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Ein Wort zur Verständigung

Im Dokument Theologie und Kirche. (Seite 60-65)

i n B e t r e f f d e r A u s l e g u n g von Matth. 13, 24 ff.

von

Prof. A l e x . v. Oettingen.

Der geehrte Verf. der vorstehenden Abhandlung spricht es am Schluss derselben aus, dass ihm nichts erwünschter sein könnte, als eine derartige Widerlegung seiner Arbeit, welooe

ihn von dem etwa Irrthümlichen und Falschen seiner Auffassung jenes Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen überzeugen würde. Er muss also bei dem Resultate seiner Untersuchung selbst ein gewisses Unbehagen empfunden haben, von welchem befreit zu werden er sich sehnt. Wenigstens beweist jener Schluss keineswegs Plerophorie seiner Ueberzeugung.

Er wolle es mir also nicht übel deuten, wenn ich im auf­

richtigen Mitgefühle mit dem Banne, der auf meines lieben Freundes exegetischer Auffassung und Darlegung zu lasten scheint, einige Worte seinem Aufsatze auf dem Fusse folgen lasse, die zunächst nicht eine Widerlegung, sondern eine Verständigung bezwecken. Denn in dem Hauptpunkte, der Auffassung des Ausgätens als einer gewaltsamen Procedur gegenüber dem Un­

kraut, weiss ich mich vollkommen mit ihm einverstanden. Nur seine Begriffsbestimmung des „Ackers" scheint mir an einer Unklarheit zu laboriren, nach deren Beseitigung sich vielleicht em Consensus formuliren Hesse, welcher den Verf. ebenso wie manche seiner scheinbaren Gegner befriedigen dürfte.

Hätte nicht die gesammte Argumentation des Verfassers einen festeren Halt und ein klareres Resultat gewonnen, wenn er, wie am Anfange der Abhandlung, so auch im weiteren Ver­

lauf derselben bis zum Schluss den Hauptnachdruck der Unter­

suchung nicht auf die Beantwortung der Frage gelegt hätte:

W a s ist der Acker, Reich Gottes o d e r W e l t ? — sondern viel­

mehr dabei geblieben wäre, streng exegetisch eine Entscheidung darüber herbeizuführen: W a s ist unter dem vom Herrn verbo­

tenen Ausgäten des Unkrauts zu verstehen?

Zwar liegt es auf der Hand, dass der Begriff des Ausgätens oder des Sammeins zum Zweck der Vernichtung (denn das ist der durchgehende Grundbegriff des ouXX^stv im Gleichniss v. 29 wie in der Auslegung v. 41) mit bedingt ist durch die Auffaa*

sttäg des Bodens, auf welchem beides, Unkraut und Weizen, waehst. Eingehen musste also die Auslegung und Anwendung des Gleichnisses auch auf die Bedeutung des Ackers.

Irrefüh-60 A I . v. O e n i n g e n ,

rend ist es aber, in diesem Begriffe, den der Herr selbst v. 38 und 41 in zweifachem Sinne deutet, den entscheidenden Punkt der Untersuchung zu suchen. Der Schwerpunkt liegt gar nicht in der Alternativo: Ist dieser vom Saamen Gottes besäte Acker W e l t o d e r Reich Gottes. Beides schliesst sich, wie mir scheint, in diesem Zusammenhange gar nicht aus, da der Ausdruck

„ W e l t " (x6o|i,o?) (v. 38) hier offenbar sensu medio gebraucht ist, d. h. nicht im ethischen Sinne als die das Reich Gottes aus-schliessende Gemeinschaft des Gottlosen, als Weltreich im gott­

feindlichen Sinne, sondern nur als der irdische Boden, als das Ackerfeld für die Arbeit des Säemanns: deshalb kann der Herr selbst die mit seinem Saamen besäte Welt (v. 38) als sein Reich (v. 41) bezeichnen. Die „Kinder der Bosheit" (v. 38) würden im ethischen Sinne die Welt bezeichnen als feindlichen Gegen­

satz gegen das Reich Gottes oder die „Kinder des Reichs." Aber das Reich Christi kann sich ja, obwohl es nicht „von dieser W e l t " ist, doch nur in dieser Welt anbauen, entwickeln und ausgestalten.

Es ist also irreführend, die gesammte Entscheidung über den Begriff des Ausgätens davon abhängen zu lassen, dass der Acker „die W e l t im Gegensatz zum Reiche Gottes" bedeute.

Es lässt sich nicht aus unserem Gleichniss erweisen, dass Acker und Reich Gottes „zwei nicht bloss verschiedene, sondern ge­

radezu zwei sich scharf gegenüberstehende Begriffe" bezeich­

nen. Denn der Herr unterscheidet nicht, wie N e r l i n g be­

hauptet, „zwischen Acker und gutem Saamen", sondern nur zwischen gutem und schlechtem Saamen auf demselben Acker und zeigt durch seine eigene Auslegung (v. 38 und 41) dass er beide, die W e l t als Acker und sein Reich als vom guten Saa­

men besäten Acker nicht ausschliesst. Wenn Nerling das Ge­

wicht von v. 4 1 : des Menschen Sohn wird seine Engel senden und sie werden sammeln aus s e i n e m R e i c h (ix T% ßaaiXeiac a&xou) alle Aergernisse und die da Unrecht thun; — dadurch zu entkräften sucht, dass es sich hier um die Vollendungszeit

handele, in welcher die Reiche der W e l t allesammt Gottes und seines Geistes geworden sein werden, so vermag diese Argumen­

tation doch die Thatsache nicht zu entkräften, dass in diesem Weltlauf, wie auch am Ende der Tage der Unkrautsaamen dem guten Saamen i n n e r h a l b des Reiches Gottet beigemischt er­

scheint, dass wir also unter dem Acker nicht „nur die Welt", sondern eben die W e l t als eine durch des Herrn Saamen be­

fruchtete, die Welt als Boden des Reiches Gottes verstehen müssen.

Nerling geräth auch durch seine einseitige, die Alternative auf die Spitze treibende Auffassung in einen eclatanten Selbst­

widerspruch. Er sagt: „Ist unter dem Acker n u r die W e l t

zu verstehen, so ist also auch vom Unkraut nicht ausgesagt, dass es in der Gemeinde wächst, sondern nur in der W e l t und neben der Gemeinde," Und doch muss er (S. 167) nach v. 41 zugestehen, dass der Herr durch unser Gleichniss einen unumgänglichen und nothwondigen „Mischzustand" in seinem Reiche auf Erden vorausgesagt habe, wie ja auch die Gleichnisse vom Netz und von der Hochzeit des Königssohnes documentiren.

Diesem Widerspruche entgeht man nur dadurch, dass man den Acker weder als identisch mit dem Reiche Gottes (dagegen

v- 38), noch als exclusiven Gegensatz zu demselben (dagegen

v < 41) fasste, sondern als den gottgesetzten irdischen Boden, auf

"welchem und in welchem sich durch fruchtbringende Saat das Reich Gottes verwirklicht, die Gemeinde Christi ihre zeitliche Existenzform gewinnt. Daraus folgt, dass das Reich Christi als Kirche auf dem Boden dieser Welt den Unkrautsaamen allezeit

l n- sich tragen wird und muss, bis der Herr die endgültige Entscheidung und Scheidung vollziehen wird. Der Acker ist eben nicht die Welt als „bürgerliches Gemeinwesen" oder gar als „gottfeindliches Reich" sondern die W e l t als mit der Ge­

meinde Gottes erfüllt"! und durchdrungene, mit einem Wort, die durch Bearbeitung und Saamenausstreuen, d. h. durch

Evange-lisirung zum Boden des Reiches Gottes ausgestaltete irdische Welt.

Durch diese Auffassung wird aber keineswegs der von Nerling mit Recht vertretene Gedanke, dass das Ausgäten nicht Kirchenzucht, sondern nur gewaltsame Ausrottung und Beseiti­

gung bezeichnen könne, ausgeschlossen oder unmöglich gemacht.

Dieser Gedanke gewinnt vielmehr durch jene Auffassung erst die rechte klare Basis. Denn das Ausgäten, genauer das „Zu­

sammensammeln" zum Zweck der Verbrennung und Vernich­

tung (v. 41) kann im vorliegenden Bilde nur das gewaltsame Entfernen der betreffenden Personen, die als Unkrautsaamen bezeichnet werden, versinnbildlichen, da ja die Gefahr den Weizen mit auszuraufen bekannt wird. Nerling selbst giebt hierfür die richtige, ausreichende und schlagende Argumentation, wenn er sagt (S. 51): „ A u s dem Acker der wirklichen wahren Ge­

meinde, des wahren Reiches Gottes kann wirklicher Weizen nie durch etwaige falsche (unberechtigte) Excommunication aus­

gerissen werden." In diesem Ausspruch giebt uns Nerling selbst die Handhabe zur Formulirung eines Oonsensus zwischen ihm und denjenigen unter seinen Gegnern, welche den Acker zwar als die Gemeinde Christi in ihrer irdischen Existenzform fassen und doch anerkennen, dass das Verbot des Ausgätens nicht die Kirchenzucht treffe, sondern lediglich das gewaltsame Verfahren in Bezug auf das Sammeln und Entfernen der Kinder der Bosheit, um sie zu richten und den Misohzustand vor dem letzten Gericht aufzuheben, so zu sagen, reines Weizenfeld in dieser irdisch sioh gestaltenden Kirche zu schaffen. Im Sinne des oben erwähnten Consensus Hesse sich die Mahnung des Herrn etwa so umschreiben: Ihr Knechte Gottes sollt in der Kirche, welche auf dem Boden dieser W e l t dem Mischzustande unter­

worfen ist, nicht eigenwillig und voreilig die Satanskinder, die ihr als solehe nicht Bicher erkennen könnt, ausreissen oder m-eammensammeln wollen, um duroh ihre Ausrottung' ein ver-mcdntlieh reines Feld von eitel Gotteskindern au gewinnen. —

Die Frage der geistlichen Kirchenzucht (inclusive den geistlichen Bann und die Excomunication) erscheint durch dieses Gleich­

niss gar nicht berührt. Denn die Kirchenzucht, welche an noto­

rischen Sündern in der Gemeinde nach Matth. 18 und 1 Cor. 5 geübt sein will, kann unter dem Bilde des „Zusammenlesens"

zum Zwecke der Ausrottung nicht gemeint sein.

Dass wir uns also gegen eine etwaige ernste, mit geist­

lichen Mitteln zu vollführende Kirchenzucht (die j a immer auch Pflege, nie Ausrottung involvirt) keinenfalls auf unser Gleich­

niss berufen dürfen, dass wir uns im Hinblick auf den gegen­

wärtigen Mischzustand unserer lutherischen Gemeinden, sofern grobe und unbussfertige Sünder ohne Zucht und Bann in den­

selben fortexistiren, mit diesem Gleichniss absolut nicht trösten dürfen, darin hat Nerling vollkommen Recht. Denn gerichtet ist das Gleichniss nicht gegen Zucht und geistlichen Ausschluss aus der Kirchengemeine, sondern gegen alles Ausreissen zum Zweck des Zusammensammelns, sei es der Unkrautpflanzen, um sie zu verbrennen, sei es der Weizenpflanzen, um sie ohne Misch­

austand zu hegen. Das Verhältniss ist, wenn wir es auf unsere kirchlichen Yerhältnisse der Gegenwart anwenden, theils gegen Korn's theokratisch-gesetzliche Ausrottungstheorie, theils gegen Herrnhuts pharisäisch-sectirerische Sammelpraxis geriohtet. Die Frage der geistlichen Kirchenzucht ist durch dieses Gleichniss und die in demselben enthaltene Warnung des Herrn an und für sich weder zurückgreifend, noch positiv beantwortet. Sie will nach Matth. 18 entschieden werden.

Im Dokument Theologie und Kirche. (Seite 60-65)