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IV. DISKUSSION

IV.3 E VALUATION DER P RÄDIKTOREN / H YPOTHESEN 2 BIS 9

Eine Evaluation der Prädiktoren wurde in IV.2 schon zum Teil vorgenommen, wenn sie in Bezug auf ihre Brauchbarkeit zur Interpretation der identifizierten Klassen herangezogen wurden. Hier soll nur eine kurze übergreifende Evaluation jeder Variable vorgenommen werden.

Kontrollvariablen

Die Vermutung, die von Bromiley und Curley (1992) aus ihrer Analyse der vorliegenden Evidenz für den Effekt der Variable Geschlecht zogen, scheint sich beim Einfluss auf die Entscheidungen der Personen in den drei Arenen zu bestätigen: es kann nicht generell festgehalten werden, dass Männer allgemein Risiko akzeptierender entscheiden als Frauen. Auf die Entscheidungen bei den Medizin-Szenarien hatte das Geschlecht keinerlei Einfluss. Bei den Ernährungs-Szenarien hatte das Geschlecht im Modell, das nur die Kontrollvariablen zur Prädiktion der MiRa-Klassenzugehörigkeit enthielt, einen Einfluss, der aber verschwand, nachdem die anderen Persönlichkeitsvariablen eingegeben wurden. Bei den Sport-Szenarien blieb auch nach diesem Schritt ein Einfluss erhalten, auch wenn er reduziert wurde. Das Geschlecht der Probanden scheint also eher eine Variable zu sein, die verschiedene andere Charakteristika der Personen misst, die mit dem Geschlecht (leicht) konfundiert sind.

Der BMI zeigte im Gesamtmodell der Ernährungs-Szenarien nur einen marginalen Einfluss auf die MiRa-Klassenzugehörigkeit. Im Einzeltest zeigte sich, dass Personen mit einem höheren BMI eine niedrigere Wahrscheinlichkeit dafür hatten, in der dritten Klasse der Ernährungs-Szenarien (Risikoakzeptanz bei Gewichts- und Metzger-Szenarien) statt in der ersten (Risikoaversion bei allen Szenarien) zu sein. Dieser Effekt zeigte sich aber erst, als für die anderen Persönlichkeitsvariablen kontrolliert wurde (Suppressionseffekt; Bortz, 2005).

Personen, für die die in verwendeten UVs konstant gehalten wurden, tendierten in dieser Studie bei höherem BMI zu insgesamt Risiko meidenden Entscheidungen bei den Ernährungs-Szenarien. Ein Grund könnte darin liegen, dass Personen mit einem höheren BMI versuchen könnten, bei dem Gewichts-Szenario keine Risiken einzugehen oder aber generell

44 Analysen mit dem LogLinearen Modell zeigen außerdem, dass auch ein Auslassen der kleinen Klassen (n <

30) oder eine Betrachtung von nur zwei der drei Arenen kein anderes Ergebnis erbringt.

eine andere Konzeptualisierung des Nahrungsverhaltens zeigen – zu einer weiteren Prüfung dieser Vermutung wurden jedoch keine angemessenen Daten erhoben.

Das Sensation Seeking-Konstrukt (beide Dimensionen) wurde als Kontrollvariable für die generelle Risikotendenz in die Regressionen der Arenen Ernährung und Medizin aufgenommen. Bei den Ernährungs-Szenarien zeigte sich lediglich ein marginal signifikanter Einzeleffekt bei der Vorhersage der Zugehörigkeit zu der ersten, Risiko aversiven Klasse gegenüber der zweiten Klasse, die Risiken beim Gewichts-Szenario einging. Bei den Medizin-Szenarien trennte das Konstrukt signifikant zwischen der ersten, Risiko aversiven und beiden anderen Klassen. Der Effekt war gleichgerichtet: höhere Ausprägungen von Sensation Seeking führten jeweils zu höheren Wahrscheinlichkeiten nicht in der ersten Klasse zu sein.

Das Alter der Versuchspersonen spielte an keiner Stelle eine Rolle und der Effekt der experimentellen Bedingung wurde schon unter IV.1 behandelt.

Persönlichkeitsmerkmale

In Bezug auf die Hypothese 2 lässt sich festhalten, dass Sensation Seeking sowohl der Teilhypothese 2a (erhöhtes Sensation Seeking Intensität geht mit mehr Risiko behafteten Wahlen einher) wie auch der Teilhypothese 2b (Sensation Seeking Neuigkeit steht in keinem Zusammenhang mit den Risiko behafteten Wahlen) entsprechend Zusammenhänge mit der Zugehörigkeit der MiRa-Klassen aufwies. Bei den Wahlen der Sport-Szenarien stellte das Konstrukt Sensation Seeking Intensität einen zentralen Einflussfaktor auf die MiRa-Klassenzugehörigkeit dar, weil es alle Klassen von der ersten, Risiko meidenden, trennte. Es wurde dabei auch deutlich, dass dies kein linearer Effekt war, sondern nur die Abgrenzung von niedrigen gegenüber hohen Ausprägungen der Dimension Sensation Seeking Intensität eine Rolle spielte. Aus der Verwendung des Sensation Seeking Gesamt-Scores als Kontrollvariable (s.o.) zeigte sich ebenfalls, dass höhere Ausprägungen dieses Konstruktes mit einem Mehr an Risiko akzeptierenden Wahlen einhergingen. Damit kann die Verwendung des Sensation Seeking-Konstruktes als eine beachtenswerte Alternative zur Verwendung klassischer Risk-Seeking-Maße betrachtet werden (I.5.3.1).

Dass im Ganzen kein Effekt (zur Ausnahme siehe IV.2) für die Sensation Seeking Neuigkeits-Skala gefunden wurde, ist natürlich nur eine begrenzte Bestätigung der Hypothese 2b – das nicht Auftreten eines Zusammenhanges kann viele andere Gründe haben als ein tatsächliches Fehlen eines Zusammenhanges. Es sei an dieser Stelle nur erneut auf die unter Umständen zu geringe Power (II.6.3) und zusätzlich die geringe Reliabilität/ das eher mäßig

gute Ergebnis der konfirmatorischen Faktorenanalyse der Skalen zum Sensation Seeking (II.5.2.2) verwiesen.

In Bezug auf Hypothese 3 lässt sich festhalten, dass kein Zusammenhang zwischen den Wahlen der Versuchspersonen und der gesundheitlichen Kontrollüberzeugung (HLoC) gefunden wurde. Einige Erwägungen dazu finden sich in IV.4.3.

Hypothese 4 hat sich im Wesentlichen bestätigt. Die beiden untersuchten Dimensionen des Ernährungsverhaltens (Ausgewogenheit und Kalorien/Fett) haben einen deutlichen Einfluss auf die Wahlen bei den Ernährungs-Szenarien. Dabei scheint die generelle Einstellung, sich ausgewogen ernähren zu wollen, einen Einfluss auf den Unterschied zu haben, ob die Person überhaupt Risiken bei der Wahl der Ernährung in Kauf nimmt oder aber dies eher nicht tut. Die Skala zur Messung der Bedeutung von Kalorien und Fett für das Ernährungsverhalten hat einen spezifischen Effekt auf die Wahlen, die die Personen in Bezug auf das Gewichts-Szenario in dieser Studie treffen: diese Skala trennt Personen mit einem hohen Augenmerk auf diesem Thema (3.Terzil) signifikant von Personen mit niedrigeren Ausprägungen (1. und 2. Terzil). Der Effekt (s. Tabelle 22) ist dabei nicht linear, sondern die Abgrenzung ist etwa gleich stark.

Vegetarier zu sein, hatte keinen Einfluss bei der Trennung zwischen der Risikoaversen Klasse und den anderen drei – der signifikante Vergleichseffekt muss sich an andere, nicht ausgewerteter Stelle zeigen. Doch hatte diese Variable einen Hypothesen-konformen Einfluss auf die Personenparameter innerhalb der ersten Klasse.

Die Bestätigung von Hypothese 5, die besagt, dass eine Präferenzumkehr/-verschiebung besonders bei mittleren/ fehlenden Ausprägungen der entsprechend relevanten Bewertungsdimension auftritt, steht aus. Da weder im Aggregat noch auf der individuellen Ebene plausible Muster der Präferenzumkehr/-verschiebung gefunden wurden, kann diese Hypothese folglich nicht überprüft werden.

Die Evidenz für die Hypothesen 6 bis 9 ist inkonsistent: in den meisten Fällen fehlen Zusammenhänge und es gibt sowohl konforme wie widersprüchliche Zusammenhänge mit dem Wahlverhalten der Probanden. Hier steht zu vermuten, dass eine weitere Ausarbeitung der theoretischen Zusammenhänge zwischen diesen Variablen und dem Wahlverhalten der Probanden nötig ist. Vorschläge hierfür finden sich in IV.4 und IV.5.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass die thematischen Variablen (für die Arena Sport Sensation Seeking Intensität und für die Ernährung die Maße für Ausgewogenheit und Kalorien-/ Fetthaltigkeit) nicht lineare Einflüsse auf das Entscheidungsverhalten zeigten. Die ursprünglich nur zur Vorhersage der Präferenzumkehr/ -verschiebung vorbereitete Analysemethode erwies sich auch in den anderen Fällen als sehr effektiv und ermöglichte differenzierte Einblicke.

Die Analyse der Zusammenhänge durch die multinominal-logistische Regression war ein wenig darauf ausgelegt, gerade die Effekte zwischen den Extrema (Risikoaversion vs.

Risikoakzeptanz) an das Licht zu bringen. Dies gelang im wesentlichen, doch offenbaren die zum Teil fehlenden Abgrenzungen zwischen den Klassen mit einem mittleren Risikoverhalten und der Risikoaversen Klasse, dass es noch subtilere Unterschiede in der Gestaltung der subjektiven Wahrnehmung der Risiken gibt.

Fazit der Ergebnisse

Da in dieser Studie bei den meisten der verwendeten Szenarien kein Präferenzumkehr- oder –verschiebungseffektes hervorgerufen werden konnte, war es nur sehr eingeschränkt möglich, Hinweise auf Bedingungen (Persönlichkeitsmerkmale, Arenen und semantische Manipulation) zu überprüfen, die die Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieses Effektes erhöhen können. Stattdessen gewährte die Studie in Bezug auf die restlichen Hypothesen Einblicke in die Vorhersagbarkeit des Entscheidungsverhaltens der Probanden, wenn es um die Abwägung zwischen positiven und negativen Aspekten bei speziellen Entscheidungen ging. Die Hypothesen für die Arenen Ernährungsverhalten und Sport bestätigten sich weitgehend, doch differenzierten die theoretisch abgeleiteten Persönlichkeitsmerkmale besonders zwischend den Extrempunkten Risikosuchenden und Risikomeidenden Verhaltens:

für die feineren Abstufungen scheinen weitere Variablen verantwortlich zu sein.

Die Ergebnisse der Studie können zur Generierung einiger neuer Überlegungen und Ansätze für weitere Studien genutzt werden. Nach einer Diskussion methodischer Verbesserungsmöglichkeiten für folgende Studien (IV.4) soll noch ein Ausblick auf weitere theoretische Einbettungsmöglichkeiten gegeben werden (IV.5).

IV.4 Methodische Probleme und Vorschläge für die Verbesserung des Designs