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4.3 Winkelaufgel¨ oste Messungen

4.3.4 Diskussion

Die winkelaufgel¨osten Messungen an der PTCDA/Ag(111)-Grenzfl¨ache zeigen eine sehr starke Dispersion f¨ur den Grenzfl¨achenzustand parallel zur Oberfl¨ache. In dieser Richtung erwartet man nur eine schwache Wechselwirkung zwischen den Molek¨ulen.

Interessanterweise ist sie deutlich gr¨oßer als die beobachtete Dispersion des HOMO-Zustands des PTCDA-Festk¨orpers senkrecht zur Oberfl¨ache, also in Richtung des Uberlapps der¨ π-Orbitale [20].

Im Verlauf dieser Arbeit wurden von Tautzet al.Ergebnisse der Rastertunnelspek-troskopie (STS) an Monolagen-Inseln von PTCDA auf Ag(111) ver¨offentlicht [15, 67].

Die Messungen zeigen ebenfalls einen unbesetzten Zustand ∼ 0.7 eV ¨uber dem Fer-miniveau (vgl. Abbildung 4.10). Durch Experimente an PTCDA-Inseln unterschiedli-cher Gr¨oße konnte die Dispersion des unbesetzten Zustands bestimmt werden. Dabei wird ausgenutzt, dass sich ¨uber die quantenmechanische Beschr¨ankung der Elektro-nen durch die Inseln stehende Wellen ausbilden, die diskretenk-Vektoren zugeordnet

66 Kapitel 4. 2PPE am Grenzfl¨achenzustand f¨ur PTCDA/Ag(111)

Abb. 4.10: STS-Messungen f¨ur PTCDA/Ag(111). Die gr¨une Kurve entspricht STS-Messungen an der sauberen Ag(111)-Oberfl¨ache. Die roten und blauen Kurven sind an Monolagen-Inseln von PTCDA aufgenommen. Der Zustand P1 entspricht dem ehemaligen LUMO, das unter das Ferminiveau verschiebt. Der Zustand P2 stellt einen unbesetzten Zustand∼0.7 eV ¨uber dem Ferminiveau dar. (aus [15])

werden k¨onnen. Mit m = 0.47 me ist die effektive Masse des unbesetzten Zustands etwas gr¨oßer als die in dieser Arbeit bestimmten Werte. Aufgrund der zahlreichen Modellannahmen, die in die Auswertung der STS-Messungen eingehen, kann man aber von einer guten ¨Ubereinstimmung sprechen. Tautz et al. interpretieren diesen Zustand als LUMO+1 der Monolage. Die Grundlage f¨ur diese Interpretation ist die starke Verschiebung des LUMO f¨ur die erste Monolage. In IPS-Messungen findet man das LUMO der Multilage bei ∼ 1.3 eV [101, 102], das heißt, f¨ur die erste Monolage beobachtet man eine Verschiebung von etwa 1.6 eV. Impliziert man eine ¨ahnlich starke Verschiebung f¨ur das LUMO+1, so erh¨alt man eine zun¨achst plausible Erkl¨arung f¨ur den unbesetzten Zustand im STS-Spektrum, die auch von DFT-Rechnungen gest¨utzt wird, die das LUMO+1 der Monolage bei ∼1 eV voraussagt [66].

Vor kurzem wurden Messungen von Harriset al. ver¨offentlicht, in denen mit Hilfe von 2PPE ebenfalls das System PTCDA/Ag(111) untersucht wurde. Auch hier wird ein unbesetzter Zustand knapp oberhalb der Fermienergie detektiert, der in Analogie zu den Messungen von Tautzet al.als LUMO+1 interpretiert wird. In winkelabh¨ angi-gen 2PPE-Messunangi-gen wurde außerdem die effektive Masse des Zustands als Funktion der Schichtdicke und Pr¨aparationstemperatur bestimmt. Die Ergebnisse stehen al-lerdings im Widerspruch zu den in dieser Arbeit bestimmten effektiven Massen. Die effektive Masse variiert dort zwischen 0.58mef¨ur 2 ML und 0.96mef¨ur 6 ML PTCDA und zus¨atzlich zwischen 0.74me und 0.52me f¨ur Pr¨aparationstemperaturen zwischen 200 K und 450 K f¨ur 2 ML PTCDA. Die Pr¨aparation scheint also einen Einfluss auf die effektive Masse zu haben. Dies l¨asst die Schlussfolgerung zu, dass in unserem Fall f¨ur alle untersuchten Pr¨aparationen wohlgeordnete PTCDA-Schichten vorhanden waren

4.3. Winkelaufgel¨oste Messungen 67 und somit 0.39 me der effektiven Masse des Grenzfl¨achenzustands f¨ur eine geordnete PTCDA-Schicht entspricht.

Die Interpretation des Grenzfl¨achenzustands anhand der in dieser Arbeit vorge-stellten Messungen unterscheidet sich von den eben diskutierten STS- und 2PPE-Messungen, die den Zustand als LUMO+1 identifizieren. Vor allen Dingen die kleine effektive Masse des Zustands und die damit verbundene starke Delokalisierung ist f¨ur einen reinen PTCDA-Molek¨ulzustand nur schwer erkl¨arbar. Zus¨atzlich ist die hohe Ladungstr¨agermobilit¨at, die von Harriset al.mit 160 cm2/Vs abgesch¨atzt wird, nicht plausibel f¨ur einen Molek¨ulzustand. Sie ist um mehrere Gr¨oßenordnungen h¨oher als die Ladungstr¨agermobilit¨at im PTCDA-Festk¨orper entlang der Schichten, die zwi-schen 10−4 −10−5 cm2/Vs liegt [103]. Selbst die Ladungstr¨agermobilit¨at senkrecht zu den PTCDA-Schichten mit 0.1−1 cm2/Vs [104] ist deutlich geringer, obwohl in dieser Richtung aufgrund des ¨Uberlapps der π-Orbitale eine h¨ohere Mobilit¨at erwar-tet wird. Diese Unstimmigkeiten in der Zuordnung des Zustands sind auch schon in einem Review von Tautz diskutiert [16].

Die in dieser Arbeit bestimmte effektive Masse des Grenzfl¨achenzustands ist mit 0.39 me nahezu identisch zur effektiven Masse des Shockley-Oberfl¨achenzustands auf der sauberen Ag(111)-Oberfl¨ache mit 0.397 me [105]. Da der Shockley-Oberfl¨ achen-zustand in den 2PPE-Spektren nach der PTCDA-Absorption verschwindet, liegt die Vermutung nahe, dass er stark an der Ausbildung des Grenzfl¨achenzustands beteiligt ist und durch die PTCDA-Adsorption ¨uber das Ferminiveau verschiebt und unbe-setzt wird. Dieses Argument wird durch UPS-Messungen an edelgasbedeckten Me-talloberfl¨achen unterst¨utzt, f¨ur die man ebenfalls eine Verschiebung des Shockley-Oberfl¨achenzustands beobachtet. Allerdings ist die dort beobachtete Verschiebung aufgrund der schw¨acheren Wechselwirkung des Adsorbats mit dem Metallsubstrat deutlich kleiner (60−120 meV) [106, 107]. Das Hauptargument liefern allerdings die zeitabh¨angigen Messungen, die im Anschluss an diesen Abschnitt vorgestellt werden.

In den zeitabh¨angigen Messungen zeigt der Grenzfl¨achenzustand eine sehr kurze Le-bensdauer, die ein klares Indiz f¨ur einen starken ¨Uberlapp der Wellenfunktion mit dem Metall ist. Diese starke Kopplung deutet klar darauf hin, dass es sich um den verschobenen Shockley-Zustand der sauberen Ag(111)-Oberfl¨ache handelt und nicht um das LUMO+1 der Monolage. Die beobachtete R¨uckfaltung der Dispersion an den Zonengrenzen der PTCDA-Einheitszelle l¨asst allerdings auch einen gewissen PTCDA-Charakter des Grenzfl¨achenzustands erkennen und zwar vornehmlich f¨urk||0. Die im Nachfolgenden diskutierten zeitaufgel¨osten Messungen sowie die Modellrechnun-gen werden nun einen tieferen Einblick in den Einfluss des Shockley-Zustands sowie der PTCDA-Molek¨ule auf die Ausbildung des Grenzfl¨achenzustands geben.

Eine berechtigte Frage ist nun allerdings: Warum ist das tats¨achliche LUMO+1 der Monolage in den 2PPE-Spektren nicht sichtbar? Wie in Abschnitt 2.1 schon dis-kutiert ben¨otigt man f¨ur die Photoemission der Elektronen aus dem LUMO+1 einen passenden Endzustand in den PTCDA-Molek¨ulen oberhalb des Vakuumniveaus.

Die-68 Kapitel 4. 2PPE am Grenzfl¨achenzustand f¨ur PTCDA/Ag(111)

4.5 5.0 5.5 6.0 6.5

Final State Energy E–EF(eV)

2PPE Signal (arb. units)

n=1

n=2 Interface

State 2 ML PTCDA

EF Evac

n=1 n=2

IS

Abb. 4.11: Links: Anregungsschema f¨ur 2PPE-Messungen mit UV- und IR-Pulsen. Der n= 1 wird mit UV-Pulsen besetzt und mit IR-Pulsen photoemittiert. F¨ur den Grenzfl¨ achen-zustand ist es umgekehrt, er wird haupts¨achlich durch IR-Pulse besetzt und mit UV-Pulsen geprobt.

Rechts:2PPE-Spektrum f¨ur 2 ML PTCDA angeregt mit UV- und IR-Pulsen. Die Verz¨ oge-rung zwischen den Pulsen ist auf maximales Signal f¨ur den n = 1 eingestellt. Der Grenz-fl¨achenzustand und der n = 1 liegen im 2PPE-Spektrum aufgrund der unterschiedlichen Anregung energetisch sehr nahe beieinander.

se Voraussetzung muss f¨ur das LUMO+1 der Monolage nicht zwingend erf¨ullt sein, wodurch der Photoemissionsschritt unterdr¨uckt w¨urde. Dass bedeutet: Selbst wenn das LUMO+1 der Monolage mit der 2PPE angeregt wird, ist nicht gew¨ahrleistet, dass es im 2PPE-Spektrum auch detektiert werden kann.