• Keine Ergebnisse gefunden

3.4 Optimierung von Hits aus dem virtuellen Screening

3.4.1 Dihydropyridazinochinolintrione

Wie in Kapitel 3.3 beschrieben, brachte ein Screening in der NovoNordisk Compound Database (NNCD) verschiedene Pyridazindione hervor (Tab. 3.5 auf Seite 46). Die bei-den affinsten Verbindungen waren20 und21mit Ki = 5,0 bzw. 4,7µM. Durch Eindif-fundieren der Verbindungen in Protein-Kristalle sowie durch Kokristallisationsans¨atze konnte leider keine Struktur der TGT im Komplex mit den beiden Liganden erhal-ten werden. Aufgrund des aufgekl¨arten Bindungsmodus von Inhibitor 18, der ebenfalls durch dieses Screening gefunden wurde, l¨asst sich aber ihr Bindungsmodus plausibel modellieren (Abb. 3.7 auf Seite 49). Ligand20 kann in der Bindetasche der TGT mit 18 so ¨uberlagert werden, dass beide Pyridazindion-Einheiten dieselben Wechselwir-kungen zum Protein eingehen und das Stickstoffatom des Pyridinonrings von 20 sich an der gleichen Position befindet wie ein Stickstoffatom des Imidazolrings von18. Die-ses kann dann ebenfalls eine Wasserstoffbr¨ucke mit dem Wassermolek¨ul W1 eingehen.

Folglich liegt die gleiche R¨uckgrat-Konformation an Leu231 und Ala232 vor, wie sie auch in der Kristallstruktur von TGT·18gefunden wurde. Der Bindungsmodus von21 ist wahrscheinlich analog zu dem f¨ur20 postulierten.

Das Ergebnis einer

”Hot Spot“-Analyse (Kapitel 5.4.1) der Bindetasche der TGT mit einer Wasserstoffbr¨ucken-Donor-Sonde ist in Abb. 3.15 gezeigt. Die Donorgruppen von 20befinden sich im modellierten Bindungsmodus in als g¨unstig berechneten Bereichen.

Zus¨atzlich weist die Analyse bisher nicht adressierte Donor-Felder in der N¨ahe von Asp102 und Asp280 auf. Durch Modifikation des Grundk¨orpers mit Substituenten, die mit diesen Asparagins¨auren wechselwirken k¨onnen, wurde versucht, die Affinit¨at von 20 zu steigern.

Eine Synthese von 20 ist in Luo & Castle [1991] beschrieben. F¨ur eine Optimierung ist aber der Thiophenring in20 aus zwei Gr¨unden ungeeignet. Zum einen k¨onnen aus chemischen Gr¨unden an das Schwefelatom selbst keine Reste angebracht werden. Zum anderen k¨onnen Reste, die an dem zum Schwefelatom benachbarten C2-Kohlenstoff angebracht werden (Abb. 3.16), durch die Geometrie des 5-Rings bedingt, nicht die Bindetasche im Bereich der beiden interessanten Aspartate erreichen, sondern ragen oberhalb davon aus der Tasche heraus. Deshalb wurde zun¨achst der Thiophenring

Abb. 3.15

Hot Spots“ berechnet mit DrugScore f¨ur eine Wasserstoffbr¨ ucken-Donor-Sonde (N.3).Die Wasserstoffbr¨ucken-Donoren von20liegen in als g¨unstig berechneten Bereichen. Zus¨atzlich befinden sich

Hot Spots“ im Bereich von Asp102 und Asp280 (kon-turiert auf 80 (gr¨unblau), 84 (blau) und 88 % (violett)).

bioisoster durch einen Phenylring ersetzt (Abb. 3.16). Die Affinit¨at im Vergleich zur Ausgangsverbindung (Ki= 5,0µM) blieb dabei mit 3,7µM innerhalb der Fehlergrenzen unver¨andert. Zur Dekoration stehen nun die Positionen 8 und 9 von32 zur Verf¨ugung.

20 32 33

Abb. 3.16 Schema, nach dem versucht wurde, die Leitstruktur 20 zu optimieren.Zus¨ atz-lich angegeben sind dieKi-Werte der Verbindungen.

Diese Verbindung wurde durch eine Abwandlung der in Luo & Castle [1991] beschrie-benen Synthese erhalten. Als Edukt wurde Anthranils¨aure anstelle von Aminothio-phencarbons¨aure eingesetzt (Abb. 3.17). Durch die Verwendung von Anthranils¨ aure-Derivaten, die in 5- oder 6-Position substituiert sind, k¨onnen substituierte Dihydro-pyridazinochinolintrione erhalten werden. Zur Einf¨uhrung von Variationen in die Leit-struktur wurde deshalb in der ACD nach Anthranils¨aure-Derivaten gesucht, die eine

geeignete Gruppe f¨ur weitere Verkn¨upfungen in den in Frage kommenden Positionen besitzen.

Abb. 3.17 Synthese-Schema zur Darstellung von 32 und dessen Derivaten.

Als geeignetes Derivat wurde 2-Aminohydroxybenzoes¨aure gefunden. W¨ahrend die 2-Amino-6-hydroxybenzoes¨aure synthetisch nur sehr aufw¨andig zug¨anglich ist, ist 2-Amino-5-hydroxybenzoes¨aure kommerziell erh¨altlich. Dieses Edukt konnte erfolgreich zu33(Abb. 3.16) umgesetzt werden. Die so erhaltene Verbindung besitzt bereits einen Ki-Wert von 0,7 µM. Ihre Hydroxylgruppe kann nun dazu dienen, verschiedene Res-te anzubringen. Etwas nachRes-teilig bei dieser SynthesestraRes-tegie ist allerdings, dass die Einf¨uhrung von Substituenten bereits auf der Stufe des Hydroxyanthranils¨aureesters erfolgen muss, also auf der zweiten Stufe der Synthese.

Dihydropyridazinochinolintrion-Derivate

Modellierungen mitSybyl[SYBYL] und Moloc[Moloc] haben gezeigt, dass von der Hydroxylgruppe in 33 ausgehend mit einem CH2-CH2-NH-Fragment der

”Hot Spot“

im Bereich von Asp280 (Abb.3.15) erreicht werden kann. Direkt benachbart zu die-ser polaren Aminos¨aure befindet sich eine lipophile Tasche, die aus Val45, Leu68 und Val282 gebildet wird. Bei der Optimierung von 33 wurde deshalb versucht, durch ge-eignete Substituenten sowohl eine Wasserstoffbr¨ucke mit Asp280 auszubilden, als auch die lipophile Tasche zu f¨ullen. Die entworfenen Liganden sind in Tab. 3.8 aufgef¨uhrt.

Tab. 3.8 Strukturbasiert entworfene Dihydropyridazinochinolintrione.

Nr. Verbindung Ki [µM ]

34 polymerisiert

35 9,4 ±0,1

Mit Verbindung 34 sollte zun¨achst das Design-Konzept ¨uberpr¨uft werden, ob mit ei-nem CH2-CH2-NH-Fragment der

”Hot Spot“ bei Asp280 adressiert werden kann. Ver-bindung35 sollte zus¨atzlich die lipophile Tasche ausf¨ullen. Der Pyrrolidinrest in dieser Verbindung war zuvor schon zuvor schon als m¨oglicher Substituent zur Optimierung der Dihydrophthalazindione aufgefallen (Abb. 3.14).

Bei der Darstellung von 34 zeigte sich aber, dass diese Verbindung unvorhergesehen-erweise polymerisierte. Vermutlich reagiert die aliphatische Aminogruppe mit der Ke-togruppe des Pyridinonrings. Diese Verbindung stand demnach zur Testung nicht zur Verf¨ugung.

Von 35 konnte keine Kristallstruktur im Komplex mit Z. mobilis TGT erhalten wer-den. Der modellierte Bindungsmodus ist in Abb. 3.18 gezeigt. In diesem Bindungsmo-dus nimmt die Seitenkette des Liganden nach Berechnungen mitMimumba1 [Klebe &

Mietzner, 1994] energetisch g¨unstige Torsionswinkel an (Tab. 3.9). Die Seitenkette geht vermutlich mit dem Stickstoff der Pyrrolidingruppe eine Wasserstoffbr¨ucke zu Asp280 ein. Der pKa-Wert dieser Gruppe betr¨agt 11,35 [Perrin, 1965]. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass diese Gruppe unter den Assay-Bedingungen (pH 7,3) proto-niert vorliegt. Somit sollte die Verbindung eine ladungsunterst¨utzte Wasserstoffbr¨ucke zu Asp280 ausbilden.

1Mimumbaist ein Programm zur Generierung von biologisch relevanten Konformationen. Es beruht auf der statistischen Analyse von kleinen Molek¨ulstrukturen, die in der CSD gespeichert sind.

Abb. 3.18 Modellierter Bindungsmodus von 35.Das Stickstoffatom der Pyrrolidingruppe be-findet sich in einem mit DrugScore als g¨unstig f¨ur Wasserstoffbr¨ucken-Donoren vor-hergesagten Bereich (konturiert auf 80 (gr¨unblau), 84 (blau) und 88 % (violett)). Im modellierten Bindungsmodus geht dieses Atom eine Wasserstoffbr¨ucke zu Asp280 ein. Die aliphatischen Kohlenstoffe des Restes f¨ullen die lipophile Tasche aus, die aus Val45, Leu68 und Val282 gebildet wird.

Der Ki-Wert von 35 betr¨agt nur 9,4 µM. Vom Modell her kann nicht unmittelbar abgeleitet werden, warum durch die Seitenkette die Affinit¨at im Vergleich zu 32 (Ki = 3,7 µM) nicht gesteigert werden konnte. F¨ur Beitr¨age von ladungsverst¨arkten Wasserstoffbr¨ucken zur Affinit¨at eines Liganden werden Werte von -10 bis -20 kJmol−1 angegeben. Das entspricht einer bis zu 3000fachen Affinit¨atssteigerung [B¨ohm & Klebe, 1996; Davis & Teague, 1999; Gohlke & Klebe, 2002]. Allerdings sind diese Werte stark von der Umgebung abh¨angig. Die Beitr¨age von vergrabenen Wasserstoffbr¨ucken sind wesentlich h¨oher als von oberfl¨achenexponierten. Bei Asp280 handelt es sich um eine gut Wasser zug¨angliche Aminos¨aure. Um den vorgeschlagenen Bindungsmodus ein-zunehmen, muss außerdem ein Wassermolek¨ul, das zu Asp280 eine Wasserstoffbr¨ucke ausbildet, verdr¨angt werden. Das sollte entropisch g¨unstig sein, kann aber enthalpisch ung¨unstig werden, da die ladungsunterst¨utzte Wasserstoffbr¨ucke des Wassermolek¨uls zu Asp280 zun¨achst gel¨ost werden muss. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Asp280 mechanistisch als generelle S¨aure-Base fungiert (Jeffrey Kittendorf, pers¨onliche Mittei-lung). Die Aufgabe von Asp280 w¨are es dann, w¨ahrend der Katalyse das freigesetzte Guanin zu protonieren und preQ1 zu deprotonieren. Asp280 w¨urde folglich ¨ uberwie-gend protoniert vorliegen (Abb. 2.5 auf Seite 15). Ist dies tats¨achlich der Fall, w¨are der pKa-Wert von Asp280 im Vergleich zum durchschnittlichen pKa-Wert von Aspar-taten deutlich erh¨oht. Rechnungen zur Vorhersage vonpKa-Werten k¨onnen dies jedoch

Tab. 3.9 Torsionswinkel, die die Seitenkette von 35 im modellierten Bindungsmodus einnimmt, im Vergleich zu g¨unstigen Torsionswinkeln, die in Kristallstruktu-ren kleiner Molek¨ule gefunden wurden. Der jeweils energetisch g¨unstigste Winkel ist unterstrichen. (Berechnet mitMimumba[Klebe & Mietzner, 1994]).

Torsionswinkel modellierter Bindungsmodus

energetisch bevorzugt C.sp3(Methylen)-O.sp3

-C.ar(8)-C.ar(9)

-4° ±180°, ±105°,

±75°, 0° C.sp3(C2’)-C.sp3

(Methylen)-O.sp3-C.ar(8)

-95° -180°, ±90° O.sp3-C.sp3

(Methylen)-C.sp3(C2’)-N.sp3

67° ±180°, ±60°

nicht best¨atigen (Ingo Dramburg, pers¨onliche Mitteilung). Diese Rechnungen wurden allerdings ohne tRNA durchgef¨uhrt, da deren Bindungsmodus nicht bekannt ist. Es ist denkbar, dass erst durch die tRNA-Bindung der pKa-Wert dieser Aminos¨aure ver¨ an-dert wird.

Bei den angestellten ¨Uberlegungen ist einige Vorsicht geboten, weil der Bindungsmo-dus von 35 nicht experimentell bestimmt werden konnte. Denkbar w¨are auch, dass die Pyrrolidingruppe nicht in die Bindetasche zu Asp280 hineinragt, sondern aus ihr heraussteht. Eine ¨ahnliche Seitenketten-Konformation wurde f¨ur Verbindung 65 (Tab. 3.17 auf Seite 104), die ebenfalls eine geladene Aminogruppe besitzt, gefunden (Abb. 3.39 auf Seite 107).

Eine ¨Uberpr¨ufung, ob sich eventuell der lipophile Teil der Pyrrolidingruppe nega-tiv auf die Bindungsenergie auswirkt, war mit dem Dihydropyridazinochinolintrion-Grundk¨orper nicht m¨oglich, weil die entsprechende Verbindung (34) polymerisierte.

Deshalb wurde nach einem chemisch weniger reaktiven Grundger¨ust gesucht.