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II. METHODEN

II. 1 E RSTELLUNG DER ZEHN S ZENARIEN

Wie oben erläutert, stehen zwei Paradigmen zur Verfügung, um eine Präferenzumkehr/-verschiebung hervorzurufen (siehe auch Kap. I.2). Zum einen kann auf dem Domain Effect aufbauend eine Wahl zwischen zwei tatsächlichen Gewinnen oder zwei tatsächlichen Verlusten angeboten werden (siehe Kasten 1). In diesem Fall wird direkt der unterschiedliche Verlauf der Werte-Funktion im Gewinn- und Verlustbereich angesprochen. Daher resultieren bei dieser Methode in der Regel die stärksten Präferenzumkehren/-verschiebungen.

Zum anderen können, angelehnt an dem Design des Asian Disease Szenarios (siehe Kasten 2), zwei Alternativen angeboten werden, die gleiche Erwartungswerte haben, aber einmal als Gewinne und einmal als Verluste gegenüber einem Referenzpunkt dargestellt werden. Wie Fagley und Miller (1987, 1991) bereits darlegten, ist die hier beobachtbare Präferenzumkehr/-verschiebung darauf zurückzuführen, dass abhängig von dieser Darstellung die Werte als Gewinne oder Verluste gemäß der Werte-Funktion verrechnet werden.

In der vorliegenden Studie sollte das Framing im letztgenannten Paradigma untersucht werden. Da dieses Framing allerdings in Bezug auf die Stärke der Effekte bei den Verschiebungen der Wahlen höchst unterschiedliche Ergebnisse erbringt (s. Kap. I.3.2), sollte zusätzlich ein Szenario aufgenommen werden, das tatsächliche Gewinne und tatsächliche Verluste zur Entscheidung stellt. Dieses Szenario (Anhang A enthält den die Fragebögen der Loss und der Gain Bedingung; Anhang B enthält die formalisierten Inhalte der einzelnen Szenarien) stellte die Person in einem Casino im

ƒ Gain Frame vor die Wahl zwischen einem sicheren und einem unsicheren Gewinn, mit dem die Person den Abend beenden könnte;

ƒ Loss Frame vor die Wahl zwischen einem sicheren und einem unsicheren Verlust, mit dem die Person ihren Abend im Casino beenden könnte.

Dieses Szenario diente als Anker, um den als robust angesehenen Effekt der Umkehr oder Verschiebung der Präferenzen abhängig vom Frame zu zeigen. Sollte er sich nicht zeigen, wäre dies ein Indiz dafür, dass in der Stichprobe ein Selektionseffekt vorliegt. Dieses Szenario (im Folgenden Casino-Szenario) war aber genauso wie die Szenarien des Asian Disease Szenario aufgebaut: die angebotenen Alternativen hatten dieselben Erwartungswerte

(E(U) = 50 bzw. E(U) = -50). Diese Veränderung gegenüber der klassischen Darstellungsweise (mit ungleichen Erwartungswerten, siehe Kasten 1) war nötig, damit es unauffälliger in der Fülle der anderen Szenarien erscheint. Hiermit wird in Kauf genommen, dass die Verlustaversion im Loss Frame etwas niedriger ausfallen könnte als gewöhnlich (d.h., die Bevorzugung der Risiko behafteten Alternative könnte weniger stark ausfallen) und auf der anderen Seite die Tendenz zur sicheren Alternative im Gain Frame etwas stärker.

Des Weiteren wurden neun Szenarien in drei verschiedenen Arenen erstellt, bei denen ein Framing im Sinne der PT zu induzieren versucht wurde. Für drei der Szenarien wurde ein medizinischer Kontext gewählt. Es soll hier ein kurzer Einblick in die Konstruktionsüberlegungen gegeben werden, jeweils ausgehend von der Formulierung des Gain Frames:

ƒ Das Querschnittslähmungs-Szenario: Nach einem Autounfall besteht für die Versuchsperson die Gefahr einer Querschnittslähmung; ihr werden zwei alternative Behandlungsmöglichkeiten angeboten, die sich darin unterscheiden, dass die Person entweder durch die eine Behandlung sicher einen Anteil (70%) ihrer physischen Fertigkeiten zurückerhalten wird oder bei der anderen Behandlung mit einer Wahrscheinlichkeit, die dem Anteil in der sicheren Alternative entspricht (70%), ihre vollständigen Fertigkeiten. Im Loss Frame wird diese Alternative als Verlust gegenüber der Situation vor dem Unfall dargestellt (30% Verlust der körperlichen Fähigkeiten).

ƒ Das Nervenkrankheits-Szenario: Dieses Szenario stellt die Versuchsperson vor eine dem vorigen Szenario ähnliche Wahl: die Person hat eine Nervenkrankheit, die unter anderem zu Blindheit führen kann. Auch hier existieren zwei Behandlungsmethoden, von denen eine als etabliert gilt und einen Anteil (2/3) der Sehkraft sicher erhält. Die andere Methode befindet sich noch in der Testphase und die Experten sind sich in Bezug auf ihre Wirksamkeit uneinig. Ein Anteil der Experten (der dem Anteil der Heilung in der sicheren Alternative entspricht) geht davon aus, dass die Erblindung vollständig verhindert werden kann. Die übrigen Experten gehen von einer Erblindung durch diese neue Behandlung aus.

Der Loss Frame unterscheidet sich von dieser Darstellung dadurch, dass die Verluste gegenüber der Zeit vor der Erkrankung fokussiert werden.

ƒ Das Klinikwahl-Szenario: nach dem Ausbruch einer Infektionskrankheit, die unbehandelt sicher zum Tod führt, hat sich die Versuchsperson mit dieser Krankheit infiziert und steht vor der Entscheidung, in welche der für ihr Gebiet zugeteilten Klinik sie sich begeben sollte. Die eine Klinik geht davon aus, dass ein bestimmter Anteil (1/3) von Patienten

sicher gerettet wird. In der anderen Klinik wird erwartet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit, die dem Anteil aus der sicheren Alternative entspricht, alle Patienten gerettet werden. Die Kliniken entsprechen den Therapien, die im ursprünglichen Asian Disease Szenario (Kasten 2) zur Verfügung stehen, und es wird variiert, ob über die erwarteten Tode oder die erwarteten Überlebenden gesprochen wird.

Stocké (1998) kritisierte am Asian Disease Szenario-Paradigma, dass die Präferenzumkehr/-verschiebung bei diesem Design nur auf selektive Präsentation von benötigter Information zurückzuführen sei. So sei beispielsweise mit der Beschreibung, wie viele Personen die seltene Infektionskrankheit überleben würden, nicht explizit genannt, dass die anderen sicher sterben werden. Er untersuchte, ob durch diese selektive Präsentation tatsächlich ein Fokus auf bestimmte Aspekte gelegt wird, der durch eine umfassendere Beschreibung der Alternativen beseitigt werden könnte. Er konnte zeigen, dass die Ergänzung der Szenarienschilderungen um die im Original Asian Disease Szenario ausgelassenen Informationen zu einer Aufhebung dieses Effektes führt.

Darüber hinaus wurden bei den sicheren Alternativen sprachliche Qualifikationen eingefügt, die ausschließen sollten, dass die Personen die angegebenen Anteile an wiederhergestellter Sehkraft und körperlicher Fähigkeit nicht dahingehend interpretierten, dass dies auch viel mehr oder weniger sein könnte. Dementsprechend wurde in der Alternative nicht nur geschildert, dass „70% Ihrer bisherigen physischen Fähigkeiten“ wieder erlangt würden, sondern „um die 70%“.

Bei den sechs weiteren Szenarien wurde der klassische Aufbau des Asian Disease Szenarios erweitert. Bei ihnen wurden den Personen immer zwei verschiedene Konsequenzen in einer Alternative präsentiert, die gegeneinander abgewogen werden müssen, damit eine Entscheidung getroffen werden kann. Damit wird der Reduktion des Wertes der einen Konsequenz (z.B. eine kürzere Strecke Tauchen, mehr Geld ausgeben) eine Steigerung der Wahrscheinlichkeit, nicht die andere Konsequenz erleiden zu müssen (z.B. keine gesundheitlichen Probleme) gegenübergestellt.

Damit ist der zugrunde liegende Mechanismus etwas komplexer als bei den obigen Szenarien. Die Verrechnung der verschiedenen Konsequenzen erfolgt durch die Differenzbildung auf den verschiedenen Dimensionen. Dabei sollte die Differenz zwischen zwei als Verlust dargestellten Alternativen aufgrund des unterschiedlichen Verlaufes der Wertefunktionen für Gewinne und Verluste (s. Kap. I.2) größer erscheinen als die Differenz zwischen zwei als Gewinnen dargestellten Alternativen und damit eine Präferenzumkehr bedingen (Tversky & Kahneman, 1992; Luce, 2000).

Die Alternativen sind dabei immer so gestaltet, dass die prozentualen Veränderungen sich entsprechen, d.h. wenn die beiden Aspekte (also z.B. Tauchstrecke und gesundheitlich Probleme) durch die Versuchsperson gleichstark gewichtet würden, wären sie von ihren Gesamtsummen her äquivalent.

Für die Arena „Ernährung“ waren die Szenarien wie folgt gestaltet:

ƒ Das Bioladen-Szenario: Die Versuchsperson sollte sich in einen Allergiker hineinversetzen, der Hautausschläge bei verunreinigten Lebensmitteln bekommt. Bislang kauft die Person bei einem Bioladen, doch nun richtet der Supermarkt auch eine Bio-Ecke ein. Die Versuchsperson soll sich nun entscheiden, ob sie zum Bioladen oder zum Supermarkt gehen wird, wobei eine prozentuale Reduktion (33%) ihrer Ausgaben für diese Lebensmittel mit derselben prozentualen Steigerung des Risikos, einen Hautausschlag zu bekommen, einhergeht (bzw. umgekehrt). Im Gain Frame erfolgt die Darstellung als finanzieller Gewinn beim Wechsel vom Bioladen zum Supermarkt und mit „Gesundheit der Haut“ positiv dargestellt; beim Loss Frame erfolgt die Darstellung als finanzieller Verlust, wenn weiterhin beim Bioladen statt beim Supermarkt gekauft wird und negativ dargestellt indem über „Hautausschläge“ gesprochen wird.

ƒ Das Metzger-Szenario: Die Versuchsperson sollte sich entscheiden, ob sie sich im Lichte der zum Zeitpunkt der Datenerhebung aktuellen Fleischskandale sicher unverdorbenes Fleisch beim Metzger oder mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (33%) verdorbenes Fleisch beim Supermarkt kaufen würde. Die Qualität des Fleisches wurde wieder einer Differenz in den Preisen gegenübergestellt: im Gain Frame als Verbilligung wenn beim Supermarkt statt beim Metzger gekauft wird und als Entscheidung über unverdorbenes Fleisch; im Loss Frame als Verteuerung wenn beim Metzger statt beim Supermarkt gekauft wird und als Entscheidung über verdorbenes Fleisch.

ƒ Das Gewichts-Szenario: Den Versuchspersonen wurde eine Situation vorgestellt, in der sie über Ernährungsverhalten (Fertigprodukte vs. selbst gekochte Gerichte) im Verhältnis zu den damit verbundenen Zeiten und Folgen für das Gewicht informiert wurden. Ihr eigenes Essverhalten lag etwa dazwischen und sie sollten entscheiden, ob sie einen Prozentsatz (20%) an Zeit mehr investieren wollen, um mit Sicherheit eine gute Figur zu erhalten oder ob sie diesen Prozentsatz an Zeit weniger verbringen würden um mit diesem Prozentsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit übergewichtig zu werden. Dabei wurde diese Wahl im Gain Frame über die Chancen auf eine gute Figur und im Loss Frame über das komplementäre Risiko übergewichtig zu werden getroffen.

Für die Arena „Sport“ waren die Szenarien wie folgt gestaltet:

ƒ Das Surf-Szenario: Bei diesem Szenario wurde die Person gebeten sich in die Rolle eines Surfers zu versetzen, dem sich zwei Alternativen zum Surfen anbieten: an einem Strand, an dem kein Risiko bestand, abgetrieben zu werden, mit nur schwachem Wind, und einem anderen Strand mit stärkerem Wind, aber einem Risiko, abgetrieben zu werden. Die Zunahme an Wind entsprach prozentual (25%) der Zunahme an Risiko. Im Gain Frame wurde über den Anteil an Lieblingswindstärke und die Sicherheit, nicht abgetrieben zu werden, entschieden, während im Loss Frame über den Verlust an Lieblingswindstärke und das Risiko, abgetrieben zu werden, entschieden wurde.

ƒ Das Tauch-Szenario: Bei diesem Szenario befanden sich die Versuchspersonen auf einem Urlaub am Mittelmeer und hatten gerade einen Tauchkurs absolviert. Für einen weiteren Kurs fehlt ihnen zwar die Zeit, aber sie können an einer von zwei verschiedenen geführten Tauchtouren teilnehmen: eine kürzere Tour, bei der sie sicher keine gesundheitlichen Probleme erleiden würden oder eine längere Tour, bei der eine Wahrscheinlichkeit (1/3) für das Auftreten von Schwindelgefühl und Übelkeit bestand; diese Wahrscheinlichkeit entsprach dem prozentualen Längenunterschied der beiden Touren. Im Gain Frame wurde die Entscheidung über die Anteile der Tour an der Gesamtstrecke und die Sicherheit vor gesundheitlichen Problemen getroffen; im Loss Frame wurde sie über die zu verzichtenden Anteile und das Risiko für Probleme getroffen.

ƒ Das Szenario: Die Versuchsperson befand sich auf einem Mountainbike-Urlaub und hatte sich für den Tag eine besonders lange und viel versprechende Tour ausgesucht. Der Person ist aus dem Wetterbericht bekannt, dass an dem Tag eine Wahrscheinlichkeit (40%) für den Ausbruch eines Gewitters besteht. Die Tour wird begonnen und es ziehen im Laufe des Tages Gewitterwolken auf; nach einem Anteil der Tour, der der Wahrscheinlichkeit für Gewitter entsprach, besteht die Möglichkeit, die Tour abzubrechen und so dem Gewitter zu entgehen (und sich keine Erkältung zuzuziehen); die Versuchsperson sollte nun darüber entscheiden, ob sie diese Gelegenheit nutzt oder weiterfährt. Im Gain Frame wurde die Entscheidung über den gefahrenen Anteil und eine gesicherte Gesundheit für weitere Touren getroffen; im Loss Frame wurde die Entscheidung über den entgangenen Anteil und die Erkältung getroffen.

Die Szenarien wurden im Wintersemester 2005/06 zusammen mit einer Gruppe von Psychologie-Studierenden der Universität Konstanz im Rahmen des obligatorischen Experimental-Praktikums entworfen und vorgetestet. Es nahmen 79 Personen teil (54,4%

Frauen; 76% Studierende), die durchschnittlich 24,86 Jahre alt waren (SD = 8,24). Das Casino-Szenario zeigte die erwartete Präferenzverschiebung und die Szenarien im medizinischen Bereich lieferten akzeptable Ergebnisse. Die Szenarien im Ernährungs- und Sportbereich führten zumindest im Aggregat nicht zu den erwarteten Ergebnissen. Letztere zeigten aber besonders bei der Analyse mit Mischverteilungsmodellen (Mixed Rasch-Analyse; Rost, 2004) auf der Ebene der Individuen sehr gute Eigenschaften, da es Subgruppen von Personen gab, die in Kongruenz mit dem Frame risikobehaftete Alternativen bzw. sichere Alternativen wählten. Dies wurde auf einen selektiven Erfolg der Manipulation zurückgeführt und daher wurden bei der hier vorliegenden Untersuchung nur noch kleinere Veränderungen am Reizmaterial vorgenommen18.

Für die Vorlage in der Studie wurden die Szenarien in eine Zufallsreihenfolge gebracht19 und in zehn Versionen (jedes Szenario erschien in einer an erster Stelle) den Versuchspersonen präsentiert. Damit sollte sichergestellt werden, dass sich keine Positionseffekte entwickeln.