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1 Inhaltsverzeichnis

2.1 Einführung zum Thema

Headsche Zonen sind Hautareale in denen bei Erkrankungen innerer Organe Hyperalgesie der Haut auftreten kann (Gruyter, 2012). Der Name geht auf den eng-lischen Neurologen Sir Henry Head zurück, der bestimmten Organen definierte Hautsegmente zuordnete. Vorwiegend bestrich er dabei die Haut mit einer Steckna-del und suchte so nach hyperalgetischen Bereichen (Head, 1893) Die Headschen Zonen können daher im Rahmen der körperlichen Untersuchung des Patienten ver-wendet werden und entsprechend dem betroffenen Hautgebiet einen Hinweis auf den Fokus der Erkrankung geben.

Aufgrund der diagnostischen Bedeutung finden sich in zahlreichen medizinischen Lehrbüchern Abbildungen über die nach Sir Henry Head benannten Darstellungen.

Es taucht dabei immer wieder das gleiche Bild auf (Masuhr & Neumann, 2007; Lip-pert, 2000; Trepel, 2008; Bähr & Frotscher, 2014; Schünke, Schulte, Schumacher, Voll & Wesker, 2006; Gruyter, 2012; Wancura-Kampik, 2009). Dieses ist in Abbil-dung 1 dargestellt.

Der Mediziner kommt vor allem zum Beginn seines Studiums, im Anatomie-Unterricht, mit den Headschen Zonen in Kontakt. Allerdings haben sie im späteren klinischen Teil der Ausbildung kaum noch Bedeutung. So wird weder die Methodik zum Aufspüren dieser Zonen gelehrt, Sir Henry Head verwendete dafür spezifische Techniken, noch sind sie Bestandteil der körperlichen Untersuchung.

Da die dargestellten Zonen nach Sir Henry Head benannt wurden, liegt die Vermu-tung nahe, dass die oben genannte Abbildung seinem Ursprungswerk entstammt.

Jedoch wird man bei einem Vergleich überrascht feststellen, dass dabei kaum eine Übereinstimmung vorliegt, wie Abbildung 2 beweist. Es besteht eine deutliche Dis-krepanz in der Fläche und Lokalisation der Headschen Zonen. Im Übersichtsbild aus dem Ursprungswerk von Sir Henry Head sind die hyperalgetischen Hautareale auf der einen Seite als Zonen dargestellt, welche sowohl in der Vorder- als auch in der Hinteransicht den gesamten Brust-, Bauch- und auch Rückenbereich einneh-men und bis in die Extremitäten ausstrahlen. Auf der anderen Körperhälfte sind in-nerhalb dieser Zonen kleine, rundliche Flecken zu erkennen, die Sir Henry Head als Maximalpunkte bezeichnet. Diese sind von großer Bedeutung, denn in ihrem Be-reich ist nicht nur der Schmerz besonders stark vorhanden, sondern sie sind auch besonders häufig zu Beginn einer Erkrankung zu finden, auch wenn der übrige Teil

6 der hyperalgetischen Zone nicht empfindlich ist (Head, 1898).

Abbildung 1: die in Deutschland häufigste verbreitete Karte der Headschen Zonen (aus Henke &

Beissner, 2011)

Ein im Jahre 2011 verfasster Artikel legt nahe, dass die heute verwendete Abbil-dung auf einem späteren Werk, aus dem Jahre 1914, beruht (Henke & Beissner, 2011). In der deutschen Ausgabe des Buches „Chirurgische Anatomie“ fertigte Otto Kleinschmidt, ein unbekannter Arzt, eine Darstellung über die Beziehung von Inter-kostalnerven zu den inneren Organen an (Treves & Keith, 1914). Diese ähnelt in vielen Punkten der bisherigen Karte über die Headschen Zonen. Es werden die gleichen Organe abgebildet und die Ausbreitung und Lage der entsprechenden Zo-nen ist identisch. Ein Hinweis darauf, ob Kleinschmidt die Abbildungen durch eigene Untersuchungen gewonnen hat, oder ob diese einer anderen Quelle entstammen, gibt es nicht. Desweiteren ist das Bild nur in der deutschen Ausgabe vorhanden. Die englischen Autoren Sir Frederick Treves und Arthur Keith kommen daher als

Ver-7 fasser nicht in Frage.

Abbildung 2: Übersicht über die hyperalgetischen Hautareale als Zone (Vorderansicht rechts) und Maximalpunkte (Vorderansicht links) aus dem Ursprungswerk von Sir Henry Head (aus Henke & Beissner, 2011)

Während die Abbildung Kleinschmidts vermutlich als Vorlage Einzug in die aktuellen Lehrbücher der Medizin hielt, gerieten die ursprünglichen Ergebnisse und Bilder von Sir Henry Head in Vergessenheit. Vielleicht ist auch dies einer der Gründe, weshalb die Headschen Zonen im klinischen Alltag an Bedeutung verloren haben.

Meine gewonnenen Erfahrungen in verschiedenen Krankenhäusern, in allgemein-ärztlichen Praxen und in Gesprächen mit Kollegen vermittelten mir das Gefühl, als wären sie in der Gegenwart sogar bedeutungslos. Die Ursachen dafür sind sicher-lich mannigfaltig.

Zum einen erweiterte sich das Spektrum, zur Diagnostik von Erkrankungen der in-neren Organe in den letzten Jahrzehnten um zahlreiche neue Untersuchungsme-thoden. Moderne Entwicklungen, wie zum Beispiel die Magnetresonanztomogra-phie, die endoskopisch retrograde Cholangio-PankreatikograMagnetresonanztomogra-phie, kurz ERCP, und die Doppler- und Duplexsonographie erleichtern das Erkennen von Krankheiten und tragen zu einer größeren Sicherheit für den Patienten bei. Außerdem kam es zur

8 Erweiterung des laborchemischen Spektrums mit dem Nachweis spezifischer En-zyme für pathologische Vorgänge im Körper. So stellen unter anderem die Transa-minasen einen wesentlichen Faktor in der Diagnostik von Leberkrankungen dar und das Troponin ist bei Erkrankungen des Herzens nicht mehr wegzudenken. Diese neusten technischen Verfahren erleichtern die Diagnostik deutlich, im Vergleich zu der Ära in der die Headschen Zonen erstmals erforscht wurden. In der heutigen Zeit, in der die körperliche Untersuchung des Patienten aus zeitlichen Gründen immer mehr in den Hintergrund rückt, scheint das Bestreichen der Haut mit einer Nadel nicht mehr zeitgemäß.

Dennoch sprechen durchaus Gründe dafür, die Zeit in das Aufsuchen Headscher Zonen zu investieren. Da die Kosten der medizinischen Behandlung immer mehr in den Vordergrund rücken, könnte sich diese als eine preisgünstige Alternative erwei-sen. Außer einer Stecknadel ist dafür kein weiteres Hilfsmittel nötig. Demnach kann das Verfahren beliebig angewandt werden und ist überall verfügbar. In jeder Haus-arztpraxis, in jedem Krankenhaus und an jedem anderen Ort könnte das Verfahren unterstützend zur körperlichen Untersuchung eingesetzt werden.

Für den Patienten ist es äußerst risikoarm und schädliche Langzeitfolgen sind aus-geschlossen. Außer einer möglichen kurzzeitigen, schmerzhaften Empfindung ent-stehen ansonsten keine Unannehmlichkeiten für ihn.

Nicht zu unterschätzen ist ebenfalls der psychologische Effekt. Meine eigene Erfah-rung lehrt mich, dass Patienten sehr dankbar sind, wenn sie gründlich untersucht werden. Somit vermittelt der Arzt ihnen das Gefühl, ernst genommen zu werden. Bei der Überprüfung der Headschen Zonen rückt der Erkrankte unmittelbar in den Mit-telpunkt und nimmt aktiv am diagnostischen Prozess teil. Dies schafft die Grundlage für ein gutes Vertrauensverhältnis.

Des Weiteren benötigt ein geübter Untersucher nicht viel Zeit für das Aufsuchen der Headschen Zonen und das Ergebnis ist sofort sichtbar. Zu einer möglichen Kosten-ersparnis gesellt sich demnach auch eine ZeitKosten-ersparnis.

Dass das Thema auch heute noch relevant ist, legt eine Studie nahe, in der Patien-ten mit Brustschmerzen im Bereich der Herzgegend untersucht wurden. In dieser stellten John Benett und Michael Atkinson fest, dass die korrekte Diagnosestellung aufgrund der Lokalisation des Spontanschmerzes des Patienten schwierig sein kann. Hierbei hatten 23 % aller Betroffenen eine gastrointestinale Erkrankung, wo-bei vor allem der Oesophagus betroffen war und 74 % eine ischämische Herzer-krankung (Bennett & Atkinson, 1966).

9 Eine weitere Studie zum selben Thema untersuchte 1212 Patienten in der Notauf-nahme mit Brustschmerzen. Diese offenbarte, dass die genaue Lokalisation des Spontanschmerzes im Bereich des Brustkorbs kaum Rückschlüsse auf das Krank-heitsbild zulässt. So war der Ort des Schmerzes bei Erkrankungen, wie koronarer Herzkrankheit, gastroösophagealer Refluxkrankheit, muskuloskelettal bedingten Brustschmerzen oder psychogen verursachten Schmerzen im Rahmen einer Somatisierungsstörung, in Ausbreitung und Begrenzung annähernd gleich (Bösner, Bönisch, Haasenritter, Schlegel, Hüllermeier & Donner-Banzhoff, 2013).

Wegen den oben aufgeführten Gründen scheint es auch im 21. Jahrhundert noch zeitgemäß, eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema Headscher Zonen zu verfas-sen.