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DSC-Analysen: Chemical Confinement in Niederdruckproben 157

5.2 Überprüfung der Theorie des "Chemical Confinements"

5.2.1 DSC-Analysen: Chemical Confinement in Niederdruckproben 157

Die Beeinträchtigung der Segmentbewegung durch das CC führt, wie oben bereits beschrieben zur Verkürzung der relaxierenden Kette. Durch diesen Effekt kommt es zu einem zusätzlichen Übergang, der bei den Niederdruckproben beobachtet werden kann.

Von entscheidendem Einfluss auf die Intensität des in Kapitel 4.10.1 beschriebenen β-Übergangs ist der MAA-Gehalt im Copolymer. Abbildung 4.27 zeigt die Probenreihe mit dem niedrigsten MAA-Gehalt im Copolymer. Es ist kein signifikanter Unterschied zwischen der Hoch- und Niederdruckprobe zu beobachten. Abbildung 4.25 und 4.26 zeigen Probenreihen mit einem jeweils höherem MAA-Gehalt (siehe Tabelle 4.1).

Beim Vergleich dieser Auftragungen ist eine deutliche Verstärkung der β-Relaxation mit steigendem MAA-Gehalt im Copolymer zu erkennen. Dies spricht für die Gültigkeit des CC. Je mehr Säureeinheiten vorhanden sind, desto häufiger kann es zu einer Versteifung oder einer Verhakung der Polymerketten kommen. Die DSC-Messungen bestätigen auch den nicht-statistischen Aufbau der Niederdruckproben. Sollte der zusätzliche Übergang lediglich auf das Vorhandensein einer großen Anzahl von Säureeinheiten im Copolymer zurückzuführen sein, dann sollten auch die Hochdruckproben einen weiteren Übergang zeigen, speziell die Probe EMAA 3.4, die einen relativ hohen Säuregehalt besitzt. Für diese Hochdruckprobe wird aber kein signifikanter Übergang beobachtet. Somit wird der unterschiedlich statistische Aufbau der Hoch- und Niederdruckproben ebenfalls bestätigt.

Wie bereits erwähnt, weist die Ausbildung eines β-Minimums eine Temperatur-abhängigkeit auf, wie in Abbildung 4.30 gezeigt. Bei hohen Synthesetemperaturen kommt es zu einer deutlicheren Ausprägung des β-Übergangs. Die Unterschiede, die sich in den DSC-Messungen für Hoch- und Niederdruckproben ergeben, werden auf den statistisch und nicht-statistischen Aufbau der Copolymere bezüglich der Säuregruppen zurückgeführt, wie es in der Literatur[8, 9] und in dieser Arbeit in Kapitel 4.13.2 mittels NMR-Analysen aufgezeigt wird. Durch den nicht-statistischen Aufbau der Niederdruckproben besteht die Möglichkeit, das Konzept des „Chemical Confinements“ zur Erklärung eines zusätzlichen

β-Übergangs heranzuziehen. Unter Berücksichtigung des literaturbekannten Phasen-diagramms für EMAA-Copolymere, gezeigt in Abbildung 5.1, ergibt sich, dass eine höhere Synthesetemperatur bei gleichem Reaktionsdruck zu einer weiteren Entfernung von der Phasengrenze führt. Somit sollte der nicht-statistische Aufbau zurück gehen und sich das Verhalten der Proben dem Verhalten der statistisch aufgebauten Copolymere annähern.

Die Temperaturabhängigkeit der Intensität des β-Minimums zeigt allerdings einen entgegengerichteten Trend auf. Für hohe Synthesetemperaturen ergibt sich ein intensiver β-Übergang. Dies könnte bedeuten, dass bei hohen Temperaturen nicht-statistische Proben erhalten werden, was sich allerdings nicht mit der Literatur und den NMR-Ergebnissen aus Kapitel 4.13.2 deckt.[8, 9] Beim direkten Vergleich von Hoch- und Niederdruckproben wird ein Einfluss des Synthesedrucks beobachtet. Je näher dieser Synthesedruck an der Phasengrenzen liegt, desto deutlicher werden zusätzlich Übergänge ausgeprägt. Das lässt sich plausibel durch einen nicht-statistischen Aufbau nahe der Phasengrenze erklären. Für die Temperaturabhängigkeit der Intensität des β-Minimums müssen weitere Effekte von Bedeutung sein. Wie bei der Definition des CC in Kapitel 5.1 erwähnt, führen zusätzlich in das Polymer eingebrachte Verzweigungen, die mögliche Verhakungspunkte bieten, ebenfalls zu einem Einfluss auf mögliche Relaxationen. Dieses „Geometric Confinement“

hängt somit vom Verzweigungsgrad der Polymere ab. Aus der Literatur ist bekannt, dass der Verzweigungsgrad von der Synthesetemperatur und vom Gesamtmonomerumsatz abhängig ist.[10, 11] Der Verzweigungsgrad ist umso höher, je höher die Synthesetemperatur und der Umsatz einer Polymerisation sind. Bei hohen Synthesetemperaturen kommt es zu einer verstärkten Bildung von Verzweigungen. Diese Verzweigungen führen, wie auch das CC, zu einer Verkürzung der beweglichen Ketten (siehe Abbildung 5.3). Die stärkere Ausbildung eines β-Übergangs bei höheren Synthesetemperaturen kann somit plausibel erklärt werden. Bei Betrachtung des in Tabelle 4.2 aufgeführten Umsatzes für die jeweiligen Proben fällt auf, dass für Proben, die bei einer niedrigeren Temperatur synthetisiert wurden, ein geringerer Umsatz vorhanden ist (TReak=230 °C, X=9.8 %), wie für Proben, die bei hohen Temperaturen hergestellt wurden (TReak=300 °C, X=20 %). Die Ausbildung des β-Übergangs wird bei hohen Synthesetemperaturen durch die Abhängigkeit des Verzweigungsgrades von der Temperatur und vom Umsatz verstärkt. Für die Proben, die bei hohen Temperaturen hergestellt wurden, summieren sich somit beide Effekte, da sowohl eine höher Synthesetemperatur und auch ein höherer Umsatz vorliegen als für Proben, die bei einer niedrigen Temperatur synthetisiert wurden. Ein Einfluss des Synthesedrucks auf die Verzweigungen wird aufgrund der bekannten

Aktivierungsvolu-men für zum Beispiel die Homopolymerisation von Ethen (–3.4 cm3·mol–1)[12] als gering eingeschätzt, kann aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Eine Erklärung der beobachteten starken Druckabhängigkeit lediglich mittels Verzweigungen ohne Berücksichtigung des CC wäre theoretisch möglich, erscheint aber nicht realistisch. Als Gründe können aufgeführt werden, dass die oben beschriebene Druckabhängigkeit bei Weitem nicht ausreichen würde, um die erheblichen Unterschiede der vermessenen Hoch-und Niederdruckproben einer Probenreihe mit nahezu gleichem Umsatz zu erklären. Als Beispiel kann die Probenreihe EMAA 3 aufgeführt werden. Ein erheblicher Einfluss des Synthesedruckes auf das resultierende Thermogramm der vermessenen Proben kann auch bei der Probenreihe EMAA 28 festgestellt werden.

Ein Einfluss des nicht-statistischen Aufbaus der Polymere und somit eine Auswirkung des CC kann beim direkten Vergleich der in Abbildung 5.4 gezeigten Proben beobachtet

Die Hochdruckprobe zeigt eine leichte Plateaubildung im Temperaturbereich, wo ein β-Übergang für die Niederdruckproben erwartet wird. Es liegt ein Umsatz von 23.6 % vor.

Bei diesem Umsatz und der hohen Synthesetemperatur von ca. 300 °C kommt es vermehrt zur Ausbildung von Verzweigungen im Vergleich zu Proben, die bei niedrigeren Temperaturen und Umsätzen synthetisiert wurden. Proben, die nahe der Phasengrenze hergestellt wurden und somit einen nicht-statistischen Aufbau aufweisen, zeigen einen

ausgeprägten β-Übergang (siehe auch Abbildung 4.30). Der Vergleich der beiden Niederdruckproben, die bei 1000 und 1300 bar bei nahezu gleichen Temperaturen und gleichen Umsätzen hergestellt wurden, lässt vermuten, dass die Ausbildung des β-Übergangs sowohl auf Verzweigungen als auch auf das CC zurückzuführen sind. Die bei 1000 bar nahe der Phasengrenze hergestellte Probe zeigt einen intensiveren Übergang als die bei 1300 bar hergestellte Probe, die aufgrund der Entfernung zur Phasengrenzen einen weniger nicht-statistsichen Aufbau aufweisen sollte.

Nun lässt sich auch die Aufspaltung des β-Übergangs in Abbildung 4.26 für die Niederdruckprobe EMAA 3.12 erklären. Diese Probe wurde bei einem Umsatz von 23.6 %, einer Temperatur von TReak=270°C und einem MAA-Gehalt von FMAA=0.066 erhalten. Es liegen Bedingungen vor, die einen hohen Verzweigungsgrad erwarten lassen.

Des Weiteren ist bei diesem relativ hohem MAA-Gehalt und einem nicht-statistischen Aufbau das CC stark begünstigt. Durch die möglichen Verzweigungen kann es zu einem

„Geometric Confinement“ kommen, das durch das CC weiter verstärkt wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Effekt zu einer Separation des β-Übergangs führt. Für die in Abbildung 5.4 gezeigten Proben liegt im Vergleich zu EMAA 3.12 nur ca. ein halb so hoher Säuregehalt im Copolymer vor. Dadurch ist es möglich, dass das CC aufgrund des geringeren Säuregehaltes zu einer Verbreiterung führt, aber keine Aufspaltung wie im Falle von EMAA 3.12 herbeiführen kann.

5.2.2 Chemical Confinement bei der mechanischen Spektroskopie

Bei den DMA-Analysen wurde ein zusätzlicher Übergang für die untersuchten Niederdruckproben gefunden. Bei Hochdruckproben ließ sich keine β-Relaxation beobachten. Auch diese Analysen weisen auf das Vorhandensein des CC hin. Besonders interessant ist die starke Kräfteabhängigkeit der β-Relaxation, gezeigt in Kapitel 4.11.3.

Während die dort erwähnte γ- und α-Relaxation keine starke Kräfteabhängigkeit zeigen, verschiebt sich die β-Relaxation bei Erhöhung der angelegten Kräfte sehr stark zu niedrigeren Temperaturen. Ein Erklärungsansatz beruht auf der hohen mechanischen Belastung des Copolymers. Durch die Komprimierung können eventuell zusätzliche WBB ausgebildet werden. Das beruht auf einer Distanzverkürzung zwischen den Polymerketten.

Somit ist es für säurereiche Regionen wahrscheinlicher, dass WBB zu ebenfalls säurereichen Sequenzen einer weiteren Seitenkette ausgebildet werden. Wie in

Abbildung 5.3 c) gezeigt, kann dies zu einer Verkürzung der relaxierenden Segmente führen. Die starke Kräfteabhängigkeit der β-Relaxation und der nicht vorhandene Einfluss auf die restlichen Relaxationen spricht ebenfalls für ein CC.