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1. Einleitung

1.2. Expression und Funktion von TGF-beta im Zentralnervensystem

1.2.4. Die vielfältigen Funktionen von TGF-beta1 im adulten Nervensystem

TGF-beta1 wurde erstmals 1981 aufgrund seiner Fähigkeit, Wachstum in Nieren- und Fibroblastenzelllinien von Ratten zu induzieren, entdeckt, und danach benannt (Moses et al., 1981; Roberts et al., 1981). Schon kurze Zeit später wurde jedoch deutlich, dass seine biologische Aktivität keineswegs auf die wachstumsfördernde Wirkung beschränkt ist.

Vielmehr konnte eine multifunktionelle Natur des Proteins - die offenbar stark von der je-weiligen Umgebung der Zelle sowie dem Zusammenwirken mit zusätzlichen, modulierenden Faktoren abhängt - nachgewiesen werden (Roberts, 1998): So entfaltet TGF-beta1, entgegen der ursprünglichen Vorstellung einer wachstumsfördernden Wirkung, unter anderem auch anti-proliferative Eigenschaften. Seit den 90er Jahren ist bekannt, dass TGF-beta auch im Nervensystem exprimiert wird und dort vielerlei Funktionen erfüllt (Bottner et al., 2000). Auf welche Art und Weise die TGF-betas ihre vielseitigen Wirkweisen auf zellulärer Ebene regulieren, ist allerdings noch nicht endgültig geklärt. Man nimmt an, dass neben zelltyp-spe-zifisch exprimierten Rezeptoren andere Modulatormoleküle wie extra- und intrazelluläre Inhibitoren bzw. Aktivatoren bedeutsam sind, um die vielfältigen Effekte durch TGF-beta1 zu vermitteln (Shi & Massague, 2003). Vermutlich führen auch Unterschiede in der Struktur der Rezeptoren, die Dauer der Bindung an den Rezeptor sowie die örtliche Verteilung des Proteins dazu, dass im jeweiligen molekularen und zellulären Kontext die beabsichtigte Wirk-ung eintritt (Massague, 2000; Dennler et al., 2002). Dementsprechend ist TGF-beta1 dazu in der Lage, gleichzeitig Zellproliferation, Differenzierung, Apoptose, Adhäsion und Migration von verschiedenen Zelltypen sowie die Bildung von Proteinen der extrazellulären Matrix zu modulieren. Abhängig von Zelltyp und Umgebung, fördert TGF-beta1 daher das Überleben der Zelle oder induziert Apoptose, stimuliert Zellproliferation oder begünstigt Differenzierung

und ruft Entzündungen hervor oder löst diese auf (Roberts & Sporn, 1996; Massague et al., 2000a; Dennler et al., 2002). Die vielfältigen Funktionen des Wachstumsfaktors werden im Anschluss näher beschrieben.

TGF-beta1 als Entzündungsmodulator im ZNS. Eine Schlüsselfunktion kommt TGF-be-ta1 in der Regulation der Immunantwort zu (Franzen et al., 1993). Jede Art von Schädigung des ZNS, ob durch akut entzündliche Vorgänge (z. B. Enzephalitis oder Multiple Sklerose), Neurodegeneration (z. B. Morbus Parkinson, Morbus Alzheimer) oder ischämische/hypo-xische Ereignisse hervorgerufen (z. B. Schlaganfall, Herzstillstand), geht mit einer Aktivie-rung von mikroglialen Zellen einher. Diese sezernieren verschiedene signalgebende Zytokine, unter anderem TGF-beta1, welches nach einem entsprechenden Schaden am ZNS schwere, inflammatorische Reaktionen reguliert und eindämmt, indem es die Proliferation und Akti-vierung von Mikroglia unterdrückt (Suzumura et al., 1993; Boche et al., 2006).

TGF-beta1 als neurotropher Faktor. TGF-beta1 zeichnet sich außerdem durch seine neuroprotektive Wirkung gegenüber zahlreichen Toxinen aus (Flanders et al., 1998), indem es seine schützenden Einflüsse auf eine Vielzahl peripherer und zentraler Neurone entfaltet.

Darüber hinaus trägt der Wachstumsfaktor zur Überwachung des neuronalen Zelltods bei und fördert in diesem Zusammenhang das Überleben der Nervenzellen (Krieglstein et al., 1998a;

Krieglstein et al., 1998b; Krieglstein et al., 1998c; Roussa et al., 2004). In Übereinstimmung belegen Studien, dass sich der Verlust von TGF-beta1 in TGF-beta1-deletierten Mäusen negativ auf die Überlebensrate neuronaler Zellen auswirkt. So weisen diese Tiere vermehrt apoptotische Neurone sowie eine weitverbreitete Aktivierung von mikroglialen Zellen auf (Brionne et al., 2003).

TGF-beta1 beeinflusst die Migration von Zellen. Zudem konnte eine Beteiligung TGF-betas an der Zellmigration im zerebralen Cortex während der Entwicklung nachge-wiesen werden (Siegenthaler & Miller, 2004). Bekannt ist außerdem, dass TGF-beta1 Einfluss auf die Migration und Motilität von Astrozyten nimmt. Diesbezüglich konnte gezeigt werden, dass TGF-beta1 in vitro Zell-Zell-Kontakte von astroglialen Zellen verringert, wohingegen fokale Kontakte begünstigt werden. In der Folge erhöht sich die Bewegungsfähigkeit der Zellen (Baghdassarian et al., 1993; Siegenthaler & Miller, 2004).

TGF-beta1 beeinflusst die Produktion extrazellulärer Matrix. TGF-beta1 ist ein pleio-tropes Zytokin mit einer zentralen Funktion in der Wundheilung und Wiederherstellung von Geweben (Border & Noble, 1997). So kommt dem Wachstumsfaktor eine bedeutende Rolle

bei der extrazellulären Matrixbildung, z. B. bei der Bildung von Narben nach Läsionen des ZNS, zu (Brionne et al., 2003). Hier fördert TGF-beta1 insbesondere die Produktion von Molekülen der extrazellulären Matrix (engl.: extracellular matrix, ECM) und beeinflusst maß-geblich deren Gestalt (Moon & Fawcett, 2001). Letztere Funktion ist jedoch keineswegs auf das läsionierte Gehirn beschränkt; vielmehr kann TGF-beta1 die ECM auch im intakten ZNS verändern. In Astrozyten-Kulturen und transgenen Mäusen, die TGF-beta1 spezifisch in Astrozyten überexprimieren, steigert TGF-beta1 die Expression von ECM-Molekülen wie La-minin und Fibronektin (Wyss-Coray et al., 1995). In Analogie weisen TGF-beta1-Knock- out-Mäuse eine verminderte Expression von Laminin auf (Brionne et al., 2003).

TGF-beta1 beeinflusst das Zellwachstum und inhibiert Neurogenese in vivo. Entgegen seiner ursprünglich postulierten Eigenschaften, Wachstum in Nieren- und Fibroblastenzell-linien von Ratten zu induzieren, besitzt TGF-beta1 unter anderem auch anti-proliferative Eigenschaften. Proliferationshemmende Effekte durch TGF-beta1 wurden erstmals an in vitro kultivierten Astrozyten beschrieben (Johns et al., 1992; Lindholm et al., 1992; Morganti-Kossmann et al., 1992; Baghdassarian et al., 1993; Hunter et al., 1993; Rich et al., 1999).

Heute weiß man allerdings, dass TGF-beta1 zudem Schlüsselfunktionen bei der Differen-zierung der astroglialen Zellen zukommen (Sousa Vde et al., 2004). Darüber hinaus ist bekannt, dass der Wachstumsfaktor die Proliferation von Mikroglia und Oligodendroglia inhibiert (McKinnon et al., 1993; Suzumura et al., 1993) und seine anti-proliferative Wirkung auf fötale kortikale, postnatale cerebelläre sowie retinale Neuroblasten und Vorläuferzellen entfaltet (Constam et al., 1994; Miller & Luo, 2002; Close et al., 2005). Erste in-vitro-Studien über den Einfluss von TGF-beta1 auf aNSZ des HC und der SVZ belegen außerdem, dass auch die Proliferation dieser Zellen nach 7-tägiger Inkubation mit TGF-beta1 deutlich ver-langsamt ist. In Übereinstimmung zeigte eine durchflusszytometrische Zellzyklusanalyse eine Zunahme der G0/G1-Population nach TGF-beta1-Behandlung. Zeitgleich wurde eine dosis-abhängige Reduktion der aNSZ-Expansion beobachtet, die sich in einer reduzierten Zellzahl widerspiegelte. TGF-beta1 hatte dabei keinen messbaren Einfluss auf die Fähigkeit der Stammzellen zur Selbsterneuerung und Differenzierung in die drei neuralen Zelltypen, Neu-rone, Astrozyten und Oligodendrozyten (Wachs et al., 2006). Des Weiteren blieb die Anzahl der Neurosphäroide unverändert; auch gab es keinen Anhaltspunkt, der auf einen vermehrten, apoptotischen Zelltod hingedeutet hätte. Eine 7-tägige intracerebroventrikuläre Infusion von TGF-beta1 in vivo bestätigte die in vitro gewonnenen Daten und zeigte ebenfalls eine re-duzierte Zellproliferation in den neurogenen Regionen auf. Zudem fanden sich dort nach der

Infusion weniger Dcx-positive, neuronale Vorläuferzellen (Wachs et al., 2006). Kürzlich vor-gestellte Ergebnisse von Untersuchungen an transgenen Mäusen, die TGF-beta1 unter dem Promotor des GFAP-Gens spezifisch in Astrozyten überexprimieren, konnten die angeführten Daten in vitro und in vivo verifizieren und ebenso eine stark eingeschränkte Proliferation der NSZ nachweisen (Buckwalter et al., 2006).

1.2.5. Die erhöhte Expression von TGF-beta1 bei Erkrankungen des