• Keine Ergebnisse gefunden

Druckeffekte auf komplexe Lebensmittelsysteme: Fleisch- und

Im Dokument Hydrostatischer Hochdruck (Seite 58-68)

1. Theorie

1.9. Biochemische Veränderungen unter Hochdruck

1.9.7. Druckeffekte auf komplexe Lebensmittelsysteme: Fleisch- und

Theorie

44 Wachstumsphase, Art und Spezies der Mikrobiota sowie Membranzusammensetzung auch umgebende Faktoren wie Art und Stärke der Ionen, aw-Wert,alsoauch Lebensmittelbestandteile wie Fette und Kohlenhydrate eine protektive Wirkung auf Mikroorganismen während einer Hochdruckbehandlung haben (Seyderhelm et al. 1996), zum anderen zeigen sich Revitalisierungsprozesse im Lebensmittel in Abhängigkeit der Nährstoffzusammensetzung ect. Daher ist es unerlässlich, Untersuchungen direkt im Lebensmittel durchzuführen und dabei auch die Lagerung des Produktes zu beachten.

1.9.7. Druckeffekte auf komplexe Lebensmittelsysteme: Fleisch- und

Theorie

45 Aktivierungsvolumens bewirken würde. Andere Reaktionen, welche eine Verringerung des Volumens auslösen, sind z. B. die Bildung von Wasserstoffbrücken oder die Dissoziation von Ionenbindungen. Der Solvatationsanteil kann durch Polarität sowie Dipolinteraktionen etc.

verändert werden und wird daher durch die Milieubedingungen wie Ionenkonzentrationen des Lebensmittelsystems beeinflusst.

Hochdruck, wie bereits beschrieben, bewirkt bei Wasser beispielsweise eine verstärkte Dissoziation der H2O-Moleküle, das Ionenprodukt wird verändert. Dies hat wiederum einen Einfluss auf andere Bestandteile wie beispielsweise Proteine und deren Löslichkeitsverhalten. Wasser unter hydrostatischem Druck verhält sich annähernd inkompressibel, wohingegen bei Polymeren wie Proteinen oder Kohlenhydraten eine starke Volumenänderung eintritt. Gleichzeitig erfolgt bei einer Druckbehandlung eine adiabate Erwärmung, wodurch Proteine thermisch verändert werden. In wässrigen Systemen liegt die Erwärmung bei ca. 3 °C/100 MPa. Proteine verändern ihre Sekundär- und Tertiärstruktur, die Primärstruktur wird nicht beeinflusst. Ionenbindungen in der Tertiärstruktur beispielsweise werden begünstigt und unter Hochdruck verstärkt, auch Wasserstoffbrückenbindungen können gefördert werden, wenn sie zu einer Volumenabnahme des Systems beitragen.

Hydrophobe Bindungen werden durch Solvatisierung der apolaren Oberflächen aufgrund einer sinkenden Dielektrizitätskonstante von Wasser unter Hochdruck verstärkt.

Hochdruckinduzierte Proteinveränderungen können somit im Fleisch wesentliche funktionelle und qualitative Eigenschaften verändern, unter anderem sind hier die Festigkeit/Textureigenschaften zu erwähnen (Cheftel and Dumay 1996; Cheftel and Culioli 1997). Die Muskelproteine (vor allem die myofibrillären Proteine) unterliegen im unteren Druckbereich (bis ca. 300 MPa) einer partiellen Auffaltung, was zu einer erhöhten Löslichkeit führt, in höheren Druckbereichen kommt es zur Gelbildung und irreversibler Denaturierung der Proteine (Suzuki et al. 1992). Zum anderen ist in der Literatur beschrieben, dass die Veränderung des roten Muskelfarbstoffes, Myoglobin, zu einer Farbaufhellung in Fleisch nach einer Hochdruckbehandlung führt (Cheftel 1997; Suszuki et al. 2006). Gerade die Aufhellung von Fleisch durch eine druckinduzierte Denaturierung des globulären Anteiles des Myoglobin stellt einen Anspruch an die Optimierung von Prozessparametern für die Industrie dar. Zumeist soll das nicht thermische Verfahren als Pasteurisationsschritt eingesetzt werden. Vor allem die Tertiärstrukturen des aus 153 AS bestehenden Proteins Myoglobin werden unter Hochdruck verändert. Das aktive Zentrum besteht aus einem Eisen-kern, diese Stelle ist verantwortlich für die Sauerstoffversorgung des Muskels. Die Veränderung des Proteins Myoglobin unter Hochdruck lässt sich in zwei Hauptreaktionen unterteilen. Zum einen kommt es zur Ablösung der aktiven Gruppe einhergehend mit einer Oxidation und zum anderen zur Denaturierung der globulären Struktur. Durch den Verlust

Theorie

46 der Struktur und der Oxidation des Eisenkerns verliert das Eiweiß seine im Muskel farbgebende Eigenschaft und das Fleisch erscheint weiß und bleich wie nach einem thermischen Erhitzungsschritt. Jaenicke (1983) schrieb, dass das Myoglobin in saurem Milieu eine gesteigerte Denaturierung aufweist als unter basischen Bedingungen. Dem entgegen beschreibt die Arbeitsgruppe von Wackerbarth et al. (2009), dass die Veränderung des Myoglobin nicht auf eine Oxidation des Eisenkerns zurückzuführen ist, sondern durch Resonanz-Raman-Messungen verdeutlichte diese Arbeitsgruppe, dass sich die Koordination des Hämanteil im Kern des Myoglobins ändert. Der Einsatz des Hochdrucksverfahrens wird daher vor allem bei frischem und vorverarbeitetem, prozessiertem Fleisch mit seiner artenreichen Flora angewandt. Eine erfolgreiche Haltbarkeitsverlängerung über mindestens eine Woche von rohem Rindfleisch bei den Behandlungsparametern von 520 MPa, 260 Sekunden Haltezeit zeigten Jung et al. (2003). Auch Hugas et al. (2002) bewiesen, dass die Hochdrucktechnologie einen hohen Schutz vor pathogegen Fleischmikroorganismen wie Salmonellen und Listerien in rohem und mariniertem Schweinefleisch bieten kann. Smelt (1998) befasst sich in seinem Review in der Zeitung Trends in Food Science vorzugsweise mit der Anwendung des Hochdrucks als Pasteurisationsverfahren. Dabei wird darauf hingewiesen, dass sowohl Inaktivierungsmechanismen als auch Lagerbedingungen zu Abweichungen der im Labor in Pufferssystemen gemessenen Ergebnisse beitragen! In Tabelle 6 sind Beispiele für Inaktivierungen in Geflügelfleisch und anderen Fleischsorten aufgelistet. Andrès et al. (2004) behandelten Schinken bei 400MPa und konnten über eine Lagerung keine Farbveränderung nachweisen. Es zeigte sich sogar, dass bei einer Lagerung mit 5 % Restsauerstoff das Nitrosomyoglobin noch stabiler war als bei einer Lagerung ganz ohne Sauerstoff. Allerdings konnte diese Arbeitsgruppe einen hohen Gehalt an TBARS und einen Abbau von Vitamin E über die Lagerung von hochdruckbehandeltem Schinken nachweisen. Diese Arbeitsgruppe stellte in Bezug der Fettoxidation fest, dass eine Zerkleinrung des Schinken zu einem Anstieg an Bildung von Radikalen und verstärkte Oxidation führt.

Theorie

47 Tabelle 6: Inaktivierungen in Lebensmitteln mittels Hochdruck von verschiedenen Mikroorganismen bei unterschiedlichen Behandlungsbedingungen

Mikroorganismus Substrat Druck [MPa]

Haltezeit [min]

Temp.

[°C]

Inaktivierung [log KbE]

Referenz Campylobacter

jejuni

Schweine-fleisch

300 10 25 6 Shigehisa

et al.

1991 Escherichia coli

O157:H7

Geflügel-fleisch

600 15 20 3 Patterson

et al.

1995 Staphylococcus

aureus

Geflügel-fleisch

600 15 20 3 Patterson

et al.

1995 Listeria

monocytogenes CA

Geflügel-fleisch

375 15 20 2 Patterson

et al.

1995 Listeria

monozytogenes

Geflügel-fleisch

500 1 40 3.8 Chen et

al. 2007

Neben diesen Pasteurisationsverfahren nimmt die Hochdrucktechnologie zusätzlich eine Stellung als Prozessschritt ein. Dabei ist gerade im Fleischbereich das „kalte Kochen“ zu nennen. Hochdruck führt durch seine Modifikationen von Tertiärstrukturen der Proteine zur Veränderung von Funktionalität und Rheologie von Fleischmatrizen. Sikes et al. (2009) untersuchten den Kochverlust und Anteile der Proteine von niedergesalzenem Rinderbrät nach einer Hochdruckbehandlung. Dabei zeigte die Arbeitsgruppe, dass bei gleichbleibendem Kochverlust die Salzkonzentration bei Würsten mit Hochdruck vermindert werden kann im Vergleich zum normalen Herstellungsverfahren. Die Ergebnisse der SDS-Page zeigten einen erhöhten Anteil an löslichen Myofibrillareproteinen nach einer Hochdruckbehandlung im Vergleich zu thermischen Prozessen. Angsupanich and Ledward (1998) beschreiben den Verlust von Säureresten von AS an der Oberfläche nach einer Hochdruckbehandlung von Proteinen, einhergehend mit einem Anstieg des pH-Wertes. Dies führt zu einem Entfalten der Proteine und somit zu einer verbesserten WHC. Kruk et al.

(2011) untersuchten Effekte einer Hochdruckbehandlung auf Hühnerfleisch. Sie stellten eine gute Inaktivierung von für S. Thyphimurium und L. monocytogenes sowie E. coli fest.

Darüber hinaus zeigten sie, dass auch über eine Lagerung von 14 Tagen bei 4 °C kein weiteres signifikantes Wachstum dieser Mikroorganismen messbar war. Rheologische Untersuchungen von Kruk et al. (2011) verdeutlichten, dass es vor allem bei Drücken über 300 MPa zu einer Verfestigung und Aufhellung des Hühnerfleisches kam. Auch der Gehalt an TBARS und Stoffen stellvertretend für eine Fettoxidation stiegen nach einer Hochdruckbehandlung und Lagerzeit an. Iwasaki et al. (2006) zeigten für Hühnerfleisch unter Zugabe von 0,2 % NaCl, dass das unter Druck ausgebildete Netzwerk eine feine und

Theorie

48 dreidimensionale Struktur aufweist. Eine Druckbehandlung bis 200 MPa und eine anschließende thermische Bearbeitung führten zu einem Elastizitätsanstieg der Proteingele, wohingegen eine weitere Steigerung des Drucks zu einer Abnahme der Elastizitätseigenschaften führt (Iwasaki et al. 2006). Eine Verfestigung des Fleischgewebes mit steigendem Druck wurde auch von den Autoren Ma and Ledward (2004) beschrieben.

Beim Rindermuskel longissimus dorsi zeigten diese Autoren, dass bei höheren Temperaturen zwischen 60 und 70 °C eine Druckbehandlung wieder zu einem weichmachenden Effekt beiträgt. Dieser Effekt geht wohl auf eine Veränderung des Kollagenanteils bzw. Eiweißabbaus zurück, wie die DSC-Analyse zeigte. Nach Ma and Ledward (2004) sind vor allem H-Brücken für die Konfirmation von Kollagen verantwortlich.

Daher führt erst eine Temperaturerhöhung dazu, dass diese Proteinbestandteile aufgelöst bzw. unter Druck verändert werden. Bei niedrigeren Temperaturen führt eine Druckbehandlung vom Muskel longissimus dorsi zu einem starken Verlust der Farbe und einer Abnahme der Wasserbindefähigkeit (Druck größer als 200 MPa) (Marcos et al. 2010).

Auch Zamri et al. (2006) konnte ab einer Temperatur von 50 °C in Kombination mit Druck wieder eine Abnahme der Verfestigung in Hühnerfleisch nachweisen. Marcos et al. (2010) wies einer veränderte Zusammensetzung der sarkoplasmatischen Proteine nach. Die Veränderung der Löslichkeit und Zusammensetzung von Proteinen wirkt sich auf die Quelleigenschaften von Muskelfleisch aus, was zu einer Abnahme der WHC führt. Auf der Grundlage solcher Untersuchungen wird zunehmend versucht, durch Zugabe von Substanzen mit hohem Faseranteil und der Wahl eines geeigneten Druckregimes die Funktionalität von Fleischmassen zu beeinflussen. Bei einer Untersuchung der Karottenfaser in Schweinewurst konnte Mᴓller (2011) eine Zunahme und verbesserte Immobilisierung von Wasser bei einem thermisch, hochdruckkombinierten Verfahren feststellen. Carballo et al.

(2001) untersuchten den Zusatz verschiedener Bestandteile wie NaCl und Harnstoff zu Putenfleischbrät. Dabei stellten sie fest, dass Urea ähnliche Wirkungen wie eine reine Hochdruckbehandlung auf die Fleischproteine besitzt, es kommt zur Destabilisierung von hydrophoben Wechselwirkungen, was im Resultat ein weicheres Gel als ein thermisch induziertes besitzt. NaCl hingegen zerstört Wasserstoffbrücken sowie elektrostatische Bindungen und erhöht dadurch die Bereitschaft der Proteine für hydrophobe WW. Eine Behandlung der Proteine mit Urea und eine anschließende Hochdruckbehandlung führen zu einem Anstieg der Festigkeit von gebildeten Gelen, es kann also von einem synergistischen Effekt ausgegangen werden. Eine Hochdruckbehandlung führt zu einem Anstieg der Hydrophobizität und sulfhaydryl Komponenten im Putenbrät (Carballo et al. 2001).

Bei sensorischen Untersuchungen von Fleisch nach einer Hochdruckbehandlung lässt sich kaum eine Veränderung feststellen. Rivas-Cañedo et al. (2009) untersuchten das Profil leicht

Theorie

49 flüchtiger Komponenten in zerhacktem Rind- und Hühnerbrustfleisch. Dabei zeigte sich, dass sich einige flüchtige Komponenten verändern bzw. deren Zusammensetzung nach einer Hochdruckbehandlung variiert. Rivas-Canedo et al. (2009) führten dies auf eine veränderte Aktivität bestimmter Enzyme zurück. Sie zeigten, dass 2,3 Butanedione und 2 Butanone vermehrt gebildet werden, wohingegen der Gehalt an Alkanen und Benzolen tendenziell nach einer Hochdruckbehandlung abnimmt. Kruk et al. (2011) wiesen einen Abbau von Alkohol und Aldehydanteilen nach einem Druck von 450 MPa im Fleisch nach. Eine umfangreiche Zusammenstellung von Veränderungen im Fleisch nach einer Hochdruckbehandlug ist bei Cheftel and Culioli (1997) zu finden. Sie beschreiben, dass es nach einer Hochdruckbehandlung direkt preRigor zu einem schnellen pH-Abfall durch einen Abbau von Glycogen durch das Schlüsselenzym Phosphatase kommt. Die ATPase wird bei Hasenfleisch mehr und bei rotem Fleisch weniger stark inaktiviert. Das bedeutet, die Phosphorylase Kinase ist so lange aktiv, bis sie durch die Calciumkonzentration im Cytosol gehemmt wird. Der hydrolytische Abbau von extrazellulärer Matrix wird durch die Inaktivierung von hydrolytischen Enzymen unterbunden, d. h. zum Beispiel der Kollagenabbau durch Cathepsin B sinkt signifikant. Dem entgegen wird aber die Autolyse bei einer Druckbehandlung zwischen 300 – 500 MPa gesteigert. Weiter beschrieben Cheftel and Culioli (1997), dass es zur Desintegration des Actomyosins ab 150 MPa kommt, Aktin denaturiert bereits bei 100 MPa und Myosin bei 200 MPa. ATP soll demnach eine protektive Wirkung auf die Veränderung von F-Aktin und G-Aktin besitzen. Dabei hängen alle Veränderungen stark von der Ionenstärke des Systems ab. Niedrigere Salzkonzentrationen erhöhen die Löslichkeit von Muskelproteinen bei geringerem Druck. Neben den Veränderungen der Proteine beschreibt diese Gruppe auch, dass es bei einer HP-Behandlung über 200 MPa zu einer vermehrten Ranzigkeit und einem höheren Gehalt an freien Fettsäuren kommen kann. Auch Hayakawa et al. 1996 beschreiben die Gelbildung von Proteinen. Sie dokumentieren eine Zerstörung von hydrophoben und Ionenbindungen vor allem zwischen Drücken von 100 – 400 MPa, einhergehend mit einer veränderten Dissoziationskonstante von Wasser, die zu einer veränderten H-Brückenbildung an der Oberfläche von Proteinen führt. Ebenfalls wird eine Gelbildung mit veränderter Löslichkeit der Proteine in Huhn und Schweinefleisch durch eine Druckbehandlung induziert, beschrieben von Jimènez-Colmenero et al. (1998a und b). Diese Autoren stellen bei 400 MPa einen höheren Drip loss fest als bei Gelen bei 200 MPa gebildet werden. Sie beschreiben, dass es neben dem Verlust an Disulfidbrücken und Umorientierung von H-Brücken vor allem zu einem Abbau von myofibrillaren Proteinen (vor allem havy-chain) kommt. Optisch werden hochdruckinduzierte Gele von Muskelproteinen, egal ob vom Fisch oder vom Huhn, als mehr glänzend beschrieben im Vergleich zu thermisch induzierten Gelen (Trespalacios and Pla 2007). Weiter zeigte diese Arbeitsgruppe auf, dass allein durch eine

Theorie

50 Druckbehanldung bei 250/300 MPa ohne Temperatur keine vollständige Gelbildung im Putenfleisch erzielbar war. Eine Hochdruckbehandlung über 150 MPa post rigor nach Cheftel and Culioli (1997) führt zu einer veränderten Zartheit, ein Verschwinden von Nuplin (stabilisiert die Aktinfilamente) ist zu finden.Diesereine Druckbehandlung führt ebenfalls zu einer Denaturierung der Molkenproteine (Lòpez-Fandino 1996; Scollard et al. 2000; O‘Reilly et al. 2001). Es ist ein Anstieg der Viskosität mit steigendem Drucklevel in hochdruckbehandelter Milch zu erkennen, was durch eine Desintegration der Milch-Micellen erklärt wird. Dabei sind beispielsweise im unteren Druckbereich (200 MPa) Auffaltungen von globulären Proteinen wie Lactoglobulin entscheidend (Lòpez-Fandino 1996). ß-Lactoglobulin ist anfälliger für eine druckinduzierte Denaturierung als Albumin oder α-Lactoalbumin (Felipe et al. 1997). In einem Druckbereich von ca. 200 MPa faltet sich β-Lactoglobulin auf und verlässt so seine globuläre Struktur. Die freien hydrophoben Gruppen bewirken eine Assoziation mit dem κ-Casein, wodurch man bei der Käseherstellung beispielsweise eine höhere Ausbeute durch den Einbau von Molkenproteinen in die Käsematrix erzielen kann. Zusätzlich besitzen Molkenproteine ein gutes Wasserbindevermögen, was noch einmal zu einer erhöhten Käseausbeute führt. Jedoch muss man gleichzeitig mit einer Abnahme der Qualität der jeweiligen Käsesorte rechnen (O'Reilly et al. 2001). Die Wasserbindung kann auf die Hydratation der Proteinoberfläche (Gaucheron et al. 1997) oder auf Wasser, das im feineren Gelnetzwerk gehalten wird, zurückgeführt werden. Bei Produkten mit hohen Wassergehalten wie beispielsweise Frischkäse kann dies erwünscht sein. Bei Produkten mit höheren Trockenmassen wie Cheddar kann jedoch eine Veränderung der Textur und Qualität zu einem neuen Produktcharakter führen (Kheadr et al. 2002). Die Gelbildung von Milch-Molkeproteinen und die Stärke der gebildeten Gele hängen nicht nur von der Art der Proteine ab, sondern auch von deren Konzentration (Van Camp and Huyghebaert et al. 1995). Mit Zunahme der Proteinkonzentration wächst die Porengröße des druckinduzierten Gelnetzwerks (Cheftel and Dumay 1996). Mit Zunahme des Drucks steigt die Stärke der gebildeten Gele, die Haltezeit des Drucks hat dabei keinen nennenswerten Einfluss auf die Porosität von Gelen aus ß-lactoglobulin, gebildet durch Druck. Die Temperatur hingegen besitzt einen größeren Einfluss, so ist bei Raumtemperatur für Milchproteine keine vollständige Denaturierung unter Druck beobachtet worden (Tedford et al. 1998). En weiterer Einflussfaktor ist der pH-Wert.

Die gebildeten Gele sind umso härter, je höher der alkalische oder neutraler der pH-Wert ist.

Durch eine Denaturierung dieser Proteine kann in einem bestimmten Druckbereich eine verbesserte Interaktion mit k-Casein erzielt werden. Das ist mit einer größeren Käseausbeute durch höheren Proteingehalt und verbessertes Wasserbindevermögen verbunden (Gaucheron 1997). In höheren Druckbereichen (> 400 MPa) konnte eine stabilisierende Wirkung während der Dicklegung beobachtet werden, was auf eine

Theorie

51 Veränderung in der Gelbildung, d. h. Entstehung eines dichteren Netzwerks, zurückzuführen ist. Die Lab-Gerinnungszeit und die anschließende Reifung werden ebenfalls durch die Hochdruckbehandlung von Milch beeinflusst (Lòpez-Fandino et al. 1996; Messens et al.

1998; Scollard 2000). Sensorische Parameter eines Cheddar-Käses zeigten, dass eine Verkürzung der Reifung durch Anwendung des hydrostatischen Hochdrucks möglich ist (Malone et al. 2003). Unterhalb von 200 MPa ist die Labgerinnungszeit verkürzt, steigt aber mit einer Zunahme des Drucks wie auch die β-Lactoglobulindenaturierung (Lopez-Fandiño et al. 1996). Dies ist wahrscheinlich auf die Bildung intermolkeularer Disulfidbrücken zurückzuführen (Skovgaard 2003). Eine gezielte Inaktivierung mit Hochdruckbehandlung von z. B. Listerien, E. coli undSalmonellen aus der originären Milchflora wurde ebenfalls beschrieben (Mussa et al. 1998; López-Pedemonte et al. 2007; Linton et al. 2008). Sublethal geschädigte Mikroorganismen, die sich während einer Reifung bzw. Lagerung nicht erholen, sondern weiter absterben, beschreiben Trujillo et al. (2000). Untersuchungen zur Inaktivierung von Listerien, E. coli und Salmonellen aus der originären Milchflora wurden bereits beschrieben, dabei konnten in hochdruckbehandelter Milch sowie Käsen positive Ergebnisse mit teilweise kompletter Inaktivierung des jeweiligen Keims erzielt werden (Mussa et al. 1998; López-Pedemonte et al. 2007; Linton et al. 2008). Der Verderbniskeim E.

coli konnte mittels Hochdruck abgetötet werden und auch während der Lagerung und Reifung wurde kein erneutes Wachstum festgestellt (Trujillo et al. 2000). Veränderungen bezgl. Der Zusammensetzung von Käse im Vergleich zu standardmäßig hergestelltem Käse konnten dabei nicht gefunden werden (Linton et al. 2008). In Kombination mit Bakteriozinen (Nisin) konnten (Arqués et al. 2005) mit moderaten Drücken und Druckhaltezeiten positive Inaktivierungen und eine verbesserte Haltbarkeit erzielen. Positiv ist dabei im Hinblick auf den Erhalt des Rohmilchcharakters zu erwähnen, dass die originären Milchsäurebakterien druckresistenter sind als Rekontaminationskeime wie L. monocytogenes (Mussa et al. 1998;

O´Reilly 2001). Eine Optimierung der Prozessparameter einer Rohmilchbehandlung bzw. die Hochdruckbehandlung während der Käseherstellung sowie die Erfüllung der geforderten mikrobiologischen Sicherheit bedürfen nach wie vor eines erhöhten und differenzierten Forschungsaufwandes.

Hochdruckbehandelter in Salzlake verpackter Gouda wurden bei 300 MPa Behandelt (Messens et al. 1998). Dabei konnte im Laufe der Reifung ein verstärkter Abbau von β-Casein und damit einhergehend ein höherer Anteil an γ-β-Casein in der Serumphase beobachtet werden. Dies wurde auf die gesteigerte Aktivität des Plasmins zurückgeführt, dessen Wirkung durch den Zusammenbruch des Gelnetzwerks verstärkt wurde. Eine Hochdruckbehandlung des Käses könnte somit die Proteolyse steigern und somit die Reifungszeit verkürzen (Messens et. al., 1998). Käse aus hochdruckbehandelter Milch

Theorie

52 besitzen eine gesteigerte proteolytische Aktivität, infolge des höheren pH-Wertes durch den erhöhten Wassergehalt im Käse. Jedoch muss man gleichzeitig mit einer Abnahme der Qualität der jeweiligen Käsesorte rechnen. Der Proteolyseanstieg verläuft proportional zum Druck und Reifegrad des Käses. Diese Käse werden jedoch meist einer Hochdruckbehandlung von mehreren Stunden oder auch Tagen ausgesetzt. Vorgereifte Käse benötigen einen geringeren Energieeintrag um die Reifung zu beschleunigen. Somit kann man die gleichen Ergebnissen bei niedrigeren Drücken erhalten, ähnlich denen von Käse, die direkt nach der Herstellung hochdruckbehandelt wurden. Somit kann man die Kosten, die durch die Hochdruckbehandlung zusätzlich entstehen, senken.

Durch die Hochdruckbehandlung eines Cheddar-Käses konnte dessen Reifung um mehrere Monate verkürzt werden, gemessen an dem Anteil an freien Aminosäuren sowie sensorischen Parametern. Dieser als auch ein Parmesankäse wurden nach einer Verkostung mit dem jeweiligen Standard als gleichwertig beurteilt (Rynne et. al., 2008). Das Labenzym Chymosin zeigte bei Drücken bis zu 800 MPa noch eine relative hohe Restaktivität. Zudem konnte ein verstärkter Abbau des -S1-Caseins beobachtet werden (Malone et. al., 2003). Die Wirkung von Chymosin bei der Glykomakropeptidspaltung kann negativ beeinflusst werden durch ein denaturiertes β-Lactoglobulin in hochdruckbehandelter Milch, das sich dieses mit den Caseinen interagiert (Lopez-Fandino et al. 1997).

Das milchoriginäre Enzym Plasmin ist bei Drücken bis 600 MPa relativ druckresistent, wird darüber aber wesentlich inaktiviert. Die Ausprägung der Inaktivierung ist aber auch von der Anwesenheit und dem Gehalt an β-Lactoglobulin abhängig. Casein hingegen stabilisiert Plasmin, was es unanfälliger gegen eine Inaktivierung macht. Plasmin ist wesentlich an der Bildung von γ-Caseinen und Proteosepeptonen aus β-Casein beteiligt. Die Hochdruckbehandlung kann somit Reifungsmechanismen im Käse oder Jogurt beeinflussen.

In Gouda konnte z. B. eine beschleunigte Reifung durch eine Behandlung des Käses bei 300 MPa erzielt werden (Scollard et al. 2000). Bitterfehler im Käse sind häufig auf die Abspaltung des Carboxyl-terminalen Fragments von β-Casein zurückzuführen. Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, ist beispielsweise die gesteigerte Enzymfreisetzung von hochdruckbehandelten Starterkulturen, die zwar geschädigt werden, aber im Laufe der Reifung wieder vermehrungsfähig sind. Daher könnte man diese Kulturen vorab separat hochdruckbehandeln, um eine bewusste Schädigung der Zellwände herbeizuführen und das Freisetzen der Enzyme zu fördern. Die Mikroorganismen werden nun der Kesselmilch vor der Käseherstellung zugegeben, um der Bitterkeit somit entgegenzuwirken (O'Reilly et al.

2001).

Theorie

53 In Fisch und Fischprodukten ist vergleichbar zum Fleisch bei einer Druckbehandlung eine Gelbildungen gezeigt worden. So konnte bei Fischpasten ab 300 MPa eine Gelformation festgestellt werden (Fellow 2005). Fischgele, hergestellt mittels Hochdruck, werden als glasig und weich beschrieben, mit einer uniformeren Textur als thermisch induzierte Gele. Die native Farbe und der native Geschmack bleiben hierbei erhalten (Ohshima et al. 1993). Auch Eiproteine unterliegen ebenfalls einer Gelbildung unter hohen Drücken (> 400 MPa). Dabei wird allerdings das Riboflavin beispielsweise nicht zerstört wie bei einer thermischen Behandlung. Die hochdruckinduzierten Eigele sind ebenfalls weniger hart als thermische induzierte Gele und weisen eine gummiartige Struktur auf (Dumoulin et al. 1998).

Bei Drücken über 300 MPa vermutete man lange Zeit kaum eine Änderung in pflanzlichen Systemen wie Gemüse oder Obst (Knorr et al. 1998). Mittlerweile gibt es verschiedene Literaturquellen, die eine Texturverfestigung abhängig von Druck und Behandlungszeit beschreiben (Basak and Ramaswamy 1998).

Theorie

54

1.10. Hochdruckbehandlung in Lebensmitteln: Wirtschaftlichkeit

Im Dokument Hydrostatischer Hochdruck (Seite 58-68)