme aus dem umgebenen Medium (bakterienfreier Überstand) nicht mehr gedeckt werden kann und die Bakterien zelleigenes Thiamin phosphorylieren. Die hohen TMP- und TDP-Gehalte bestätigen indes eine hohe Phosphorylierungsrate.

Unter Thiamingabe verstärkten sich die Veränderungen z. T. sehr deutlich (GT: + 30,3 %:

Thiamin: + 17,1 %: TDP: + 106 %: TMP: + 27,8 %). Die Thiaminaufnahme durch die Bakterien wurde bereits am ersten Tag dieser Zulagephase gesättigt, die übrigen Parameter erst ab dem dritten Thiaminzulagetag. Die Phosphorylierung des aufgenommenen Thiamins war auch während dieser Phase außerordentlich hoch (s. Tab. 9.47 - 9.49). Eine gesteigerte Thiaminsyntheserate der Bakterien, als Ursache für die angestiegenen Thiamin-konzentrationen kann aufgrund des in der Literatur beschriebenen negativen Feedbacks nach täglichen Thiamingaben von 0,3 mg je Fermenter ausgeschlossen werden (NEVEL u.

TUCKER 1966).

3. Bakterienfreie Fraktion (BfB1)

Diese Fraktion stellt denjenigen Thiaminanteil dar, der nicht in Bakterien und Protozoen gespeichert wird. Bei erhöhtem Bedarf durch Bakterien und Protozoen wird das Thiamin dieser Fraktion entzogen, bei einem Überschuß (Sättigung) innerhalb der PPB1- und BB1 -Fraktion an diese abgegeben. In diese -Fraktion gelangt das Thiamin nach Injektion während der Thiaminzulagephase.

Die Sulfatgabe bewirkte folgende Veränderungen: (GT: 7,54 %; Thiamin: + 20,0 % bis -11,6 %: TDP: bis - 7,14 %; TMP: + 4,18 % bis - 20,9 %). Die positiven Werte zu Beginn dieser Phase lassen sich auf die Ereignisse in der PPB1-Fraktion zurückführen. Die schnelle und starke Lysis der Protozoen setzt zunächst viel Thiamin- und Derivat-Gehalte frei, welche

die Werte in dieser Fraktion ansteigen lassen. Bei Zunahme der Bakterienzahl verschieben sich die Thiamin-und Derivatkonzentrationen im Verlauf der nächten Tage und lassen deshalb die Konzentrationen in dieser Fraktion sinken, in der bakterienhaltigen Fraktion aber ansteigen. Unter Thiamingabe fielen die Konzentrationen weiter ab (GT: 15,6 %; Thiamin: -13,1 %; TDP: bis - 20,5 %; TMP: - 24,2 %; s. Tab. 9.43 - 9.46). Das in diese Fraktion injizierte Thiamin wird nur in geringem Maße von der PPB1-Fraktion aufgenommen (da ungefähr 84 % aller Protozoen tot sind; HÖHLING 2000), der überwiegende Teil geht in die Bakterienfraktion über. So findet eine deutliche Verschiebung der Thiamin- und Derivatkonzentration in die bakterienhaltige Fraktion statt, während die „Abgabe“ in die Protozoenfraktion nur eine untergeordnete Rolle spielt.

4. Fermenterflüssigkeit (Gesamtfraktion)

Die Parameter der PPB1-, BB1- und BfB1-Fraktionen müßten als Summe die Werte dieser Fraktion ergeben. Das ist aber nicht der Fall. Die Gesamtthiamin-, Thiamin-, TDP- und TMP-Gehalte der Fermenterflüssigkeit weisen konstant zwischen 9,00 % und 23,0 % niedrigere Werte als die Summe der Einzelfraktionen (vgl. auch MITROWANN 1999) auf. Die Ursache dafür könnte in der Auftrennung der Fraktionen, d. h. der Probenaufbereitung bis zur HPLC liegen. Um dieses klären zu können, müßten weitere Untersuchungen folgen.

Die erfaßten Veränderungen unter der Sulfat- [Gesamtthiamin (GT): + 3,8 % bis - 4,46 %;

Thiamin: - 3,56 % bis + 28,5 %; TMP: bis + 25,5 %; TDP: - 5,48 %] und Thiamingabe (GT:

- 10,3 %; Thiamin: + 25,8 % bis - 15,4 %; TMP: + 18,0 %; TDP: - 5,13 % bis - 7,89 %) spiegeln aber trotz der Abweichungen den Verlauf der Einzelfraktionen als Summe wider.

Die Veränderungen dieser Fraktion können auch nur als Hinweis angesehen werden, daß sich etwas ändert. Sie geben aber keinen Aufschluß darüber, in welcher der Fraktionen die größten Abweichungen gemessen wurden bzw. welche Interaktionen zwischen den einzelnen Fraktionen ablaufen. Für die Ergebnisinterpretation sind deshalb die oben ausführlich beschriebenen Einzelfraktionen wichtig. Diese Fraktion spielt in der Bewertung der Ergebnisse nur eine untergeordnete Rolle.

Abschließend kann von einem sulfatbedingten Einfluß auf das Fermentationsgeschehen des Thiamins ausgegangen werden. Die deutlichsten Veränderungen spiegeln sich in der Pflanzen-/Protozoen- und Bakterienfraktion wider und als Folge beider auch in der bakterienfreien Fraktion. Während es in der Protozoenfraktion zu einer starken Populations-reduzierung (HÖHLING 1999) mit wahrscheinlich nachfolgender Verminderung der Thiaminaufnahme und Phosphorylierung kam, wird die Zahl der sulfat-/sulfitreduzierenden und eines Teils der cellulolytischen (cellobioseverwertenden) Bakterien möglicherweise stark zugenommen und eine verstärkte Aufnahme- und Phosphorylierungsrate des Thiamins in der Bakterienfraktion zur Folge gehabt haben. Der bakterienfreie Überstand diente dabei als Transportmedium für das Thiamin und seine Derivate.

Die im Überstand festgestellte Abnahme der Gesamtthiaminkonzentration (- 12,5 %) scheint einerseits gering zu sein, andererseits fiel die Konzentration während des gesamten Versuchs-zeitraums nicht unter 50 µg/l, welche als Grenzkonzentration des Labmagens für die Entstehung einer CCN angesehen wird (STEINBERG u. KAUFFMANN 1977). Man kann

deshalb davon ausgehen, daß unter den hier durchgeführten Bedingungen ( und Sulfat-/Thiaminzulage) eine Entstehung der CCN nicht zu erwarten gewesen wäre.