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Dynamische Kopplung im Phasenraum

3. Die treibende Kraft 30

3.2. Direkte Kompensation des Schmetterlingseffektes

3.2.1. Dynamische Kopplung im Phasenraum

Eine wesentliche Einschr¨ankung der in Abschn.3.1vorgestellten Kopplungsverfahren ist, daß eine feste (statische) global g¨ultige Funktion der Observablen im Phasenraum be-nutzt wird. Dies wird deutlich, wenn man sich erinnert, daß die sensitive Abh¨angigkeit von den Anfangsbedingungen auf dem Attraktor in Betrag und Richtung variiert. So existieren auf den meisten Attraktoren Gebiete, die nur schwach instabil sind, w¨ahrend andere (bevorzugt in der N¨ahe von instabilen Orbits niedriger Periode [46]) zu starker Expansion des Abstandes benachbarter Trajektorien f¨uhren. Weiterhin sind die lokalen Expansionsrichtungen entlang des chaotischen Flusses nicht konstant, sondern ver¨andern sich st¨andig w¨ahrend der Zeitentwicklung eines Zustandes. Dies kann dazu f¨uhren, daß eine Kopplungsfunktion an einigen Gebieten auf dem Attraktor sehr effektiv steuert, w¨ahrend sie in anderen ohne Wirkung bleibt, da sich die lokalen Stabilit¨atseigenschaften ge¨andert haben. Wenn man nun die Forderung nach einer im gesamten Phasenraum fe-sten Kopplungsfunktion fallenl¨aßt, kann manlokal variablebzw.dynamische Kopplungs-funktionen einf¨uhrenCy(hx(x),hy(y),x,y), welche den lokalen Stabilit¨atseigenschaften auf dem Attraktor angepaßt werden k¨onnen. Der wesentliche Unterschied zu der oben diskutierten festen Kopplungsfunktion ist, daß nun Cy und die Meßfunktionen hx,hy direkt vom aktuellen Systemzustandx,yabh¨angen k¨onnen, welches wir zur Unterschei-dung durch die Indizierung mit dem Zustand andeuten4.

Die Systeme liegen nun allgemein als zwei gekoppelte ODEs der Form

˙

x = f(x) +Cx(hy(y),hx(x))

˙

y = f(y) +Cy(hx(x),hy(y)) (3.21) bzw. zwei gekoppelte iterierte Abbildungen der Form

xn+1 = f(xn) +Cx(hy(yn),hx(xn))

yn+1 = f(yn) +Cy(hx(xn),hy(yn)) (3.22) vor. Lorenz hatte den sogenanntenSchmetterlingseffektals Metapher zur Verdeutlichung der sensitiven Abh¨angigkeit von den Anfangsbedingungen von chaotischen Systemen

4Formal gesehen, l¨aßt sich auch die dynamische Kopplung in der Form C(h(x),h(y)) mathematisch korrekt darstellen, da ihre funktionale Form nur vom Zustand x bestimmt wird. Im Hinblick auf reale Anwendbarkeit, ist es aber ¨ublich und sinnvoll zwischen Meßgr¨oßehx und Steuergr¨oßeCxzu unterscheiden.

eingef¨uhrt. Lokale (infinitesimal) kleine Abweichungen im Anfangszustand zweier iden-tischer Systeme f¨uhren unweigerlich im Laufe der Zeitentwicklung zur exponentiellen Divergenz der Trajektorien und damit zur Unm¨oglichkeit von Langzeitvorhersagen der Zust¨ande. Bei der chaotischen Synchronisation wird dieser Divergenz durch Einf¨uhrung einer geeigneten Kopplung zwischen den Systemen entgegengewirkt. Mit den klassischen statischen Kopplungsfunktionen wird eine dissipative Kraft eingef¨uhrt welche nur im Mittel das Auseinanderlaufen der Trajektorien verhindern kann, d.h. es k¨onnen wei-terhin Untermengen auf dem Attraktor existieren welche lokal instabil sind (siehe Ab-schn.2.1.1). Die dynamische Kopplungsmethode in Glg. (3.21) und Glg. (3.22) hat das Potential direkt der lokalen Instabilit¨at entgegenzuwirken und ist bestrebt das getrie-bene System in jedem Punkt auf dem Attraktor stabil zu machen, womit die sensitive Abh¨angigkeit von den Anfangsbedingungenglobal unterdr¨uckt werden kann5.

Im Folgenden wollen wir eine geeignete lokale KopplungsfunktionCy konstruieren. Das dynamische zeitdiskrete System in Glg. (3.22) liefert direkt den Fluß Φt, w¨ahrend im zeitkontinuierlichen Fall in Glg. (3.21) im Phasenraum Rn ein Vektorfeld f, welches das Geschwindigkeitsfeld des Phasenflusses Φt darstellt, definiert wird. Die Divergenz divf(x) = Sp{J(x)} = Sp{∂x∂f} bestimmt damit die Geschwindigkeit mit der sich die Gr¨oße eines infinitesimalen Volumenelementes an der Stelle x unter der Wirkung von Φt ¨andert. Bei den hier betrachteten dissipativen Systemen ist diese Gr¨oße im Mittel kleiner Null, so daß das Volumenenelement im Mittel kontrahiert wird. Betrachtet man nun aber die Zeitentwicklung dieses Elementes so zeigt sich, daß es in einigen Richtun-genui(x) gestreckt wird6. In den verbleibenden Richtungenus(x) wird diese Streckung

¨uberkompensiert, so daß das Volumen insgesamt kontrahiert wird. Der Einfachheit hal-ber behandeln wir zuerst den Fall nur einer streckenden Richtung ui(x), welcher z.B.

bei 3-dimensionalen chaotischen ODEs wie dem Lorenz- oder R¨osslersystem auftritt.

Betrachtet man nun den Abstand zweier benachbarte Zust¨ande kek=kx−yk < δ, so wird nur der Anteil des Abstandes in der instabilen Richtung hui|ei=hui|(x−y)i um einen noch zu bestimmenden Faktorγx>1, der auch vom aktuellen Zustand abh¨angen kann, gestreckt. Zur Synchronisation muß genau diese Streckung kompensiert werden.

Der restliche Anteil liegt im stabilen Unterraum und wird aufgrund der Dissipation vom System selbst kontrahiert. Somit machen wir f¨ur die lokale Kopplungsfunktion folgenden ersten Ansatz

Cx(hy(y),hx(x)) = γxhuix|(y−x)iuix

Cy(hx(x),hy(y)) = γyhuiy|(x−y)iuiy. (3.23) In transversalen Koordinaten x = 12(x−y) schreibt sich der Kopplungsterm aus Glg. (3.23)C∼ hui|xiui. In dieser Schreibweise wird deutlich, daß die Kopplung exakt

5Jedes einzelne System f¨ur sich betrachtet bleibt aber nat¨urlich weiterhin nur f¨ur kurze Zeit vorhersag-bar. Die chaotische Synchronisation bewirkt keinen Vorteil in der Vorhersage der Zeitentwicklung des Systems, sondern es wird dervollst¨andige Zustand des treibenden Systems zum jetzigen Zeitpunkt vorhergesagt, wobei in Form der Meßsignale nur partielle Information ¨uber den Zustand des Treibers vorliegt.

6Wie oben diskutiert bleiben diese Richtungen nicht konstant, sondern ver¨andern sich stetig entlang des Flusses Φt.

das tut was sie soll.

• Sie wirkt nur auf den Anteil von x der abstoßend ist. Das heißt, die Kopplung nutzt implizit die lokalen Kontraktionseigenschaften des getriebenen Systems aus und wirkt nur auf die Anteile vonxdie entlang des Flusses Φtexpandiert werden.

Den verbleibenden Anteil kontrahiert das getriebene System selber!

Von Standpunkt der Theorie der dynamischen Systeme kann man damit diesen Ansatz als optimal ansehen, da die Kopplung durch die Systemdynamik definiert wird und auch als minimal, da sie dar¨uberhinaus diese f¨ur ihre Zwecke weitestm¨oglich ausnutzt. Aus diesem Grund bezeichnen wir im Folgenden diese Kopplungstrategie als (lokal) dynami-sche Kopplung.

Ein Problem ist nun noch, daß der Kopplungsterm Glg. (3.23) die vollst¨andigen n-dimen-sionalen Zust¨ande zur Kopplung ben¨otigt, welche durch die Synchronisation ja eigentlich erst vorhergesagt werden sollte. Eine gute Kopplung sollte mittels minimaler Information in Form von m¨oglichst wenigen skalaren ¨Ubertragungssignalen den kompletten Zustand des treibenden Systems rekonstruieren, denn wenn dieser als Signal schon komplett vor-liegt, ist es Unsinn denselben nochmals durch eine komplizierte Strategie zu reproduzie-ren. Falls das Vektorfeldf zumindest stetig differenzierbarf ∈C1 ist, dann ist der lokale Fluß Φt strukurell stabil gegen¨uber kleinen St¨orungen in den Parametern und dem Zu-stand. Das bedeutet, daß benachbarte Zust¨ande im Phasenraumkek=kx−yk< δauch

¨ahnliche lokale Stabilit¨atseigenschaften besitzen unduix≈uiyangenommen werden darf.

Der Anteil vonean uiy l¨aßt sich dann durchhuiy|(x−y)iuiy ≈(huix|xi − huiy|y)iuiy ap-proximieren. F¨ur den Fall einer instabilen Richtung ergibt sich damit f¨ur zwei gekoppelte ODEs folgendes Synchronisationsschema

als Kopplungsfunktionen f¨ur Glg. (3.24). Die Kopplungsst¨arke γx sollte so gew¨ahlt wer-den, daß sie mindestens die lokale Instabilit¨at des aktuellen Zustandes x kompensieren kann. Das Synchronisationschema f¨ur iterierte Abbildungen wird analog gebildet. Was nun noch verbleibt, ist die instabilen Richtungen ui und die Kopplungsst¨arke γ f¨ur ein vorgegebenes ansonsten aber beliebiges System

˙

x=f(x) bzw. (3.27)

xn+1 =f(xn) (3.28)

zu bestimmen.