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3.2 Materialeigenschaften von Beton

3.2.2 Einaxiale Betondruckfestigkeit

Das Verhalten des inhomogenen Baustoffs Beton kann auf drei verschiedenen Ebenen betrachtet werden [vgl. Wittmann (1983)]. Die drei Ebenen und ihre jeweilige Bezugs-größe sind in Abb. 3-1 dargestellt. Dabei beschreiben Modelle auf Mikro-Ebene die Struktur und Eigenschaften des Zementsteins, wohingegen Modelle auf Meso-Ebene das Zusammenwirken von Zementstein und Gesteinskörnung unter Einbeziehung von Poren und mikroskopischen Rissen beinhalten. Auf der Makro-Ebene wird das Werkstoffverhal-ten als quasi-homogen angesehen und durch entsprechende Materialgesetze beschrieben.

Nach Zilch & Zehetmaier (2010) sind Bauteilabmessungen von mindestens dem Fünffa-chen des Größtkorndurchmesser einzuhalten, um die Voraussetzungen für eine Anwen-dung der in der Ingenieurpraxis verbreiteten Materialgesetze für einen homogenen Bau-stoff einzuhalten.

Abb. 3-1: Betrachtungsebenen der Struktur des Betons [Zilch & Zehetmaier (2010)]

Zur Beschreibung der baustofftechnologischen Zusammenhänge des Festbetons wird üb-licherweise ein Modell auf der Meso-Ebene angewendet. Dabei wird der erhärtete Beton

3 Materialeigenschaften des Anschlusselementes

vereinfacht als ein aus Zementstein und Gesteinskörnung bestehendes Zweiphasensystem betrachtet. Anhand dieser Modellbildung bestimmen sich die Eigenschaften von Beton aus den Eigenschaften der Ausgangskomponenten Zementstein und Gesteinskörnung so-wie der Haftung zwischen diesen beiden Komponenten. Die Festigkeit und insbesondere die Steifigkeit der Gesteinskörnung liegen bei Normalbeton oberhalb derjenigen des Ze-mentsteins. Daher ergibt sich unter einer gleichmäßigen Druckbeanspruchung eines Prüf-körpers eine ungleichmäßige Spannungsverteilung im Beton. Der wesentliche Teil des Lastabtrags erfolgt durch über die Gesteinskörner verlaufende Druckstreben (vgl. Abb.

3-2). Entsprechend des Lastabtrags über die Gesteinskörnung resultiert ein räumlicher Spannungszustand mit Querzugspannungen, die zu Rissbildungen führen. Durch Über-schreiten der Haftung zwischen Gesteinskörnung und Zementstein kommt es zum Druck-versagen [vgl. Wischers (1978)].

Abb. 3-2: Tragverhalten von Beton unter einaxialer Druckbeanspruchung

Im unbelasteten Normalbeton sind bereits Zugspannungen und Mikrorisse in den Kon-taktflächen zwischen der Gesteinskörnung und dem Zementstein vorhanden, die nach Müller & Wiens (2016) auf das Schwinden zurückzuführen sind. Die Gesteinskörnung ist volumenkonstant und behindert aufgrund der höheren Steifigkeit das Schwinden des Ze-mentsteins. Daraufhin entstehen Zugspannungen bis zu Mikrorissen in der Kontaktfläche zwischen Gesteinskörnung und Zementstein, da die Zugfestigkeit der Kontaktzone zwi-schen Gesteinskörnung und Zementstein geringer ist als die der Gesteinskörnung und der ungestörten Zementsteinmatrix. Aufgrund der Querzugspannungen entstehen bereits bei Druckspannungen ab ≈ 40 % der Druckfestigkeit verstärkt Mikrorisse, die sich in einem nichtlinearen Spannungs-Dehnungs-Zusammenhang zeigen, was sich mit zunehmender Druckbeanspruchung verstärkt. Eine Steigerung der äußeren Druckbelastung führt ab ca.

80 % der Druckfestigkeit zu einem Wachstum der Mikrorisse, die sich in erster Linie zu um die Gesteinskörnung herum laufenden Makrorissen vereinigen [vgl. Reinhardt (2007)]. Durch diese sich vorzugsweise parallel zur Lastrichtung ausbreitenden Rissbil-dung wird das Gefüge aufgelockert und es kommt schließlich zum Bruch. Die sich erge-bende Spannungs-Dehnungs-Beziehung ist in Abb. 3-3 (links) dargestellt.

3 Materialeigenschaften des Anschlusselementes

Abb. 3-3: Spannungs-Dehnungs-Beziehung [links, schematisch mit Rissbildung nach Zilch & Zehetmaier (2010), rechts rechnerischer Ansatz nach DIN EN 1992-1-1 (2011)]

In Abb. 3-3 (rechts) ist die Spannungs-Dehnungs-Beziehung für 28 Tage alte Normalbe-tone unterschiedlicher Festigkeiten dargestellt. Mit zunehmender Betondruckfestigkeit verlaufen die ansteigenden Spannungen steiler und weniger nichtlinear, da sich mit stei-gender Betondruckfestigkeit die Steifigkeitsunterschiede zwischen Gesteinskörnung und Zementstein und daher die infolge von Querzugspannungen entstehenden Risse reduzie-ren. Zugleich ist die Haftfestigkeit zwischen Zement und Gesteinskörnung bei hochfesten Betonen (> 55 N/mm2) größer als bei Normalbeton. Daher kann die Zugfestigkeit der Gesteinskörner überschritten werden, so dass beim Bruch die Risse durch die Gesteins-körnung verlaufen [vgl. Zilch & Zehetmaier (2010)]. Hierdurch nähert sich das Tragver-halten einem homogenen TragverTragver-halten an. Dabei ist festzustellen, dass bei Erreichen der maximalen Druckfestigkeit eine Erhöhung der zugehörigen Stauchung zu verzeichnen ist.

Der „abfallende Ast“ nach dem Bruch weicht bei unterschiedlichen Betonen deutlich voneinander ab. Dies begründet sich durch das sprödere Versagen bei höheren Druckfes-tigkeiten, bei denen die Druckspannung schneller abfällt. Die Forschung beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der realistischen Beschreibung der Arbeitslinie von Beton [vgl. u. a.

DAfStb - Heft 154 (1962), Cordes (1968), DAfStb - Heft 260 (1976) oder Wischers (1978)], insofern stehen heute ausreichend abgesicherte, normative Regelungen zur Ver-fügung [vgl. DIN EN 1992-1-1 (2011)].

 

2

1 2

   

  

c cm

k

f k Gl. 3–1

mit k 1, 05Ecm c1 fcm η εc / εc1

εc1 die Stauchung beim Höchstwert der Betondruckspannung nach DIN EN 1992-1-1 (2011), Tab. 3.1

3 Materialeigenschaften des Anschlusselementes

Der normativ beschriebene „abfallende Ast“ der Spannungs-Dehnungs-Beziehung gilt nach Meyer & König (1998) streng genommen nur für übliche Probekörperlängen von 150 mm bis 300 mm, da der „abfallende Ast“ erheblich von der Versuchsdurchführung abhängt und folglich keine reine Materialkenngröße darstellt. Ein verformungsgesteuerter Druckversuch wird maßgeblich durch die Belastungsgeschwindigkeit, die Messlänge der Verformungen sowie die Steifigkeit der Prüfanlage beeinflusst.

Auch wenn die Betondruckfestigkeit mit dem Alter des Betons zunimmt, ist ein wesentli-cher Teil der Endfestigkeit bereits nach 28 Tagen erreicht. Dabei zeigt sich, dass die An-fangsfestigkeit, der Erhärtungsverlauf und die Nacherhärtung, abhängig von dem Zement, der Betonzusammensetzung und der Erhärtungstemperatur stark unterschiedlich sind [vgl.

Müller & Wiens (2016)]. Da bei einigen der experimentellen Versuche, die in Abschnitt 4 beschrieben werden, früher als nach 28 Tage getestet wurde, wird nachfolgend die Fes-tigkeitsentwicklung von der Betonage bis maximal 90 Tage nach DIN EN 1992-1-1/NA (2013) dargestellt. Die Betondruckfestigkeit fcm darf zu einem Zeitpunkt t nach Gl. 3–2 bestimmt werden, falls die Betondruckfestigkeit nach 28 Tagen der geforderten Druckfes-tigkeit entspricht.

 

s 

1 28t

cm cm

f t e f Gl. 3–2

mit fcm

 

t die mittlere Betondruckfestigkeit für ein Betonalter von t Tagen in N/mm2 s ein vom Zementtyp abhängiger Beiwert:

s = 0,2 für Zement der Festigkeitsklassen 42,5 R, 52,5 N und 52,5 R s = 0,25 für Zement der Festigkeitsklassen 32,5 R, 42,5 N

s = 0,38 für Zement der Festigkeitsklassen 32,5 N für hochfeste Betone gilt für alle Zemente s = 0,20

fcm die mittlere Betondruckfestigkeit im Alter von 28 Tagen in N/mm2

Zur experimentellen Bestimmung der einaxialen Druckfestigkeit werden zentrische Druckversuche an Probekörpern durchgeführt. Hierbei wird die Belastung monoton bis zum Bruch gesteigert. Die Belastung wird dabei innerhalb von 1-2 Minuten aufgebracht, weshalb i. d. R. von der Kurzzeitdruckfestigkeit gesprochen wird. Da die Druckfestigkeit von zahlreichen Faktoren, wie der Probekörpergestalt und -schlankheit [vgl. u. a. Bonzel (1959) und Schickert (1981)], den Rahmenbedingungen der Prüfung, wie z. B. Betonalter oder Lagerungsbedingungen [vgl. Dahms (1968)] und der Versuchsdurchführung [vgl.

Wesche (1993)] abhängig ist, sind Standardwerte normativ geregelt. Abb. 3-4 (links) ver-anschaulicht beispielhaft den Einfluss der Art der Lastaufbringung auf einen Prüfkörper.

Wenn die Belastung mithilfe von Stahlbürsten aufgebracht wird und sich der Betonkörper quer zur Belastungsrichtung frei verformen kann, entsteht ein vertikaler Riss parallel zur Belastungsrichtung. Bei Behinderung der Querdehnung durch eine starre Einspannung

3 Materialeigenschaften des Anschlusselementes zwischen den Stahlplatten entsteht ein Bruchkegel und im Endergebnis wird eine höhere Druckfestigkeit erreicht.

Abb. 3-4: Druckfestigkeitsprüfung mit Standardversuchskörpern (links) [Zilch & Zehetmaier (2010)] und Einfluss der Prüfkörperschlankheit auf die Druckfestigkeitsprüfung (rechts) [Schickert (1981)]

Bei ausreichender Höhe des Prüfkörpers verbleibt ein Bereich auf halber Höhe, bei dem nahezu keine Querdehnungsbehinderung mehr vorhanden ist und es zeigt sich das typi-sche Bruchbild für einen Zylinder (siehe Abb. 3-4, links). Da eine Querdehnungsbehinde-rung in einem Bauwerk nicht vorausgesetzt werden kann, wird üblicherweise die Zylin-derdruckfestigkeit für die Bemessung verwendet, weil diese eher dem realen Bauteilver-halten entspricht. Ein maßgebender Einflussfaktor bei der Druckfestigkeitsprüfung ist die Prüfkörperschlankheit, denn bei einer geringen Schlankheit ist der festigkeitssteigernde Einfluss der Querdehnungsbehinderung durch die Lastplatten nur marginal. Abb. 3-4 (rechts) zeigt den Einfluss der Prüfkörperschlankheit h/b bzw. h/d auf das Verhältnis der Druckfestigkeitsprüfung zur Druckfestigkeit. Dabei kann festgestellt werden, dass bei einer Schlankheit von 0,5 bis zu der doppelten Druckfestigkeit gegenüber der Schlankheit von 1,0 erreicht werden kann. Bei ganz dünnen Schichten kann nach Leonhardt (1984) eine noch größere Festigkeit erreicht werden. Bei einer Schlankheit von 2,0 ergibt sich daher ein Festigkeitsverhältnis von 0,8 bis 0,9 gegenüber einer Schlankheit von 1,0. Nach Zilch & Zehetmaier (2010) ergibt sich im Mittel folgende Beziehung zwischen der Zylin-der- (Schlankheit 2:1) und Würfeldruckfestigkeit (Schlankheit 1:1) von Beton:

,  0,82 ,

cm cyl cm cm cube

f f f Gl. 3–3

Die Ergebnisse der Druckfestigkeitsprüfung unterliegen Streuungen, weshalb zur Sicher-stellung einer ausreichenden Zuverlässigkeit für die Bemessung charakteristische Werte als das 5 % - Quantil der Zylinderdruckfestigkeit definiert werden. Nach JCSS (2002) liegt der Druckfestigkeit von Normalbetonen mit ausreichender Genauigkeit eine loga-rithmische Normalverteilung zugrunde und besitzt eine vom Mittelwert der

Druckfestig-3 Materialeigenschaften des Anschlusselementes

keit unabhängige Standardabweichung von ≈ 5 N/mm2. Folglich ist der Abstand zwischen Mittel- und charakteristischem Wert (5 % - Fraktilwert) der Druckfestigkeit mit

∆fc = 1,645 ∙ σfc ≈ 8 N/mm2 konstant und unabhängig von der Druckfestigkeit. Dieser Grundsatz gilt nach Tue et al. (2007) auch für höherfeste Betone.