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2 EINLEITUNG

2.3 E NTSTEHUNG UND E IGENSCHAFTEN DES Z IGARETTENRAUCHS

Zigarettenrauch entsteht durch die Verbrennung von Tabak, in geringerem Maße aus der Pyrolyse des ihn umgebenden Zigarettenpapiers und weiteren Hilfs- und Zusatzstoffen, z.B. Aromastoffen. Er ist eine hoch komplexe und hoch dynamische Mischung aus unterschiedlichen (Fremd-)Stoffen, von denen bisher ungefähr 5000 Bestandteile identifiziert wurden (Rodgman und Perfetti, 2009), darunter bis zu 150 bisher identifizierte toxische bzw. hoch reaktive Substanzen, 69 Kanzerogene und weitere Tumorpromotoren und Kokarzinogene (Hoffmann et al., 2001). Es wird jedoch geschätzt, dass circa 100 000 Substanzen noch nicht identifiziert wurden, entweder aus Mangel an etablierten Nachweismethoden oder wegen zu hoher Nachweisgrenzen (Adam et al., 2006).

Zigarettenrauch ist ein Aerosol, welches aus einer Gasphase und einer Partikelphase zusammengesetzt ist und sich durch experimentelle Methoden trennen lässt. Die Gasphase besteht aus ca. 400 bis 500 Einzelsubstanzen, darunter viele Komponenten lediglich in sehr geringen Konzentrationen. Diese Phase macht mit 90-96% den größten Anteil des Hauptstromrauches einer filterlosen Zigarette aus (Hoffmann und Hoffmann, 1997). Die Gasphase ist definiert als jener Teil des Rauchaerosols, der dazu in der Lage ist, einen Cambridge Glasfaserfilter zu passieren. Hauptbestandteile der Gasphase sind u.a. Stickstoff (60%), Kohlenstoffdioxid (13%), Sauerstoff (13%), Kohlenmonoxid (3,5%) und Wasser (2%) (Hoffmann et al., 1978). Toxikologisch bedeutsame Bestandteile der Gasphase sind Kohlenmonoxid, Stickstoffoxide, Blausäure, Formaldehyd (100 µg/Zigarette), Acetaldehyd

7 (1000 µg/Zigarette), Acrolein, Benzol, 1,3-Butadien und flüchtige Nitrosamine. Bestandteile der Gasphase sind hauptsächlich leicht flüchtige Substanzen wie z.B. Kohlenstoffdioxid. Gering flüchtige Substanzen, vor allem größere Moleküle wie Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, verbleiben fast hauptsächlich in der Partikelphase.

Eine höhere Anzahl von Einzelsubstanzen kommt in der Partikelphase des Zigarettenrauchs vor, auch wenn sie mit nur ca. 4-9% des Zigarettenrauches bedeutend kleiner ist als die Gasphase (Adam et al., 2006). Diese Phase wird auf dem Cambridge Glasfaserfilter zurückgehalten und bildet das so genannte Kondensat. Die Partikelphase entsteht, während die an der Verbrennungszone der Zigarette gebildeten Gase bei der Passage der Zigarette zusammen mit Wassertröpfchen kondensieren. Sie besteht aus vielen organischen Substanzen, welche mit Wasser kondensieren und so winzige Tröpfchen bilden (Baker, 1999). Die Partikelgrößen variieren im Durchmesser zwischen 0,1 und <1 µm (Hoffmann et al., 2001). In tierexperimentellen Studien wurde festgestellt, dass die Exposition von Labortieren gegenüber der Gasphase keine Tumorbildung bewirkt, die Exposition gegenüber dem kompletten Gemischs hingegen Tumore des oberen Atemtraktes und der Lunge hervorruft. Dies war ein erster Hinweis, dass die Partikelphase (Teerfraktion) des Zigarettenrauches für die kanzerogene Wirkung verantwortlich ist.

Diese Unterscheidung zwischen Gas- und Partikelphase spiegelt nicht komplett die Zustände im Zigarettenrauch wider, denn einige halbflüchtige Substanzen, wie z.B. Phenol, sind unter anderem auch in der Gasphase zu finden (Hoffmann et al., 2001). Wichtigste Bestandteile der Partikelphase sind Nikotin (0,2-0,6% des Rauches insgesamt), verschiedene andere für die Pflanzengattung Nicotiana spezifische Alkaloide (ca. 0,02%), Catechole (ca. 1%), Terpene und kanzerogene wie nicht kanzerogene Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe mit der Hauptkomponente Benzo[a]pyren und eine Vielzahl von anderen Substanzen, darunter viele Kanzerogene, die jedoch nur in einem sehr geringen Prozentsatz enthalten sind (Hoffmann et al., 2001). Eine bedeutsame Gruppe sind die tabakspezifischen N-Nitrosamine, die sich vor allem durch N-Nitrosierung der Alkaloide während der Tabakverarbeitung, möglicherweise aber auch während des Rauchens bilden können. Es kommen noch weitere kanzerogene Verbindungen im Zigarettenrauch vor, jedoch lediglich in sehr geringen Konzentrationen, weswegen ihr Beitrag zum Krebsrisiko nicht quantifiziert werden kann, darunter z.B.

Ethylen, Vinylchlorid, Acrylnitril, Chinolin, Aza-Arene (stickstoffhaltige PAK) und Ethylenoxid als organische Verbindungen. Eine Zusammenfassung von ausgewählten identifizierten Substanzen im Zigarettenrauch ist in Tabelle 2 aufgeführt.

Das Wissen über die Aufteilung der verschiedenen Rauchkomponenten in die Gas- oder Partikelphase ist wichtig für die toxikologische Bewertung dieser Substanzen, weil die verschiedenen Phasen unterschiedliche Ablagerungseigenschaften im Atemtrakt besitzen, z.B., ob sie oral, pharyngeal, bronchial oder alveolär abgeschieden werden. Bestandteile der Partikelphase können abhängig von ihrer tatsächlichen Größe unterschiedlich tief in den Atemtrakt gelangen (Bernstein, 2004).

8 Tabelle 2: In Tabak und Tabakrauch nachgewiesene Substanzen (verändert nach Hoffmann et al., 2001).

Funktionelle Gruppen Anzahl im Tabak

Schwefelhaltige Komponenten 3 37 2

N-heterozyklische Verbindungen

Ungesättigte Aliphaten 38 178 10

Monozyklische Aromaten 33 138 25

Polyzyklische Aromaten 55 317 35

Pestizide 28 25 25 geringen Konzentrationen vorhanden und werden auch nur zu weniger als 1% in den Rauch überführt.

Folgende Metalle sind in Tabakprodukten nachweisbar: Kalium, Calcium und Magnesium und die kanzerogenen Metalle Cadmium, Chrom, Nickel und Polonium 210 (α-Strahler), welche im Tierversuch bei inhalativer Exposition Lungentumore induzieren.

Eine weitere Wirkung des Tabakrauches (sowohl Partikel- als auch Gasphase) auf den menschlichen Organismus ist die Induktion von oxidativem Stress sowohl in den oberen Atemwegen und der Lunge als auch in entfernteren Geweben. Tabakrauchen hat ebenfalls Auswirkungen auf den Vitamin-Haushalt des Körpers, denn verglichen mit Nichtrauchern haben Raucher eine niedrigere Vitamin-C-Konzentration im Blutplasma (Schectman et al., 1989).

9 Weiteren Einfluss auf den menschlichen Organismus nimmt Zigarettenrauch außerdem über die Beeinflussung des Stoffwechsels. Ein solcher Einfluss ist auf das im Zigarettenrauch vorkommende Nikotin zurückzuführen, das eine stimulierende Wirkung auf das sympatho-adrenale System ausübt.

So zeigen Raucher einen höheren Grundumsatz als Nichtraucher, folglich haben sie ein geringeres Körpergewicht. Hört ein Raucher mit dem Rauchen auf, so normalisiert sich der Stoffwechsel allmählich und es kommt ohne eine zusätzliche Kalorienzufuhr (verglichen mit der Kalorienzufuhr vor dem Rauchstopp) zu einer 5%-igen Gewichtszunahme. Einen weiteren Einfluss auf das Körpergewicht von Rauchern hat Nikotin über eine erhöhte Magensaftsekretion und eine Erhöhung der Motilität von Magen und Darm, wodurch die Verdauung angeregt und der Appetit gehemmt wird.

Die genaue chemische Zusammensetzung des Tabakrauches ist u.a. abhängig von der Luftströmung, in welcher der Rauch entsteht. Dabei unterscheidet man prinzipiell zwischen dem Hauptstromrauch, der während des Zuges an der Zigarette entsteht und vom Raucher eingeatmet wird, und dem Nebenstromrauch, der während der Zugpausen durch Verglimmen des Tabaks entsteht.

Eine brennende Zigarette kann in verschiedene Zonen eingeteilt werden (siehe Abbildung 2). In der so genannten Glutzone findet bei sehr hohen Temperaturen von ca. 900°C eine thermische Zersetzung des Tabaks und des Zigarettenpapiers statt. Diese hohen Temperaturen werden durch das kontinuierliche Ziehen des Rauchers am Mundstück unterhalten. In diesem Bereich wird unter reduktiven Bedingungen, d.h. unter Sauerstoffmangel, sowohl organisches als auch anorganisches Material thermisch zersetzt und gelangt in gasförmigem Zustand in die direkt dahinter liegende Destillationszone. In diesem Bereich der brennenden Zigarette vermischen sich die gasförmigen Reaktionsprodukte mit den aus dem frei werdenden Wasserdampf abdestillierten Stoffen. Direkt hinter diesem Bereich kühlt das komplexe Gemisch ab und es bildet sich ein Aerosol, in dem sich der Hauptwirkstoff des Tabaks, das Nikotin, befindet. Mit zunehmendem Abstand zur Glutzone sinkt die Temperatur, ein Teil des gebildeten Aerosols lagert sich in der Zigarette ab (Kondensationszone), wird in der vorrückenden Glutzone verbrannt oder aber wieder frei gesetzt und mit dem Hauptstromrauch eingeatmet. Bedingt durch die beschriebenen Prozesse reichert sich das Destillat mit zunehmender Nähe zum Mundstück an, so dass sich in Mundstücknähe ca. 80% des gesamten in der Zigarette enthaltenen Nikotins ansammelt. In den Zugpausen, während denen nicht an der Zigarette gesogen wird, werden die Tabakprodukte bei geringeren Temperaturen verbrannt, so dass mehr Stoffe abdestilliert als verbrannt werden. Abbildung 2 gibt eine Übersicht der im Haupt- und Nebenstrom enthaltenen Substanzen.

10 Abbildung 2: Die verschiedenen Zonen beim Abbrand einer Zigarette. In der Glutzone werden die Zigarettenausgangsstoffe bei 900°C thermisch zersetzt. In der Destillationszone werden Stoffe durch den entstehenden Wasserdampf freigesetzt, ein Teil davon kondensiert wieder bei geringeren Temperaturen in der Kondensationszone, um bei fortschreitendem Abbrand der Zigarette wieder abdestilliert zu werden. Der Nebenstromrauch entsteht in den Zugpausen bei tieferen Temperaturen.

Ein Teil des vom Raucher eingeatmeten Hauptstromrauches wird wieder abgeatmet. Wird in einem geschlossenen Raum geraucht, so ist der Tabakrauch in der Raumluft ein dynamisches Gemenge aus gealtertem und auch verdünntem Nebenstromrauch und dem vom Raucher wieder ausgeatmeten Hauptstromrauch. Der Rauch in der Raumluft altert innerhalb von Minuten bis Stunden, wobei sich die Zusammensetzung der Gas- und Partikelphase kontinuierlich verändert, so geht z.B. Nikotin von der Gasphase in die Partikelphase über und ist in der Lage, an Oberflächen zu binden.

Dies ergibt eine beträchtliche Belastung für Personen, die sich ebenfalls in diesem Raum befinden.

Diese stark diskutierte Problematik des so genannten Passivrauchens wird im folgenden Abschnitt erläutert.