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4. Diskussion

4.2 Die Wirkungen des Impfstoffs in der behandelten Gruppe

Aufgrund der Entfernung der mLK kam es in der Milz zu einem Anstieg der B-Lymphozyten und Dendritischen Zellen in der Kontrollgruppe; die T-Zellpopulation blieb davon unbeeinflusst. Daraus folgte die Überlegung, ob die ausgebliebene Aktivierung der T-Lymphozyten auf das Fehlen von geeigneten Antigenen zurückgeführt werden könnte.

Um dieser Vermutung nachzugehen, entstand ein Modell, bei dem der behandelten Versuchsgruppe ein Impfstoff appliziert wurde. Dieser Impfstoff enthielt neben der B-Untereinheit des Choleratoxins noch inaktivierte Bestandteile von V. cholera O1 Stämmen. Die bakteriellen Bestandteile führen zu einer Immunantwort, welche vor allem von den lymphatischen Zellen des Darmes und hier besonders in den mLK induziert und reguliert wird. Für die Aufnahme des Impfstoffs in die Antigen-präsentierenden Zellen ist die B-Untereinheit des Choleratoxins (CtxB) verantwortlich. Dabei bindet das CtxB an den Glykolipidrezeptor Gangliosid GM1 auf der Oberfläche der Zielzelle und wird über Endocytose aufgenommen (Blumberg et al, 2005).

4.2.1 Die Wirkung des Impfstoffs auf die mLK der Scheinoperierten

Weil die Antigene des Impfstoffs nach oraler Gabe Kontakt zu den lymphatischen Zellen in den mLK erfahren, wurden neben dem prozentualen Anteil der Dendritischen Zellen auch die T- und B-Zellpopulation in der Durchflusszytometrie genauer untersucht. Die Auswertungen der mLK ergaben eine unveränderte prozentuale Verteilung aller drei Populationen durch die Gabe des Impfstoffs. Hinweise auf eine erfolgreiche Aktivierung der Lymphozyten ließen sich bei den T-Lymphozyten erkennen, welche verstärkt IL-2R exprimierten. Ob diese Aktivierung auf den Kontakt mit Dendritischen Zellen zurückgeführt werden konnte, ließ sich nicht beweisen.

Bedeutende Veränderungen in der B-Zellpopulation wurden vor allem auf den histologischen Bildern deutlich und ließen nach der Impfstoffgabe eine Zunahme an proliferierenden BrdU+ B-Lymphozyten in den B-Zellfollikeln erkennen. Vorgänge, die den durchflusszytometrischen Daten nicht entnommen werden konnten, da bei diesem Verfahren nur die Expression des IgM auf den B-Lymphozyten nachgewiesen wurde.

Allerdings exprimieren B-Lymphozyten des Darmes nach einem Antigenkontakt zuerst IgA (Janeway et al, 2002). Der Klassenwechsel und somit ein Anstieg des IgM erfolgt erst einige Tage später. Benedetti et al (1998) beobachteten einen Anstieg der IgM-Expression in den mLK erst fünf Tage nach der Antigeninjektion. Überträgt man die Daten auf die vorliegenden Ergebnisse wird deutlich, dass zu diesem Zeitpunkt die

zu finden wäre bzw. die Organe zu einem späteren Zeitpunkt entnommen werden sollten. Die Ergebnisse der Histologie belegen auch, dass im Zeitalter der modernen Nachweisverfahren die Histologie bei der Untersuchung von Organen weiterhin einen beachtlichen Stellenwert einnimmt und Veränderungen aufweisen kann, die mit anderen Methoden unbemerkt bleiben.

4.2.2 Die Wirkung des Impfstoffs auf die Milz

Nachdem in den mLK nicht nur eine Anregung der B-Lymphozyten durch den Impfstoff, sondern auch eine marginale Aktivierung der T-Zellpopulation gezeigt werden konnte, stellte sich die Frage, welchen Einfluss der Impfstoff auf die Zellpopulationen in der Milz nach der Resektion hatte.

Dabei hat sich durch die Gabe des Impfstoffs eine gravierende Veränderung im Phänotyp und dem prozentualen Anteil der T-Lymphozyten bei den Scheinoperierten ergeben. Die Migration der CD8+ T-Lymphozyten in die Milz nahm prozentual gesehen nach der Gabe des Impfstoffs zu. Warum hierbei nur die CD8+ Population gewachsen war, ließ sich nicht schlüssig erklären. Bereits Bode et al (1999) stellten fest, dass aktivierte T-Lymphozyten 24 h im Lymphknoten verblieben, bevor sie in den Blutkreislauf gelangten, wobei mehr CD8+ Lymphozyten in den Blutkreislauf eingetreten waren als CD4+ T-Lymphozyten. Unterschiedliche Regulationsmechanismen bezüglich der Zellwanderung und -reifung in den Lymphknoten sollen dem zugrunde liegen.

Hinsichtlich des Phänotyps zeigte der Impfstoff seine stärkste Änderung bei der CD4+ Zellpopulation, wo die Expression von CD45RC, L-Selektin, α4-Integrin, LFA-1 und ICAM-1 bei den behandelten Scheinoperierten anstiegen war. Die Wirkung auf die CD8+ T-Lymphozyten beschränkte sich auf die erhöhte Expression von LFA-1 und ICAM-1.

Eine deutliche Erhöhung des Aktivitätsstatus, welche von Maeyama et al (2001) bestätigt wurde. Sie stellten in einem Mausmodell eine Aktivierung des Immunsystems durch CtxB über eine CD4+-Antwort fest, wobei die höhere Sekretion von IL-4 und IL-12 an der Regulation beteiligt war. Ob die Aktivierung der T-Lymphozyten auf Dendritische Zellen zurückgeführt werden kann, ließ sich aus den dargelegten Daten nicht beweisen, weil die Impfstoffgabe bei den Dendritischen Zellen kaum zu Veränderungen des Phänotyps geführt hatte. Zumindest war keine Veränderung zum gegebenen Zeitpunkt nachweisbar. Es lässt sich nicht sagen, ob keine stattgefunden hatte bzw. andere Zeitpunkte zu überprüfen gewesen wären. Die Dendritischen Zellen in der Milz haben eine Halbwertszeit von ca. zwei Tagen und sind in der Lage, innerhalb von 6 Stunden die Expression von MHCII und CD86 um das 4fache und 30fache zu erhöhen (Wilson et al, 2003), was die schnelle Dynamik des Prozesses verdeutlicht. In der vorliegenden

Untersuchung wurde die Milz vier Tage nach der ersten Impfstoffgabe entnommen, sie befand sich somit genau in der Phase, in der die Zellererneuerung der Dendritischen Zellen hätte stattfinden können.

Neben den Veränderungen der T-Lymphozyten konnten Maeyama et al (2001) eine erhöhte Aktivität der B-Lymphozyten nachweisen, was in dieser Arbeit ebenfalls gelungen ist. Der prozentuale Anteil der B-Lymphozyten in der Milz war nach Gabe des Impfstoffs angestiegen; allerdings blieb das Expressionsniveau des IgM unbeeinflusst.

Eine Erklärung für den fehlenden Nachweis einer erhöhten Antikörperproduktion, könnte die Synthese von IgG liefern, weil dieses in der Milz in einer ähnlich hohen Konzentration vorkommt. Benedetti et al (1998) können die Hypothese bestätigen. Sie gaben Ratten eine einmalige Dosis des vollständigen Choleratoxins und untersuchten in gewissen Zeitabständen bestimmte Organe nach Antikörpern. Dabei wiesen sie einen Anstieg der IgG- und IgM- Synthese in der Milz bereits nach 48 h nach.

Das Zytokinmilieu wurde ebenfalls durch die Impfstoffgabe leicht verändert. Es fiel sowohl ein erhöhter Anteil des RNA-Gehalts von TGF-β, als auch von IL-1β auf. Diese Wirkung des Choleratoxins wurde bereits von Eriksson et al (2002) beschrieben. Auch sie beobachteten eine verstärkte Synthese von IL-1β nach der Gabe der Untereinheit B, die von den Dendrtischen Zellen ausging. Auf diese Weise fördern die Dendritischen Zellen ihre eigene Reifung zu Antigen-präsentierenden-Zellen (Sallusto et al, 1995).

Weiterhin wird von der Untereinheit B ein Teil der adjuvantischen Aktivität des Choleratoxins vermittelt (Staats und Ennis, 1999; Bromander et al, 1993). Im vorliegenden Fall wurde nicht das Zytokin, sondern nur ein erhöhter RNA-Gehalt in den Zellen festgestellt, ein möglicher Hinweis auf die bereits begonnene Syntheseerhöhung des Zytokins.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass nicht nur das Immunsystem des Darmes sich mit dem Impfstoff auseinandersetzt, sondern auch, dass eine systemische Beteiligung vorhanden ist. Die Milz ist somit bereits in der Anwesenheit der mLK bei der Initialisierung der Immunantwort aktiv.

4.2.3 Folgen der mLK-Resektion in der Milz bei den behandelten Tieren

Entsprechend dem oben beschriebenen Modell wird davon ausgegangen, dass der Impfstoff von den Dendritischen Zellen gebunden wurde und diese durch die abzulaufende Aktivierung in den Reifungsprozess übergegangen sind.

Die vorliegenden Daten zeigen nach der Resektion erneut eine starke Zunahme der Migration von Dendritischen Zellen in die Milz. An dem Phänotyp der Dendritischen Zellen hatte sich allerdings zu diesem Zeitpunkt keine Änderung ergeben. Eine Bestätigung dieser Ergebnisse lieferte Grdic et al (2005). In einem Mausmodell wurde die Wirkung von CtxB auf die Dendritischen Zellen untersucht und mit der Wirkung des vollständigen Choleratoxins (Holotoxin) verglichen. Dabei fand er heraus, dass die alleinige Gabe des CtxB zwar zur Anreicherung des Antigens in der Marginalzone geführt hatte, wobei aber die Aktivierung der Dendritischen Zellen ausgeblieben war.

Diese wiesen nur einen geringen Anstieg in der Expression des MHCII Rezeptors auf und gar keine Veränderung von CD80, CD86 und CD40, die als Costimulatoren unerlässlich sind. Hinweise auf die beschriebene Anreicherung des Antigens in der Marginalzone stellen sich auch auf den histologischen Bildern dar. Diese zeigen ein verstärktes Auftreten von BrdU+ Zellen in den Follikeln der B-Lymphozyten. Zusätzlich fallen bandartige Formationen von BrdU+ Zellen in der Marginalzone nach der Resektion auf. Welche Zellpopulation dabei in die Proliferationsphase übergegangen sein könnte, lässt sich nur durch die Verteilung auf die Kompartimente schließen. Hinweise auf die Vorgänge in der Marginalzone lieferten Westermann et al (2005). Sie konnten zeigen, dass sich befindlichen T-Lymphozyten v. a. in der Außenzone der PALS bzw. an der Grenze zur Marginalzone aufhalten. Hier nehmen sie Kontakt zu den Dendritischen Zellen auf. Es kann aber auch zu einem Zellkontakt zwischen T- und B-Lymphozyten kommen. Bei dieser Verbindung können die B-Lymphozyten als Antigen-präsentierende Zelle fungieren, da diese ebenfalls die Fähigkeit haben Antigene auf ihrer Oberfläche zu binden (Janeway et al, 2002). Die vorliegenden Ergebnisse zeigen auf jeden Fall eine erhöhte Vereinigung von BrdU+ Zellen zu Clustern in den Primärfollikeln. Die Anordnung dieser Zellen lässt auf die beginnende Entstehung von Keimzentren schließen und macht deutlich, dass es sich bei den proliferierenden Zellen um B-Lymphozyten handelt.

Ob diese Aktivierung von den T-Zellen unabhängig erfolgt ist, kann der Versuchsanordnung nicht entnommen werden. Allerdings gibt es Hinweise, welche auch diese Überlegung zulassen würden. Diese zeigen eine verminderte Regulation der IL-2R-Expression in der CD4+ T-Zellpopulation nach der mLK-Resektion. Bei den CD8+ T-Lymphozyten wurden α4-Integrin, LFA-1 und ICAM-1 in einem geringerem Maße

exprimiert. Die genannten Veränderungen durch die mLK-Resektion sprechen eher für ein Übergewicht des naiven Phänotyps in der T-Zellpopulation und somit für einen T-Zell unabhhängigen Aktivierungsweg der B-Lymphozyten.

Eine Erklärung für die fehlende Aktivierung der T-Lymphozyten konnten Grdic et al (2005) liefern, welche das vollständige Choleratoxin mit dem CtxB verglichen haben. Sie zeigten, dass nur das vollständige Choleratoxin in der Lage war, die Costimulatoren zu aktivieren und somit über die induzierte Reifung der Dendritischen Zellen die erwünschte Immunantwort auszulösen. Das CtxB konnte die Dendritischen Zellen nicht aktivieren und führte nur zu einer sehr schwachen Aktivierung der T-Lymphozyten. Allerdings resultierte aus der oralen Gabe des CtxB eine Antigen-spezifische, mukosale Toleranz (Grdic et al, 2005). Der Unterschied zwischen dem CtxB und dem Holotoxin in der Funktion ist vor allem auf das Fehlen der Untereinheit A des Holotoxins zurückzuführen.

Diese leitet nach dem Eintritt in die Zelle über die ADP-Ribosylierung die zellulären Veränderungen ein (Lycke, 2005). Bei der Gabe des Holotoxins wird eine polyklonale Aktivierung erreicht, die nicht nur auf einzelne spezifische Antigene beschränkt ist.

Dadurch werden eine Reihe unterschiedlicher Lymphozyten aktiviert und die Möglichkeit des Nachweises erhöht. Auf Grund von Lieferschwierigkeiten der Firma SBL Vaccin AB stand das Holotoxin für diese Versuchsreihe nicht zur Verfügung. Infolgedessen fiel die Entscheidung auf den Impfstoff des Choleratoxins, in dem die inaktivierten bakteriellen Bestandteile die spezifische Immunantwort hervorrufen sollten. Allerdings führen diese zu einer extrem spezifischen Immunantwort gegen Antigene, von der nur einige Lymphozyten, die den passenden Rezeptor tragen, betroffen sind. Verglichen mit der Größe der Zellpopulation wird deutlich, wie schwierig es ist die wenigen aktivierten T-Lymphozyten nachzuweisen. Weiterhin wird eine erfolgreiche Impfung in der Klinik am Titer der Antiköper im Serum beurteilt. In diesem Fall wurden nur die Antigenrezeptoren auf der Zelloberfläche der B-Lymphozyten überprüft. Um die Antikörper im Serum zu bestimmen, wäre die Durchführung eines ELISA nötig gewesen. Eine gewisse Aktivierung durch den Impfstoff wurde v. a. in der T-Zellpopulation deutlich. Dieses hat gezeigt, dass die Milz bereits systemisch an der Verteidigung der Darmpathogene beteiligt ist und dieser Mechanismus durch das Entfernen der mLK nicht weiter gesteigert werden kann.