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2.5 Lokative Verben

2.5.1 Im Rahmen der Lexikongrammatik des LADL

2.5.1.2 Deutsche Verben

e. Max mariniert den Braten in einer Rotweinbeize. (Caroli 1984b: 234) Beschreibungskriterien der Verben sind die Form und semantische Rolle der Lokalergänzung, die Tilgung von Aktanten, Passiv- und Reflexivtransformationen, sowie mögliche Derivatio-nen des Verbs. Für die Form der Lokalergänzung unterscheidet Caroli neun Typen, davon sieben als semantische Rollen (Caroli 1984b: 255–7):

LI Komplement bezeichnet Ausgangspunkt der Bewegung (‚lieu initial‘) LF Komplement bezeichnet Endpunkt der Bewegung (‚lieu final‘)

LS Komplement betont die räumlichen Eigenschaften des lokalisierten Objekts (Narg) und der Lokalergänzung:

(2.102) Max gießt Wasser über den Tisch.

LOE Komplement kann sowohl im Dativ (statisch) als auch im Akkusativ („Endpunkt“) realisiert sein (‚lieu de l’objet effectué‘ = „effiziertes Objekt“ bei Caroli & Figge 1989:

253):

(2.103) a. Max baut ein Haus auf das Grundstück.

b. Max baut ein Haus auf dem Grundstück.

LM Komplement kann auch als Werkzeug oder Mittel interpretiert und mit der Präposition mit realisiert werden (‚lieu-moyen‘):

(2.104) a. Max schöpft Wasser in einem Eimer.

b. Max schöpft Wasser mit einem Eimer.

LPC Komplement bezeichnet Körperteil (‚lieu partier du corps‘); die Transformation N0 V N1akk Loc N2akkN0 V Loc N2akkN1gen ist möglich:

(2.105) a. Der Hund beißt den Briefträger in das Bein.

b. Der Hund beißt in das Bein des Briefträgers.

Ist das Komplement ein Körperteil, sind zwei weitere Transformationen als Beschrei-bungskriterium relevant:

N1akk = N1dat Das direkte Objekt wird vom Akkusativ in den Dativ (‚Pertinenzdativ‘) gesetzt:

(2.106) a. Der Hund beißt den Briefträger in das Bein.

b. Der Hund beißt dem Briefträger in das Bein.

Loc N2dat = N2akk Das direkte Objekt wird in den Dativ gesetzt, das Ortsargument wird zum Akkusativobjekt:

(2.107) a. Max streichelt die Katze am Kopf.

b. Max streichelt der Katze den Kopf.

LST Komplement bezeichnet statischen Ort (‚lieu statique‘)

Ein weiterer Punkt in Carolis Beschreibung ist die Tilgung von Aktanten, die Caroli durch das Schema des verbleibenden Satzes markiert:

(2.108) a. Max bohrt ein Loch in das Brett.

b. Max bohrt ein Loch. (N0 V N1akk) c. Max bohrt in das Brett. (N0 V Loc N2) d. Max bohrt. (N0 V)

(2.109) a. Max klebt ein Plakat an die Wand.

b. ?Max klebt ein Plakat.

c. *Max klebt an die Wand.

d. ?Max klebt. (Caroli 1984b: 239)

Die Tilgung des Ortsarguments kann an die Präfigierung des Verbs gebunden sein, wobei die getilgte Präposition das Präfix darstellt:

(2.110) a. Max klebt den Zettel

½ an die Wand auf die Schachtel

¾

b. Max klebt den Zettel

½ (an die Schachtel) an (auf die Schachtel) auf

¾

(nach Caroli 1984b: 240) Diese Art der Tilgung ist nicht für jedes Verb und auch nicht immer für jede Präposition, jedes Präfix möglich. Caroli markiert sie deshalb unter ‘N0 V N1akk Préf’ und nennt außerdem, welche Präfixe (ab, an, auf, aus, hin oder andere) möglich sind.

Zusammen mit der Präfigierung des Verbs kann das direktionale Argument in ein statisches transformiert werden (Loc N2akkLoc N2dat):

(2.111) a. Max hängt den Mantel an den Haken.

b. Max hängt den Mantel am Haken auf. (nach Caroli 1984b: 258) Weitere Beschreibungskriterien sind die Passiv- und Reflexivbildung: das Passiv mitwerden (‘PW’) undsein (‘PS’), das „intentionale Reflexiv“ (‘RI’: Max legt (sich + für sich) 20 Fla-schen Rotwein in den Keller.), das Reflexiv der Koreferenz (‘RC’: Das Kind legt sich in das Bett.) und eine Reflexivtransformation, die zur Tilgung des Subjekts führt (‘RP’):

(2.112) a. Max legt das Papier um die Schachtel.

b. Das Papier legt sich um die Schachtel.

Vier „Derivationen“47, drei „Intransitivderivationen“, sowie die Präfigierung des Verbs mit be-beschließen den von Caroli aufgestellten Kriterienkatalog:

IT-LD Das direkte Objekt rückt in die Subjektposition, die direktionale Ortsangabe (‚lieu directionnel‘) bleibt:

(2.113) a. Max tropft Wasser auf den Tisch.

b. Wasser tropft auf den Tisch.

IT-ST Die direktionale Ortsangabe wird zur statischen (‚lieu statique‘):

47 Den Unterschied zwischen Transformation und Derivation definiert Caroli (1984b) nicht.

(2.114) a. Max hängt den Mantel an den Haken.

b. Der Mantel hängt am Haken.

IT-LM Bei Argumenten, die ein Mittel bezeichnen (‚lieu-moyen‘):

(2.115) a. Max mariniert den Braten in einer Rotweinbeize.

b. Der Braten mariniert in einer Rotweinbeize.

Préf be Präfigierung mitbe (vgl. für das Französische Tsuruga 2005) (2.116) a. Max pflanzt Blumen auf das Beet.

b. Max bepflanzt das Beet mit Blumen.

Im Anhang an Carolis Aufsatz findet sich eine Tabelle mit 88 Verben (255–267), die nach den beschriebenen 29 Kriterien klassifiziert sind. Tab. 2.7 zeigt eine Auszug daraus.

Caroli & Figge (1989) bemühen sich um eine „Vergleichende Klassifikation deutscher und französischer Verben mit Lokalergänzung“ auf Basis der Lexikongrammatik des LADL. Ins-besondere bei der Frage nach der Unterscheidung von Komplementen und Supplementen (vgl.

Kap. 2.3.3) beziehen sie auch Arbeiten aus der Valenzgrammatik mit ein. Der Aufsatz basiert auf den Vorarbeiten Carolis (1984a, 1984b), bringt aber einige neue Transformationen. Um Wiederholungen zu vermeiden, werden hier nur neue Aspekte wiedergegeben.

Als Methode verwenden Caroli & Figge (1989: 244–6) die Explikation der lokalen Relation analog zu den Arbeiten der französichen Lexikongrammatiker (vgl. S. 47). Basierend auf der Einteilung von Guillet & Leclère (siehe Tab. 2.3) gelangen Caroli & Figge (1989: 245–251) zu einer klaren Strukturierung in einige Hauptklassen:

1. Transitive Verben, wobei ‚transitiv‘ in der traditionellen Bedeutung (‚mit direktem bzw.

Akkusativobjekt‘) verwendet wird. Je nachdem, wie lokalisierter Gegenstand und Ort realisiert werden, unterscheiden Caroli & Figge vier Subklassen:

a) Ort=PP, lok. Ggstd.=Obj. (Max stellt das Glas auf den Tisch) b) Ort=Obj., lok. Ggstd.=PP (Max bepflanzt das Beet mit Blumen)

c) Ort=Obj., lok. Ggstd.=Subj. (Max passiert das Tor)

d) Ort=Subj., lok. Ggstd.=Obj.: nur Verben der Nahrungsaufnahme oder -ausscheidung (Max verschlingt das Essen,Max spuckt das Kaugummi auf den Boden)

2. Intransitive Verben verteilen sich auf zwei Subklassen:

a) Ort=PP, lok. Ggstd.=Subj.: Diese teilen „sich in eine Klasse von Bewegungsverben und in eine Klasse von statischen Verben auf“ (250):

i. Max geht ins Kino.

ii. Max weilt im Hotel.

b) Ort=Subj., lok. Ggstd.=PP (Der Käse wimmelt von Würmern): Sätze dieser Klasse können als Transformationen des Typs The garden is swarming with bees aufgefasst werden (von Die Würmer wimmeln im Käse)

Die Lokalergänzungen unterteilen Caroli & Figge (1989: 251–8) in direktionale und nicht-direktionale. Diese sind im Deutschen anders als im Französischen „eindeutig voneinander unterschieden“, was daran liegt, „dass die jeweiligen Präpositionen entweder voneinander

Typen Ortsargumente Tilgung von Aktanten Passiv, Refl. Intr.der.

LI(Ausgangspunkt) LF(Endpunkt) LS LOE LM(Mittel) LPC(Körperteil) N1akk=N1dat LocN2dat=N2akk LST(statisch) N0V N0VLocN2 N0VN1akk N0VN1akkPréf ab an auf aus hin anderePräfixe LocN2akkLocN2dat PW(werden) PS(sein) RI(sich/fürsich) RC(sich) RP(Subjekttilgung) IT-LD IT-ST IT-LM be-

be-bauen − − − + − − − − − + + + − − − − − − − + − + + − − − − − +

beißen − − − − − + + − − + + + − − − − − − − − + − − + − − − − −

bohren − − − + − − − − − + + + + − − − + − − − + + + − − − − − −

brennen + + − − + − − − − − − + + − − + + − + − + + + + − − − − −

gießen + + + + − − − − − + − + + + + + + + + − + − + − − − − − +

hängen − + + − − − − − − − − − + + + + + + + + + + + − + − + − +

kleben − + + − − − − − − − − − + − + + − − − − + + + − − − + − −

legen + + + + − − − − − − − − + + + + + + + + + + + + + + + − +

marinieren − − − − + − − − − − − + − − − − − − − − + − − − − − − + −

pflanzen − − − + − − − − − + − + + − − − − − + − + + + − − − − − +

rasieren + − − − − + + + − − − + + + − − + − − − + + + + − − − − −

reisen + + − + − − − − − − − − + + − − + − + − + + + − − − − − −

schöpfen + + − − + − − − − − − + + + − + + − + − + − + − − − − − −

schreiben + − − + − − − − − + + + + + + + − + + − + + + − − − − − +

streicheln − − − − − + + + − − − + − − − − − − − − + − − + − − − − −

tropfen + + + − − − − − − − − − + − − + − − + − + + + − − + − − +

ziehen + + + − − − − − − + − + + + − − − − + − + + + + − − − − −

Tabelle 2.7: Transitive deutsche Verben mit Direktionalergänzung. Auszug aus Caroli (1984b: 260–7)

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verschieden sind oder, wo dies nicht der Fall ist, wenigstens unterschiedliche Rektionen ha-ben: Dativ in nicht-direktionalen Ergänzungen, Akkusativ in direktionalen Ergänzungen des Zielortes.“ (252) Zu den bei Caroli (1984b) beschriebenen Besonderheiten bei den Lokaler-gänzungen (LOE, LM, LS, LPC/Pertinenzdativ) kommen noch InfinitiverLokaler-gänzungen (siehe auch Kap. 4.5.3) und komplexe Lokalergänzungen hinzu. Letztere unterteilen Caroli & Figge (1989: 254–6) in „doppelte Ergänzung des Ausgangs- und Zielortes“ und Ergänzungen mit Angabe des Erstreckungsbereichs (vom einen Ende des Beets bis zum anderen). Die Verben mit „doppelter Ergänzung“ gliedern sich in fünf Gruppen:

1. Ausgangs- und/oder Zielort (holen), 2. komplex oder nur Zielort (fahren),

3. Ausgangs- oder Zielort, nicht komplex (Die Birne (in die + aus der) Fassung drehen), 4. nur Zielort (kleben),

5. nur Ausgangsort (vom Tisch nehmen).

An Transformationen (zuzätzlich zu Caroli 1984b) nennen Caroli & Figge (1989: 261–2) nur die „symmetrische Konstruktion“:

(2.117) a. Max klebt den Deckel an die Schachtel.

b. Max klebt den Decken und die Schachtel aneinander.

c. Max verklebt Decken und Schachtel (miteinander).

Dem Derivationspräfix be-stellen die Autoren ent-gegenüber, durch das der Ausgangsort in die Objektposition gerückt wird (262).

Fazit

Leider sind nur kleine Tabelle deutscher Verben zugänglich, die mit transitiven Verben auch nur einen Typ aus den Verben mit Lokalergänzung enthalten. Abgesehen von den Transport-verben in Caroli et al. (1990), handelt es sich um eine semantisch sehr inhomogene Gruppe von Verben, die sich freilich an der syntaktischen Oberfläche gleich/ähnlich verhält, z.B. (ins Haus) bringen vs.(ins Papier) wickeln. Beschrieben wurden zahlreiche Transformationen der betreffenden Verben, nur angeschnitten dagegen die Frage komplexer Ortsargumente (Pfade).

Diese kritischen Punkten, die Behandlung von Wegpunkten (Trajektorie) und die semanti-sche Inhomogenität der lokativen Verben, teilen sich Caroli und die Lexikongrammatiker des LADL.