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Im Rahmen einer randomisierten, verblindeten und placebokontrollierten Studie am Hund wurde die Wirkung von speziellen Ernährungssupplementen im Futter auf das Zellalter und die Gelenkbeweglichkeit untersucht. Es ist bekannt, dass die Altersinvo-lution zu vielfältigen Veränderungen führt und sich sowohl auf zellulärer als auch auf systemischer Ebene auswirkt (AUBERT u. LANSDORP 2008; BELLOWS et al.

2015a). Die systemischen Veränderungen werden auf die zellulären Veränderungen zurückgeführt (MONAGHAN 2010). Sie verschlechtern die Lebensqualität und beein-flussen die Lebenszeit. Deshalb besteht großes Interesse, der Altersinvolution mit möglichst einfach durchführbaren und langfristig anwendbaren Methoden wie zum Bei-spiel einer Anpassung der Ernährung entgegenzuwirken (BELLOWS et al. 2015a).

Um beim alten Hund den Einfluss einer Fütterung mit spezifischen Ernährungssupple-menten zu evaluieren, mussten zunächst Methoden gefunden werden, die in der Lage sind, solche Alterungsprozesse zu beschreiben. Auf zellulärer Ebene ist mit der Alte-rung ein Rückgang der Anzahl und Teilungsrate intermitotischer Zellen verbunden (HAYFLICK u. MOORHEAD 1961; HÖHN et al. 2017). Dieser Rückgang ist mit einer Verkürzung der Telomere assoziiert (AUBERT u. LANSDORP 2008; TOH et al. 2016).

Die Telomerlänge gilt beim Menschen als Biomarker für das Zellalter (MONAGHAN 2010). Beim Hund gibt es bisher wenige Studien zu Telomeren. Um die Telomerlänge zu messen, wurde für den Hund meistens die Southern Blot Analyse der terminalen Restriktionsfragmente (TRFs) angewendet. Diese gilt als Goldstandard (KIMURA et al. 2010; AUBERT et al. 2012; MONTPETIT et al. 2014). Jedoch wurden dabei häufig Protokolle verwendet, die nicht für den Hund evaluiert und nicht immer nachvollziehbar beschrieben und daher schwierig zu reproduzieren sind (YAZAWA et al. 2001;

BENETOS et al. 2011). Außerdem ist von einigen Arbeitsgruppen das Kit TeloQuant Telomere Length Assay (BD PharMingen, San Diego, CA, USA) verwendet worden, das nicht mehr verfügbar ist (NASIR et al. 2001; MCKEVITT et al. 2002; CADILE et al.

2007). Da kein konfektioniertes Kit speziell für canine Telomere erhältlich ist, wurde für diese Arbeit das Kit TeloTAGGG Telomere Length Assay (Roche Diagnostics Interna-tional AG, Rotkreuz, Schweiz) genutzt. Die Methode beruht dabei ebenfalls auf der

Southern Blot Analyse der TRFs. Das zur Verfügung stehende Kit musste zunächst für den Hund evaluiert werden. Dabei zeigte sich, dass für die längeren caninen Telomere Anpassungen des Protokolls erforderlich waren, um eine hinreichende Auswertbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Diese Anpassungen wurden in der vorliegenden Ar-beit detailliert beschrieben, denn nur mit einer reproduzierbaren Methode ist es mög-lich, die Ergebnisse unterschiedlicher Studien zu vergleichen. Die meisten Studien, die eine Southern Blot Analyse der TRFs durchführen, werten die mittlere TRF-Länge aus.

Der Eintritt der Seneszenz oder Apoptose von Zellen wird jedoch erst durch das Errei-chen einer kritisErrei-chen Minimallänge der Telomere induziert, wodurch die Zellen ihre Funktion verlieren und die Altersinvolution voranschreitet (NASIR 2008). Verschiedene Publikationen weisen entsprechend darauf hin, dass nicht die mittlere Telomerlänge, sondern die Länge der kurzen Telomere entscheidend für den Alterungsprozess ist (HEMANN et al. 2001; ZOU et al. 2004). Daher wurde in dieser Arbeit zusätzlich die minimale TRF-Länge gemessen und ausgewertet. Von den oben genannten Studien am Hund werteten jedoch lediglich NASIR et al. (2001) diesen Parameter ebenfalls aus, so dass auch nur mit dieser Arbeit ein Vergleich möglich ist.

Mit dieser Methode konnte in der eigenen Untersuchung ein positiver Einfluss des an-gereicherten Futters bei alten Hunden hinsichtlich der Länge der kurzen Telomere (mi-nimale Länge) festgestellt werden. Für die mittlere Telomerlänge (mittlere TRF-Länge) konnte dies statistisch nicht abgesichert werden. In der differenzierten Betrach-tung hatte das angereicherte Futter somit einen deutlicheren positiven Effekt auf die kurzen Telomere als auf die Gesamtheit der Telomere. Eine Verlängerung der kurzen Telomere, wie sie in dieser Arbeit beobachtet wurde, ist in den allermeisten Fällen durch einen positiven Einfluss auf die Enzymaktivität der Telomerase begründet (ORNISH et al. 2008). Die Telomerase gleicht den Verlust der telomeren DNA aus und bewirkt dadurch eine stabile Telomerlänge (AUBERT u. LANSDORP 2008). Oxidativer Stress, der durch die hier untersuchten Ernährungssupplemente vermindert wird, hat einen negativen Einfluss auf die Aktivität der Telomerase (BORRAS et al. 2004;

MATTHEWS et al. 2006). Die Telomerase weist nun eine höhere Präferenz für kurze Telomere auf, wodurch sie auf diese Fraktion den größten Effekt ausübt (TEIXEIRA et al. 2004; BERNARDES DE JESUS et al. 2011; PHILLIPS et al. 2015). Dies erklärt den

beobachteten deutlicheren Effekt des angereicherten Futters auf die minimale TRF-Länge und bestätigt noch einmal, dass es sinnvoll ist, diesen Parameter zusätzlich zu analysieren. Damit ist es mit der vorliegenden Untersuchung erstmalig gelungen zu belegen, dass mit den untersuchten Ernährungssupplementen beim Hund, ähnlich wie in vorherigen Studien beim Menschen jeweils mit Antioxidantien (MIRABELLO et al.

2009; XU et al. 2009; MARCON et al. 2012), L-Carnitin (FARAHZADI et al. 2016) und Omega-3-Fettsäuren (FARZANEH-FAR et al. 2010; KIECOLT-GLASER et al. 2013;

O'CALLAGHAN et al. 2014), ein stabilisierender Effekt auf die Telomerlänge erreicht wird. Ob dies für die einzelnen Supplemente gilt oder nur in der Kombination, wurde hier nicht untersucht.

Eine verlangsamte Zellalterung lässt in der Folge erwarten, dass die Funktionsfähigkeit von Zellen und Zellverbänden (Geweben) bei älteren Hunden länger erhalten bleibt;

und dass sich dies, bezogen auf den Bewegungsapparat, positiv auf die Gelenkfunk-tion auswirkt. Denn die altersbedingte InvoluGelenkfunk-tion betrifft beim Hund im Besonderen auch den Bewegungsapparat, sie führt zu einer Rückbildung und Veränderung der Muskulatur (HUTCHINSON et al. 2012; PAGANO et al. 2015), des Bindegewebes (HAUT et al. 1992; BAILEY 2001) und des Gelenkknorpels (FRANCUSKI et al. 2014;

BELLOWS et al. 2015a). Um diesen Zusammenhang zu objektivieren, wurde für die vorliegende Untersuchung der Effekt der spezifischen Ergänzungen des Futters auf die allgemeine Beweglichkeit anhand einer kinematischen Analyse der Gelenkbeweg-lichkeit untersucht. Mit der computergestützten kinematischen Ganganalyse kann die Gelenkbeweglichkeit und im Besonderen der Bewegungsumfang der Gelenke (range of motion, ROM) objektiv, reproduzierbar und quantifizierbar erfasst werden (GILLETTE u. ANGLE 2008; GOLDNER et al. 2015; GALINDO-ZAMORA et al. 2016).

Die rein visuelle Beurteilung des Gangbildes hat sich demgegenüber als unzuverlässig herausgestellt (QUINN et al. 2007; WAXMAN et al. 2008).

Bisherige kinematische Studien beim Hund beziehen sich nicht auf gesunde und lahm-heitsfreie alte Hunde. Lediglich altersbedingte Erkrankungen wie Arthrose finden Be-rücksichtigung (BOCKSTAHLER et al. 2012a; BOCKSTAHLER et al. 2012b). Beim Menschen und bei Ratten konnten kinematische Studien jedoch zeigen, dass sich das

ARNOLD et al. 2014; AFIAH et al. 2016; ROLDAN-JIMENEZ u. CUESTA-VARGAS 2016). Auch ist beim Menschen bekannt, dass der Bewegungsumfang der Gelenke im Alter abnimmt und dass es dabei Unterschiede zwischen den Gelenken gibt (SOUCIE et al. 2011; MEDEIROS et al. 2013; HWANG u. JUNG 2015). Zwischen dem bipeden Mensch und dem quadrupeden Hund sind allerdings gravierende Unterschiede in der Biomechanik zu berücksichtigen. Daher musste für die eigene Studie zunächst einmal evaluiert werden, ob sich mit der computergestützten kinematischen Ganganalyse eine verminderte Gelenkbeweglichkeit bei älteren Hunden nachweisen lässt. Außer-dem sollte herausgearbeitet werden, welche Gelenke besonders von einer altersbe-dingten Verringerung der Beweglichkeit betroffen sind und wie ausgeprägt diese Ein-schränkung ist. Deshalb wurde vor Beginn der Fütterungsstudie eine vergleichende kinematische Ganganalyse zwischen jungen und alten Beaglen durchgeführt (LORKE et al., in press). Die Untersuchung ergab bei den alten Hunden eine verminderte Be-weglichkeit der Gelenke der Vordergliedmaße, die am Karpalgelenk statistisch abge-sichert werden konnte. Die Befunde an den Gelenken der Hintergliedmaße waren da-gegen im Vergleich zu der Gruppe der jungen Beagle nicht einheitlich und statistisch nicht abzusichern.

Eine Erklärung dafür, dass bei den alten Hunden vor allem die Gelenkbeweglichkeit der Vordergliedmaße verringert war, lässt sich möglicherweise in der Bewegungsphy-siologie des Hundes finden. Durch die unterschiedliche Ausrichtung der Vorder- und Hintergliedmaßen beim Hund wirken die Hintergliedmaßen vor allem propulsiv, wäh-rend die Vordergliedmaßen hauptsächlich abbremsen (BUDSBERG et al. 1987;

DEBAN et al. 2012). Die Vordergliedmaßen tragen zusammen ca. 60 % des Körper-gewichts und die Hintergliedmaßen nur ca. 40 % (ABDELHADI et al. 2013; FUCHS et al. 2014; WILLEN 2016). Daraus kann abgeleitet werden: da die Vordergliedmaßen einen größeren Anteil des Körpergewichts tragen und während der Fortbewegung die Propulsion abfangen müssen, ist die Folge eine stärkere Belastung dieser Gelenke, was im Alter offenbar mit einer verminderten Beweglichkeit verknüpft ist. Diese Ein-schätzung entspricht einer radiologischen Studie am Hund, bei der eine Arthrose des Karpalgelenks, eine mögliche Folge einer stärkeren Belastung der Vordergliedmaße, fünfmal häufiger war als eine Arthrose des Tarsalgelenks (FRANKLIN et al. 2009).

Die in der Vorstudie etablierte Methode der kinematischen Ganganalyse ist somit ge-eignet, um auch altersbedingte Veränderungen des Bewegungsapparates beim Hund reproduzierbar und vergleichend zu erfassen. Daher wurde sie für die folgende Fütte-rungsstudie genutzt (LORKE et al., submitted). Auf Grundlage der daraus gewonnenen Information konnte angenommen werden, dass ein potentieller Einfluss der Ernäh-rungssupplemente auf die Gelenkbeweglichkeit älterer Hunde stärker an den Vorder-gliedmaßen zum Tragen kommen würde. Und tatsächlich war der größte Effekt des angereicherten Futters bei der Beweglichkeit der Schultergelenke der alten Hunde und dort besonders auf der stärker belasteten Seite zu messen, wo dies auch statistisch abgesichert werden konnte. Für das Schultergelenk auf der schwächer belasteten Seite war der Unterschied zwischen den Gruppen dagegen statistisch nicht abzusi-chern. Bei den anderen Gelenken zeigte das angereicherte Futter keinen positiven Effekt auf alte Hunde.

Diese Ergebnisse führen zu der Frage, wieso der positive Einfluss der Ernährungs-supplemente hauptsächlich am Schultergelenk auftritt. In dem Zusammenhang ist es interessant, dass beim alten Menschen die Schultergelenkbeweglichkeit stärker ein-geschränkt ist als die Beweglichkeit anderer Gelenke (MEDEIROS et al. 2013;

ROLDAN-JIMENEZ u. CUESTA-VARGAS 2016). Das Schultergelenk hat im Gegen-satz zu den anderen Gelenken einen größeren Bewegungsumfang. Die Stabilität ist durch die Gelenkkapsel, spezialisierte Ligamente und große Sehnen gewährleistet (MARCELLIN-LITTLE et al. 2007). Dadurch wird die Beweglichkeit des Schulterge-lenks in einem größeren Umfang als bei anderen Gelenken von Muskulatur und Bin-degewebe beeinflusst. Neben den anderen Ernährungssupplementen, deren positiver Effekt sich auf verschiedene Gewebe auswirken soll, enthält das angereicherte Futter L-Carnitin. Dieser proteinähnlichen Substanz wird im Besonderen ein positiver Effekt auf die Leistungsfähigkeit der Muskulatur zugerechnet (WALL et al. 2011; KIM et al.

2015a). Daher könnte der größere Einfluss der Muskulatur und des Bindegewebes beim Schultergelenk, im Vergleich zu den anderen Gelenken, die Ursache dafür sein, dass das angereicherte Futter in der vorliegenden Studie dort den deutlichsten positi-ven Effekt zeigte.

Zusammenfassend konnte auf zellulärer Ebene ein positiver Einfluss der Ernährungs-supplemente auf die kurzen Telomere von alten Hunden gefunden werden. Auf die Gelenkbeweglichkeit zeigten die Ernährungssupplemente dagegen einen geringeren Einfluss, der lediglich beim Schultergelenk auf der stärker belasteten Seite nachgewiesen werden konnte. In der Partnerarbeit von WILLEN (2016) wurde mit den-selben Hundegruppen ein individuell angepasster Belastungstest durchgeführt, um den Einfluss der Ernährungssupplemente auf die physische Fitness zu evaluieren. Da-bei wurden Herz- und Atemfrequenz erfasst sowie Laktatkonzentration, Sauerstoffpar-tialdruck, KohlenstoffdioxidparSauerstoffpar-tialdruck, Base Excess, pH-Wert und Bicarbonatkon-zentration im venösen Blut. Zusätzlich wurden im Rahmen der computergestützten Ganganalyse kinetische Parameter erhoben. Dabei konnten Tendenzen eines positi-ven Einflusses der Ernährungssupplemente auf die physische Fitness von alten Hun-den herausgearbeitet werHun-den, die sich statistisch jedoch nicht absichern ließen (WILLEN 2016). Möglicherweise hätte das angereicherte Futter über einen längeren Zeitraum gefüttert werden müssen, damit die beobachtete zelluläre Veränderung ei-nen deutlicheren Effekt auf die Gelenkbeweglichkeit und die physische Fitness nach sich gezogen hätte.

Eine weitere Einschränkung der Aussagekraft der Ergebnisse ergibt sich aus dem De-sign als randomisierte, verblindete und placebokontrollierte Studie. Dieses DeDe-sign wurde gewählt, weil dadurch die Aussagekraft und Objektivität der Ergebnisse erhöht wird. Allerdings ergibt sich dadurch der Nachteil, dass die Hunde nicht anhand spezieller Kriterien, wie zum Beispiel anhand des Fitnessgrades, gleichmäßig auf die Gruppen aufgeteilt werden konnten. Durch die Teilnahme von Sport- und Diensthun-den gab es in dieser Studie, bezugnehmend auf die physische Fitness, kein einheitli-ches Probandengut. Daher sollte auf einen einheitlichen Fitnessgrad der Hunde ge-achtet werden, alternativ könnte anhand der physischen Fitness eine Randomisierung in Untergruppen durchgeführt werden. Aufgrund der gefundenen positiven Effekte, be-sonders auf zellulärer Ebene, erscheint es bei älteren Hunden dennoch empfehlens-wert, langfristig ein mit Antioxidantien, mitochondrialen Cofaktoren und Omega-3-Fett-säuren angereichertes Futter zu verwenden, um altersbedingten Veränderungen ent-gegenzuwirken.