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3.1 Einführung

3.1.6 Ein Lexikon lokativer Nomina und der Klassenbezeichner von Toponymen 92

Lexi-kon lokativer Nomina (noms locatifs – Nloc) notwendig. Gemäß Definition (siehe Kap. 3.1.1) enthält es Nomina, die „Orte, an denen sich Menschen aufhalten können“ bezeichnen. Die aus praktischen Gründen wichtigste und größte Gruppe der lokativen Nomina bilden die Klassenbezeichner von Toponymen bzw. geographischen Entitäten, die einerseits zusammen mit einem Toponym eine Nominalphrase (die Hauptstadt Paris) bilden, aber auch alleine als Kopf einer NP stehen können (die Landeshauptstadt). Neben den Klassenbezeichnern (s.u.) sind im Lexikon vor allem Bezeichnungen für Gebäudeteile und räumliche Teilregionen (Stockwerk, Südende, Inneres), überwiegend funktionale Bezeichnungen (Arztpraxis), Werte der lexikalischen Funktion Sloc (Tatort), und weitere Begriffe (z.B. Immobilie), auf die die Definition für Klassenbezeichner nicht anwendbar ist, aufgenommen worden.

Klassenbezeichner werden hier Nomina genannt, die ein Toponym einer bestimmten Klasse zuordnen, oder eine Eigenschaft eines Toponyms beschreiben, und zwar in elementaren Sätzen des Schemas N0 Vsup N (W) mit N0 = Toponym:

(3.43) München ist eine Stadt.

(3.44) Der Rhein ist ein Fluss.

(3.45) Der Yalu ist ein Grenzfluss zwischen der Volksrepublik China und Nordkorea.

Damit sind Klassenbezeichner als substantivische Prädikate mit einem Toponym als erstem Aktanten und möglichen weiteren (so in (3.45)) definiert (vgl. Kap. 2.6). Entscheidend ist aber – und deshalb werden sie auch an dieser Stelle behandelt –, dass Klassenbezeichner vor allem zusammen mit Toponymen in Nominalphrasen auftreten, die als Nominalisierungen elementarer Sätze betrachtet werden können:

(3.43) die Stadt München (3.44) der Fluss Rhein

(3.45) der chinesisch-koreanische Grenzfluss Yalu

Klassenbezeichner übernehmen dabei eine disambiguierende Funktion, z.B. der Fluss Gera vs. die Stadt Gera.

Nominalphrasen mit Klassenbezeichner und Toponym sind in einer Reihe von Varianten mög-lich (siehe Kap. 3.5.1.3). Meist stehen Klassenbezeichner vorangestellt in Apposition zum Toponym. Als Kriterium zur Definition der Klassenbezeichner ist diese syntaktische Eigen-schaft aber nicht geeignet, da sie auch Kombinationen wie Hallenbad Kaufering (vs. Stadt Kaufering) oder Stadtsparkasse München (vs. Stadt München) miteinschließen würde.74

74 Eine Abgrenzung wäre über eine Unifikation der semantischen Merkmale von Klassenbezeichner und Toponym möglich:StadtundKauferinghaben das Merkmal ‘+Siedlung’/‘+Stadt’ gemeinsam,Hallenbad undKaufering dagegen nicht.

Das Ziel beim Aufbau des Lexikons der Klassenbezeichner war, möglichst viele Kontexte von Toponymen zu erfassen, die Anwendung der oben genannten Definition erfolgte im Zwei-felsfall großzügig. Insgesamt wurden über 6000 Klassenbezeichner zusammengetragen, neben einfachen (Stadt, Fluss) vor allem Nominalkomposita (Gebirgsbach, Landeshauptstadt, Al-pentransversale), aber auch MWLs (kreisfreie Stadt, gemeindefreies Gebiet, Gewässer drit-ter Ordnung), einschließlich aus anderen Sprachen entlehndrit-ter (Fach-)Termini (Rift Valley

‚Grabenbruch‘, Powiat ‚Verwaltungseinheit in Polen‘). Die Aufnahme ins Lexikon erfolgte mit allen notwendigen Eigenschaften, d.h. Flexionsklasse, Genus und der Angabe der Klas-se analog zur KlasKlas-seneinteilung des Eigennamenlexikons (siehe Kap. 3.4). Quellen für das Lexikon waren das Wörterbuch von Langer (1996), WBimmobilien, Wikipedia.de sowie die laufende Arbeit mit lokalen Grammatiken und Texten. Beispiele für das Lexikon sind im Anhang (Kap. A.2) zu finden.

3.2 Geographische (Eigen)Namen

Geographische (Eigen)Namen oder ‚Toponyme‘ sind Namen für geographische (topographi-sche) Objekte oder Entitäten:

each toponym designates a particular topographic feature (Kadmon 2001: 36) Ein topographisches Objekt ist ein Gegenstand, der für die Darstellung auf allgemein-geogra-phischen und damit auch topograallgemein-geogra-phischen Karten relevant ist. Damit sind (i. d. R.) festste-hende, mit der Erde verbundene, auf ihr eindeutig festgelegte, erkennbare oder bestimmbare Objekte gemeint. (Definition ‚topographisches Objekt‘ in Wikipedia.de) Unter diese Definition75 fallen Kontinente, Länder und Regionen, Städte, Dörfer, einzelne Gebäude und Bauwerke, Verkehrswege, Gewässer jeder Art, Berge, Wälder, Parks usw. und schließlich Orte mit religiöser oder kultischer Bedeutung.76Die Eigennamen sind Links, Iden-tifikatoren, Labels für diese Objekte. Und viele, wenn auch nicht alle dieser Objekte tragen Namen. Innerhalb einer Sprachgemeinschaft werden die Namen konsistent verwendet, um auf das Objekt zu referieren. Die Identifikation der Objekte, etwa durch die Angabe ihrer

75 Vgl. die Definition von UNGEGN (2006: 9):

The United Nations Group of Experts on Geographical Names defines a geographical name as a name applied to a feature on Earth (Glossary, 216). In general, a geographical name is the proper name (a specific word, combination of words, or expression) used consistently in language to refer to a particular place, feature or area having a recognizable identity on the surface of the Earth. Named features include:

1. Populated places (for example, cities, towns, villages)

2. Civil divisions (for example, States, cantons, districts, boroughs) 3. Natural features (for example, streams, mountains, capes, lakes, seas) 4. Constructed features (for example, dams, airports, highways)

5. Unbounded places or areas that have specific local (often religious) meaning (for example, grazing lands, fishing areas, sacred areas)

A geographical name may also be referred to as a topographical name or toponym (a term that in a wider context can also include extraterrestrial names, such as names applied to features on the Moon or on other planets).

76 Vgl. „geokodierte“, d.h. mit geographischen Koordinaten versehene Objekte, wie sie z.B. in der Wiki-pedia.dezu finden sind. Neben den „klassischen“ Toponymen gehören auch Schulen, Museen, Kirchen, Theater, Denkmäler, Gebäude und Gebäudeteile (!), Friedhöfe, Straßen, Plätze, Parks, usw. dazu.

geographischen Koordinaten, stellt keinen wirklichen Ersatz dar.77Auch Zahlen, Buchstaben bzw. Kombinationen der beiden sind offensichtlich nicht geeignet die Funktion von Eigenna-men zu übernehEigenna-men. Es gibt vereinzelte Beispiele zur Benennung von Bergen (K2), Straßen (42nd Street), oder Stadtbezirken,78 die meisten topographischen Objekte aber tragen einen natürlichsprachigen Namen.

Eigennamen können ein einzelnes Wort, mehrere Wörter oder auch einen größeren sprachli-chen Ausdruck umfassen. Aber nicht alle sprachlisprachli-chen Ausdrücke, die auf ein topographisches Objekt verweisen und es identifizieren, sind als „Eigennamen“ zu bezeichnen. Die Ausdrücke Paris und die Hauptstadt Frankreichs bezeichnen beide dasselbe topographische Objekt.

Dennoch möchte man intuitiv nur den ersten einen Eigennamen nennen. Das Argument, der zweite Ausdruck verfüge über keine konstante Referenz im Fall eines Hauptstadtwechsels (Bonn, Berlin), zählt nicht in Anbetracht der gerade in der jüngeren Geschichte zahlreichen Namensübertragungen und Umbenennungen von Städten. Entscheidend ist, dass sich Aus-drücke der Form Hauptstadt von X syntaktisch systematisch beschreiben lassen. Betrachtet man den elementaren Satz Paris ist die Hauptstadt Frankreichs wird klar, dass es sich bei Hauptstadt um ein Prädikat handelt, das eine bestimmte Relation ausdrückt.79

Der hier angesetzte Eigennamenbegriff ist also linguistisch motiviert. Eine Definition, die sich lediglich auf ‚Monoreferentialität‘ (s.u.) stützt, und damit Ausdrücke wie die Haupt-stadt Frankreichs oder gar ich als Eigennamen bezeichnet (vgl. Wimmer 1995: 373–5) ist unbrauchbar, weil sie das zu beschreibende Objekt nicht eingrenzt.

Ohne auf die von Philosophen und Linguisten seit der antike geführte Diskussion über den Status von Eigennamen einzugehen (siehe Wimmer 1995, Summerell 1995, Lötscher 1995, Koß 1995, ˇSrámek 1995, Vater 2005: 102–5, Kamianets 2000: 41–2), möchte ich an dieser Stelle die wichtigsten Merkmale von (geographischen) Eigennamen anführen.

• Singularität/Monoreferentialität: jedes Objekt trägt einen individuellen Namen bzw. ein Eigenname referiert auf nur ein Objekt, nicht auf eine Klasse von Objekten. Ambiguitäten/

Homonyme (Frankfurt fürFrankfurt am Main /an der Oder) oder Synonyme (‚Allonyme‘, z.B. K2, Godwin Austen, Dapsang) sind damit nicht ausgeschlossen. Sie sind ja auch nicht auf Eigennamen beschränkt, auch Appelativa (z.B. Schloss) sind betroffen. (zur Disambiguierung geographischer Namen siehe Kap. 5.2)

• Der Inhalt (Bedeutung) des Namens ist ohne Einfluss auf die Beziehung zwischen Eigenna-men und benanntem Objekt.Mailand ist kein Land,Innsbruckkeine Brücke, „Mecklenburg keine Burg,Düsseldorf kein Dorf“ (Sugarewa 1974: 206), Starnberg kein Berg!80

77 Vgl. die Definition für ‚gazetteer‘ auf S. 103.

78 In den Niederlanden wurden unter Napoleon Wijk A, B, C usw. als Bezeichnung für Stadtbezirke ein-geführt. Später wieder abgeschafft, sind sie heute ausschließlich mit negativer Konnotation erhalten (Ormeling 2003b: 30).

79 Vgl. Maurel (2004: 777): „Il est clair quele président Chiracn’est pas un nom propre, mais une description de la fonction politique exercée par l’homme qui a pour nom propreChirac. Cependant, cette distinction n’est plus vraie pour les formes longues des noms de pays où la description est figée par des considérations politiques (Piton et Maurel 1997). Le dernier exemple en date est celui duZaïrequi est devenu, suite à un coup d’état, laRépublique démocratique du Congo. Peut-on dire que le référent (le pays africain désigné) n’est plus le même qu’avant ? Cela semble difficile à admettre. Et, dans une perspective de recherche d’information, il faudrait sans doute associer les deux termes.“

80 Allerdings gibt es in Österreich einen Berg namens Starnberg.

• Übersetzbarkeit: Eine Konsequenz des letzten Punktes ist, dass Eigennamen üblicherwei-se nicht überüblicherwei-setzt werden:Churchill 6=Kirchhügel. Allerdings werden manche Toponyme übersetzt – vollständig (Great Bear Lake →Großer Bärensee,SchwarzwaldBlack Fo-rest), oder nur in einzelnen Namensbestandteilen (Ziwa Victoria/Lake Victoria Vic-toriasee). Durch die Übersetzung ergeben sich ‚Exonyme‘, ein Phänomen, das quer durch alle Sprachen zu finden ist (siehe Kap. 3.2.2).

• Gleiches gilt für die Paraphrase: Während das kalte Meer und das Meer ist kalt den gleichen Inhalt ausdrücken, ist das fürSchwarzes Meer unddas Meer ist schwarz nicht der Fall. Eigennamen, die aus mehreren Wort- oder Morphembestandteilen bestehen, sind also ein Spezialfall von (morphologischen) Idiomen oder Quasi-Idiomen (vgl. Mel’ˇcuk 1995).

• Nur eine relativ beschränkte Menge von Objekten werden mit Eigennamen benannt: Perso-nen, Orte (topographische Objekte), Organisationen/Firmen und deren Produkte, Bücher, Filme usw., manche Tiere, seltener auch Ereignisse – alles Objekte, die dem Menschen und der Gesellschaft wichtig sind, eine individuelle Behandlung verlangen oder im Fall der Ortsnamen durch ihre Dauerhaftigkeit als Fixpunkte zur Orientierung dienen, (vgl.

Roth 2002: 10, Kamianets 2000: 41). Abzugrenzen sind hier Eigennamen (‚named entities‘) von unbenannten Entitäten wie Datums-, Zeit-, Prozent- und Währungsangaben. Beide werden im Information Retrieval oft gemeinsam behandelt, siehe Kap. 5.1.

• Eigennamen seien eine offene, nicht abgeschlossene Klasse, wird häufig als als eine wichtige Eigenschaft genannt: „[proper nouns] form an open class, making the incompleteness of gazetteers an obvious problem.“ (Cucchiarelli, Luzi & Velardi 1999: 174) Und diese Eigen-schaft wird als Argument herangezogen, keine Namenslexika im Information Retrieval zu verwenden, weil deren Erstellung und Aktualisierung im Arbeitsaufwand nicht zu leisten wären (vgl. Mikheev, Moens & Grover 1999, Roth 2002: 23). Da dieses Argument nie em-pirisch untermauert wird,81 liegt der Verdacht nahe, dass es sich um einen Topos handelt, der unreflektiert übernommen wird.82

Eigennamen haben sicher einen wesentlichen Anteil an bislang unbekannten Wörtern eines Korpus. Sie sind spezifisch, auf andere Klassen, z.B. (Fach-)Termini, trifft dies jedoch ebenfalls zu. Vermutlich gibt es in keiner lebenden Sprache nicht eine einzige Wortklasse, die definitiv geschlossen ist.

Eigennamen bilden eine große Klasse, möglicherweise größer als die der Nicht-Eigennamen.

Eine zuverlässige Schätzung ist jedoch kaum möglich, da fairerweise in beiden Gruppen Mehrworteinheiten mitzuzählen sind. Knapp die Hälfte der Namen in NGA:GNS be-stehen aus mehr als einem Wort. Für den allgemeinen Wortschatz lässt sich die Zahl der Mehrworteinheiten nur schwer abschätzen, sie dürfte jedoch die Zahl der Einworteinheiten

81 Lediglich Cucchiarelli, Luzi & Velardi (1999: 173) versuchen anhand eines italienischen Korpus den Anteil der Eigennamen an den unbekannten Wörtern eines Textes abschätzen:

After parsing about 600,000 words, the number of newly encountered words stabilizes at around 500 new words every 100,000. Of these, about 85% have at least one capitalized letter, which seems to suggest the presence of a proper noun. Clearly, since at this level the system does not perform any analysis of complex nominals, the actual number of PN items could be lower [. . .]

Die Anteil von 85% scheint überhöht. Aus dem annotierten Brownkorpus lässt sich entnehmen, dass 4,3%

der Wörter Eigennamen (mit Tag NPoder -TL) sind, von den unbekannten Wörtern eines Dokuments sind knapp 24% Eigennamen. Ansonsten sind die Ergebnisse vergleichbar: ab 600 000 gelesenen Wörtern stabilisiert sich der Anteil unbekannter Wörter, allerdings nicht auf 500 je 100 000, sondern auf 3 200.

82 Vgl. Martin (1986) und Pullum (1991: 159–71) für ein Beispiel eines Topos in der Linguistik.

deutlich übersteigen.83

Die Behauptung, Eigennamen bilden eine offene Klasse, impliziert, dass diese stärkeren Veränderungen unterworfen seien, als der allgemeine Wortschatz. Dem steht entgegen, dass (1.) Eigennamen meist nicht von Änderungen (Reformen) der Orthographie betroffen sind. (2.) Gerade Toponyme sich als robust gegenüber dem Sprachwandel erweisen und sich deshalb in der historischen Linguistik großer Beliebtheit erfreuen. Für andere Klassen von Eigennamen, z.B. Produktnamen mag das weniger gelten, doch ist die Ursache dafür eher in Marketingstrategien als in a priori angenommenen linguistischen Eigenschaften zu suchen.

• Orthographie: Namen unterliegen in der Regel weniger den orthographischen Konventio-nen einer Sprache als Appelativa.84 Das wird z.B. bei der Getrennt-, Zusammen- bzw.

Bindestrichschreibung deutlich, wo kein einheitliches Prinzip zu erkennen ist: Neubran-denburg, Neu Lübbenau,Neu-Bamberg (Nerius 1995: 418). Die Orthographie eines Names ist also ebenfalls per Konvention an den einen Namen gebunden. Allerdings gibt es auch für Toponyme eine Tendenz zur Normierung in amtlichen Namensregistern. Laut Bauer (1995) erfasst diese in Deutschland nicht mehr nur Siedlungsnamen, sonder auch Gewäs-sernamen.

• Insbesondere geographische Namen sind sehr beständig und verändern sich weniger als andere Teile des Lexikons einer Sprache: „toponyms generally (although not always) outline their creators“ (Tichelaar 2003a: 51).

• Besondere syntaktische Eigenschaften können Eigennamen auszeichnen. Allerdings sind diese kaum geeignet, um eine Klasse der Eigennamen von anderen Wortklassen abzu-grenzen. Die Definition Bloomfields (1933: 205) von Eigennamen als Wörtern, die nur im Singular und ohne Artikel vorkommen, ist unzureichend und würde 1/5 der deutschen Toponyme nicht als Eigennamen klassifizieren (siehe Tab. 3.4).

• Eigennamen gehören zu den wenigen echten linguistischen Universalia (Kalverkämper ed.

1978: 24): „Every human language has proper names“ (Hockett 1963). Trotzdem sind Na-men Teil des Systems einer Sprache. Ihre morphologischen und syntaktischen Eigenschaf-ten unterscheiden sich deshalb von Sprache zu Sprache.

• Eigennamen, Toponyme insbesondere, werden außer in der rein referentiellen Funktion auch als Produkt- und Markennamen (Champagner, Cognac, Bordeaux, Brie, Edamer) verwendet. Sie können mit Konnotationen verbunden sein, die (Afghanistan war das Viet-nam der Sowjetunion). Und einer metonymische Verwendung sind kaum Grenzen gesetzt (siehe Kap. 3.1.4).

• Politisch sind Toponyme Zeichen der Souveränität einer geopolitischen Einheit (Ormeling 2003b: 34). Als Teil von Postadressen und Fahrplänen sind sie unabdingbar für den Auf-rechterhalt der Infrastruktur eines Landes. Meist im Zusammenhang mit politischen Kon-flikten stehen „Namenskriege“, z.B. in Südtirol, Zypern oder Palästina, über die Benennung von Siedlungen und anderen topographischen Objekten (vgl. Kadmon 2001: 79–85,224–5).

Diskussionen vor der UNGEGN, der für Toponyme zuständigen Behörde der UNO, ob das zwischen Arabischer Halbinsel und Iran gelegene Gewässer international nun Persischer

83 Mel’ˇcuk (1995: 169) schätzt das Verhältnis zwischen „Phrasemen“ und einfachen Wörtern im Lexikon auf 10 zu 1.

84 Eine Ausnahme bildet z.B. die Rechtschreibreform des Niederländischen, die im belgischen Flandern, nicht aber in den Niederlanden, auch auf Ortsnamen angewandt wurde. (Ormeling 2003a: 13)

oder Arabischer Golf genannt werden sollte, sind dagegen harmlos, da keine Bewohner von einem Namenswechsel ernsthaft betroffen sind.

• ‚Proprialisierung‘ lässt sich aber auch generell als Klasseneigenschaft von Wörtern (neben Wortart, Pronominalität u.a.) betrachten. Verschiedene Meinungen existieren bezüglich der Merkmalsausprägung: Mel’ˇcuk (1993-2000: 3,181–3) nimmt ein binäres Kategorie ‚ty-pe de nomination‘ mit den Merkmalen Eigenname (‚nom propre‘) und Gattungsname (‚nom commun‘) an, Friburger (2002: 8) und Nübling (2004) sprechen sich dagegen für ein Kontinuum zwischen den Polen Eigennamen – Gattungsnamen aus.