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Hemmung durch Polyanionen

CD 50 -Hepatozyten -HepG2

5.1. Strukturelle Einblicke

5.1.1. Vergleich der hoch konservierten ATP-Bindungstaschen

5.1.2.1. Einfache Substituierungen am Anthrachinongrundgerüst

Verbindung A-1 Docking KD-Werte IC50-Werte

CK-1 3.38E-06 14.1µM

CK-2 3.22E-07 300nM

GSK-3β 3.04E-06 16.5µM

CDK2/cyclinA 2.88E-05 n.d.

[5-6] Überblick über die virtuellen KD-Werte und den gemessenen IC50-Werten der Leitstruktur Emodin

Ziel der „Struktur-Wirkungs-Analysen“ ist eine Verbesserung der inhibitorischen Eigenschaften gegenüber der Leitstruktur Emodin (A-1), bei gleichzeitiger Erhöhung der Selektivität gegenüber den einzelnen Proteinkinasen.

Ausgangspunkt waren die im Kapitel 5.1.1. gezeigten Bilder über die Bindungstaschen- und oberflächen der verschiedenen Proteine im Komplex mit der Leitstruktur Emodin (A-1), um die Konsequenzen der chemischen Modifizierungen am anthranoiden Grundgerüst auf ihre inhibitorische und ihre selektiven Eigenschaften hin zu untersuchen.

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

0 20 40 60 80 100 120

Protein Kinaseakti vität (%-Kontrolle)

Hemmstoffkonzentration (µM)

[5-7] Inhibitionskurve der Leitstruktur Emodin für die CK-2

Dabei zeigte, zum Beispiel, die Verbindung A-6 als einzige Unterstruktur der Anthranoide, eine reduzierte virtuelle Inhibition für die Kinase CK-2 (KD=8,05E-06), im Gegensatz zu einer etwa 10fach höheren berechneten Bindung gegenüber der GSK-3β (KD=8,58E-07).

Im Allgemeinen scheinen Wasserstoffbrückenbindungen zum Ligandenrest R3 für die Hemmung der GSK-3β zumindest virtuell eine große Rolle zu spielen (A-5: KD=8,58E-07 und A-6: KD=9,44E-07). Diese außerordentliche Hemmung konnte leider in vitro nicht nachgewiesen werden, die IC50-Werte lagen teilweise größer als 100µM.

Die Verhinderung der Ausbildung dieser Wasserstoffbrücken über Acetylierungen, wie in den Verbindungen A-5 und A-6, zeigt eine starke Reduzierung der Hemmwirkung für die CK-2 (KD-Werte nur noch in einem Bereich von 10-6). Im Kontrast dazu steht die Maskierung von R3 durch Veresterung, wie in den Verbindungen A-7 und A-8 (KD-Werte im Bereich von 10-7), sowie einer ausgesprochen hohen Selektivität gegenüber den anderen Kinasen (10fach gegenüber CK-1 und GSK-3β und sogar 100fach gegenüber CDK2/cyclinA), bezogen auf die Leitstruktur Emodin (A-1).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die inhibitorische Effektivität der Leitstruktur A-1 gegenüber der Proteinkinase CK-2 mit einem Wertebereich von 10-7 auf 10-8 sich virtuell gesteigert hat und auch die Selektivität verbessert werden konnte. Immerhin zeigten 2 von 4 Verbindungen in-vitro Daten von kleiner 12µM. Im Kontrast zu den virtuellen Werten konnte aber in-vitro keine Verbesserung der inhibitorischen Eigenschaften der Leitstruktur in dieser Verbindungsklasse gefunden werden.

Dennoch liefert diese Verbindungsklasse, vor allem bei Versuchen mit Zellkulturen, interessante Eigenschaften. So wird in den nahezu identischen CD50-Werten der acetylierten und der nicht-acetylierten Variante deutlich, dass die Zellen, egal ob gesunder Primärhepatozyt oder auch die entartete Zelle aus der Tumorzelllinie HepG2, in der Lage sind über ihr natürliches Esterasesystem diese niedermolekularen Verbindungen fast vollständig zu deacetylieren. So kann die eigentliche Wirkform, wie hier im Beispiel das Rhein und nicht das Diacetylrhein in der Zelle vorliegen. Dem Diacetylderivat kann demnach eine Art Pro-Drug-Funktion zugeschrieben werden.

O

Pro-Drug Aktivitäten durch Esterasespaltung der Acetylgruppen:

Heps: 88.8µM HepG2: 45.5µM

Heps: 68.2µM HepG2:37.5µM

[5-8] Vergleich der CD50-Werte für Pimärhepatozyten (Heps) und HepG2-Tumorzellen der Verbindungen Diacetylrhein (A-5) und seiner deacetylierten Form Rhein

Interessant sind diese Ergebnisse in Hinsicht auf Veränderungen in den Löslichkeitseigenschaften und ferner auch von Relevanz für die Resorption im Körper.

Des Weiteren zeigt sich in der Maskierung der Säurefunktion durch Ethylestersubstituenten eine signifikante Erhöhung der zytotoxischen Eigenschaften für die Tumorzelllinie HepG2, welches den Rückschluss zulässt, dass die Tumorzelle wesentlich sensitiver auf diese Substituierung reagiert.

Erhöhung der Tumorzelltoxizität durch Ethylestersubstituenten:

O

[5-9] Vergleich der CD50-Werte für Pimärhepatozyten (Heps) und HepG2-Tumorzellen der Verbindungen Emodinsäure und Emodinsäureethylester (A-8)

Weiterhin zeigt sich eine moderate Verringerung der Zytotoxizität für primäre Hepatozyten, weshalb man vorsichtig den Schluss ziehen kann, dass diese Substituierungen auch einen möglichen Schutz gesunder Primärzellen bietet, welches auch bei der Verbindung A-7 noch einmal sehr deutlich zum Tragen kommt.

O OH OH

O

COOH

OH O OH

[5-10] Vergleich der CD50-Werte für Pimärhepatozyten (Heps) und HepG2-Tumorzellen der Verbindungen Rhein und Rheinethylester (A-7)

5.1.2.2. 2,4,6,8-Tetranitroanthranoide

Die Untersuchung, der mit Nitrogruppen (-I und -M Effekt) vollbesetzten Anthranoide, zeigte keine verbesserte inhibitorische Aktivität gegenüber unserer Leitstruktur Emodin. Vielfach unabhängig vom zusätzlichen Substitutionsmuster an den Kohlenstoffatomen C1, C3, C7 oder C9 zeigt sich eine relativ einheitliche Hemmung zwischen 10 und 15µM für die Proteinkinase CK-2.

[5-11] Übersicht über die IC50-Werte

Das R2/R3 unsubstituierte Derivat B-1 (2,4,6,8-Tetranitrochrysazin) zeigt eine besser Hemmung der GSK-3β im Vergleich zu seinem emodinischen Grundgerüst der Verbindung B-2 (2,4,6,8-Tetranitroemodin). Verbindung B-2, wie auch seine methylierte Variante B-4, zeigen eine schlechte inhibitorische Potenz gegenüber der GSK-3β. Im Vergleich zur Leitstruktur zeigen die Tetranitroderivate keine erhöhte Hemmung oder auch Selektivität.

Heps: 68.2µM HepG2: 37.0µM

O

COOEt Erhöhung des Zellschutzes für gesunde Hepatozyten:

Heps: >4.75mM HepG2: 64.8µM

Eine Maskierung der kopfständigen Hydroxylgruppen durch Acetylierung scheint, trotz der Raum füllenden Eigenschaften des Substituenten, keinen Einfluss, auf eine gesteigerte Hemmung gegenüber der CK-2, auszuüben. Im Gegensatz zu der sehr stark reduzierten Aktivität gegenüber der CK-1, in Übereinstimmung zu A-5 (Diacetylrhein), zeigen sich virtuelle KD-Werte im 10-5 Bereich und auch ein IC50 Wert von 467,5µM. Letztendlich zeigen alle Tetranitroderivate gegenüber der CK-2 eine ähnliche inhibitorische Aktivität zwischen 10 und 20µM, unabhängig von den anderen Resten am Molekül, welche wahrscheinlich in ihrer Wirkung und Potenz nur eine, den größeren und chemisch aktiveren Nitrogruppen, untergeordnete Rolle spielen.

5.1.2.3. Vom Emodin abgeleitete C4-aminosubstituierte Anthranoide

C-5 (IC50=1,7µM; KD=3,45E-06) ist ein ausgeprägter GSK-3β-Inhibitor, aber ohne jegliche Selektivität. Diese Verbindung zeigt fast keine Selektivität gegenüber den drei gemessenen Proteinkinasen, weder in den Computer-berechnungen noch in den Phosphorylierungsassays.

Verbindung C-5 Docking KD-Werte IC50-Werte

CK-1 5.57E-06 1.8µM

CK-2 6.48E-06 1.9µM

GSK-3β 3.45E-06 1.7µM

CDK2/cyclinA 1.75E-05 n.d.

[5-12] Vergleich der in-silico berechneten Docking KD-Werte und den in-vitro gemessenen IC50-Werten der Verbindung C-5

Der Rest R1 der Verbindung C-5 ist scheinbar zu lang, um eine wichtige stabilisierende Wasserstoffbrücke zur Aminosäure Glu137 (Abstand größer 5Å) herzustellen.

Mit einer kürzeren Alkylkette, wie zum Beispiel einer Kettenverkürzung durch einen Austausch des Propyl- durch ein Ethylzwischenstück könnte eine Verbesserung der inhibitorischen Eigenschaften, erreicht werden. Terminal könnte man noch über einen Austausch der endständigen Aminogruppe durch eine Carbonamidgruppe nachdenken. So könnte die Aminogruppe doch noch mit der Aminosäure Glu137 interagieren und zusätzlich mit der Carboxyfunktion eventuell die basische Oberfläche des Arg141 erreichen (Abstände von der Aminogruppe zum Arg141 sind kleiner 5Å), was zu einer stärkeren Verankerung des Liganden in dieser Position führen würde und somit die Hemmwirkung vielleicht positiv beeinflussen würde.

[5-13] Orientierungen der Verbindung C-5 in der ATP-kompetitiven Bindungsregion der GSK-3β, deutlich sichtbar ist das Herausdrehen der basischen Aminogruppe durch den langen Alkylrest, wenn die Kette sich um ein C-Atom verkürzen würde, wäre die saure (rote) Oberfläche der Aminosäure Glu137 besser für Wechselwirkungen erreichbar

Die Verbindungen C-6 bis C-8 stellen auch Alkyldiaminderivate des Emodins dar, mit dem Unterschied, dass sie einen großen raumfüllenden Aminosäureesterrest am Grundgerüst besitzen (6: Acetyl-; 7: Benzyl-; C-8: Phthalsäure-). Sie zeigen eine herausragende Hemmung in-silico in einem Bereich von 10-7 bis 10-9.

Im Hinblick auf die Bindungssituation am Enzym müssen die Daten aber durch die Anzahl freier Schweratome herunterkalkuliert werden, welche außerhalb der Bindungsregion liegen. Die Ursache liegt im Dockingprogramm, wonach diese Schweratome auf der Proteinoberfläche gebunden, berechnet werden, unter physiologischen Bedingungen aber meist frei rotierend im Raum vorkommen.

[5-14] Übersicht zur Dockingproblematik weit herausragender Substituenten

Dies ist der Grund für die hohen Abweichungen zwischen den guten Dockingberechnungen und den gemessenen Werten, welche im Bereich der anderen Anthranoide dieser Gruppe liegen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die IC50-Werte aller getesteten Inhibitoren dieser Verbindungsgruppe zwischen 700nM und 15µM für die CK-2 liegen und keine inhibitorische Steigerung der Effektivität und Selektivität im Vergleich zur Leitstruktur Emodin (A-1) erreicht werden konnte. Eine Ausnahme ist hier die erstaunlich große inhibitorischen Potenz gegenüber der GSK-3β.

[5-15] Ligandenorientierung der Verbindung C-8 an der Oberfläche der Proteinkinasen CK-1 (links), CK-2 (mitte) und GSK-3β (rechts)

Verbindung CK-1 CK-2 GSK-3β CDK2/cyclinA

C-5 1.8µM 1.9µM 1.7µM n.d.

C-6 n.d. 13.8µM n.d. n.d.

C-7 13.3µM 5.9µM 12.6µM n.d.

C-8 28.7µM 700nM 31.9µM n.d.

[5-16] Übersicht über die gemessenen IC50-Werte dieser Verbindungsklasse

5.1.2.4. Vom Emodin abgeleitete C3/C4-ringsubstituierte Anthranoide

Dockingstudien, von Verbindungen mit ringförmigen Substituenten, wurden unter Beachtung ihrer konformativen Aspekte hin untersucht: axiales oder äquatoriales Ringsystem und der Ausrichtung R oder S konfiguriert am Aminosubstituenten.

Für diese Verbindungsklasse scheint die Aminosäure Ile66 (spezifisch für Zea mays) eine entscheidende Rolle zu spielen. Verbindung D-6 zeigt eine leicht verbesserte Hemmung in den drei untersuchten Kinasen mit einer analogen Selektivität, welche aber leider nicht in den Dockingstudien gezeigt werden konnte. Mit 600nM für D-6 gehört diese Verbindung ebenfalls in die Klasse der potenten CK-2 Inhibitoren. Strukturell liegen diese Liganden in derselben Orientierung des Grundgerüstes, wie A-1 in der ATP-Bindungstasche, mit einer nur sehr kleinen Abweichung der Ringsysteme.

Die Diazaderivate D-4 und D-5, mit der Befähigung zur Ausbildung polarer Interaktionen, nehmen in der Bindungsstelle unterschiedliche Orientierungen des emodinischen Grundgerüstes ein.

Die Verbindung D-4 ist eine der wenigen CK-1 Inhibitoren mit IC50-Werten kleiner 20µM (IC50=2,9µM; Docking-KD=1,34E-06; ähnlich wie A-1, C-5 und C-7) mit einer erstaunlichen Verbesserung der IC50-Werte gegenüber Emodin (A-1).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, das diese C3-C4-substituierten aminocyclischen Varianten des Emodins (A-1) eine etwa 10fache bessere theoretisch berechnete Affinität zur ATP-Bindungstasche der CK-1, GSK-3β und auch der CDK2/cyclinA besitzen. Im Gegensatz dazu, liegen hier die KD-Werte der CK-2 in einem nur moderat besseren Bereich. Insgesamt scheint die Selektivität in dieser Gruppe gegenüber der CK-2 reduziert zu sein.

Verbindung CK-1 CK-2 GSK-3β CDK2/cyclinA

D-4 2.9µM 17.2µM 11.2µM n.d.

D-5 >50µM >50µM >50µM n.d.

D-6 >50µM 600nM >50µM n.d.

[5-17] Übersicht über die gemessenen IC50-Werte dieser Verbindungsklasse

Diese Klasse von Emodinderivaten repräsentiert ein interessantes Feld für große, raumfüllende Modifizierungen am anthranoiden Grundgerüst, ersichtlich an Hand von relativ gut gemessenen IC50-Werte im oberen nanomolaren Bereich (D-6: 600nM/ 6,02E-07) und auch unteren mikromolaren Bereich (IC50-Werte kleiner 20µM) Tabelle 5-17.

Die schlechte theoretische Selektivität dieser Verbindungsklasse wird durch die gemessenen Werte nicht unterstützt.

In dieser heterogenen Gruppe von zyklischen Derivaten stimmt die Korrelation zwischen theoretischem und gemessenem Zustand kaum überein, weil in dieser Verbindungsklasse die ATP-Bindungstasche oft nicht die besten Platzierungen des Liganden belegt und weiterhin die Bindungstasche oft nicht optimal durch den Liganden ausgefüllt wird.

Ursache ist häufig eine sterische Behinderung durch die größeren und stärker Raum füllenden Substituenten.

5.1.3. Natürliche Flavonoide

Hier untersuchten wir eine Familie von pflanzlichen Polyphenolen welche, im Unterschied zu den vorwiegend gezielt modifizierten Anthranoiden, sich hauptsächlich in der Art und Anzahl der polyphenolischen Hydroxylgruppen unterscheiden. In diesem Hinblick sind hydrophobe Wechselwirkungen zum chemischen Grundgerüst vielfach ähnlich oder gleich in dieser Verbindungsklasse.

Flavonoide

Flavone Flavonole Flavane Flavanonol

Flavon

[5-18] Übersicht über die Untergruppen der Flavonoide

Im Speziellen soll es in dieser Verbindungsklasse um die relevanten Aminosäuren für die Ausbildung der Wasserstoffbrückenbindungen gehen.

Ein systematischer Strukturvergleich der Flavonoide wurde durchgeführt.

Damit konnten wichtige Unterschiede in den ATP-kompetitiven Bindungen aufgezeigt werden und leisteten damit einen Beitrag zu Selektivitätsmerkmalen gegenüber den einzelnen Kinasen. Die Tabelle 5-19 liefert eine Übersicht über die virtuellen KD-Werte aller untersuchten Flavonoide.

Klasse Flavonoid CK-1 CK-2 GSK-3β CDK2/

cyclinA Flavane Naringenin 1.24E-06 4.07E-07 3.59E-06 7.04E-06 Flavone Flavon 1.61E-05 3.87E-06 6.67E-06 4.59E-05 5-Hydroxyflavon 1.14E-05 2.02E-06 8.06E-06 2.00E-05 7-Hydroxyflavon 4.83E-06 1.50E-06 1.08E-05 9.47E-06 3’,4’-Di-OH-flavon 4.88E-06 1.25E-06 3.83E-06 3.12E-06 Chrysin 2.55E-06 6.42E-07 5.85E-06 1.57E-05 Apigenin 1.34E-06 2.69E-07 1.52E-06 4.22E-06 Luteolin 1.38E-06 4.88E-07 1.67E-06 7.88E-07 Diosmetin 2.36E-06 1.00E-06 3.06E-06 4.64E-06 Hydnocarpin 8.86E-07 9.20E-07 6.72E-07 1.49E-06 Flavanonole Silibinin 1.37E-07 1.42E-07 5.89E-07 1.89E-06 Flavonole Kaempferol 5.05E-07 9.91E-07 2.46E-06 2.10E-06 Quercetin 6.89E-07 8.31E-07 5.23E-07 2.43E-06 Myricetin 5.16E-07 8.59E-07 2.73E-06 1.14E-05 Isoflavone Biochanin-A 7.42E-06 1.22E-06 2.74E-06 2.10E-05

[5-19] Übersicht über die virtuellen Docking KD-Werte dieser Verbindungsklasse

5.1.3.1. Flavone

Ausgangspunkt unserer Betrachtungen war die Basisstruktur Flavon ohne jegliche Hydroxylierung des C6-C3-C6-Systems.

A

[5-20] Darstellung des flavonoiden Grundgerüstes als C6-C3-C-6 System, bestehend aus 15 Kohlenstoffatomen (rote Punkte), 2 Benzenringen (hellgrüne Pfeile) verbunden durch eine lineare Kette dreier Kohlenstoffatome (dunkelgrüne Pfeile)

Flavone hemmen die CK-2 selektiv gegenüber der CK-1, verursacht durch die Fähigkeit Wasserstoffbrücken von der C4-Carboxylgruppe der linearen Kohlenstoffkette zur basischen und stark polaren (pKa=10,8/ Polarität:

+15,0) Aminogruppe Lys68 (Distanz: 1,84Å) auszubilden.

-6,54 -7,38 -7,06

[5-21] Bindungssituation des Flavons in der ATP-kompetitiven Bindungsstelle der CK-1 (links), CK-2 (mitte: Lys63 entspricht Lys68) und GSK-3β (rechts: Val101 entspricht Val135) mit ihren jeweiligen freien Energien (grüner Kreis)

Außerdem zeigt Flavon keinerlei Affinität zur alternativen, nicht-kompetitiven Bindungsstelle der CK-1. Die Hemmung gegenüber der GSK-3β ist leicht reduziert durch den Fakt, dass die gleiche Carboxylgruppe über Wasserstoffbrücken zu den Proteinrückgratatomen der aliphatischen Aminosäure Val135, aber in einer längeren Distanz von 2,15Å ausgebildet wird.

Im Folgenden wollen wir die hemmende Potenz und gleichfalls die für die Selektivität relevanten, unterschiedlichen Positionen der Hydroxylgruppen am Flavongrundgerüst untersuchen. Veränderungen erfolgten zum Beispiel durch eine Zunahme der Hydroxylgruppen am Grundgerüst, als auch durch Maskierungen einzelner Hydroxylgruppen durch Methylierung, der Verwendung von Isovarianten der entsprechenden Flavonoide und auch großen, raumgreifenden Substituenten (R1-R3), basierend auf natürlich vorkommenden Flavonoiden.

Beginnend mit Hydroxylierungen am A-Ring, zeigt die Position 5 für eine Hydroxylgruppe keine Relevanz für die Orientierung des Liganden in der ATP-Bindungstasche.

-6,83

-6,75 -7,77

[5-22] Bindungssituation des 5-OH-Flavons in der ATP-kompetitiven Bindungsstelle der CK-1 (links), der nicht-kompetitiven Bindungsstelle der CK-1 (mitte: Asp81) und der ATP-kompetitiven Bindungsstelle der CK-2 (rechts: Lys63 entspricht Lys68) mit ihren jeweiligen freien Energien (grüner/ roter Kreis)

Die 5-OH-Gruppe liegt, ausgerichtet zur sauren Carbonylgruppen von Glu81 und Asp175 der CK-2, in einem viel zu großen Abstand für starke Wasserstoffbrückenbindungen, in einer Entfernung von 2,5Å-4,0Å.

Substituierungen an dieser Stelle könnten trotzdem in Betracht gezogen werden, indem man durch Ketten verlängernde CH2-Gruppen die Hydroxylgruppe näher in Richtung dieser Aminosäuren bringt. Markant für diese Verbindung ist die Präferenz für die nicht-kompetitive Bindungsstelle der CK-1 mit wesentlich kleineren freien Energien (Abbildung 5-22: roter Kreis) zwischen Protein und Ligand und damit einer stärkeren Bindung zwischen beiden Komponenten, bedingt durch eine mögliche Wasserstoffbrückenbindung in dieser Position.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass vor allem in den Docking-Werten nur ein relativ kleiner Unterschied in diesen Verbindungen besteht.

Die 7-Hydroxyflavonverbindung konvertiert zu einer anderen Orientierung in der Bindungstasche, verursacht durch die Hydroxylgruppe in Position 7 des A-Ringes, welche nun Wasserstoffbrückenbindungen zu der sauren Aminosäure Glu81 in einem besseren Bindungsverhältnis wie die Hydroxylgruppe an Position 5 eingeht, auf Grund kleinerer Abstände von 2,14Å und damit stabilerer Ausbildung der Wasserstoffbrücke.

Hydroxylierung im A-Ring Hydroxylierung

im A-Ring

Flavon

Flavon 5-OH-FLavon5-OH-FLavon 7-OH-FLavon7-OH-FLavon

-6.75

Flavon 5-OH-FLavon5-OH-FLavon 7-OH-FLavon7-OH-FLavon

-6.75

-6.75 -7.25-7.25 -6.54

-6.54 < <

[5-23] Bindungssituation des 7-OH-Flavons in der ATP-kompetitiven Bindungsstelle der CK-1 (links), CK-2 (mitte: Glu76 entspricht Glu81) und GSK-3β (rechts: Val101 entspricht Val135) mit ihren jeweiligen freien Energien (grüner Kreis)

Die Carboxylfunktion des Flavons erreicht nicht das für die CK-2 bindungswichtige Lys68, weil die Orientierung des Liganden mit dieser funktionellen Gruppe zu den Rückratatomen des Glu114 wechselt, aber auch hier ohne relevante Abstände für starke polare Wechselwirkungen (Distanz

>5Å) ist.

[5-24] Übersicht über die Auswirkungen der verschiedenen Hydroxylierungen im A-Ring des flavonoiden Grundgerüstes der CK-1 (links) und der CK-2 (rechts) mit Blick auf die freien Energien

Flavon 5-OH-FLavon5-OH-FLavon 7-OH-FLavon7-OH-FLavon

-7.77

Flavon 5-OH-FLavon5-OH-FLavon 7-OH-FLavon7-OH-FLavon

-7.77

-7.77 -7.94-7.94 -7.38

-7.38 < <

Hydroxylierung im A-Ring Hydroxylierung

im A-Ring

Flavon

Flavon 5-OH-FLavon5-OH-FLavon 7-OH-FLavon7-OH-FLavon

-6.95

Flavon 5-OH-FLavon5-OH-FLavon 7-OH-FLavon7-OH-FLavon

-6.95

-6.95 -6.78-6.78 -7.06

-7.06

> >

Ein großer Vorzug der 7-OH-Verbindung ist die außerordentlich schlechte theoretische Bindung und damit einer großen Selektivität zum Protein GSK-3β.

[5-25] Übersicht über die Auswirkungen der verschiedenen Hydroxylierungen im A-Ring des flavonoiden Grundgerüstes der GSK-3β mit Blick auf die freien Energien

Chrysin, das 5,7-Dihydroxyflavon, zeigt wie vermutet eine leicht verbesserte Hemmung (5-OH: 40,5µM > 7-OH: 5,0µM > 5,7-OH: 2,7µM), welche sich auch in den theoretischen Berechnungen nachvollziehen lässt (5-OH: 2,02E-06 > 7-OH: 1,50E-2,02E-06 > 5,7-OH: 6,42E-07).

--7,94

-7,77 -8,45

[5-26] Vergleich der möglichen Wasserstoffbrückenbindungen zur ATP-kompetitiven Bindungsstelle der CK-2 für das 5-OH-Flavon (links), 7-OH-Flavon (mitte) und 5,7-Dihydroxyflavon Chrysin (rechts) mit ihren jeweiligen freien Energien (grüner Kreis)

Apigenin besitzt auch die 5,7-Hydroxylierungen im A-Ring, zusätzlich in der 4’-Position des B-Rings eine Hydroxylierung und zeigt über eine mögliche dreiseitige Stabilisierung und Verankerung über Wasserstoffbrücken-bindungen, sowohl in-silico (KD=2,69E-07) als auch in-vitro mit 500nM,

eine deutliche Verbesserung der inhibierenden Wirkung. Im Vergleich zum Chrysin liegt auch Apigenin in der gleichen Orientierung in der Bindungsstelle, in dem der B-Ring zum aromatischen Kern der vorwiegend nichtpolaren Aminosäure Phe113 (Distanzen: 3,5-4,5Å) ausgerichtet ist.

Damit ist schon eine Grundstabilisierung über hydrophobe Wechselwirkungen grundlegend vorhanden, welche die ausgesprochen gute Bindungseigenschaft und Inhibitorwirkung erklärt.

Auch das Flavonoid Luteolin liegt mit seinem B-Ring ausgerichtet zum Phe113, aber mit einer gegensätzlichen Orientierung des A-Ringes.

Nichtsdestotrotz steuern die vorhandenen Hydroxylgruppen die gleichen Aminosäuren an, egal von welcher Position die Wasserstoffbrücken ausgehen.

-8,61

-8,00 -7,88

[5-27] Bindungssituation des Luteolins in der ATP-kompetitiven Bindungsstelle der CK-1 (links), CK-2 (mitte: Arg42 = Arg47; Glu76 = Glu81; Asn113 = Asn118) und GSK-3β (rechts:

Asp99 = Asp134; Val101 = Val135; Pro102 = Pro136) mit ihren jeweiligen freien Energien (grüner Kreis)

Der KD-Wert mit 4,88E-07 scheint ein bisschen schlechter gegenüber dem Apigenin, obwohl die Hydroxylgruppen die gleichen Wasserstoffbrücken zu den gleichen Aminosäuren ausbilden, aber in einem Abstand, der etwas schlechter ist (Distanzen: 2,3-3,6Å). Damit sind sie instabiler in ihrer Ausprägung.

Flavonhydroxylierung im B-Ring Flavonhydroxylierung

im B-Ring

Chrysin

Chrysin ApigeninApigenin LuteolinLuteolin

-8.96

Chrysin ApigeninApigenin LuteolinLuteolin

-8.96

[5-28] Übersicht über die Auswirkungen der verschiedenen Hydroxylierungen im B-Ring des flavonoiden Grundgerüstes der CK-2 (links) und der GSK-3β (rechts) mit Blick auf die freien Energien (für die CK-1 sieht die Grafik ähnlich aus, nur dass Luteolin gleich mit dem Apigenin liegt)

Ein Ausschalten einer dieser funktionellen Gruppen, welche über ihre Dreiseitigkeit stabilisierend wirken, wie im Diosmetin, bedingt erst einmal keine Modifikation oder Veränderung der vorgegebenen Luteolinorientierung.

Es verschlechtert sich die theoretische Bindung (KD=1,00E-06) wie zunächst vermutet, was aber in den gemessenen Werten nicht nachvollzogen werden konnte (IC50=7,0µM für Luteolin und IC50=3,5µM für Diosmetin).

[5-29] Bindungssituation des Luteolins (links) und des Diosmetins (rechts) in der ATP-kompetitiven Bindungsstelle der CK-2 (Arg42 = Arg47; Glu76 = Glu81; Asn113 = Asn118) mit ihren jeweiligen freien Energien (grüner Kreis)

Beim Blick auf die Bindungssituation im Vergleich zwischen Luteolin und Diosmetin wird aber deutlich, dass die 4’-Position keine korrespondierende Aminosäure besitzt und so die Methylierung auch nur eine Untergeordnete Rolle spielt.

-8,61 -8,18

Chrysin ApigeninApigenin LuteolinLuteolin

-7.94

Chrysin ApigeninApigenin LuteolinLuteolin

-7.94

-7.94 -7.88-7.88 -7.14

-7.14 < >

Das zusammengesetzte Flavonoid Hydnocarpin ist für einen optimalen Sitz in der Bindungstasche zu groß und ragt aus dieser heraus. Er zeigt zwar gute theoretische Werte mit 9,20E-07, man muss aber dabei berücksichtigen dass, durch das Programm bedingt, auch Bindungen außerhalb der Bindungstasche mit einfließen, wohingegen in-vitro als auch in-vivo dieser Rest wahrscheinlich durch die Umgebungsbedingungen beeinflusst wird und nicht unbedingt am Enzym bindend vorliegen muss.

-8,24

-9,36 -8,42

[5-30] Bindungssituation des Hydnocarpins in der nicht-kompetitiven Bindungsstelle der CK-1 (links), ATP-kompetitiven Bindungsstelle der CK-2 (mitte: Asn113 = Asn118; Asp115 = Asp120) und der GSK-3β (rechts: Asp99 = Asp 133; Val101 = Val135; Asp166 = Asp200) mit ihren jeweiligen freien Energien (grüner und roter Kreis)

Ein besonderes Augenmerk kann man hier auf die ausgesprochen kleinen Bindungsenergien der nicht-kompetitiven Bindungsstelle der CK-1 (roter Kreis) und die deutlich bessere in-silico Bindung des Hydnocarpins bei der GSK-3β, im Gegensatz zur sonst vorwiegend besseren Hemmung der CK-2 in dieser Verbindungsgruppe, legen.

Zum Schluss haben wir einen Blick auf die Relevanz der A-Ring-Hydroxylierungen vom Luteolin im Vergleich mit seiner unhydroxylierten Variante, dem 3’,4’-Dihydroxyflavon, geworfen. Beim Blick auf die Bindungssituation fällt auf, dass eine Minimumhydroxylierung im A-Ring wichtig für eine tiefere Penetration des Liganden in die Bindungstasche ist.

-8,61 -8,05

[5-31] Bindungssituation des Luteolins (links) und des 3’,4’-Dihydroxyflavons (rechts) in der ATP-kompetitiven Bindungsstelle der CK-2 (Arg 42 = Arg47; Glu76 = Glu81; Asn113 = Asn118; Thr114 = Thr119; Val157 = Val163) mit ihren jeweiligen freien Energien (grüner Kreis)

Abschließend lässt sich feststellen, dass die Flavonklasse der Flavonoide im Großen und Ganzen eine sehr selektive Klasse für die Proteinkinase CK-2 darstellt.

5.1.3.2. Flavanone

Ein Vergleich zwischen Flavonen und Flavanonen zeigt keinen relevanten Einfluss auf die Inhibierung der CK-2.

-8,96 -8,72

[5-32] Bindungssituation des Apigenins (links) und des Naringenins in der ATP-kompetitiven Bindungsstelle der CK-2 (Arg 42 = Arg47; Glu76 = Glu81) mit ihren jeweiligen freien Energien (grüner Kreis)

eide flavonoiden Unterklassen orientieren sich ähnlich bis nahezu gleich

.1.3.3. Flavanonole

ilibinin, ein zusammengesetztes Flavanonol, zeigt die höchste virtuelle

Bindungsstelle der

CK-iese Verbindung zeigt eine hervorragende Ausfüllung der Bindungstasche B

zueinander in der Bindungstasche, dies bedingt keinen augenmerklichen Unterschied in den Abständen zu den Aminosäuren Arg47 (2,21Å-2,35Å) und Glu81 (2,20Å-1,72Å). Auch die gemessenen IC50-Werte und berechneten KD-Werte unterstützen diese Aussage. Der Wert für Apigenin liegt bei 500nM (KD=2,69E-07) und für Naringenin bei 1,6µM (KD=4,07E-07).

5

S

Hemmung (KD=1,42E-07) gegenüber der CK-2, aber auch ohne Selektivität gegenüber der CK-1 (KD=1,37E-07).

-8,50

-9,36 -9,34

1 [5-33] Bindungssituation des Silibinins in der ATP-kompetitiven

(links), CK-2 (mitte: Pro154 = Pro159) und der GSK-3β (rechts: Ser32 = Ser66; Val101 = Val135; Asp147 = Asp181) mit ihren jeweiligen freien Energien (grüner Kreis)

D

der CK-2 mit seinem flavonoiden Grundgerüst, aber einen aus der Tasche

der CK-2 mit seinem flavonoiden Grundgerüst, aber einen aus der Tasche