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4 Erkundung des Permafrostes

4.1 Direkte Methoden

4.1.1 Erkundungsbohrungen

Mit einem Bohrgerät aus dem Lawinenverbau, mit einem lmlochhammer werden im Ge-lände Bohrlöcher abgeteuft. ln diesen lässt sich zur Erkundung des Parmafrostes die Temperatur messen. Ebenfalls können die Baugrundverhältnisse aufgrund des Bohrfort-schrittes bzw. des Bohrwiderstandes durch einen geübten Bohrmeister qualitativ abge-schätzt werden, namentlich kann Fels oder Lockergestein unterschieden werden. Diese Bohrungen sind relativ einfach zu bewerkstelligen und sind kostengünstig (Abb. 1 ).

Falls genauere Aufschlüsse über die Baugrundverhältnisse notwendig sind, sind Rota-tionskernbohrungen mit Kernentnahme abzuteufen. Im eisreichen Lockergestein sind zwei- bis dreifach Kernrohre einzusetzen und es ist gekühlt zu bohren, damit standfeste Kerne entnommen werden können. Diese Bohrtechnik bedingt allerdings aufwändige Installationen (Abb. 18) und ist wesentlich teurer als einfache Erkundungsbohrungen mit einem lmlochhammer.

Abb. 18 Abteufen von Rotationskernbohrungen am Muot da Barba Peider (Pontresina/GR, 2929 m ü.M., Sommer 1996, Foto M. Phillips)

Jahres-Temperaturverlauf im Permafrost

ln den Erkundungsbohrlöchern wird das Temperaturprofil des Untergrundes gemessen.

Damit die Messresultate richtig interpretiert werden können, sind in Abb. 19 als Beispiel die kontinuierlichen Temperaturmessungen aus dem 20 m tiefen Bohrloch am Muot da

Barba Peider ob Pontresina (Abb. 4) aufgezeichnet. Im Winter wird der Untergrund ab-gekühlt und im Sommer wieder erwärmt, wobei sich die saisonalen Schwankungen we-gen der thermischen Trägheit des Untergrundes verzögert auswirken. ln 4.0 m Tiefe ist die wärmste Temperatur ca. Ende Oktober erreicht, die kälteste Temperatur ca. Ende April. Die Temperaturen schwanken saisonal stärker, je weiter oben man im Bohrloch ist.

An der Oberfläche weisen sie die grösste Amplitude auf. Die obere ca. 1.5 m mächtige Bodenschicht, die Auftauschicht, ist von ca. Mitte Juli-Anfangs Oktober aufgetaut und gefriert im nachfolgenden Winter wieder.

Abb. 19 Saisonaler Temperaturverlauf am Muot da Barba Peider (Pontresina/GR) in verschiedenen Tiefen (Periode Dez. 96-Dez. 97)

ln der folgenden Abb. 20 sind die gleichen Messwerte vom Bohrloch Muot da Barba Pei-der als Monatsmittel aufgezeichnet. ln dieser Darstellung lässt sich die Tiefe Pei-der Auftau-schicht abschätzen. Auch ist erkennbar, dass die saisonalen Schwankungen in der Tiefe gedämpft werden. ln 17.5 m Tiefe, bei der ZAA-Linie, bleiben die Temperaturen während das ganzen Jahres mehr oder weniger konstant und schwanken nur noch minim, in die-sem Beispiel um lediglich ± 0.05° C.

Temperatur [°C]

-4.0 -3.0 -2.0 -1.0 0.0 1.0 2.0 0 2 4 ...

... E 6 .! j:: Cl)

1 ;J

8 -+-Jan 97 10 -+-Mar 97

1

\ .L

12 -+-May97 -+-Jul97 14 -Sep97 16 --+-Nov 97

ZAA-Linie

---[_ · ---r ·---- ---

---18

Abb. 20 Monatsmittel im Permafrost am Muot da Barba Peider (Pontresina!GR.) Wegen der Übersichtlichkeit sind nur alle 2 Monate aufgezeichnet.

Erkundungsbohrungen: Praktische Durchführung und Temperaturmessung

Die Erkundungsbohrungen sind lotrecht bis in eine Tiefe von 8-10 m abzuteufen, um bis zum allfälligen Permafrost im Untergrund vorzustossen. Zur Stabilisierung der Wandung ist das Bohrloch mit einem Polyaethylenrohr zu verrohren. Innerhalb dieses Rohres wird die Temperatur mit einer einfachen Temperatursonde, die am Kabel hinuntergelassen wird, gemessen.

Abb. 21 Temperaturmessung mit einem einfachen Temperaturmessgerät in einem Erkundungsbohrloch am Emshorn, kein Permafrost im Untergrund (Oberems/VS, 2480 m ü.M., Exposition NE, Sept. 1996)

Im oberen Bereich ist der Zwischenraum zwischen dem Polyaethylenrohr und der Bohr-lochwand zur Abdichtung gegen Luftzirkulation mit Mörtel zu verdämmen (Abb. 22). Im Sommer kann durch diesen Zwischenraum warme Luft hineinströmen und die Tempera-turmessung verfälschen. Das Rohr ist wasserdicht auszubilden, damit kein Wasser

hin-einströmen kann, das gefrieren könnte. Oben ist es mit einem Deckel abzudecken, um das Hinunterfallen von Steinen zu verhindern. Die Sohrstelle ist im Gelände mit einem kleinen Betonschacht zu schützen und beispielsweise mit einem Armierungseisen zu markieren, damit die Sondierstelle auch nach einem Schneefall wieder gefunden werden kann.

Erkundung des Permafrostes: Abteufen eines Bohrloches zur Temperaturmessung.

Frühestens 3-4 Wochen nach dem Bohren, sobald sich die Temperatur im Bohrloch sta-bilisiert hat (Reibungswärme infolge Bohren), wird im Bohrloch alle Meter das Tempera-turprofil aufgenommen (Abb. 23 und Abb. 24). Die Temperaturmessungen sollen zweimal in der Periode mit den wärmsten Temperaturen im Untergrund, d.h. einmal im Septem-ber und einmal im OktoSeptem-ber durchgeführt werden. ln 4 m bis 10 m Tiefe sind die wärmsten Temperaturen im Untergrund eigentlich erst in der Periode November/Dezember (Abb.

19) erreicht. Zu dieser späten Jahreszeit ist es wegen den in Permafrostgebieten bereits oft winterlichen Verhältnissen schwierig oder sogar unmöglich, noch ins Gelände zu ge-hen. Die Temperaturdifferenz ist aber klein und kann toleriert werden. Die zweimalige Messung soll Fehlmessungen vermeiden.

Im Bohrloch gemessene negative Temperaturen bedeuten Permafrost (Abb. 23). Im Temperaturprofil kann die Mächtigkeit der Auftauschicht abgeschätzt werden. Darunter ist der Boden permanent gefroren, was in den Erkundungsbohrungen am Muot da Barba Peider bestätigt wurde, als beim Bohren im Sommer Eispartikel an die Oberfläche geför-dert wurden.

Die Interpretation gemessener negativer Temperaturen in den oberflächennahen Berei-chen hat sorgfältig zu erfolgen. Im Oktober/November erfolgt von oben bereits wieder eine Abkühlung des Bodens (Abb. 20). Bei ,allenfall$ negativen Temperaturen in diesen oberflächennahen Bereichen kann es sich entweder um die wieder gefrierende Auftau-schicht oder lediglich um saisonalen Frost handeln, ohne dass Permafrost im Untergrund vorhanden ist. Erst bei negativen Temperaturen, die ab ca. 2-5 m Tiefe gemessen wer-den, handelt es sich um den eigentlichen Permafrost.

-2.0 -1.0

Abb. 23 Temperaturprofil in einem Erkundungsbohrloch am Muot da Barba Peider (Pontresina!GR). Die Auftauschicht beträgt ca. 1.5 m.

ln einem Nicht-Permafrostgebiet ist hingegen die Temperatur im Herbst über das ganze Profil positiv. ln Abb. 24 ist das Beispiel eines Temperaturprofiles am Emshorn (OberemsNS) dargestellt. Die oberflächennahen Schichten sind durch die sommerliche Wärme stark erwärmt. Bis in eine Tiefe von 6.0 m nimmt die Temperatur ab. Ab dieser Tiefe nimmt die Temperatur wieder leicht zu. Unter Umständen ist in dieser Tiefe der geothermische Gradient erreicht, wobei diese Aussage eine Hypothese ist, die durch tiefere Bohrungen zu bestätigen wäre. ln diesem Baugrund ist demzufolge bis in 8-10 m Tiefe kein Permafrost vorhanden, auch in grösseren Tiefen ist wahrscheinlich kein Par-mafrost vorhanden, da die Temperatur in 7.0 m Tiefe mit 3.0° C relativ warm ist.

0 nimmt die Temperatur vermutlich wegen der geothermischen Wärme wieder zu.

Das Bohrloch kann auch mit einer Thermistorenkette, die an einem Datenlogger zur Da-tenspeicherung angeschlossen ist, ausgerüstet werden. Dies erlaubt die kontinuierliche Temperaturmessung, ist aber aufwändiger in der Ausführung als die Messung mit einem

Hand-Temperaturmessgerät Der Datenlogger wird in einem Betonschacht installiert, wo er vor Steinschlag, Schneedruck und der Witterung geschützt ist. Statt Thermistoren mit Datenlogger sind sogenannte Mini-Temperatur-Datenlogger (Bezeichnung UTL, entwik-kelt von Krummenacher 1998) einfacher in der Ausführung. Sie werden in verschiedenen Tiefen in das Bohrloch gehängt werden. Diese kleinen zylinderförmigen Gehäuse (Länge

= 86 mm, Durchmesser

=

39 mm) sind mit einem Temperaturfühler, einer Batterie und einer Speicherelektronik ausgerüstet. Diese messen autonom und kontinuierlich die Temperatur und speichern sie ab.

Weitere Informationen aus den Erkundungsbohrung

Mit den Erkundungsbohrungen, die mit herkömmlichen Bohrgeräten aus dem Lawinen-verbau abgetewft werden, lässt sich im Hinblick auf die Ausführung der Stützwerke die Bohrbarkeit de's Untergrundes beurteilen. Beim Bohrverfahren mit lmlochhammer wird das zertrümmerte Bohrgut über Luftspülung noch oben gefördert. ln eisreichen Locker-gesteinsböden kann der Bohrfortschritt mit konventionellen lmlochhammern stark einge-schränkt oder sogar unmöglich sein. Im eisreichen Lockergestein bildet das Bohrgut oft eine zähklebrige Masse, die schwierig hinauszufördern ist. Eine häufiges Ausblasen des Bohrloches mit Zurückziehen des Gestänges ist notwendig. Bei der Submission ist al-lenfalls der Hinweis auf Eis im Untergrund zu machen. Der Unternehmer kann eine ver-minderte Bohrleistung einrechnen und Kostenüberraschungen bei der Ausführung wer-den vermiewer-den.

4.1.2 Sondierschlitze

Falls auf der Baustelle ein Bagger verfügbar ist (z. B. für den Bau einer Erschliessungs-strasse) können auch Sondierschlitze zur Erkundung des Untergrundes abgeteuft wer-den. Sie haben den Nachteil, dass die Aushubstiefe auf max. 4 bis 5 m Tiefe limitiert ist und dass in einem Hang häufig nicht alle Stellen für den Bagger zugänglich sind.

ln Sondierschlitzen kann das geotechnische Bodenprofil visuell aufgenommen werden und Eis im Boden ist erkennbar. Im Schlitz selber können Temperaturmessungen durch-geführt werden. Es ist aber darauf zu achten, dass das Bodenmaterial nach dem Aushub relativ schnell die Lufttemperatur annimmt.

Bei Dammprojekten sind Sondierschlitze zudem geeignet, die Abbaubarkeit des für die Dammschüttung notwendigen Materials zu beurteilen. Gefrorene, vor allem eisreiche Lockergesteinsböden sind nur sehr erschwert abbaubar. Unter Umständen ist es bei der Ausführung des Dammes sogar notwendig, gefrorene Partien für die Materialgewinnung vorerst schichtweise auftauen zu lassen, bevor sie abgetragen werden können.

Abb. 25 Sondierschlitz im Permafrost: gefrorenes Lockergestein mit Eis, Lawinenauffangdamm Gruben (Turtmannta/NS, 2380 m ü.M., Exposition N, Sommer 97, Foto Alain Broccard)